Rundgang durch Deutschlands größtes Fusionsexperiment

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Plasmen im Mittelpunkt
Formbar

In Garching bei München befindet sich mit dem Experiment ASDEX-Upgrade (kurz: AUG) Deutschlands größtes Fusionsexperiment. Bei AUG handelt es sich um einen Tokamak in dem Plasma mit einem Gesamtvolumen von ca. 14 Kubikmeter auf bis zu 100 Millionen Grad erhitzt werden kann. Als Experimentator hat man nur selten die Gelegenheit selber einen Blick ins Innere von AUG zu werfen bzw. einen Fuß dort hinein zusetzen.

Gehört man doch zu den Glücklichen, kommt nach der ersten Faszination bald die Ernüchterung: Man kommt schnell ins Schwitzen, an der Wand anlehnen kann man sich nicht und Werkzeug oder Schrauben mal kurz irgendwo ablegen geht auch nicht. Außerdem steht eine Tour durch AUG nicht jedem Interessierten zur Verfügung. Nur wer dort wirklich etwas zu erledigen hat, kann in den Tokamak hinein klettern.

IPP, Volker Rohde
IPP-Mitarbeiter beim Einbau von speziellen Spulen in der inneren Wand von AUG (Quelle: IPP, Volker Rohde)

Jetzt gibt es die Möglichkeit einen virtuellen Rundgang durch AUG und einige angrenzende Räume zu machen: Wie in der Pressemitteilung des IPP von letzter Woche erklärt, handelt es sich um sogenannte Kugelpanorama Aufnahmen des Münchener Fotografen Volker Steger die dem Betrachter einen 360 Grad Rundumblick erlauben. Am Rechner hält man einfach die linke Maustast gedrückt, während man den Mauszeiger in die eine oder andere Richtung bewegt, das Mausrad erlaubt stufenloses Zoomen. Dazu gibt es Videos von IPP-Doktorandinnen und Doktoranden, die dem interessierten Besucher einige Hintergrundinfos liefern. Vor allem allen Tabletbesitzern empfehle ich den Besuch der Webseite, es lohnt sich.

Ich schließe mich den Kollegen von der Helmholtz-Gemeinschaft an: es handelt sich hier um ein sehr schönes Stück Wissenschaftskommunikation!

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Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

4 Kommentare

  1. Schade… die einzig erfreuliche nachricht in der wissenschaftskomunikation wäre jene, die aussagte, dass die Fusion in vollem Unfang funktioniere… und endlich ein brauchbares “Kraftwerk” zur Produktion von Energie gebaut werden kann. In der Fusionsforschung sind inzwischen 50 Jahre vergangen, aber man bastelt immer noch an Forschungsreaktoren rum.

    Ich finde es ernüchternd, was da abgeht.

  2. Fusionsforschung sollte offen bleiben

    Meiner Meinung nach hat man sich in der Fusionsforschung zu früh und zu stark auf das Tokomak-Prinzip festgelegt.
    Mit dem Tokomak ist man zwar schon nahe am Break-Even, das stimmt. Dafür hat sich herausgestellt, dass
    1) Kommerziell einsatzfähige Tokamaks sehr gross sein müssen und grosse Mengen an Plasma enthalten
    2) Der Dauerbetrieb von Tokamaks noch mit vielen ungelöste Problemen verbunden ist
    3) Der erste kommerzielle Reaktor basierend auf dem Tokamak-Prinzip noch mindestens 30 bis 50 Jahre entfernt ist.

    Inzwischen haben aber andere mit dem Trägheitseinschluss arbeitende Ansätze vielversprechende Resultate oder Berechnungen hervorgebracht. Beim Trägheitseinschluss, bei der die Fusion in kleinen Brennstoffkügelchen passiert und das in Bruchteilen von Millisekunden, ist:
    1) eine viel kleinere Menge Plasma unter Kontrolle zu halten
    2) gibt es viele recht unterschiedliche Ansätze (Ionen-/Laserbeschuss, Magneeinschluss durch extrem starke Ströme, PlasmajetDrivenFusion, ..) von denen erst wenige experimentell gut erprobt sind, die aber in Berechnungen vielversprechend sind.

    In der Zeitperiode bis ein kommerzieller Tokamak zu erwarten ist, – 50 Jahre also – sollte man diese alternativen Zugänge viel stärker fördern.

    Allgemein wird für Energieforschung viel zu wenig Geld ausgegeben. Gäbe es wissenschaftliche Programme mit Zielen ähnlich wie das von Kennedy ausgegebene Ziel den Mond in 10 Jahren zu erreichen, hätten wir schon längst Demoreaktoren, die die Fusion demonstrieren.

  3. @chris

    Man muss bedenken, was die Menschheit dort im großtechnischen Maßstab durchführbar machen will: Einen Prozess, für den die Natur ein Vielhunderttausendfaches der Erdmasse an Wasserstoff zusammenballen muss und dies unter extremen Temperaturen und Druckverhältnissen, für die hier auf der Erde nichts Vergleichbares existiert. Dies nicht in einem ungesteuerten Moment der Energiefreisetzung wie bei einer Wasserstoffbombe, sondern kontrolliert in einem dauerhaften und sicheren Prozess. Die dafür notwendigen Materialien und Techniken zu entwickeln dauert nun mal.

    Es ist auch nicht so, dass es keine Fortschritte gäbe. Wir haben mittlerweile mit dem Stellarator ein alternatives Design zum Tokamak und der nach diesem Prinzip funktionierende Wendelstein-7X, der 2014 in Greifswald fertiggestellt wird, kostet nur einen Bruchteil des ITER.

    Der Preis, der der Menschheit für die Nutzbarmachung der Kernfusion winkt, rechtfertigt meines Erachtens die Anstrengungen.

  4. Fortschritt

    @chris
    Diesen Vorwurf höre ich immer wieder, deswegen bin ich auch in einen meiner letzten Artikel darauf eingegangen: https://scilogs.spektrum.de/…paltung-und-kernfusion…
    Spritkopf bringt es auf den Punkt: es gibt sehr wohl Fortschritte in der Fusionsforschung. Allerdings werden diese Fortschritte nicht wahrgenommen oder wollen nicht wahrgenommen werden, weil einige Menschen sich vielleicht schon zu sehr auf die sog. erneuerbaren Energien fixiert haben und denken, wir könnten in 20 – 30 Jahren ausschließlich von diesen unseren Energiebedarf decken. Das wird nicht funktionieren, aus verschiedenen Gründen, Energiemix lautet das Zauberwort. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass wir Fusionsforscher, dass zu wenig kommunizieren.

    @Martin Holzherr
    Es stimmt, man hat sich relativ früh auf den Tokamak festgelegt, weil mit diesem die erfolgversprechendsten Ergebnisse erzielt wurden. Was nicht stimmt, ist dass man in dem Konzept des magnetischen Einschlusses nur auf den Tokamak fixiert ist. Es gibt eine Reihe von Alternativen, die ebenfalls erforscht werden, wie bspw. den Stellarator, um nur den prominentesten zu nennen. Um welchen Typ es sich genau bei DEMO, dem Prototypen für einen Fusionsreaktor handeln wird, steht noch nicht fest.
    Es stimmt, dass es auch das Konzept des Trägheitseinschlusses gibt, das ebenfalls erforscht wird. Hier ist man allerdings eher weiter von einem kommerziellen Reaktor entfernt, als bei einem Tokamak: Die Repetitionsrate der Laser muss noch wesentlich gesteigert werden, in den Bereich von Hertz. Dann muss die Effizienz der Laser deutlich erhöht werden, also die Effizienz der Umwandlung von elektrischer Leistung in die Laserstrahlung. Und schließlich ist die Fertigung der kleinen Brennstoffkügelchen nicht zu unterschätzen. Natürlich wird an allen diesen Punkten geforscht, aber ich denke, dass das Konzept des magnetischen Einschlusses weiter fortgeschritten ist.
    Wo ich mit Ihnen völlig übereinstimme ist die Tatsache, dass eine Art Apollo-Programm für die Fusionsforschung selbige um einiges beschleunigen könnte.

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