Columbus auf Reisen

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Plasmen im Mittelpunkt
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Reinhold Ewald bei der Arbeit (Danke an die NASA für die Zuverfügungstellung)Letzte Woche startete in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem Institut die Vortragsreihe "Raumfahrt aus Leidenschaft". Thema war Europas Labor im All, also das Columbus-Modul an der ISS. Das spannende hierbei war der Vortragende selber: Der ehemalige Astronaut und heutige Direktor des Columbus-Kontrollzentrums Reinhold Ewald. Man konnte sich also relativ sicher sein, dass hier jemand weiß, wovon er redet.

Die "Leidenschaft" griff er denn auch gleich auf und bezeichnete die Astronomie als sein "second darling". Nummer eins würde natürlich zuhause auf ihn warten. Bevor er sich dem eigentlichen Thema des Vortrages widmete, hielt er dann zunächst eine "Grabrede" für das Spaceshuttle. Hierbei zeigte er einige beeindruckende Photos sowie einen kleinen Film.

Obwohl ich eigentlich kein Fan von langen Filmen in Vorträgen bin, war dieser hier vollkommen passend, da Herr Ewald den Film fachkundig kommentierte. Neben den herrlichen Bildern weiß das Spaceshuttle aber vor allem auch durch nüchterne Zahlen zu überzeugen: Von anfänglichen 2000t schaffen es immerhin noch 80t ins All. Bei Raketen sieht diese Bilanz deutlich schlechter aus (mind. Faktor 2). Zudem kann das Spaceshuttle als einziges Raumfahrzeug größere Lasten auch wieder zur Erde hinunter bringen. Kurz gesagt: Ohne das Spaceshuttle wäre der Aufbau der ISS so nicht möglich gewesen.

Space Shuttle Discovery (Danke an die NASA für die Zuverfügungstellung)

Eines ist beim Spaceshuttle allerdings nicht gegeben: Der Name ist hier eindeutig nicht Programm. Schließlich bedeutet "to shuttle" soviel wie pendeln, also regelmäßig zwischen zwei Orten hin- und herzufahren. Die tragischen Unfälle des shuttles zeigen zusätzlich den dringenden Bedarf einer Alternative auf. Diese scheint es allerdings interessanterweise noch nicht zu geben. Man darf also gespannt sein, was uns demnächst an potentiellen Raumfahrzeugen so alles präsentiert werden wird.

Nach dieser "Grabrede" gab es dann einen historischen Überblick. Als ISS-Vorgänger stelle Herr Ewald die russische Raumstation Mir vor, die seiner Meinung nach zu wenig Beachtung bekommen hat. Zur Mir hat Herr Ewald natürlich ein ganz besonderes Verhältnis, da ihn sein Raumflug im Februar 1997 zu eben dieser Station hinführte. Er zeigte einige Bilder seines Raumfluges, wobei nicht verschwiegen wurde, dass zwei Tage in einem Sojus-Raumschiff schon einiges an Entbehrungen der Raumfahrer fordern.

Raumstation Mir während der STS-89 Mission entstanden (Danke an die NASA für die Zuverfügungstellung)

Bei dem Photo eines seiner Kollegen im Außeneinsatz wurden wir daraufhingewiesen, dass das Wort "Weltraumspaziergang" in Gegenwart ehemaliger Astronauten tunlichst zu vermeiden sei.

Vorgänger für das Columbus-Modul selber waren die Spacelab-Missionen. Bei dem Spacelab-Modul handelt es sich um ein Labor, welches für den Einsatz im Spaceshuttle konzipiert war. Auftraggeber war auch hier die ESA.

Nun erfolgte die Überleitung zur ISS, die mittlerweile eine Fläche einnimmt, die der eines Fußballfeldes entspricht. Somit eine Größe, die sich jeder Deutsche gut vorstellen könne. Die Solarmodule der ISS können eine elektrische Leistung von 120 kW erzeugen. Interessant ist hier die Tatsache, dass diese 120 kW dazu führen, dass man eher das Problem hat Abwärme abzuführen, anstatt die Station nicht hinreichend heizen zu können.

ISS im März 2009 während der STS-119 Mission aufgenommen (Danke an die NASA zur Verfügungstellung)

Es folgte eine Auflistung der zahlreichen Experimentprogramme, wobei Herr Ewald die erfolgreiche Züchtung von Kresse im Weltraum sowie Experimente zur Natrium-Einlagerung bei Menschen im Weltraum hervorhob, da es sich hier um anschauliche und nachvollziehbare Experimente handelte. Ansonsten ging er leider nicht weiter ins Detail, was aber auch nicht verwundert, schließlich war es ein öffentlicher Abendvortrag und zu diesem Zeitpunkt war bereits weit über eine Stunde verstrichen. Der aufmerksame Wissenslog-Leser wird wissen, dass es auch eine Reihe von Plasmaphysik-Versuchen an Bord der ISS gibt, die meine Kollegin Mierk Schwabe beschreibt und sogar mitbetreut.

Zum Abschluss gab es noch ein paar interessante Zahlen: Vielleicht erinnert sich noch jemand an die Suche nach Astronauten, welche die ESA vor einigen Monaten gestartet hatte. 8500 gültige Bewerbungen gab es, welche in einem ersten Auswahlverfahren auf 1000 reduziert wurden. Nach dem zweiten Schritt blieben noch 200 übrig, nach einem dritten noch 80. Vermutlich wird es am Ende 4 zukünftige Astronauten geben. Nach diesem Vortrag wünschte man fast, zu dieser Gruppe dazuzugehören 😉

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Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

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