Wie Sars-CoV-2 in China evolviert

Es scheint so, als würde die aktuelle Post-Öffnungs-Coronawelle in China tatsächlich so gravierend wie befürchtet. Dort infizieren sich nun binnen ziemlich kurzer Zeit hunderte Millionen Menschen, mit entsprechenden Folgen für Gesundheitssystem, Wirtschaft und nicht zuletzt die Lieferketten nach Europa. Das Ganze ist aber auch virologisch interessant und vor allem eine Warnung für den Rest der Welt. Die gigantische Menge an Neuinfektionen bietet viele Gelegenheiten für spannende Mutationen, und so könnte bei der China-Welle auch noch einmal eine völlig neue Variante entstehen, die dann um den Globus marodiert.

Das kann prinzipiell mehrere Formen annehmen. Erstens könnte eine neue Variante schlicht noch ansteckender sein und sich auch bei uns schneller verbreiten. Dann besteht die Gefahr, dass eine weitere Immunflucht-Variante auftaucht, die die bevölkerungsweite Immunität auch bei uns effektiv genug unterläuft, um weitere Varianten-Wellen entstehen zu lassen. Schließlich könnte auch eine in ihren Eigenschaften veränderte Variante auftreten, die zum Beispiel auch geimpfte Menschen schwerer krank macht als bisher oder weniger empfänglich für antivirale Medikamente ist.

Was tatsächlich passiert, hängt einerseits stark vom Zufall ab[1], andererseits aber auch von dem evolutionären Umfeld, in dem sich das Virus wiederfindet. Die Situation in China ist ziemlich einzigartig, weil das Land einen ganz anderen Weg gegangen ist als der Rest der Welt. Es gab dort sehr wenig Infektionen und die verwendeten Impfstoffe sind andere, und damit ist der Kontext für die Evolution neuer Linien ein anderer als überall sonst.[2]

Wohin der Selektionsdruck treibt

Infektiosität und Immunescape sind beides Eigenschaften, die ziemlich direkt durch den Selektionsdruck auf das Virus gesteuert werden. Grob gesagt: wenn ganz viele potenzielle Opfer ohne nennenswerten Immunschutz da sind, gewinnen Viren, die besonders ansteckend sind. Wenn die ganz vielen potenziellen Opfer schon eine Immunität haben, gewinnen Varianten, die diese Immunität umgehen.

Man kann sich recht einfach klar machen, dass Immunescape in China zumindest vorerst kein Thema ist. Dort waren bisher nur wenige Menschen infiziert, die verwendeten Impfungen richten sich gegen den Wildtyp und liegen zum Teil eine ganze Weile zurück.[3] Die derzeit dort dominierenden Virusvarianten sind Abkömmlinge von BA.5, zum Beispiel BF.7 und ähnliche. Nun haben diese Varianten als Omikron-Nachkommen schon einen sehr effektiven Immunescape gegenüber Wildtyp-Antikörpern.

Das heißt, es gibt bei der chinesischen Welle erst einmal keinen Selektionsdruck hin zu einer Immunflucht-Variante, weil der für die aktuelle chinesische Situation relevante Immunescape bereits evolviert ist. Stattdessen geht der Selektionsdruck in China eher in Richtung schneller Verbreitung. Die Viren, die möglichst schnell möglichst viele Menschen anstecken, werden dominieren. Man würde tendenziell erwarten, dass Sars-CoV-2 in China erst einmal ansteckender wird. Das ist ein bisschen analog zur Situation früh in der Pandemie, als zuerst einmal die deutlich ansteckendere Alpha-Variante entstand, bevor dann später Immunescape wichtig wurde.

Covid im Schlaraffenland

Allerdings gibt es da eine Reihe von Aspekten, die die Sache komplizierter machen. Zum einen kann man keineswegs davon ausgehen, dass eine in einer bestimmten Eigenschaft überlegene Variante in China diesen Vorteil auch im europäischen Kontext – also in einer bereit weitgehend mit Omikron infizierten Bevölkerung – noch hat.

Das scheint sich bei der Variante BF.7 bereits zu zeigen, die sich in China mutmaßlich schneller verbreitet als andere Varianten. Sie hat dort eine kürzere Inkubationszeit und ist ansteckender als andere Omikron-Linien. Im Rest der Welt dagegen kommt BF.7 nicht in vergleichbarer Weise voran, sondern bleibt Teil der “Variantensuppe”. Das deutet darauf hin, dass ein in China “verbessertes” Virus nicht notwendigerweise auch bei uns den anderen Varianten in vergleichbarem Maße überlegen ist.

Ein weiterer möglicher Aspekt ist, dass Sars-CoV-2 im Moment in China vermutlich ungewöhnlich wenig Selektiondruck spürt. Die ursprünglich dort eingeführten Omikron-Abkömmlinge sind insgesamt so fit und es gibt so viele praktisch naive Wirte, dass auch potenziell nachteilige Mutationen und Linien mit geringerer Fitness sich verbreiten können. Das bedeutet, dass womöglich erst einmal gar nicht so viel gerichtete Evolution passiert, sondern für eine Weile nur die genetische Vielfalt der Linien ansteigt.[4]

Irgendwann ist das Schlaraffenland natürlich zu Ende, die Ressourcen werden knapper und die Kosten geringerer Fitness steigen. Aber bis dahin kann das Virus mit Mutationen experimentieren und herumkombinieren, die womöglich unter weniger günstigen Umständen schnell ausgemerzt worden wären. Und mehrere unauffällige Mutationen können sich zu einer dramatischen neuen Eigenschaft kombinieren. Das macht so eine Phase hoher genetischer Vielfalt potenziell schwer kalkulierbar.

Evolvieren Varianten in China unabhängig?

Dabei stellt sich natürlich auch im größeren Kontext die Frage, was insgesamt bei Sars-CoV-2 noch drin ist – also welchen Anteil seines sozusagen Möglichkeitenraums das Virus schon abgegrast hat. Gibt es einen noch nicht gehobenen Schatz an Varianten mit anderen genetischen Profilen analog zum Auftauchen von Omikron? Die aktuelle chinesische Welle könnte da aufschlussreiche Hinweise geben, wenn im Land genug sequenziert wird.

Eine andere Möglichkeit, wie eine in China entstehende Variante möglicherweise Ärger machen könnte ist, wenn ihre Entwicklung unabhängig verläuft. China ist allemal groß genug, dass dort unabhängig vom Rest der Welt ein ähnlicher Prozess ablaufen könnte wie die Entwicklung, die bei uns von Omikron zu BA.2, BA.5 und zur aktuellen Variantensuppe führte. Nur eben mit einem anderen Startpunkt. Nun wissen wir aber nicht, ob dieser Prozess völlig zufällig ist oder in beiden Fällen von den gleichen fundamentalen Mechanismen in ähnlicher Weise geformt wird.

Und damit ist auch unklar, ob so eine originär chinesische Omikron-Variantensuppe unserer ähneln wird und deswegen für uns keinen großen Unterschied macht. Oder eben, ob die chinesischen Omikron-Abkömmlinge mit unseren nicht viel zu tun haben und dann womöglich bei uns als ganz neue Varianten auftauchen. Ich persönlich vermute, dass der Austausch zwischen China und dem Rest der Welt zu effektiv ist, als dass sich Omikron in China unabhängig entwickelt.

Das ist aus meiner Sicht auch das plausibelste Szenario, wie die Welle in China im Bezug auf die Virusevolution ausgeht. All die Omikron-Varianten, die bei uns so umgehen, werden ein, zweimal durch China durchrollen und keinen wirklichen Raum für irgendwelche Konkurrenz lassen. Am Ende ist das Land einfach virologisch auf dem gleichen Stand wie der Rest der Welt. Aber sicher kann man das natürlich nicht sagen – schon weil wir bis heute nicht wissen, woher neue Varianten wirklich kommen.

Eingehegt durch Immunität

Spannend ist aber nicht nur, ob in China wirklich was Neues entsteht, sondern ob und in welchem Ausmaß dieses Neue bei uns dann auch eine Rolle spielen würde. Das ist nämlich keineswegs klar. Bei lange etablierten vergleichbaren Erregern wie Influenza, die humanen Coronaviren, RSV oder Rhinoviren aller Art hat man über die Jahre Millionen und Abermillionen Infektionen und damit entsprechend viel Spielraum für evolutionäre Experimente. Ich habe aber keine Zweifel, dass auch von den gängigen Erkältungsviren immer wieder mal ziemlich exotische Varianten auftauchen. Die aber scheinen insgesamt keine allzu große Rolle zu spielen.[5]

Ein möglicher Grund ist, dass bei diesen Viren nahezu jeder Mensch bereits eine gewisse Immunität aus früheren Kontakten mit dem Virus hat, und die dominierenden Linien vom evolutionären Wettlauf zwischen Immunität und Immunescape geformt werden. Auch bei Sars-CoV-2 gibt es Anzeichen für einen Übergang zu einer solchen Entwicklung, zum Beispiel Hinweise auf genetische Drift und Konvergenz zwischen verschiedenen Linien durch starke Selektion. Ganz neue Varianten sind in so einer Situation meist recht weit vom Fitness-Optimum entfernt und können sich den dadurch entstehenden Fitnessverlust wegen des hohen Selektionsdrucks durch die verbreiteten Immunität nicht leisten.

Insofern könnten die Auswirkungen einer neuen chinesischen Variante uns auch einen Hinweis geben, wie ähnlich die Dynamik von Sars-CoV-2 den etablierten Erregern tatsächlich inzwischen ist. Da vertreten ja einige Fachleute die These, dass die gefährliche pandemische Dynamik wegen der verbreiteten Immunität diesen Winter endet und wir im “endemischen Regime” mit genetischer Drift sind.[6] Eine völlig neue chinesische Variante würde dann zwischen den bereits stark optimierten Omikron-Nachfolgern und der verbreiteten, oft hybriden Immunität zerrieben.

Man kann das Argument allerdings auch umdrehen: demnach führte der Vergleich mit der endemischen Dynamik bei etablierten Erregern gerade in der aktuellen Situation in die Irre. Denn bei denen ist es ja gerade der massive Selektionsdruck durch die allgemeine Immunität, der verhindert, dass völlig neue Sachen auftauchen. Dafür, dass nach fast drei Jahren globaler Infektionswellen plötzlich ein Reservoir von mehr als einer Milliarde immunologisch naiver Menschen zugänglich wird, gibt es schlicht kein historisches Vorbild.

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[1] Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Man sollte meinen, dass Bakterien oder Viren mit ihrer sehr hohen Vermehrungsrate relativ bald alle genetischen Kombinationen durchprobiert haben und deswegen auch quasi jede Eigenschaft evolvieren, die sie evolvieren können. Tatsächlich spricht aber viel dafür, dass sie nur einen Teil der möglichen genetischen Vielfalt und der zugehörigen Eigenschaften abdecken. Aufschlussreich ist dabei Lenskis Long Term Evolution Experiment (LTEE). Dort haben die Bakterien eines schönen Tages die Fähigkeit evolviert, Citrat zu verdauen, was E. coli sonst nicht macht. Wie sich später zeigte, wurde der Keim für diese Neuerung schon viele Generation zuvor gelegt. Insgesamt drei unabhängige Mutationen mussten zusammen kommen, damit die Bakterien schließlich Citrat verwerten konnten. Jede einzelne von ihnen bietet keinen Vorteil – und deswegen gibt es auch kenen Selektionsdruck, diese Mutationen oder gar zwei von ihnen entstehen zu lassen oder zu behalten. Das bedeutet, für viele neue Eigenschaften sind reihenweise Zufälle nötig. Genetische Vielfalt erhöht die Chance, dass mehrere solche Zufälle zusammenkommen, starke Selektion verringert sie.
[2] Das ist auch ein ganz wesentlicher Punkt. Der Kontext entscheidet. Es ist eben nicht so, dass jede Mutation einen bestimmten Bonus liefert und das Virus sammelt einfach im Laufe der Zeit die höchsten Boni ein und ist dann das ultimative Powervirus. Wir sind hier nicht bei Shadowrun.
[3] China hat zwar eine relativ hohe Impfquote, das ist aber auch schon eine ganze Weile her, und seit Anfang 2022 gab es nur noch wenige Impfungen. Das deutet auch darauf hin, dass die eigentliche Ursache der aktuellen Malaise vermutlich gar nicht die Zero-Covid-Politik selbst war, sondern dass China verpennt hat, kontrolliert wieder aufzumachen, als der größte Teil der Bevölkerung frischen Impfschutz hatte.
[4] Das ähnelt zum Teil der Situation zu Beginn der Pandemie. Allerdings erfährt ein neues Pandemievirus recht hohen Selektionsdruck, sich besser an den neuen Wirt anzupassen. Sars-CoV-2 hat dagegen nach drei Jahren eine sehr hohe Fitness im Menschen.
[5] Interessanterweise ist das bei Bakterien und Pilzen etwas anders, da tauchen immer mal wieder gefährlich neue Varianten auf. Bei diesen Organismen gibt es allerdings ein externes Reservoir, nämlich die Umwelt. Das heißt, man hat da nicht die enge Koevolution mit der Immunität.
[6] Auch wenn ich mich wiederhole: endemisch heißt nicht harmlos.

14 Kommentare

  1. Eine kleine Anmerkung zu dem ausgezeichneten Überblick:
    Manche Formulierung ist doch sehr anthropomorph ( gewinnen Varianten, die diese Immunität umgehen; Fitnessverlust wegen des hohen Selektionsdrucks durch die verbreiteten Immunität nicht leisten; zwischen den bereits stark optimierten Omikron-Nachfolgern und der verbreiteten, oft hybriden Immunität zerrieben ).
    Es ist doch wohl so, dass diese Evolution innerhalb der gegebenen “Umweltbedingungen” ohne Zweck und Ziel in einer derartig hohen Anzahl von Exemplaren vonstatten geht und in China eine große Zahl von “Bioreaktoren” unterschiedlichster Immunantwort ( anthropomorph: ) zur Verfügung steht. Die innerhalb dieser Randbedingungen am wenigsten angepassten können sich nicht so schnell reproduzieren ( “Darwin von hinten” ) und haben wegen der dann geringeren Anzahl weniger Schadenspotential.

  2. Man wird wohl in der Tat abwarten müssen.

    Für unser Gesundheitswesen kann die Entwicklung in China aber auch ohne neue Mutanten ungute Folgen haben, wenn wegen der Krankheitswelle dort der Export von Medikamenten und Hilfsmitteln eingeschränkt wird.

    • Wir wollen doch China sowieso bald sanktionieren. Dann können wir uns schon mal daran gewöhnen wie das so ist.

  3. Das Problem bei sehr großen Zahlen ist, dass sich durch lokale Fluktuationen jedes beliebige Szenario ergeben kann – was für China gilt, gilt ja nicht für jeden Ort in China, und auch nicht für jede Situation. Es kann durchaus sein, dass eine stark ansteckende Variante per Auto zur Oma fährt und dort auf eine Umwelt trifft, die Immunescape fördert – beide Eigenschaften schließen sich ja erst im Wettbewerb aus. Die Gefahr liegt nicht in dem, was Viren normalerweise tun oder was gut und nützlich für sie ist. Es geht um die Flüchtigkeitsfehler, die Corona-Putins: Die Mutanten, die keinen Sinn ergeben, sondern einfach zufällig lange genug überleben, um gewaltigen Schaden anzurichten, bevor sich die Sache entweder von selbst erledigt, oder die Menschheit nachhelfen kann. Die Wahrscheinlichkeit ist und bleibt gering, die Viren drehen ihr Gefahrenpotenzial selber runter, denn sie könnten uns locker flockig den Garaus machen, und offensichtlich sind die Varianten, die dies allzu gern taten, mit den betreffenden Populationen ausgestorben. Doch die Menschheit bettelt so verbissen um ein Killervirus, dass sie sich doch erweichen lassen könnten.

    Könnte auch eine Killerbakterie sein. Lockdown und Masken setzen ja nicht nur einen Erreger unter Druck. Wir haben derzeit unzählige hyperaggressive Mutationen, die gleichzeitig versuchen, uns gegen sich zu immunisieren, was unser Immunsystem ja ziemlich belastet. Ich habe Horrorvisionen, in denen wir eine Pandemie von Autoimmunreaktionen kriegen, weil die weißen Blutkörperchen zum KKK ausarten und Trump-style alles angreifen, was keine Kapuze trägt. Und diese Party wird jetzt mit frischen China-Mutanten berieselt… Natürlich ist meine Paranoia keine Wissenschaft. Nur nicht ganz so unzuverlässig, wie ich es gerne hätte. Wann immer es so aussieht, als hätte sie sich geirrt, versucht es die Menschheit halt noch mal, mit einem neuen, komplexeren Szenario. Was Immunescape des Virus angeht, es tut das, was es am besten kann – es rennt auf unseren Beinen.

    Die Rolle, die ein Virus in der Natur erfüllt, muss nicht mit den Interessen des Virus übereinstimmen. Es kann selbst ein Werkzeug in übergeordneten Selbstregulierungsmechanismen sein. Und die können so einfach sein, wie zum Beispiel, dass Chaos Chaos verursacht, bis ein System, das seine Ordnung nicht mehr aufrechterhalten kann, mit großem Krach auf Null gesetzt wird, um sich von Grund auf neu aufbauen zu können. In einem solchen System ist ein jeder Teilerfolg Teil des Selbstzerstörungsmechanismus, denn er verhindert, dass sich das Problem rechtzeitig entladen kann – alle Dämme sorgen nur dafür, dass es sich anstaut, sodass die Bombe, wenn sie endlich platzt, echt gewaltig platzt. In einem solchen Weltuntergangsszenario, in dem alle Dämonen, die wir uns über Jahrzehnte gezüchtet haben, in einer Kettenreaktion gleichzeitig über uns hereinbrechen, sind wir gerade drin. Dass bei Putin und Xi vor lauter Überforderung die Sicherungen durchknallen und sie total sinnloses Wild-Card-Zeugs machen, gehört dazu.

    Bislang wirkte Corona fast wie ein Hormon: Als sich die Irren um die Aggressivsten scharten und bereit machten, den Speisesaal zu zerlegen, schickte es alle in Einzel-Gummizellen, wo jeder nach eigener Fasson durchdrehte, bis es den meisten von uns echt langweilig wurde. Trumps Operettenregime endete, Putin traf nicht auf einen führerlosen Westen. Aber auch er ist erst in der Gummizelle so richtig gaga geworden. Es ist ein Szenario, das Superspreader schafft, das viele Menschen schwach und müde macht, sodass sie sich recht gefügig den wenigen Egos ergeben, die es durchgehalten haben. Jetzt hat jeder seinen Irrsinn perfektioniert, der Eskalation steht nicht viel im Wege – Bühne frei für den Kampf der Mutanten. Andererseits führt Müdigkeit auch zur gesteigerter Reizbarkeit, weswegen die Völkchen dann doch rebellieren – und bereit sind, noch aggressiveren Anführern zu folgen. Wenige durchgeknallte Egos, viel potenzielle Gefolgschaft…

    Für das Virus bedeutet das, der Mensch ist als Feind praktisch neutralisiert, wir machen uns größere Probleme. Der Mensch ist endemisch geworden, würde ich mal sagen. Falls er den Viren noch in die Parade fährt, dann mit sehr vielen Panzern.

  4. Ganz im Ernst. Mittlerweile ist mir alles egal. Ich habe die letzten Jahre damit verbracht, brav meine Maske zu tragen. Ich habe Freunde verloren, weil ich Corona wirklich ernst genommen habe. Geburtstage? Familienfeiern? Fehlanzeige. Ich habe sogar meinen Job gekündigt, um komplett ins Homeoffice wechseln zu können.

    Das alles, um dann völlig enttäuscht zu werden, weil Lauterbach _vor_ seiner Regierungsbeteiligung ganz anders argumentiert hat, als jetzt. Das alles, bevor Drosten gesagt hat: “Ja, komm. Nun ist die Pandemie vorbei”.

    Und jetzt schwappt evtl. eine neue Variante rüber. Aus China, wo ja die ursprüngliche Krankheit schon her kam. Die Preise für Import-Stuff werden noch weiter steigen und nebenbei haben wir noch eine feine Energiekrise.

    Ich glaub, jetzt ist wirklich scheissegal, was wir tun und ob wir überhaupt noch was tun.

  5. Von der theoretischen Optimalität her betrachtet scheinen mir in China drei Faktoren anders:

    #1 es kommt auf Geschwindigkeit an
    #2 es findet keine Kontaktverfolgung mehr statt
    #3 chnesische Impfstoffe sind Ganzvirusimpfstoffe

    Es gibt also einen Evolutionsdruck auf schnelle Verbreitung, nicht weite Verbreitung. Der Erreger sollte also R0 einer schnelleren Generationszeit opfern.

    Wenn Erkrankte isoliert werden, gibt es einen Evolutionsdruck zu asymptomatischen Fällen. Der ist in China gerade weggefallen.

    Der Evolutionsdruck zur Immunflucht richtet sich weniger stark auf das Spikeprotein. Er gilt als mehr der Immunität durch Infektion als der Immunität durch Impfung.

  6. Schliesse mich der Aussage von Herrn Kuhn an , auch wenn Wir – mal allgemein gesehen in Europa – mit der Virussituation nicht belastet werden ” sollten” so spüren wir doch schon einige Enpässe in der wirtschaftlichen Versorgung ! Zu Nennen — Medikamente ! Wir stehen wohl eher am Anfang einer noch nicht abzuschätzender Situation !!

  7. Vielleicht finden wir ja endlich ins Jetzt und Hier zurück und hören auf, die Zukunft sehen zu wollen. 1.Kommt es anders und 2.als man denkt.
    Wir sind so damit beschäftigt, Sicherung und Kostenoptimierung für die morgige Zukunft zu betreiben, dass uns die Evolution von hinten überholt.
    Denn bei allem “hätte, würde, könnte, müsste” eines ist wohl unbestritten: Die Evolution allen Lebens hat uns erst zu dem gemacht, was heute über die Evolution nachdenken kann. Sie ist also mit Variation, Anpassung und Selektion bereits sehr, sehr viel länger erfolgreich, als der Mensch überhaupt existent.

    Und ja, so ungern wir es hören wollen, der Mensch bleibt Teil dieser Natur und unterliegt damit unausweichlich deren hervorrangend aufeinander abgestimmten Gesetzen.
    Es ist daher ziemlich kurzsichtig, dem was wir meinen erkennen zu können, entkommen zu wollen, weil wir im selben Moment dem zum Opfer fallen, was wir gerade vergessen haben, oder noch nicht kennen.
    Damit ist die Gesamtheit aller geltenden Gesetze gemeint: von “Energie kann weder erschaffen, noch vernichtet werden” über “Alles ist begrenzt” und “Alles hat (s)einen ‘Preis’ ” bis eben “Überleben des am besten Angepassten” . . .

  8. unklare Gefahrenlage also… aber während andere Länder vorsichtshalber Einreisende aus China testen lassen, setzen wir ein weiteres Mal auf Abwarten…. nichts dazugelernt ! ? Waren die letzen drei Jahre immer noch nicht schlimm genug?

  9. Viel Spekulation und noch mehr Wunschdenken – das war mein erster Gedanke, nachdem ich den Artikel gelesen hatte.

    Ich kann natürlich nachvollziehen, wenn man die Hoffnung bewahren möchte, dass die Varianten auf einem reichhaltigen Nährboden wie China nur die gleichen Prozesse durchlaufen, wie zuvor schon bei uns. Dieses Denken von – “ach, es wird schon nicht so schlimm werden und irgendwie ist es doch auch ganz spannend” – erinnert mich an Anfang 2020 bei Lanz, wo Fachleute ebenfalls die Lage vollkommen unterschätzt haben und man sich über Maskenpflicht und Reiseverbote noch fast lustig gemacht hat. Was darauf folgte wissen wir alle nur zu gut.

    Und auch damals waren soooo viele Fachleute davon überzeugt, dass die Coronaviren nicht so stark mutieren würden wie Influenzaviren. Auch das war eine so gewaltige Fehlannahme, wie sich dann später zeigte.

    Scheinbar angeln wir uns von einer Fehleinschätzung zur nächsten und hoffen insgeheim, dass es schon nicht so schlimm kommen wird, wenn wir daneben liegen. Fachleute, Presse, Wirtschaft und Regierung spielen alle ein wenig Gott und am Ende heist es dann – “oh Gott oh Gott… das konnte ja keiner ahnen”. Ja, diese billige Ausrede sollte vor Gericht jetzt auch immer zählen 😉

  10. Kleiner Nachtrag: Was sich in der Corona-Krise übrigens sehr deutlich zeigte, ist die Tatsache, dass die Länder dieser Welt keinerlei echte Strategien haben, um ein gefährliches Virus aufzuhalten und das nationale und wirtschaftliche Interessen vor Vernunft und Menschenleben kommen.

    Sollte es eines Tages dazu kommen, dass ein todbringendes und hoch ansteckendes Virus sich ausbreitet, so wären wohl 90 bis 99 Prozent der Menschheit nach wenigen Wochen ausgelöscht, weil Politiker und Fachleute viel zu lange noch über wirtschaftliche und finanzielle Konsequenzen diskutiert haben, statt direkt zu handeln.

    Hier zeigt sich übrigens auch die Globalisierung als großer Nachteil, wenn man auf Ressourcen und ganz besonders Nahrungsmittel aus dem Ausland angewiesen ist und deswegen die Grenzen nicht komplett dicht machen kann.

    Wir sollten alle hoffen, dass es nie soweit kommt, denn mit unserer ewigen Debattenkultur selbst bei ernsten Problemlagen wären wir vermutlich noch vor Sonnenuntergang tot und hätten keinen Handschlag zur eigenen Rettung unternommen 😉

    Rund 160.000 Tote in Deutschland durch Corona sind ja Beweis genug für das politische, aber auch strategische Versagen!

  11. Werner Bach,
    “Rund 160.000 Tote in Deutschland durch Corona sind ja Beweis genug……”
    Diese Form der Argumentation funktioniert in Europa nicht.
    Die Europäer sind geprägt von Kriegen, und niemals waren die Toten ein Argument, keinen neuen Krieg zu beginnen.
    Siehe derzeit Ukraine.

    Was die Gefahr einer Pandemie betrifft, mittlerweile ist der Schlendrian zurück, die Mehrheit trägt keine Gesichtsmaske mehr.

    Umweltschutz, nur ein Lippenbekenntnis, man schaue sich die Staus auf den Autobahnen an.
    Blaubeeren im Winter aus Peru , dazu fällt mir nichts mehr ein.
    SUVs mit 400 PS , besetzt mit einer Person .
    Die Flugzeuge nach Mallorca sind voll. Schiffsreisen boomen wieder.
    Aber jetzt nicht auf die Politiker und Fachleute zeigen, als ob die Schuld wären.

    Erst wenn Hamburg unter Wasser steht, wird man erneut diskutieren.
    Du hast ganz recht mit deiner realistischen Einschätzung.

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