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Wissenschaft für alle
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Universitäten und andere staatliche Forschungsinstitute sollen die Wissenschaft vor Vereinnahmung für bestimmte Interessen schützen. Was aber, wenn die Regierung selbst Wissenschaft in ihrem Sinne zu manipulieren sucht?

Diese Frage stellt sich in den USA, wo eine offen wissenschaftsfeindliche Regierung schon seit geraumer Zeit versucht, Wissenschaft zu kontrollieren, ihre Ergebnisse zu manipulieren oder, falls das nicht fruchtet, sie einfach mundtot zu machen.

Im aktuellen Spiegel lesen wir heute von einer Umfrage unter Wissenschaftlern der US-Umweltbehörde EPA. Die Union of Concerned Scientists (UCS) fragte rund 1600 Forscher, ob die Regierung Einfluss auf die Ergebnisse ihrer Arbeit genommen habe. Sie hatte, erklärten über die Hälfte der Forscher. Die Manipulation reichte von gezielter Verzögerung und Behinderung bei der Verbreitung von Informationen bis hin zu expliziten Anweisungen, wissenschaftliche Ergebnisse zu verfälschen oder zu unterdrücken.

Am meisten manipuliert wird in den Bereichen, in denen direkte Interessenkonflikte mit der Industrie bestehen: Bei der Bewertung von Umweltfragen und der Umsetzung dieser Erkenntnisse in konkrete Vorschriften. In diesen Bereichen berichteten drei Viertel der Forscher von politischer Einflussnahme.

The main problem I see is an administration that considers science only if it supports its agenda. As in other areas, science is used only if it furthers preexisting policy; otherwise it is ignored, marginalized or suppressed.

– ein EPA-Wissenschaftler gegenüber der UCS

Die Manipulationsversuche zielen zuerst einmal darauf, das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft umzukehren. Statt eine Entscheidungsgrundlage zur Verfügung zu stellen, sollen Wissenschaftler Argumente für bereits beschlossene Politik liefern oder, fall ihre Ergebnisse das nicht hergeben, eben den Mund halten. Forschung als PR-Instrument der Regierung.

Derartige Bestrebungen sind nicht neu. Bemühungen, unbequeme Wissenschaftler auf Linie zu bringen oder Ideologie unter dem Deckmantel von Wissenschaftlichkeit zu betreiben, gehören schon seit geraumer Zeit zum Repertoire nicht nur der US-Regierung. Gerade letzte Woche veröffentlichte JAMA zwei Studien über die Manipulation von Forschungsergebnissen durch Unternehmen. Von derartigen Versuchen, Wissenschaft für ökonomische oder politische Zwecke einzuspannen und zu manipulieren, geht eine erhebliche Gefahr aus. Denn unter derartiger Vereinnahmung, wie wir sie derzeit in großem Stil in den USA sehen, leiden langfristig vor allem Ansehen und Glaubwürdigkeit der Wissenschaft selbst.

Politikern und Unternehmen mag dieser Kollateralschaden als hinnehmbar im Vergleich zu den kurzfristigen ökonomischen und politischen Zielen erscheinen, die auf diese Weise erreicht werden. Eine Gesellschaft, deren Wohlergehen inzwischen in nahezu jeder Hinsicht von Technik und Wissenschaft abhängt, kann es sich jedoch nicht erlauben, so nachlässig mit der Grundlage ihres Erfolges umzugehen.

In Deutschland und Europa werden derartige Debatten glücklicherweise eher unter anderen Vorzeichen geführt. Unsere Kanzlerin hat einen wissenschaftlichen Hintergrund, und erst kürzlich wurde mit der Deutschen Akademie der Wissenschaften ein zentrales Beratungsgremium in wissenschaftlichen Fragen geschaffen.

Die Stammzelldebatte im Bundestag neulich hat deutlich gemacht, wie groß teilweise noch die Vorbehalte gegenüber wissenschaftlicher Forschung sind. Der Blick auf die andere Seite des Atlantiks zeigt derzeit allerdings, dass wir mit dem hiesigen Verhältnis der Politik zur Wissenschaft immer noch recht gut bedient sind.

7 Kommentare

  1. Und wie immer…

    …in einer Demokratie werden auch bei uns auf Dauer nur die Bereiche einigermaßen freiheitlich durchlüftet bleiben, für die es eine interessierte Öffentlichkeit gibt.

    Umso mehr Menschen sich mit Wissenschaft befassen und es als auch “ihre Sache” betrachten, umso empfindlicher werden die Reaktionen auf Missbrauch durch wirtschaftliche, politische oder auch selbst wissenschaftliche Institutionen ausfallen.

  2. Genau.

    Und das ist meines Erachtens auch ein bisschen das Problem in den USA. Dort versuchen diverse ökonomische und weltanschaulichen Interessengruppen mit einigen Erfolg, Wissenschaft zu diskreditieren. Als Beispiele seien die Kreationisten genannt.

    Deswegen gibt es dort keine Mehrheiten mehr gegen Missbrauch und Gängelung.

  3. stimmt leider

    Ich kann das aus eigener Erfahrung nur bestätigen. In den letzten Jahren haben mir eine ganze Reihe von Klimaforscher-Kollegen von NASA und NOAA (beides Regierungsbehörden) bitter ihr Leid geklagt, wie sie daran gehindert werden, mit Journalisten über ihre Ergebnisse zu reden, weil die globale Erwärmung der US-Regierung nicht ins Konzept passt. Die Kollegen der amerikanischen Unis sind dagegen natürlich genauso frei wie wir.

  4. Bei DailyKos drüben…

    …wird das Thema auch gerade wieder diskutiert. Zitat:

    *From Michael Crichton’s State of Fear to Stein’s Expelled, there is nothing to prevent the most awful, misleading drivel from reaching and influencing mass audiences. There are no standards. There is no filter. And the truth is not just automatically going to win in the competition of ideas when the playing field tilts against it.*

    Das ist im Grunde der Punkt. Wissenschaft ist nun mal für plakative Propaganda nicht zu gebrauchen, und deswegen sind Wissenschaftler immer gezwungen, vorsichtig und Defensiv zu argumentieren.

    Wissenschaftsfeinde brauchen einfach nur kontinuierlich mit Dreck zu werfen, irgendetwas wird schon kleben bleiben.

  5. Nicht nur in den USA 😉

    “Was aber, wenn die Regierung selbst Wissenschaft in ihrem Sinne zu manipulieren sucht?”
    …dann werden eben auch mal Studien so interpretiert, wie man sie braucht..und manchmal sind die Medien dabei noch fleißige Helfer….

    Dein Beitrag passt wie die Faust aufs Auge auf meinen Blogbeitrag zu einer Schulstudie:
    Element-Studie wird zum Politikum – Wie eine Studie Sachverhalte “belegt”, welche sie nicht untersucht hat…
    Dort wird ein Ergebnis “herausgelesen”, welches die Studie gar nicht geliefert hat.

    “Die Kollegen der amerikanischen Unis sind dagegen natürlich genauso frei wie wir.”
    …wobei ich mich frage, ob diese Freiheit, dank der persönlichen Vorlieben und Voreinstellungen der Forscher, nur eine scheinbare ist?

    Ich ertappe mich oft genug bei meinen Voreingenommenheiten und denke dann, dass es anderen auch nicht besser geht ;-))

  6. “Dort versuchen diverse ökonomische und weltanschaulichen Interessengruppen mit einigen Erfolg, Wissenschaft zu diskreditieren. Als Beispiele seien die Kreationisten genannt.”

    Ist das nun Dein rein intuitiver Eindruck oder gibt es dazu harte Fakten? Wird die Evolutionsforschung der “Zufallisten” in den USA von den “Kreationisten” wirkungsvoll verhindert?

  7. Stichwort

    Kansas Board of Education

    Wie Kreationisten ticken ist außerdem sehr ausführlich am gut dokumentierten Dover-case (den die Spinner glücklicherweise verloren haben) und vergleichbaren Initiativen zu beobachten. Der Film “Expelled” bietet auch ne gute Fallstudie zur geistigen Verfassung solcher Leute.

    Sachen wie das Kreationismus-Museum oder das neue Kreationismus-Journal changieren allerdings eher ins Lächerliche…

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