Was Atombomben mit Whisky zu tun haben

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Es gibt Leute, die zahlen unfassbare Preise für alte Whiskys. Mir persönlich ist es das nicht wert. Der einzige über 25 Jahre alte Whisky, den ich jemals getrunken habe, schmeckte deutlich nach Käsefüßen. Aber so ein 70 Jahre alter Whisky kann schon mal einige zehntausend Euro kosten, und da ist der Anreiz groß, das Zeug zu fälschen.

Für die schottische Whiskyindustrie ist das natürlich ein großes Problem. Zum Glück gibt es Atombomben, genauer gesagt, die oberirdischen Atombombentests seit den 40er Jahren. Dabei entstanden große Mengen radioaktiver Substanzen. Auf dieser Tatsache basiert das etwas nerdige Verfahren einer schottischen Arbeitsgruppe, alte von jungen Whiskys zu unterscheiden.

Bombenpeak des radioaktiven Kohlenstoffs,. Quelle: Hokanomono via Wikipedia

Es gibt natürlich auch nicht-nukleare Methoden, solche Fälschungen zu entdecken. Man kann zum Beispiel mit hochpräziser Analytik die Inhaltsstoffe des Originals mit denen der mutmaßlichen Fälschung vergleichen. Aber dazu braucht man natürlich erst einmal das Stoffprofil des Originals, und der Punkt bei seltenen Whiskys ist, dass sie selten sind. Da sind so genaue chemische Daten oft nicht zu bekommen.

Wie man die Herkunft von Whisky bestimmt…

Zwei andere Methoden umgehen das Problem, indem sie die wahrscheinliche Herkunft des Whiskys unabhängig bestimmen. Mit Infrarotspektroskopie gewinnt man ebenfalls Daten über die Inhaltsstoffe, und statistische Analysen erlauben Rückschlüsse auf Fasstyp, Herkunft und Alter. Mit Hilfe einer Isotopenanalyse von Wasserstoff und Sauerstoff kann man außerdem bestimmen, woher das Wasser kam, und das Verhältnis von Kohlenstoff-12 und Kohlenstoff-13 zeigt, ob der Alkohol überhaupt aus Gerstenmalt stammt – und nicht aus Zuckerrohr.

Das Alter direkt und präzise zu bestimmen, ist allerdings komplizierter – gleichzeitig auch dringend. Neuerdings kann man einfach alte Flaschen kaufen und mit neuem Whisky befüllen. Das ist nun nicht nur bei extrem seltenen Sachen ein Problem, sondern bei Flaschen für ein paar hundert Euro. Das ist fast schon ein Massenmarkt.

Die jetzt neu beschriebene Methode, das Datum der Herstellung zu bestimmen, gleicht im Prinzip der C-14-Methode in der Forschung. Lebewesen nehmen das radioaktive Isotop mit der Nahrung auf und speichern bei ihrem Ableben so die Konzentration des Isotops in der Atmosphäre zum Zeitpunkt ihres Todes. Das C-14 zerfällt zwar, aber mit ein bisschen Rechnerei kann man auf die ursprüngliche Konzentration rückschließen – und damit auch auf das  genaue Alter.

…und das Alter

Bei jungen Proben haben sich die Atomtests als sehr praktisch erwiesen: Man kann sie dadurch viel genauer datieren, als es nur durch natürlichen Kohlenstoff möglich wäre. Die Atombomben nämlich haben den Kohlenstoff-14 in der Atmosphäre fast verdoppelt, und seitdem sinkt die Konzentration wieder. So hat quasi jedes Jahr seither seine charakteristische C-14-Menge. Diesen Bombenpeak nutzen Fachleute schon eine ganze Weile, um Proben aus dem 20. Jahrhundert genau zu datieren: Leichen, Weine, Drogen.

Bei Whisky liegt die Sache aber etwas komplizierter als bei Leichen. Whisky reift in Eichenfässern, die Reste deutlich älterer Getränke enthalten können – und dadurch die Datierung verfälschen. Außerdem gibt das Alter auf der Flasche nur das Alter des jüngsten Whiskys an, aber es können auch Anteile aus wesentlich älteren Chargen darin sein.

Die schottische Arbeitsgruppe hat deswegen das gemacht, was man für alle C-14-Datierungen tun muss[1], damit die Altersangaben auch stimmen: eine Kalibrierkurve gebastelt - aber eine speziell für Whisky. Genauer gesagt, für den Alkohol in Whisky. Aus der hat das Team eine ziemlich lange Formel errechnet, anhand derer man das Alter des Whiskys – angeblich – auf zwei Jahre genau berechnen kann.

Der falsche Talisker

Dummerweise gibt es für jeden Kohlenstoffwert zwei mögliche Alter. Der Bombenpeak war etwa um 1965, und jede C-14-Konzentration in der Atmosphäre über dem natürlichen Level kam zweimal vor – einmal während des Anstiegs zum Peak, und einmal während des Abfalls danach. Das Problem kann man auf zwei Arten lösen.

Zum einen sind Whiskys aus der gesamten nuklearen Ära direkt durch ihre höhere Radioaktivität direkt als solche erkennbar. Zum Beispiel testete die Arbeitsgruppe in der Veröffentlichung einen Talisker, der angeblich von 1863 stammt. Doch der Alkohol enthält dafür schlicht zu viel C-14.

Von wann der angebliche Talisker dann genau war, enthüllen fossile Brennstoffe. Der fossile Kohlenstoff drückt nämlich nicht nur den Anteil an C-14 in der Atmosphäre, sondern auch den des C-13, und zwar ziemlich kontinuierlich seit den 1960er Jahren. Demnach ist der Talisker nicht mal aus den späten 50er Jahren, sondern ein Produkt des 21. Jahrhunderts. Das ergibt Sinn, denn ein fast 60 Jahre alter Whisky ist sicher zu teuer, um ihn für eine Fälschung zu verwenden.

[1] Auch bei der klassischen C-14-Methode stimmen berechnetes Alter und reales Alter nicht überein. Das liegt daran, dass einerseits natürliches C-14 nicht gleichmäßig produziert wird, und andererseits das Kohlendioxid aus fossilen Brennstoffen die Kohlenstoffisotopen in der Atmosphäre verschiebt, weil es zu alt ist, um noch C-14 zu enthalten.

7 Kommentare

  1. Das tolle bei diesem Test ist, der geht mit einem Massenspektrometer und benötigt vernachlässigbare Mengen des Teststoffs.

    • Das Nachteil: dafür werden Beschleunigungs-Massenspektrometer benötigt, und die sind unfassbar teuer und aufwändig, weil sie aus einem Teilchenbeschleuniger und einem Massenspektrometer bestehen (eigentlich zwei Massenspektrometer, eine Kombination von Quadrupol bzw. Ionenfalle und TOF ist gängig). Keine Ahnung wieviele solcher Geräte es gibt, aber es werden nicht allzuviele sein.

  2. Käsefüße 😄 So alten Malt-Whiskey habe ich noch nicht getrunken, aber kann ich mir vorstellen: Den 10 jährigen Aberlour (in Sherry-Fässern gereift) mag ich, der 12 jährige schmeckt mir nicht so gut 😏

  3. Toller Artikel. Die Art der C-14 Methode kannte ich noch gar nicht.

    Aber wieso fällt denn die C-14 Konzentration seit 1963 so schnell wieder ab? Das ist doch wesentlich schneller als der natürliche Zerfall oder? Spielen da Ablagerungen oder der C-Kreislauf eine Rolle?

    • Ja, das geht viel schneller als der Zerfall. Ohne das jetzt im Detail recherchiert zu haben würde ich vermuten, dass der überschüssige Kohlenstoff in den Ozeanen gelöst wird und deswegen aus der Atmosphäre verschwindet.

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