Wenn die Straße unterm Auto wegbricht…

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Ich wollte noch mal auf das sehenswerte Erdrutsch-Video zurück kommen, an dessen Ende ein ganzer Seitenstreifen samt Autos mit großem Getöse in einem Loch verschwindet:

Das ist natürlich ziemlich eindrucksvoll, aber was da nun genau passiert, sieht man leider nicht so richtig gut. Zum Glück hat Dave Petley vom Landslideblog sich die Mühe gemacht, den Hintergrund zu recherchieren, und es zeigt sich ein Szenario, das auch hierzulande zumindest vorstellbar ist.

Wie man auf diesem von der anderen Seite aufgenommenen Foto des Fernsehsenders ABC2news sieht, ist da die Wand einer eingetieften Bahnlinie zusammengebrochen, wie man sie auch aus europäischen Großstädten kennt.[1] In Baltimore haben sintflutartige Regenfälle erhebliche Überschwemmungen verursacht, und was an dieser Bahnlinie passiert ist, ist wohl folgendes: Hinter der Mauer bestand das Erdreich (wie man im Foto sieht) aus lockerem Sand und Geröll, und das war nach den Regenfällen mit Wasser gesättigt.

Wie jeder der schon einmal eine Sandburg gebaut hat weiß, ist feuchter Sand recht stabil – der Wasserfilm zwischen den Körnern lässt sie zusammenbappen. Sobald aber zu viel Wasser im Sand ist, verkehrt sich der Effekt ins Gegenteil: Der Wasserdruck drückt die Sandkörner auseinander, so dass sie ungehindert der Schwerkraft folgen. Wie’s aussieht war das Mauerwerk dann schlicht nicht stabil genug, um all den Sand am Rutschen zu hindern.

Allerdings ist das wohl nur die Hälfte der Geschichte. In diesem Bild aus Google Street View erkennt man nämlich deutlich eine ganze Serie von Rissen im Asphalt, die etwa parallel zum späteren Abbruch laufen,

Risse im Asphalt
Die Risse im Asphalt deuten darauf hin, dass sich das Material des späteren Erdrutsches schon eine ganze Weile vor dem eigentlichen Kollaps bewegt hat. Google Street View / via Dave Petley

 

Damit stellen sich nach dem Unglück einige Fragen. Zum Beispiel, wie regelmäßig das Mauerwerk in diesem Abschnitt kontrolliert wurde und in welchem Zustand die Drainage des ganzen Systems war.

Es ist jedenfalls nicht abwegig zu vermuten, dass eine gewisse Vernachlässigung der kritischen Infrastruktur zu dem Unglück beigetragen hat. Das passiert in Zeiten knapper Kassen leicht mal, auch und gerade hierzulande.

In Europa scheinen solche eingesenkten Bahntrassen allerdings meistens mit Stahlbeton befestigt zu sein statt mit Mauerwerk (s.a. die unten verlinkten Fotos), insofern ist die Situation hier wohl ein bisschen anders.

Völlig in Sicherheit wiegen können wir uns trotzdem nicht: Die meisten deutschen Städte haben nach dem Krieg die Trümmer mehr oder weniger zur Landschaftsgestaltung benutzt, so dass es auch hierzulande reichlich Hänge aus bewegungsfreudigem Lockermaterial geben dürfte, deren Befestigungen inzwischen gut über sechs Jahrzehnte auf dem Buckel haben.

(Via Landslideblog)

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[1] Zwei schnell ergoogelte Beispiele: Hamburg und Wien

4 Kommentare

  1. “Der Wasserdruck drückt die Sandkörner auseinander, so dass sie ungehindert der Schwerkraft folgen. ”
    Ich denke, es ist eher so, dass Reibungskraefte zwischen den Sandkoernern stark verringert werden, und diese sich daher leichter gegeneinander verschieben koennen.

    • Das ist auch nur ein Teil der Geschichte. Mit steigendem Porendruck fallen die Kapillarkräfte weg, die die Sandkörner zusammenhalten. Das ist erstmal der Haupteffekt, nach meinem Verständnis. Die Reibung zwischen den Sandkörnern selbst reicht im trockenen Zustand ja nicht aus.

  2. Das Bild aus Wien zeigt den Trog der U4 neben dem Wienfluß. Errichtet um 1890, im Zusammenhang mit der Regulierung des Wienflusses. Damals gab es noch nicht so viel Trümmermasse. Das Material nach dem zweiten Weltkrieg wurde in einigen Parkanlagen aufgeschüttet. Hier gibt es auch Überraschungen in Form von alten Bunkeranlagen.
    Das hat Potential für “bodenlose” Überraschungen.

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