ZeroCovid – eine philosophische Verteidigung

Ein Gastbeitrag des Philosophen Lukas Tank

Uneingeschränkter Pessimismus ist kein guter Ratgeber. Das sieht die Philosophie genauso wie der gesunde Menschenverstand. Wer sein Handeln allein daran ausrichtet, dass möglichst wenig schief gehen kann, sitzt am Ende nur noch schockstarr in den eigenen vier Wänden und macht gar nichts mehr.

Gleiches gilt im Großen: Eine Gesellschaft, die versucht, jedes Risiko zu minimieren, ist als Vorstellung wenig reizvoll. Wem auch nur ein klein wenig an Freiheit, Autonomie und Fortschritt gelegen ist, wird eine Politik wollen, die im Angesicht der Gefahr auch mal einfach mit den Achseln zuckt und das Risiko eingeht.

Lukas Tank (geb. 1989, Impfkategorie 6) arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Angewandten Ethik und hier wiederum – wenn nicht gerade Pandemie ist – in der Klimaethik.

Es gibt jedoch Umstände, unter denen wir Pessimisten sein sollten. Das gilt klarerweise dann, wenn die erwartbaren Kosten bestimmter Handlungen deren erwartbaren Nutzen deutlich übersteigen. Aus diesem Grund ist es beispielsweise meist keine gute Idee, Russisch Roulette zu spielen – auch wenn nur eine Kugel in der Trommel ist. Pessimismus kann aber auch dann geboten sein, wenn Situationen undurchsichtig sind und wir kein klares Verständnis davon haben, wie Chancen und Risiken sich zueinander verhalten. 

Die Bedeutung des Vorsorgeprinzips

Dies gilt insbesondere dann, wenn enorm viel auf dem Spiel steht und es von überragender Bedeutung ist, den schlimmstmöglichen Ausgang zu vermeiden. Im Hinblick auf die Corona-Pandemie, so meine Argumentation, haben wir spätestens mit den jüngsten Mutationen des Virus eine solche Situation erreicht. Wie hart die Maßnahmen zur Reduktion der Corona-Fallzahlen in den nächsten Wochen und Monaten ausfallen, sollte wegen dieser kaum einzuschätzenden Gefahr daher vom Vorsorgeprinzip (precautionary principle) angeleitet sein. Das nämlich hält zu einer möglichst konsequenten Risikovermeidung an.

Das Vorsorgeprinzip gibt es in unzähligen Fassungen. Manche Varianten tendieren zum eingangs skizzierten überzogenen Pessimismus. Der amerikanische Moralphilosoph Henry Shue formuliert jedoch eine besonders plausible Form des Prinzips. Er schlägt vor, das Vorsorgeprinzip in Entscheidungssituationen anzuwenden, in denen folgende drei Bedingungen erfüllt sind:

  1. die Schäden, die eintreten können, sind gewaltig,
  2. es gibt eine signifikante (nicht zwingend präzise bestimmbare) Wahrscheinlichkeit, dass diese Schäden eintreten, und wir verstehen, wie es dazu kommen könnte,
  3. die Kosten des vorsichtigen Handelns sind nicht exzessiv. (Shue 2014: 265)

Auf den Fall von Coronamaßnahmen angewendet heißt das: Wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, dann ist eine Politik moralisch geboten, die sich an Strategien wie ZeroCovid oder No-Covid orientiert. Wenn man diese Strategien nicht für durchführbar hält, müssten die Maßnahmen so stringent wie möglich sein und darauf abzielen, die Fallzahlen so gering wie möglich zu halten. Alles andere wäre ein nicht zu rechtfertigendes Spiel mit dem Feuer – oder in diesem Fall: mit Hunderttausend oder noch mehr Menschenleben. 

Sind die Bedingungen erfüllt?

In unserer aktuellen Situation spricht vieles dafür, dass die von Shue vorgegebenen Bedingungen für die Anwendung des Vorsorgeprinzips, erfüllt sind. In einem Szenario, welches auch nur näherungsweise dem worst case entspricht, wären die möglichen Schäden durch die Pandemie fatal.  Das war schon im März 2020 unter den damaligen Umständen weitgehend klar. Heute um so mehr.

Die jüngsten Mutationen des Virus, die in ihrem Umfang auch Experten erstaunt haben, stellen dieses Urteil inzwischen aber auf eine noch solidere Grundlage. Einfacher übertragbare Varianten wie B 1.1.7. könnten sich noch schneller durch die Population bewegen. Noch mehr Erkrankte in noch kürzerer Zeit können zu einer noch dramatischeren Überforderung des Gesundheitssystems führen, was mit weiteren Todesopfern und Opfern mit Langzeitschäden einhergehen würde.

Der Blick auf die neuen Mutationen des Virus offenbart aber noch ein weiteres Risiko einer jeden Strategie, die nicht darauf zielt, die Fallzahlen schnell und umfassend zu senken: Die hohe Inzidenz der letzten Wochen birgt nämlich die Gefahr weiterer, für das Pandemie-Geschehen relevanter Mutationen. Dieses Risiko ist auch für Bedingung b) des Vorsorgeprinzips wichtig. Sie besagt im Kern, dass wir eine plausible Erklärung dafür formulieren können müssen, wie es zu den vermuteten gewaltigen Schäden kommen kann. 

Abwegige Szenarien sind unerwünscht

So soll verhindert werden, dass wir unser Handeln unvernünftiger Weise an zwar potentiell furchtbaren, aber komplett abwegigen Horrorszenarien ausrichten. Es ist zum Beispiel prinzipiell möglich, dass das Anzünden einer Kerze dazu führt, dass ganz Hamburg abbrennt – aber das ist kein guter Grund zum Verzicht auf Kerzenlicht, weil der Weg dahin so erkennbar abwegig ist. 

Die Mutationen haben jedoch unseren Blick dafür geschärft, wie ein „worst case COVID“-Szenario aussehen und entstehen kann: durch hohe bis extrem hohe Inzidenzen und eine Virusvariante, die ansteckender, tödlicher, oder widerstandsfähiger gegen die bisherigen Impfstoffe ist – oder sogar alle drei dieser Eigenschaften aufweist. Dass die neuen Varianten ansteckender sind, gilt als nahezu sicher. Ob die britische B 1.1.7. Mutante tödlicher ist, gilt es herauszufinden

Seit einigen Wochen wird auch immer deutlicher, dass die zuerst in Südafrika entdeckte Mutation E484K das Virus zumindest teilweise vor der durch die Impfung oder Infektion erworbenen Immunität schützt. Diese Entwicklungen zeigen, dass böse Überraschungen auch nach mehr als einem Jahr Erfahrung mit dem Virus jederzeit möglich sind. 

Das, was wir zu den jüngsten Entwicklungen in England, Irland und Südafrika wissen, gibt uns daher gute Gründe, auch Bedingung b) als erfüllt anzusehen. Wir sehen, wie es zu einem „worst case COVID“ kommen könnte, und wir können nicht mehr guten Gewissens sagen, dass die Chancen für eine solche unglückliche Entwicklung marginal sind.

Schlussendlich Kriterium c): Würde ein Handeln im Sinne des Vorsorgeprinzips mit exzessiven Kosten einhergehen? Auch überzeugte Befürworter sehr restriktiver Corona-Maßnahmen tun gut daran, die negativen Folgen solcher Maßnahmen nicht unter den Tisch zu kehren. Es gibt jedoch gute Gründe zu glauben, dass die Kosten nicht exzessiv sind. Allem voran zu nennen ist hier die Erkenntnis der Forschung, dass „Corona-Schäden abwenden“ und „wirtschaftliche Schäden verhindern“ in einem stärkeren Maße zusammenfallen kann als von manchen vermutet.

Das Argument für Optimismus

Des Weiteren muss es bei der Einschätzung der negativen Konsequenzen von Anti-Corona-Maßnahmen immer um einen Vergleich zu den möglichen Schäden des worst case Szenarios gehen. „Lockdown schadet der Wirtschaft“ allein reicht hier als Gegenargument also nicht aus. Verglichen mit dem Verlust an Menschenleben, der im weiteren Verlauf der Pandemie im schlimmsten Fall allein in Deutschland droht, sind auch erhebliche wirtschaftliche Schäden nicht exzessiv. 

Das heißt nicht, dass sie die von ihnen Betroffenen nicht hart treffen – das tun sie in vielen Fällen gewiss, und dies zu leugnen oder kleinzureden, wäre nicht nur ein Zeichen von Unkenntnis, sondern auch respektlos. Aber das Vorsorgeprinzip sagt mit Recht, dass auch erhebliche Kosten manchmal in Kauf genommen werden müssen, wenn das drohende Unheil deutlich größer ist – so wie in der aktuellen Situation.

Der wichtigste Punkt zur Kosteneinschätzung ist aber wohl folgender: Wir sehen Licht am Ende des Tunnels. Die Impfungen laufen zwar bisher nur langsam an, aber doch wird absehbar noch in diesem Jahr ein erheblicher Teil der Bevölkerung durch sie geschützt sein. Das Vorsorgeprinzip fordert also keine unbefristete Abfolge immer neuer Lockdowns, sondern vielmehr eine strikte Anti-Corona-Politik im Hier und Jetzt. Das Ziel ist, das wir möglichst bald wieder in ein weitgehend normales Leben zurückkehren können – ohne dabei erneut das Risiko unangenehmer Überraschungen einzugehen. 

Das Vorsorgeprinzip ist dadurch noch nicht die eine richtige Antwort auf alle ethischen und politischen Fragen, die sich uns im Umgang mit der Pandemie im Augenblick stellen. Das möchte ich damit keineswegs sagen. Doch es sollte in unserem Denken aktuell eine wichtige Rolle spielen. Moralisch spricht viel dafür, dass wir noch ein bisschen länger und noch ein bisschen mehr Corona-Pessimisten sein sollten, um danach umso optimistischer in die Zukunft blicken zu können.

40 Kommentare

  1. “Wer sein Handeln allein daran ausrichtet, dass möglichst wenig schief gehen kann, sitzt am Ende nur noch schockstarr in den eigenen vier Wänden und macht gar nichts mehr.”

    Der Satz ist mißlungen.

  2. Drei Fragen:

    Hier werden das Vorsorgeprinzip an sich, das Abwägen von Nutzen und Schaden von Maßnahmen, die Strategie ZeroCovid und die Strategie NoCovid zugleich verteidigt. Ist das alles eins?

    Was die Politik derzeit tut, begründet sie auch mit dem Vorsorgeprinzip. Also alles gut?

    Und worin genau besteht die “philosophische” Verteidigung, wenn es nur um ein Risikokalkül geht?

    • Sehr geehrter Joseph Kuhn,

      ich hoffe, ich schaffe Ihre drei Fragen in zwei Antworten:

      1. Der Clou am Vorsorgeprinzip soll gerade sein, dass es uns Orientierung anbietet, auch wenn Nutzen und Schaden – oder auch nur die Wahrscheinlichkeiten ihres Eintretens – nicht präzise bestimmbar ist. Damit die drei Bedingungen als erfüllt angesehen werden können, genügt es, ein deutlich vageres Bild der Situation zu haben: gewaltiges Übel, nicht abwegiger Weg dahin, Kosten der Vermeidung im Vergleich nicht exzessiv.

      Bildlich gesprochen: das Vorsorgeprinzip weist uns die Richtung im Nebel, solange wir unsere Umgebung zumindest schemenhaft erkennen können.

      Im Übrigen würde ich die Sichtweise verteidigen, dass jedes Überlegen darüber, was wir tun sollen immer eine moralphilosophische Komponente hat – auch wenn ein präzises Risikokalkül möglich ist. Das Kalkül allein bringt uns nie den Sprung vom Sein zum Sollen (aber kann natürlich extrem hilfreich sein, keine Frage).

      2. Ich interpretiere das Vorsorgeprinzip angewendet auf unsere aktuelle Situation so, dass es uns in die Richtung von No oder Zero COVID weist. Letztendlich hängt das Argument aber nicht an der schwarzen Null. Wenn das einfach nicht machbar ist oder wenn man glaubt, das andere Überlegungen gegen die Null sprechen (was ich im letzten Absatz ja andeute), dann kann das gleiche Argumentationsmuster immer noch mit Recht dazu genutzt werden, für sehr niedrige Inzidenzen über Null zu argumentieren.

      Wofür ich in jedem Fall einstehen würde, ist dass das Vorsorgeprinzip uns zu einer Politik anhält, welche die Inzidenzen sehr entschieden drückt. Insofern glaube ich nicht, dass man jede Politik mit dem Vorsorgeprinzip rechtfertigen kann, ohne dabei den Sinn des Prinzips zu verkennen. (Wäre dem so, dann wäre das Prinzip nicht hilfreich.) Welche niedrige Zahl dann am Ende unser Ziel sein muss, und wie genau man dahin kommt, darüber kann (und muss!) man diskutieren.

      Mit freundlichen Grüßen,

      Lukas Tank

      • @ Lukas Tank:

        Ich hätte es interessant gefunden, wie im Titel angekündigt, tatsächlich die ZeroCovid-Strategie moralphilosophisch zu prüfen, weil sie dezidiert moralisch argumentiert. Das ist beim allgemeinen Bemühen um niedrigere Inzidenzen nicht notwendigerweise der Fall.

        Nur nebenbei: Ist wirklich alles Sollen moralphilosophischer Natur? Oder gibt es auch ein Sollen aus Klugheitserwägungen?

        • @Joseph Kuhn

          “Oder gibt es auch ein Sollen aus Klugheitserwägungen?”

          Die Klugheit muss ja auch Sinn und Zweck und Intention haben, wer will für wen oder für was etwas Kluges tun? Da landen wir schnell bei verschiedenen Interessen, dem Wohl des Staates und/oder der Gesellschaft oder des Individuums etc., kurzum, wir landen wieder bei der Moralphilosophie, wenn wir alles unter einen Hut bringen wollen.

  3. Ich bin mir nicht sicher: kam die Spanische Grippe nicht in abgeschwächter Form 1957 wieder? Es wird einmal interessant sein, ob unsere Maßnahmen gegen das Virus 2019 verheerend ausfallen werden wird, da wir die Pandemie nicht laufen lassen. Das Virus scheint 2019 irritiert zu sein. Gewöhnlich paßt es sich schnell an, findet in kurzer Zeit genügend Wirte. Und Lockdown? Das Virus steht doch damit unter einem viel größerem Anpassungsdruck -oder nicht?

    • Interessant dazu ist ist Hongkong-Grippe, die auch heftig war und das leben in beiden Deutschlands nicht stark beeinträchtigt wurde. Ich bin dafür, etwa Altenheime und Pflegeheime besonders zu schützen, aber das Leben nicht zu stark einzuschränken. Zero-Covd halte ich einfach für unrealistisch.

      Gruß
      Rudi Knoth

  4. Moralisch spricht viel dafür, dass wir noch ein bisschen länger und noch ein bisschen mehr Corona-Pessimisten sein sollten, um danach umso optimistischer in die Zukunft blicken zu können.

    Mein Pessimismus, der nicht auf dem “gesunden” Konkurrenzdenken des nun “freiheitlichen” Wettbewerb basiert, sagt mir: (wenn Mensch weiter auf Monopoly, Poker und auch Russisch Roulette setzt, um am Ende der Pandemie “Mensch ärgere dich nicht” und wieder “Wirtschaftswunder” mit den chinesischen Gewinnern des Wettbewerbs spielen zu wollen) Dann steuern wir wohl geradewegs auf einen Atomkrieg zu.

  5. Dieser Artikel hat mich zuerst irritiert, weil vor einem Monat folgendes in diesem Blog zu lesen war. Nun stelle ich nach genauem Hinschauen fest, daß dies ja ein Gastbeitrag ist. Also haben wir zwei scheinbar widersprüchliche Aussagen in diesem Blog:

    1. Es ist nicht möglich, dieses Virus “auszurotten”. Es wird in irgendeiner Form weiter bestehen.

    2. Man muß es §ausrotten” weil die Schäden immens sind.

    Zwischen beiden Aussagen liegt etwa ein Monat. Man kann “Zero-Covid” eigentlich nur als Maximalforderung ansehen, denn ich habe ernsthaft Zweifle, daß man das Virus vollständig “ausrotten” kann. Eigentlich ist das nur bei den tödlicheren Pocken gelungen. Bei diesem Virus sind aber nicht wenige Infizierte symptomlos oder haben eher Symptome einer einfachen Erkältung, die ja auch jeden Winter ins Land kommt. Man sollte also schon eine Abwägung der Maßnahmen ins Auge fassen. Ein Beispiel ist ja Schweden, das wohl noch existiert.

    Gruß
    Rudi Knoth

    • Sehr geehrter Rudi Knoth,

      die Möglichkeit, dass der Zug Richtung Zero oder No Covid abgefahren ist (oder nie bereitstand), spreche ich im Text ja kurz an. Siehe auch Punkt 2. meiner Antwort an Joseph Kuhn: Letztendlich muss sich das Argument, was ich hier bringe, nicht an der Null festbeißen. Ich glaube, es trägt so weit und darum spreche ich Zero oder No Covid an. Aber wenn man das für unmöglich oder nicht moralisch erlaubt hält, dann kann das Argument immer noch genutzt werden, um für eine Politik in Richtung sehr niedriger Inzidenzen zu argumentieren. Dass das Vorsorgeprinzip moralisch vielleicht nicht alles ist, gebe ich am Ende des Textes ja auch unumwunden zu. Es zeigt dennoch sehr deutlich in eine Richtung und das hervorzuheben, war mein Anliegen in diesem Text.

      Mit freundlichen Grüßen,

      Lukas Tank

      • Ich sehe die Sache etwas anders. Um im Bild mit dem Nebel zu bleiben, birgt das Vorsorgeprinzip die Gefahr, daß man vor dem einem schemenhaften Gespenst ausweicht, aber etwa in einen Abgrund, den man nicht sieht, stürzt. Im Falle von Corona sehe ich eher eine Politik, die Risikogruppen besonders schützt aber das Leben sonst weitgehend weiterlaufen lässt, als die bessere Alternative an. Also eine “flatten the curve” Strategie. Zero-Covid halte ich für nicht realistisch.

        Gruß
        Rudi Knoth

        • Sehr geehrter Rudi Knoth,

          wie gesagt, ob die Null noch erreichbar ist, sei dahingestellt. Ich bin da durchaus bereit nach dem Prinzip “don’t let the perfect be the enemy of the good” zu verfahren.

          Ihren ersten Punkt halte ich für den wichtigeren: wenn unser bester Blick in den Nebel nicht ausreicht, um auszuschließen, dass sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite Abgründe liegen, dann sagt das Vorsorgeprinzip tatsächlich nicht “möglichst weit links/rechts halten”. Hier ist mein Argument, dass die Aussicht auf relativ baldige Massenimpfungen (plus die anderen genannten Punkte) ausreichen, um guten Gewissens zu sagen, dass unsere Situation inzwischen eine andere ist: auf der einen Seite ist sehr schweres Gelände, aber kein Abgrund. Und in solchen Situationen greift das Vorsorgeprinzip dann wieder.

          Mit freundlichen Grüßen,

          Lukas Tank

        • Man kann sich in der Welt umschauen und sehen, dass Null Covid realistisch ist. Über 1,4 Mill. Menschen profitieren schon davon, in China und anderswo. Das nicht sehen und akzeptieren zu wollen ist nicht zielführend. Die Diskussion kann man sich sparen.

          Es erscheckt mich, hier im Forum das Wort Atomkrieg zu lesen. Wenn dass die Konsequenz – und wenn nur im verbalen – ist, das die politische Führung von China und anderen Ländern schon seit über einem Jahr das Richtige tut – und damit seine Bürger – und seine Wirtschaft optimal – und damit auch uns schützt, dann hört jede humane Logik auf.

          • @Gerhard Hölzer

            Ich bin auch der Meinung, daß ZeroCovid machbar ist!
            Aber wenn man sich die Maßnahmen / den Kommunikationsmüll unserer “Verantwortungsträger” und die systematisch-gebildete Unvernunft (Suppenkaspermentalität) der “individualbewussten” Massen anschaut, dann ist ZeroCovid bei uns wirklich unrealistisch.

  6. Howdy, Herr Fischer,
    ich würde gerne etwas zum Gegenstand schreiben,
    teste so abär vorab, ob ich noch (anscheinend : gegen Ihren Willen, Sie erklärten mal so und wiesen auf ein SW-Problem hin) personenspezifisch gesperrt bin.
    (Was nett wäre, wäre ein Kommentar nicht einfach im “Orcus” verschwinden zu lassen, wenn er (personenspezifisch oder anders) nicht erwünscht ist, sondern mit einer erklärenden Nachricht an den Kommentator versehen wäre.)

    Mit freundlichen Grüßen und weiterhin viel Erfolg!
    Dr. Webbaer

    • Bei mir sind Sie nicht personenspezifisch gesperrt, aber ich gebe gerne zu, dass mir Ihr selbstverliebtes Geschwafel samt eingestreuter Marotten oft ziemlich auf die Nerven geht. Und ich bin in den letzten Jahren immer mehr dazu übergegangen, nach dem Marie-Kondo-Prinzip zu moderieren.
      Aber bitteschön: fire away.

  7. Bitte definieren sie: “schlimmstmöglichen Ausgang” bevor sie philosophieren. Ich dachte immer, es ist essentiell, bevor man seine Gedanken darlegt, zu klaren Definitionen zu kommen.

    Ich helfe Ihnen mal:
    Szenario (a) Wir machen alles zu für X Monate
    Szenario (b) Wir machen einfach nichts, bis auf Hände waschen und ein bisschen Anstand halten, Maske trägt wer möchte

    Wo stehen wir dann in 1 Monat, 1 Jahr und in 10 Jahren?

    Die Parameter sind dazu: Sicherheit (innen, außen, sozial), Bildung und Wirtschaft und nicht zu vergessen die Kultur. Das sind die wesentlichen
    Parameter einer Gesellschaft.

    In welchem Szenario kommen wir nur zum “schlimmstmöglichen Ausgang”?

  8. Vielen Dank, Herr Fischer,
    die aus dem vielleicht Jahr 2015 entstandene Sperre scheint nun aufgehoben und ich werde, versprochen!, nicht übermäßig geckenhaft kommentarisch beitragen, hierzu also :

    -> ‘Verglichen mit dem Verlust an Menschenleben, der im weiteren Verlauf der Pandemie im schlimmsten Fall allein in Deutschland droht, sind auch erhebliche wirtschaftliche Schäden nicht exzessiv.’ [Artikeltext]

    Menschenleben kennt neben der Quantität, der Menge des Empfindens auch die Qualität, die das Leben in seiner womöglich natürlichen Ausprägung meint, die nunmehr, seit einiger Zeit, seit mehr als einem Jahr, negativ betroffen ist, leidet.

    Gerade Jüngere (mit sehr geringem letalem Risiko i.p, “Corona”) sind betroffen, die kein sozusagen alterstypisches Leben führen können, Party und so, auch Ältere, sehr Alte, sind stark betroffen, gar Sterbende, mir ist kürzlich (glaubhaft, ich kenne die Leutz) zugetragen worden, dass einer Sterbenden die angefragte letzte Ölung nicht zuteilt werden konnte, “wegen Corona”, der Priester büchste sozusagen aus, beziehungsweise konnte wegen rechtlicher Regelung nicht wie angefragt beibringen.

    Es liegt in der Epidemie immer eine Güterabwägung vor, die keine Maximalpositionen, wie Laissez-Faire oder “No COVID” kennen darf, sondern angepasst an die epidemiologisch feststellbare Lage bleibt, die Datenlagen spielen hier eine besondere Rolle, auch die sog. Übersterblichkeit meinend, die bundesdeutsch beim Statistischen Bundesamt, in den Staaten beim CDC, in Europa bei “EUROMOMO” auch individuell angefragt werden kann.
    Es wird nicht sonderlich mehr verstorben als in anderen Jahren, wobei sicherlich bereits eine leicht erhöhte Sterblichkeit unserer MItbürger bedauerlich bleibt, aber auch, es gibt so etwas wie eine natürliche Lebenszeitvariabilität hinzunehmen ist, auch für Ältere, die für Jüngere und so wenig Betroffene Verantwortung übernehmen dürfen bis sollen.

    “No-COVID” muss per se Murks sein, denn eine gewisse Durchseuchung der Bevölkerung mit Krankheitserregern gibt es immer.
    Gerne stattdessen sinnhaft Grenzen setzen, auch sog. Inzidenzraten meinend.

    Mit freundlichen Grüßen und dem hiesigen werten Inhaltegeber für seine Toleranz bzw. für seinen Rückruf dankend :
    Dr. Webbaer

    • Sehr geehrter Herr Dr. Webbaer,

      grundsätzlich stimme ich mit Ihrem Grundgedanken überein, besonders was die Abwägung der Folgen für die Qualität des Lebens angeht. Als Vater eines Kindergartenkindes, das im letzten Jahr zweimal für je ca. 9 Wochen seiner sämtlichen Sozialkontakte beraubt wurde, war ich schockiert zu sehen, dass auch ein 5 Jähriger einen Nervenzusammenbruch haben kann. Nicht desto Trotz wäre die Aussicht, den Rest der Kindheit keine Großeltern mehr zu haben, weil diese an der Pandemie gestorben sind (was glücklicherweise bisher nicht der Fall ist) eine längerfristige Einschränkung der Lebensqualität, als die derzeit zugemuteten Kontaktbeschränkungen.

      Warum ich diese Antwort verfasse ist aber eine andere Formulierung in Ihrem Kommentar. Sie schreiben: “Es wird nicht sonderlich mehr verstorben als in anderen Jahren […]”.
      Da ist meine Wahrnehmung aber eine eindeutig andere.

      Unter destatis.de ist eine “Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen der Jahre 2020/2021” relativ zu den Jahren 2016-2019 bzw. 2017-2020 zu finden [1]. Aus dieser geht eindeutig hervor, dass z.B. im April 2020 “die Zahl der Gestorbenen dann 10 % über dem Durch­schnitt der Vorjahre [lag]”, nachdem die Monate Januar bis März sogar unter dem Durchschnitt lagen.

      Für das gesamte Jahr 2020 wird eine Übersterblichkeit von gut 48.000 über dem Durchschnitt von 2016-2019 angegeben [2] und das, obwohl 2018 die schlimmste Grippewelle seit 30 Jahren durch Deutschland gezogen ist. Bei knapp 1mio Toten bedeutet die Erhöhung um 50tsd ca. 5% mehr Tote und das unter Lockdown-Bedingungen. Ich möchte nicht wissen, was da ohne Lockdown passiert wäre.

      Ja, 5% im Mittel sind “nicht sonderlich [viel] mehr”, aber das es nur so wenig sind, ist das Ergebnis der Lockdowns, wie man an den Kurven der Übersterblichkeit erkennen kann.

      Solche Formulierungen relativieren meiner Meinung nach die Gefahr, die von dieser Pandemie ausgeht.

      Mit freundlichen Grüßen
      C.

      [1] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html
      [2] https://de.statista.com/infografik/21523/anzahl-der-sterbefaelle-in-deutschland/

      • Sicher, die Werte :

        -> https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Corona/Gesellschaft/bevoelkerung-sterbefaelle.html

        …sind bundesdeutsch seit ca. vier Monaten zu hoch, aber erst seitdem und die “Corona”-Lockdowns gab es schon vorher.
        Datenlagen sind wichtig und sollten m.E. an zentraler Stelle diskutiert werden, die wöchentlichen Sterbefallraten (sog. Corona-Tote sind ja nicht sinnhaft zu definieren, wenn viele mit versus an Corona gestorben sind) sind besonders relevant.

        Die (Gegen-)Maßnahmen basieren denn idealerweise auf den Datenlagen, m.E. sind die Lockdowns nicht klar bewertbar in ihrem Erfolg, da müsste man auch mal dorthin schauen, wo kaum auf “Corona” reagiert wird, wie die Datenlage dort ist, interessant ist so etwas :

        -> https://orf.at/stories/3200025/

        Sicherlich hätte ich da vorsichtiger formulieren können, vielen Dank für Ihr Refeedback.

        Mit freundlichen Grüßen
        Dr. Webbaer (der immer noch etwas nervös ist wegen der Idee des “Zero COVID”)

        • @Webbaer:

          Der Anteil der “mit Corona”-Verstorbenen ist nicht besonders hoch. Das hat man schon bei einer Studie in Bergamo festgestellt und jetzt wieder in Hamburg. Da kamen 7% heraus.

          Wenn ich mich nicht irre, sind Sie auch in einem Alter, das bei einer Infizierung riskant ist.

  9. Warum nicht #ZeroVerkehrstote ?

    Sollte man den Straßenverkehr nicht komplett einstellen, solange dort immer noch Menschen sterben? Wenn man nur einen einzigen Menschen damit retten würde, wäre es das doch wert.

    • Alles mit einem Zero kann hier m.E. und aus diesseitiger Sicht, auch aus philosophischer Sicht nicht iO sein.
      Es geht immer um Güterabwägungen, Risk-Reward-Überlegungen und weder Pessimismus, noch Optimismus sind angesagt.
      Zum Glück bin ich nicht Leidtragender der wirtschaftlichen Einschränkungen, die ebenfalls Leben zerstören können, es gab schon Suizide.
      Motorradfahren beispielsweise, dort wo die Knautschzone sozusagen sehr weit vorne anfängt, soll ja auch nicht verboten werden, oder?

      • “Es geht immer um Güterabwägungen, Risk-Reward-Überlegungen”

        Dann stelle ich mal die Frage, die uns Corona-Maßnahmen-Kritiker immer vorgehalten wird: Wieviele Tote ist Ihnen der Individualverkehr denn wert?

        • Wenn in medias res gegangen werden soll, wäre bei “Corona” m.E. mit bspw. den Haushaltsunfällen, den Fällen im Straßenverkehr (“Motoradfahrer”), den Grippetoten und den Sportarten (“Extremsportarten”), eigentlich mit allen Risiken zu vergleichen, die durch eigenständiges Handeln entstehen und den Exitus meinen können.
          Dazu ist natürlich noch mit den Abstrichen i.p. Lebensqualität (gerade für junge Leute) zu vergleichen, zu verrechnen, wenn Sie so wollen.
          Da könnte eine Ethikkommission wirklich leisten.
          Irgendwo sind in der BRD auch Wirtschaftswissenschaftler kürzlich so vorgegangen, vielleicht suchen und finden Sie diese Texte alleine?! (Ich webverweise an dieser Stelle nicht, weil ich sie nicht umfänglich geprüft habe, mag nur derartiges sittliches Vorgehen.)

  10. @ Peter Müller:

    “Warum nicht #ZeroVerkehrstote ? Sollte man den Straßenverkehr nicht komplett einstellen”

    Der Vergleich hinkt. ZeroCovid, egal was man nun davon hält, fordert ja nicht das Vermeiden aller Kontakte. Sonst gäbe es in ein paar Tagen tausende toter Babys, toter Intensivpatienten, toter Heimbewohner ….

    Anonsten ist das mit dem Straßenverkehr weniger abwegig als es auf den ersten Blick scheint, siehe zu Vision Zero-Strategien bei Unfällen: https://de.wikipedia.org/wiki/Vision_Zero

    • Dr. Webbaer webverweist freundlicherweise direkter :

      -> https://en.wikipedia.org/wiki/Vision_Zero

      Diese Idee (“das Bild”) ist absolut meinend und sie ist kohärent, aber sie entspricht nicht dem real oder tatsächlich gegebenen Menschenbild (das in sog. Liberaler Demokratie gepflegt bleibt), denn es ist so, dass Personen (“Menschen”) Risiken eingehen, die bewusst, um ihrer Lebensqualität bestmöglich entsprechen zu können, dies berührt auch andere Personen, und insofern ist dieser Veranstaltung (das Fachwort an dieser Stelle) ein Rahmen zu geben, ein gesetzlicher, der, wie einige finden, auch den Ideen der Liberalen Demokratie (“Sapere aude!” und so) entsprechen können, Sie wissen schon, Herr Dr. Joseph Kuhn (“Psychologe”).

      Dieser Rahmen kennt dann keine Maximalpositionen, sondern vor allem demokratische, ergo allgemein kumulierte Einschätzung, die auf berichteten Datenlagen zu basieren hat.
      Güterabwägung steht an.

      ‘Philosophisch’ ist der hier dankenswerterweise bereit gestellte Text sozusagen tot.

      MFG
      Wb (der hoffentlich nicht allzu sehr aus sich heraus gegangen ist)

  11. Warum nicht #ZeroVerkehrstote ?

    Naja als man den Gurt und den Airbag und die Promillengrenze eingeführt hat (die die Zahl der Verkehrstoten dramatisch gesenkt hat) man sich das Ziel gesetzt möglichst in Richtung Zero verkehrstote zu kommen.
    Man hätte ja auch sagen können: 60000 Verkehrstote mehr, egal interessiert nicht.
    Hat man aber nicht. Und gejammert haben alle, warum anschnallen, warum nicht besoffen Auto fahren, die Freiheit wird eingeschränkt Skandal…….

    • Kann so nicht richtig sein, denn i.p. “Zero” entspricht die beibehaltene unlimitierte Geschwindigkeits-“Beschränkung” explizit nicht.
      Sondern es ist seinerzeit, Dr. Webbaer war dabei, versucht worden die Verkehrstoten zahlenmäßig einzugrenzen, Dr. Webbaer erinnert gerne daran, dass seinerzeit noch viele ohne Körperschutz, auch ohne Helm, mit Geschwindigkeiten über 100 Km/h unterwegs waren.
      An die Anschnallpflicht kann sich Dr. Webbaer noch gut erinnern, sie macht(e) Sinn.

      Nicht aber war jemals gemeint den Personenverkehr von A nach B besonders zu belästigen.

      Sog. autofreie Sonntage gab es in der BRD seinerzeit, ihre Idee war missgeleitet.

      Besonders ‘gejammert’ worden ist seinerzeit nicht.
      “No Risk” war aber nie als hintergründige Idee so intendiert wie kommuniziert worden.

      MFG
      Wb

    • @Johannes

      Würde der Gesetzgeber sagen: Ja, ihr könnt besoffen und ohne Gurt Auto fahren, aber wenn ihr einen Schaden verursacht müsst ihr büssen (in Kanada soll das ja so sein), jetzt stelle man sich das Prinzip mal bei Covid vor – würden da all die jetzt um ihr “unternehmerisches Risiko” herum jammern nicht freiwillig/vorsorglich in den Bankrott / die Insolvenz gehen, bzw. würde das Jammern nicht ganz anders klingen / von allen Seiten kommen!? 🙂

  12. Sehr geehrter Herr Tank,

    interessanter Beitrag, vielen Dank. Was mich stört, ist ihre einäugige Anwendung des Prinzips von Shue. Dies Prinzip ist auf alle Risikosituationen anwendbar und damit auch auf den Lockdown selbst:
    a. Die Schäden, die eintreten können, sind gewaltig – was, bei unverminderter oder gar verschärfter Fortsetzung wohl unbestreitbar ist. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche und soziale, sondern durchaus auch um gesundheitliche Schäden.
    b. Es gibt eine signifikante Wahrscheinlichkeit, dass diese Schäden eintreten – auch das ist offensichtlich.
    c. Die Kosten vorsichtigen Handelns, d.h. einer “holistischen” Betrachtung des Lockdowns, sind nicht exzessiv. Auch dieser Punkt scheint mir klar zu sein. Lockerungen mit Bedacht führen nicht zu einem exzessiven Anstieg der corona-bedingten Todeszahlen.
    Risikosituationen sind nun einmal ubiquitär, was auch heißt: miteinander verflochten. Die ausschließliche Orientierung an Virologen/Epidemologen verkennt das. Leben bedeutet eben nicht nur Überleben.
    Freundliche Grüße, Achim Engstler

    • Sehr geehrter Herr Engstler,

      zwei Punkte als Antwort:

      1. Eine Klarstellung: Natürlich fordert auch das Vorsorgeprinzip keine dumme Vorsicht. Wenn bestimmte Lockdown-Maßnahmen nichts bringen, dann sind wir zu ihnen auch nicht aufgefordert. Insofern sollte ein blinder Maximal-Lockdown, der Maßnahmen nicht auf ihre Wirksamkeit hinterfragt, auch nicht Gegenstand der Debatte sein.

      2. Nun der größere inhaltliche Punkt: Sollte das Vorsorgeprinzip signifikant unterschiedliche Covid-Strategien rechtfertigen können, wäre es natürlich wenig hilfreich. Ich glaube aber nicht, dass es das tut. Was exakt das Vorsorgeprinzip fordert, darüber kann man mit Recht streiten. Die Richtung scheint mir aber eindeutig: eine restriktive Politik, die versucht, Inzidenzen stark zu senken. Ob nun auf Null oder einen niedrigen positiven Wert, das sei dahingestellt.

      Das kann man sagen, ohne dabei zu leugnen – was ich keinesfalls tun möchte – dass eine solche Politik erhebliche negative Folgen haben wird. Der Punkt, wo ich und Sie wohl auseinandergehen, ist Kriterium c) des Vorsorgeprinzips, angewendet auf eine die Inzidenzen weniger drückende Politik. Hier sage ich: Wir wissen nicht genau, was passiert, wenn wir die Inzidenzen nicht stark drücken. Die letzten Monate und Wochen haben uns gelehrt, dass böse Überraschungen absolut möglich sind. Insbesondere den Verlauf der Epidemie beeinflussende Mutationen sind hier natürlich das Stichwort. Aus diesem Grund kann Kriterium c) für jede Politik, die substantiell von dem abweicht, was ich hier als die Implikation des Vorsorgeprinzips skizziere (und, das gebe ich gerne zu, es ist wirklich nur eine Skizze!), aus meiner Sicht nicht erfüllt sein.

      Um das Bild aus einer anderen Antwort aufzugreifen: Die Lage ist so, dass wir im Nebel auf der einen Seite zwar sehr schweres Gelände ausmachen können, aber auf der anderen Seite, so haben wir guten Grund zu glauben, könnte ein Abgrund liegen. Darum sollten wir uns auf der Seite des schweren Geländes halten.

      Wie gesagt, heißt das blinder Maximal-Lockdown? Nein. Insofern sieht auch das Vorsorgeprinzip “Lockerungen mit Bedacht” nicht notwendig kritisch. Aber die Richtung, in die es zeigt, scheint mir in diesem Fall deutlich erkennbar und aktuell, so befürchte ich, mit nicht allzu vielen Lockerungen kompatibel. Letzteres ist aber natürlich nur meine Einschätzung als Laie, basierend auf dem, was ich höre und lese. (Ich drücke wirklich die Daumen, dass ich mich täusche.)

      Schlussendlich möchte ich noch hinzufügen, dass ich den letzten Absatz des Haupttextes ernst meine. Ich bin durchaus offen für die Idee, dass das Vorsorgeprinzip nicht die einzige Überlegung sein sollte, die unser Handeln bestimmt. Wenn die trade-offs hart genug werden, kann es manchmal richtig sein, gegen die Vorsicht zu handeln. Konfrontiert mit einer so dynamischen Gefahr wie einer Pandemie, bin ich aber tatsächlich der Ansicht, dass Vorsicht eine bedeutende Rolle in unserem moralischen Denken spielen sollte.

      Mit freundlichen Grüßen,

      Lukas Tank

      • “… moralischen Denken spielen sollte.”

        Da sollte doch wohl eher systemrationalen Denken stehen, besonders wenn man auch das Wort spielen benutzt!?

  13. @ Achim Engstler:

    Ich hatte das weiter oben auch schon mal angesprochen. Man könnte sich fragen, ob das Vorsorgeprinzip nicht sogar moralisch neutral ist und nur ein im Hinblick auf ein beliebiges Risiko radikalisiertes Klugheitsargument darstellt.

    Den Virologen/Epidemiologen tun Sie vielleicht etwas Unrecht, die verwechseln natürlich auch nicht alle Leben mit Überleben und in der Epidemiologie gibt es ausgefeilte Quality of Life-Ansätze (leider hört man davon in der Corona-Debatte zu wenig).

  14. ZeroCovid – Alle die jetzt über Lockerungskonzepte reden und denken “Ich bin stark”, die übersehen, daß es schon jetzt Experten gibt die eine weitere / jährliche Impfung anmahnen, und daß das Virus die Überlebenden schwächt, wahrscheinlich auch die, die eine Infizierung ohne Symptome und ohne es zu bemerken im Körper hatten!!!

  15. Herr Tank, Herr Fischer,
    warum haben Sie meinen Kommentarbeitrag* nicht veröffentlicht?

    [Weil ich derlei Blödsinn nicht in meinen Kommentaren haben will. Mit “Zensur” hat das auch gar nix zu tun. Niemand hindert dich, nen eigenen Blog zu schreiben. L.F.]

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