Warum Vulkane (und Supervulkane) ausbrechen

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Vulkanausbrüche kommen in verschiedenen Geschmacksrichtungen, von vergleichsweise harmlosen, regelmäßigen Ausbrüchen wie die des Stromboli bis hin zu gigantischen Supervulkanen, die ganze Kontinente und Regionen verwüsten. Besonders bei letzteren wüssten wir natürlich gerne, wann es wieder so weit ist, damit wir rechtzeitig in Deckung gehen können.

Wie oft ein Vulkan ausbricht hängt tatsächlich davon ab, wie stark die Eruptionen sind – schwache Ausbrüche kommen alle paar Monate bis Jahre vor, wirklich große Explosionen auch mal alle paar Jahrtausende. Doch gerade bei den ganz großen Kataklysmen bricht diese Beziehung zwischen Stärke und Häufigkeit zusammen. Warum diese gigantischen Ausbrüche zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden, und was sie verursacht, weiß bisher niemand

Inzwischen allerdings sind Wissenschaftler den entscheidenden Auslösern großer und kleiner Vulkanausbruche auf der Spur – und sind zu einer durchaus überraschenden Schlussfolgerung gekommen. Zwei Autorenteams haben nämlich Untersuchungen veröffentlicht[1], nach denen Supervulkane nach anderen Gesetzmäßigkeiten funktionieren als die normalen Allerweltsvulkane.

Supervulkane sind anders

Caldera eines Supervulkans: Lake Taupo war der Ort einer großen Eruption vor etwa 70.000 Jahren. Bild: NASA/Landsat
Caldera eines Supervulkans: Lake Taupo war der Ort einer großen Eruption vor etwa 70.000 Jahren. Bild: NASA/Landsat

Damit hätte man nicht unbedingt rechnen können. Im Gegenteil, es gibt diverse Vulkanologen, die den Begriff Supervulkan bisher abgelehnt haben, weil die Kategorie ein Produkt des Sensationsjournalismus war und es außer der Größe keinen Unterschied zu kleineren Vulkanen gebe.

Das muss man jetzt auf jeden Fall revidieren, Supervulkane sind tatsächlich eine Klasse für sich. Aber zunächst einmal haben alle Vulkane etwas gemeinsam, nämlich eine Magmakammer, gefüllt mit geschmolzenem oder teilweise geschmolzenem Gestein. Diese Gesteinsschmelze kommt grob gesagt von unten, und zwar schubweise. Der Vulkan bricht aus, sobald ein kritischer Druck erreicht ist, der die Schmelze gegen den Druck des aufliegenden Gesteins an die Oberfläche treibt.

Der Witz ist, dass es zwei unterschiedliche Mechanismen gibt, wie eine Magmakammer diesen kritischen Druck erreicht.

Der erste ist im Grunde ganz banal: Von unten kommt immer mehr Magma nach, irgendwann ist die Magmakammer voll und der Vulkan bricht aus, so dass der Druck wieder sinkt. Dieser Ventil-Mechanismus führt zu kleineren Ausbrüchen in einigermaßen regelmäßigen Abständen und steckt hinter eigentlich allen Ausbrüchen in historischer Zeit. Wobei “klein” und “regelmäßig” natürlich relativ sind, siehe zum Beispiel den Mount St Helens 1980 oder den Pinatubo im Jahr 1991. Zwischen derartigen Ausbrüchen können einige Monate bis einige Zehntausend Jahre vergehen, je nachdem, wie groß die Magmakammer gerade ist und wieviel Schmelze von unten nachfließt.

Der Auftrieb entscheidet

Wirklich große Ausbrüche nach dem Muster von Yellowstone dagegen erreichen ihren kritischen Druck anders. Sie haben viel größere Magmakammern mit Dutzenden Kilometern Durchmesser, die das von unten nachströmende Magma nicht stark genug beeinflusst, um über den reinen Druckanstieg einen Ausbruch zu verursachen. Außerdem können sich hier die Wände verformen, und nehmen so einen Teil der Spannung auf. Das Magma sammelt sich an.

Die Darstellung zeigt die Magmakammer nach dem Auftriebsmodell kurz vor der Eruption: Leichtes Magma im oberen Teil der Magmakammer gewinnt immer mehr Auftrieb, je mehr schwere Minerale auskristallisieren. Bild: ESRF/Nigel Hawtin
Die Darstellung zeigt die Magmakammer nach dem Auftriebsmodell kurz vor der Eruption: Leichtes Magma im oberen Teil der Magmakammer gewinnt immer mehr Auftrieb, je mehr schwere Minerale auskristallisieren. Bild: ESRF/Nigel Hawtin

Das langsam vor sich hin brodelnde Magma ist aber letztendlich der Grund, weshalb es schließlich doch zur Explosion kommt. Die Schmelze kühlt sich im Laufe der Zeit ab, aber dadurch wird die Situation nicht etwa stabiler, sondern gefährlicher: Nach und nach verändert sich nämlich das flüssige Gestein.

Die Minerale mit den höchsten Schmelzpunkten kristallisieren aus und sinken auf den Boden der Magmakammer. Zurück bleiben neben den leicht schmelzenden Mineralien auch flüchtige Stoffe wie Wasser und Kohlendioxid. Mit anderen Worten: im oberen Teil der Magmakammer sammelt sich eine Blase aus gasreicher, vergleichsweise leichter Schmelze.

Hier kommt die zweite Veröffentlichung ins Spiel. Die handelt nämlich von der Dichte solcher Gesteinsschmelzen. Kontinentale Kruste hat eine Dichte von ungefähr 2,7 Tonnen pro Kubikmeter. Die Laborversuche haben jetzt gezeigt, dass so eine Schmelze mit etwa 7 Prozent Wasseranteil gerade mal 2,2 Tonnen pro Kubikmeter wiegt. Entsprechend strebt die Schmelzblase zur Oberfläche wie ein Luftballon unter Wasser.

Und jetzt sehen wir auch, warum solche Auftriebs-getriebenen Ausbrüche so gigantisch sind. Kleine Ausbrüche wirken wie ein Ventil, das wieder zu geht, sobald der Druck wieder unter die kritische Grenze sinkt. Wenn jedoch das Auftriebs-getriebene Magma einmal bis zur Oberfläche durchgedrungen ist, dann gibt es kein Halten mehr, bis aus der letzte Rest der gasreichen Schmelze aus der Magmakammer entleert ist.

Ausbrüche ohne frisches Magma

All das hat durchaus weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis von Supervulkanen. Ein Punkt ist zum Beispiel, dass so ein Supervulkan ausbrechen kann, obwohl schon lange kein neues Magma nachgeflossen ist. Es bringt also nichts, bei solchen Exemplaren sorgfältig zu überwachen, ob Schmelze nachfließt: Das vorhandene Magma kann auch einfach langsam vor sich hin kristallisieren, bis der Auftrieb so stark ist, dass die restliche Schmelze nach oben durchbricht. Das ist nicht eben beruhigend.

Je nach Wassergehalt reicht immer weniger Magma aus, um zur Oberfläche durchzubrechen. Der Rote Keil zeigt die berechneten Werte für den Yellowstone-Vulkan. Bild: Figure 3 aus Malfait et al, Nature Geoscience, 2014.
Je nach Wassergehalt reicht immer weniger Magma aus, um zur Oberfläche durchzubrechen. Der Rote Keil zeigt die berechneten Werte für den Yellowstone-Vulkan. Bild: Figure 3 aus Malfait et al, Nature Geoscience, 2014.

Und was ist vor diesem Hintergrund mit dem angeblich überfälligen Ausbruch des Yellowstone-Supervulkans, von dem immer die Rede ist? Malfait und Kollegen, die die Laboruntersuchungen an künstlichen Magmen durchführten, haben es sich nicht nehmen lassen, anhand ihrer Dichtewerte und den bekannten Daten der Yellowstone-Magmakammer einfach mal durchzurechnen, wie weit die Caldera noch von einer Eruption weg ist. Sie kommen auf ein Fünftel des mindestens nötigen kritischen Druckes. Das könnte man einerseits als beruhigenden Wert interpretieren. Andererseits sind die Yellowstone-Drücke im alleruntersten Bereich selbst für wasserfreies Magma, und das erscheint mir beim besten Willen wenig plausibel.

Auch andere Prognosen deuten darauf hin, dass man die Schlussfolgerungen in den Veröffentlichungen mit einer gewissen Vorsicht genießen sollte. Zum Beispiel sagt uns das Modell aus dem Caricchi-Paper, wie groß Supervulkane werden können: 90 Kilometer Durchmesser und 35000 Kubikkilometer Magma ist demnach das Maximum. Das Problem dabei ist, dass der größte bekannte Supervulkan nur ein Siebtel dieser Größe erreichte. Für Aussagen über real existierende Vulkane, Prognosen über zukünftige Ausbrüche gar, wird man wohl noch ein Weilchen forschen müssen.

[1]

Caricchi L, Annen C, Blundy J, Simpson G & Pinel V, 2014. Frequency and magnitude of volcanic eruptions controlled by magma injection and buoyancy, Nature Geoscience. doi:10.1038/ngeo2041

und

Malfait WJ, Seifert R, Petitgirard S, Perrillat J, Mezouar M, Ota T, Nakamura E, Lerch P & Sanchez-Valle C, 2014. Supervolcano eruptions driven by melt buoyancy in large silicic magma chambers, Nature Geosciencedoi:10.1038/ngeo2042

7 Kommentare

  1. Sehr interessanter Beitrag! Natürlich wäre es schön Entwarnung geben zu können. Schließlich würde ein Ausbruch des “überfälligen” Yellowstone Supervulkans möglicherweise das Ende unserer Zivilisation bedeuten. Zu Ihren Einwänden habe ich Fragen.

    1. Verstehe ich richtig: Die nach dem Modell berechneten Drücke sind für die Yellowstone Caldera so gering, dass das Modell Ihnen nicht plausibel erscheint?

    2. Der größte bekannte Supervulkan erreicht nur ein Siebtel der nach dem Modell errechneten Maximalgröße.
    Letztlich müsste man ja die Wahrscheinlichkeit kennen, mit der grössere Blasen entstehen können, um beurteilen zu können ob das ungewöhnlich ist.
    Wie wird die Maximalgröße berechnet? Je weiter der Weg durch die Erdkruste, desto grösser können die Magmakammern werden, falls von unten Magma nachkommt? Andrerseits würde sich mit der Größe der Kammer ja auch der Auftrieb vergrößern, die Blase wäre schneller oben.

  2. Zu 1: Qualitativ erscheint mir das Modell sehr plausibel, allerdings ist im Moment die Vorhersagekraft noch nicht allzu hoch. Das Grundproblem ist aber, dass die Dichte eines unterirdischen Magmakörpers nur schwer zu messen ist. Hat ja auch bisher noch niemand systematisch versucht.

    Zu 2: Die Maximalgröße hängt von Zustrom, Abkühlungsrate und Auftrieb ab. Ich hatte auch schon überlegt, wie man an die Frage statistisch rangeht, aber mein Urteil, dass die gefundene Verteilung zu “klein” ist, ist im Moment reines Bauchgefühl.

  3. Ich habe leider keinen Zugriff auf das Paper, aber ich hätte die Grafik total anders interpretiert nämlich so, dass der rote Bereich wirklich nur den Druck angibt der von der Schmelze an sich ohne die Fluide ausgeht die “Bubles” und die Fluide wiederum erhöhen den Druck derart dass er auf jedenfall über dem minimalen kritischen Überdruck ist. Wobei mir vollkommen unverständlich ist warum dieser Druck völlig unabhängig von der Dicke (der darüberliegenden Schichten?) sein soll.

    Zur Messung der Dichte an sich, die Schwierigkeit dürfte darin liegen dass man weder den exakten Fluid noch den Exakten Phänokristallanteil weiss damit hat man dann nämlich 2 Unbekannte die Dichte und den Aggregatszustand, weiss man eine von den beiden exakt kennt man auch die Andere.

  4. Ich kann dir das Paper schicken, wenn du magst.

    Ich denke nicht, dass die Grafik so gemeint ist, denn das würde ja dem Grundgedanken des Papers widersprechen, dass der Auftrieb des Magmas der entscheidende Mechanismus bei Supervulkanen ist. Außerdem vermute ich, dass die Magmakammer zu tief liegt, als dass Fluide durch Ausperlen Volumen und Druck erhöhen könnten. Das passiert nach meinem Verständnis erst nah an der Oberfläche, wenn der Druck hinreichend nachgelassen hat.

    Dass die Dicke der aufliegenden Schlicht keine (große) Rolle spielt, scheint mir noch nicht abschließend geklärt. Die Grundüberlegung dahinter kann ich aber nachvollziehen: Der Auftrieb muss ja nicht den Druck von oben frontal überwinden, sondern nur die Festigkeit des Gesteins. Und die ist weit weniger von der Tiefe abhängig.

  5. Gern. ****(at)****.de Wenn ich dich richtig verstehe dann hältst du grundsätzlich das vorhanden sein von superkritischen Fluiden in diesem Krustenniveau für nicht möglich? eig hatte ich ein Paper gesucht das eben jenen Effekt der Entmischung ab bestimmten Drücken bei sogenannten IOCG Lagerstätten (quasi Paläosupervulkanen) genauer ausführt, aber ich habe es leider nicht gefunden. An und für sich ist diese Beobachtung aber so übrigens nichts Neues, sie spielt bereits bei der Erklärung von Vulkanismus an Subduktionszonen die entscheidende Rolle. Es gibt einige Blauschiefer Funde bei denen man “Fluidadern” zu erkennen glaubt. Ich habe schon Vorträge gehört/gesehen in denen Bildern von Blauschiefer gezeigt wurden wo man “Entwässerungsadern” erkennen konnte. Blauschiefer kann subduzierte ozeanische Kruste repräsentieren, diese wird in mehreren Phasen “entwässert” soll heissen dass OH Komplexe aus den Mineralen heraus”wandern”, man könnte auch sagen dass bestimmte Minerale zusammenbrechen. Dies geschieht in der letzten Phase hin zur Eklogitfazies in ca 40 km Tiefe (Nachweis siehe hier http://www2.klett.de/sixcms/media.php/76/pt.gif ) hier findet also die letzte Entwässerung statt und bis in diese Tiefe gibt es auf jedenfall noch Fluide. Vll unterhalten wir uns ja auch nochmal über die Kontinente wenn du de anderen Artikel überflogen hast 😉

  6. Wenn ich dich richtig verstehe dann hältst du grundsätzlich das vorhanden sein von superkritischen Fluiden in diesem Krustenniveau für nicht möglich?

    Ich war quasi intuitiv davon ausgegangen, dass sich Schmelze und Fluide unter den Bedingungen der Magmakammer nicht entmischen.

    (Addendum: Du hast Recht, es gibt wohl Hinweise auf Phasentrennung in Magmakammern. Sie spielt aber für den Ausbruchmechanismus laut Paper keine Rolle)

    Stellt der Blauschiefer nicht eine grundsätzlich andere Situation dar? Subduzierte ozeanische Kruste ist ja kalt und fest, und dass Fluide und Feststoffe auch in großer Tiefe entmischt sind, ist mir unmittelbar einsichtig. Und die Schmelze in Subduktionszonen bildet sich IIRC dadurch, dass Fluide den Schmelzpunkt des Mantelmaterials verringern. Aber dazu müssen sich die Fluide ja gerade lösen, sonst gibt es keine Schmelzpunkterniedrigung.

  7. Der Übergang der fluiden Phase zusammen mit der festen Phase in eine magmatische Phase erfolgt aber auch nicht immer, es gibt Leute die Fluide nachgewiesen haben wollen die von da unten in 80 Jahren (also ziemlich schnell) an die Erdoberfläche gewandert sind, hierbei wurde in der oberen Kruste kein magmatischer Körper gefunden, was vermutlich bedeutet dass es keinen gab.

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