Bürgerkonferenz: Utopie 2030 – zaghaft und visionär

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Wir wollen hier ja nicht nur über Energie diskutieren, sondern vor allem über die Zukunft. Bei der Bürgerkonferenz Berlin ist die Zukunft konkret das Jahr 2030, nachdem offenbar früheren Runden das Jahr 2050 zu weit weg war. Visionen sind gefragt, und Visionen haben die Runden auf jeden Fall erarbeitet. Allerdings muss sich noch zeigen, welche davon richtungweisend sind und welche eher von der Sorte sind, die man nach dem Konsum dubioser Pilze bekommt. Auf jeden Fall liegt jetzt eine lange Wunschliste vor, und auf der ganz oben steht wieder einmal der Neue Mensch.

Heißt natürlich: Wäre es nicht schön, wenn der Mensch weniger gierig und egoistisch wäre und statt mit Stretch-Limousinen und Wintergarten mit dem Energiesparhaus und der ÖPNV-Monatskarte angeben würde? Klaro. Deswegen wollen die meisten Gruppen möglichst früh in der Erziehung ansetzen, will sagen: Energiesparunterricht in der ersten Klasse, wenn nicht gar im Kindergarten. Das Bewusstsein ändern und so. Eine ältere Dame hat das ebenso lakonisch wie treffend kommentiert: "Ich glaube nicht an den Nutzen von Erziehung. Ich bin seit 1950 zum Kommunismus erzogen worden. Hat auch nicht funktioniert." Der Mensch lässt sich nur in geringem Maße nach den Bedürfnissen der Gesellschaft formen. Glücklicherweise.

Katja Machill hat in ihrem letzten Beitrag eine ziemlich vollständige Liste möglicher energiepolitischer Visionsbausteine zusammengestellt, die in der einen oder anderen Weise durchaus sinnvoll sind – und auch einen ziemlich guten Querschnitt dessen darstellen, was die Gruppen so untereinander besprochen haben. Eine bemerkenswerte (aber irgendwie absehbare) Differenz betrifft den Individualverkehr, vulgo das Auto.

Dessen weitgehende Abschaffung ist zwar in Punkt eins der Liste quasi inkorporiert, in den Visionen der einzelnen Gruppen taucht es doch immer wieder beharrlich auf. Zwar schuldbewusst mit hohen Abschlägen beim Energieverbrauch oder gleich ganz mit dem Elektromotor gestraft, soll der Deutschen liebstes Spielzeug auf jeden Fall ins Jahr 2030 gerettet werden. Der öffentliche Nahverkehr soll natürlich gestärkt werden, gleichzeitig.

Bessere Technik wollen natürlich auch alle, und den Rest soll der Staat richten, durch Vorbild oder Vorschrift. Dann gibt’s natürlich auch die, die das Jahr 2030 gleich ökologisch mikromanagen wollen, da soll dann für jede Google-Suche zum Ausgleich ein Baum gepflanzt werden, oder Heizkörper mit Schamottsteinen gepflastert werden. Es ist, alles in allem betrachtet, eine hübsche Mischung aus zaghaft und visionär.

In einem per Komitee erarbeiteten Dokument kann man natürlich immer etwas finden, über das man sich lustig machen kann. Insgesamt sind die Ergebnisse, die momentan mehr oder weniger kryptisch an zettelbehangenen Stellwänden verewigt sind, recht eindrucksvoll – die Teilnehmer haben ihre Hausaufgaben gemacht. Teilweise dem Vernehmen nach so sehr, dass einigen Leuten wohl das Niveau der Veranstaltung zu niedrig war, zum Leidwesen der Moderatoren.

Aber das heute war ja eh erst der einfache Teil der Veranstaltung. Einen Wunschzettel an das Jahr 2030 kann jeder schreiben – morgen aber werden sich die Besucher der Bürgerkonferenz der Frage stellen müssen, ob ihre Ideen realistisch sind. Oder finanzierbar. Oder politisch durchsetzbar. Oder auch nur wünschenswert. Ob das gutgeht, erfahrt ihr natürlich wieder in unserem Liveblog.

3 Kommentare

  1. Nett

    Es ist, alles in allem betrachtet, eine hübsche Mischung aus zaghaft und visionär.

    Und dieser nette Satz beschreibt nicht nur die Bürgerkonferenz, sondern auch die Deutschen zutreffend.

    Wahrscheinlich wird dort auch gleich von vorneherein von einerm Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 100% ausgegangen.

    Hübsch ist auch die Anmerkung in Katja Machills Artikel zu dem Herrn, der sich “bewusst gegen einen Laubsauger” entschloss. Das ist mein persönlicher Held der Zukunft.

  2. Skeptisch

    Seit ich mal die Internetdiskussion im Vorfeld einer Bürgerkonferenz der EU verfolgt habe und die Abschlusspapiere der einzelnen KOnferenzen gelesen habe, bin ich sehr skeptisch was Bürgerkonferenzen betrifft. Da wurde teilweise massiv in die Grundrechte der Bürger eingegriffen und Erungenschaften der letzten 40 Jahre wieder zurückgedreht. Sehr konservativ und auch teilweise sehr extrem. So mein Eindruck.

    Insgesamt nicht zu Ende gedacht was die Folgen betrifft. Ich hoffe ja, dass diese Konferenz sich da am Ende mal positiv abhebt.

  3. Es zeichnet sich ab…

    …dass es auch hier eine latent autoritäre Unterströmung gibt, der sich die Teilnehmer wahrscheinlich gar nicht so recht bewusst sind. Einiges was hier diskutiert wird ist wirklich irgendwo zwischen kurios und gruselig.

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