Totale Überwachung von Stammzellen: Das Magnet-Gen

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Ein Grund, weshalb über die Stammzellen in der aktuellen Debatte so ausdauernd gestritten wird, ist das enorme therapeutische Potential, das ihnen zugesprochen wird: Krankes, zerstörtes Gewebe selbständig zu regenerieren ist der Heilige Gral der Medizin. Doch bis Stammzellen dereinst Parkinson, Querschnittslähmung und andere Gebrechen heilen, ist es noch ein weiter Weg. Dazu muss erstmal im Detail geklärt werden, was mit den Zellen passiert, nachdem sie in den Körper gelangt sind.

Die Frage ist nicht so ganz einfach zu beantworten. Sobald die Stammzellen sich in den gewünschten Gewebetyp verwandelt haben, sind sie von normalen Zellen erstmal nicht zu unterscheiden. Die gängige Abhilfe ist die Fluoreszenzmarkierung mit GFP,  bekannt geworden unter anderem durch die Sache mit der grün leuchtenden Maus. Dummerweise muss man, um auf diese Weise den Verbleib von Zellen im Körper zu klären, Gewebeschnitte unter UV-Licht betrachten. Nun mag es angehen, Mäuse für die Medizin in Streifen zu schneiden, irgendwann müssen diese Therapien aber auch am Menschen erprobt werden.

Abbildung: Magnetische Nanopartikel in Membranvesikel (oben) und frei im Cytoplasma (unten). Quelle: O. Zurkiya et. al: Magnetic Resonance in Medicine 59:1225–1231 (2008)

Eine elegante Lösung stammt aus dem Reich der Mikroorganismen. Einige gramnegative Bakterien stellen nanometergroße Partikel aus superparamagnetischen Eisenoxiden (SPIO) her, die ihnen wahrscheinlich dabei helfen, sich am Erdmagnetfeld zu orientieren. Mit solchen Nanopartikeln aus superparamagnetischen Eisenoxiden kann man einzelne Zellen markieren und im Körper zerstörungsfrei verfolgen. Wegen ihrer magnetischen Eigenschaften lassen sie sich mit herkömmlicher Kernspintomographie lokalisieren, ohne dass man dazu gleich Stücke aus dem Probanden schneiden muss.

Dazu braucht man im Grunde gar keine Bakterien. magnetische Nanopartikel werden bereits produziert und genau zu diesem Zweck eingesetzt. Die Sache hat eben nur den Haken, dass man diese Nanomagnete erstmal herstellen und in die Zellen hineinbringen muss. Außerdem werden die Partikel nicht nachproduziert und mit jeder Zellteilung im Körper verdünnt. Konsequenz: Gerade im interessanten Moment, wenn sich aus den Stammzellen neues Gewebe bildet, verliert sich die magnetische Spur. Das Problem lässt sich elegant umgehen, wenn Zellen die Nanomagnete einfach nachproduzieren.

Das wiederum ist einfacher als es klingt: Zwar hängen zum Beispiel beim unmissverständlich betitelten Magnetospirillum magneticum insgesamt fast 700 Gene direkt oder indirekt mit der Bildung der Magnetosomen zusammen, wie Fukuda et al. kürzlich berichteten. Jedoch reicht ein einziges Gen aus dem insgesamt 98 Kilobasen großen DNA-Komplex, um die Nanoteilchen entstehen zu lassen: MagA.

Dieses Gen haben jetzt Forscher in das Erbgut von Säugetierzellen eingeschleust, zusammen mit einem Promoter, der das Gen in Gegenwart des Antibiotikums Doxycyclin aktiviert. Das Ergebnis, beschrieben in der Juni-Ausgabe von Magnetic Resonance in Medicine, ist ganz erstaunlich: Aktivieren die Forscher das Gen, bilden sich in den Zellen haufenweise Nanomagneten.

Die gebildeten Partikel haben eine ziemlich einheitliche Größe von etwa drei bis fünf Nanometern und ähneln denen der magnetotaktischen Bakterien, allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: In den Bakterien sind die Nano-Magnete entlang von Filamenten aufgereiht. Diese Strukturen tragen mit ziemlicher Sicherheit zur sensorischen Funktion der Partikel bei. Demgegenüber produzieren die Säugerzellen große Mengen dieser Teilchen ziemlich unkoordiniert und funktionslos.

Die Zellen versuchen anscheinend, die im Cytoplasma entstehenden Fremdkörper loszuwerden. Die Magneten sammeln sich in Membransäckchen, die multivesikulären Körpern ähneln, speziellen Endosomen, die normalerweise an Abbauwegen beteiligt sind. So ganz genau ist das aber noch nicht geklärt. Auf jeden Fall besitzen die Forscher damit Stammzellen, die bei Bedarf ihr eigenes Kontrastmittel produzieren. Positiver Nebeneffekt: Möglicherweise aus den Stammzellen gebildete Tumore kann man so gleich mit erfassen. Vorausgesetzt jedenfalls, die Nano-Magnete erweisen sich als unschädlich.

Zumindest Datenschutzbedenken braucht man dabei nicht zu haben: Die Nano-Magnete erlauben die totale Überwachung von Stammzellen, aber nicht die ihrer Träger. Das RFID-Gen ist jedenfalls noch nicht gefunden.

Omar Zurkiya, Anthony W.S. Chan, Xiaoping Hu (2008). MagA is sufficient for producing magnetic nanoparticles in mammalian cells, making it an MRI reporter Magnetic Resonance in Medicine, 59 (6), 1225-1231 DOI: 10.1002/mrm.21606

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