Schützt Bier vor Osteoporose?

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In den letzten Tagen wurde wieder einmal ein Zusammenhang bemüht, der schon seit ein paar Jahren ziemlich regelmäßig in der Tagespresse herumgereicht wird. "Das Getränk aus Hopfen und Malz verbessert die Knochendichte" schreibt der Focus, und die Welt titelt ebenso prosaisch wie zutreffend: "Bier tut gut". Den Knochen natürlich.

Der Anlass – die US-Forscher Bamforth und Casey haben untersucht, wie der Siliziumgehalt im Bier von der Sorte und den Braubedingungen abhängt – gibt derartige Schlagzeilen zwar eigentlich nicht her, das Thema Bier und Knochen allerdings beschäftigt Forscher schon seit Jahren. Diverse seiner Inhaltsstoffe stehen im Verdacht, Auswirkungen auf die Knochen zu haben, in letzter Zeit konzentriert sich die Forschung allerdings auf das Spurenelement Silizium.

ResearchBlogging.orgSeit den 70er Jahren weiß man aus Tierversuchen, dass künstlich herbeigeführter Siliziummangel sich negativ auf die Skelettentwicklung auswirkt. Dabei wird Silizium nicht in die Knochen selbst eingebaut, sondern scheint eine Rolle in vorgelagerten Signalwegen zu spielen. Eine Interpretation der Befunde ist, dass gelöste Kieselsäure Sauerstoffradikale stabilisiert, die ihrerseits als Signalstoffe für Knochen- und Knorpelbildung wirken.

Patientenstudien zeigen deutlich, dass Silizium speziell die Symptome von Osteoporose lindern kann und möglicherweise dauerhaft vorbeugend wirkt. Der Zusammenhang zwischen Knochendichte und Silizium ist jedenfalls gut genug belegt, um sich für Lebensmittel zu interessieren, die reich an dem Element sind: Osteoporose ist eine der Krankheiten, die aus demographischen Gründen in Zukunft zu einem immer größeren Problem werden: Etwa ein Drittel aller Frauen bekommen sie nach der Menopause.

Leider, und damit sind wir bei der Crux der Sache, ist Silizium in der menschlichen Ernährung nur in relativ geringen Mengen vertreten, obwohl es zu den häufigsten Elementen der Erdkruste gehört. Viele Pflanzen lagern zwar Silikat ein, um Stängel und Kapseln zu stabilisieren, doch auch in dieser Form ist es in Wasser unlöslich. Aufnehmen können Mensch und Tier das Silizium nur als lösliche Orthokieselsäure, von der auch siliziumreiche Pflanzen eben nur sehr geringe Mengen enthalten.

Ursprünglich gingen Forscher daher davon aus, dass feste Nahrung praktisch nicht zur Gesamtaufnahme an Silizium beitrage. Das stimmt nicht: Im Magen-Darm-Trakt wird ein Teil des unlöslichen Siliziums in Pflanzenmaterial mobilisiert, allerdings kommt dabei nicht allzu viel rum. In Bananen, die mit etwa 5 mg Si/100g sehr siliziumreich sind, ist nur fünf Prozent der Gesamtmenge bioverfügbar.

Bier dagegen enthält, wie wir dem Bamforth-Paper entnehmen können, im Mittel etwa nur halb so viel Silicium wie Bananen, davon ist jedoch ein wesentlich größerer Anteil für den Organismus zugänglich: Bier ist flüssig, deswegen kann es nur lösliche Orthokieselsäure enthalten. Das Getränk steht deswegen schon seit geraumer Zeit in Verdacht, einen beträchtlichen Anteil des Siliziums in der Ernährung zu stellen.

Ernährungsstudien haben dann auch gezeigt, dass dank der löslichen Orthokieselsäure schon recht geringe Mengen Bier einen erheblichen Unterschied machen können: In der Framingham-Offspring-Studie war Bier die bedeutendste Siliziumquelle bei Männern – die unter anderem deswegen auch ein Viertel mehr vom Element aufnahmen.

Das Element gelangt aus dem Malz ins Bier. Ich persönlich vermute, dass ein Teil des normalerweise unzugänglichen Siliziums im Getreide während der Keimung zu Kieselsäure hydrolysiert und so löslich gemacht wird. Der Siliziumgehalt hängt jedenfalls von Ausgangsmaterial und Bedingung der Mälzung ab sowie vom Malzanteil. Süße, stärker gehopfte Biere enthalten mehr Silizium, Weizenbier dagegen ziemlich wenig, weil Weizen kaum Silizium enthält. Die Braubedingungen spielen ebenfalls eine gewisse Rolle: Je stärker die Maische gerührt wird, desto mehr Kieselsäure löst sich. Alkoholfreie Biere fanden sich in der Studie konsistent am unteren Ende der Skala wieder.

Von der praktischen Relevanz all dieser Erkenntnisse bin ich allerdings nicht so recht überzeugt. Die durchschnittliche Tagesdosis Silizium liegt irgendwo im Bereich von 20 bis 50 Milligramm, was etwa ein bis zwei Litern Bier entspricht. Es gibt natürlich noch keine Zahlen für eventuelle therapeutische Dosen, aber ich würde auf der Basis der vorliegenden Daten schätzen, dass man für den gewünschten Effekt schon mindestens zwei, drei Halbe pro Tag killen sollte, und das dauerhaft. Nichts gegen ein entspanntes Feierabendbier, aber das scheint mir doch ein bisschen viel des Guten zu sein.

Casey, T., & Bamforth, C. (2010). Silicon in beer and brewing Journal of the Science of Food and Agriculture DOI: 10.1002/jsfa.3884

14 Kommentare

  1. Es geht ja wohl auch alkoholfreies Bier. Ist bei mir eh normal, bei anderen sollte es “für den guten medizinischen Zweck” auch akzeptabel sein 😉

  2. Praktische Relevanz

    Bier ist ja nicht die einzige Siliziumquelle. Wenn der Tagesbedarf (die Tagesdosis?) bis zu 50 mg beträgt, dann wird von irgendwoher diese Siliziummenge doch wohl auch aufgenommen. Da kann jedes Milligramm zusätzlich ein Gewinn sein. Und dann kommt vielleicht auch noch ein synergistischer Effekt durch die Hopfen-Östrogene hinzu. Wer weiß?

    Informativer Beitrag, ich werde beim nächsten Bier an Sie denken 😉

  3. Rätsel

    Ich frage mich, wie die Menschheit ohne diese wissenschaftlichen ´Erkenntnisse´ überlebt hat.

    Jetzt soll man 2 L Bier pro Tag trinken, um einen ausreichend guten Siliziumspiegel zu halten.

    Bei Tierversuchen hat man festgestellt, dass ein bestimmter Bestandteil des Rotweins antioxodative Wirkung hat => als Mensch sollte man ca. 40 Liter Rotwein pro Tag trinken, damit diese Wirkung auch hier eintritt.

    Und in Schokolade ist ein Glückshormon enthalten, dessen Wirkung eintritt, wenn man Mengen ab 2 kg/Tag isst.

    Also echt, es ist wirkich anstrengend, sich gesund zu ernähren. 🙂

  4. “Ich frage mich, wie die Menschheit ohne diese wissenschaftlichen ´Erkenntnisse´ überlebt hat.”

    Sie können kaum bestreiten, dass alle Menschen, die vor der Erfindung der Wissenschaft lebten, jetzt tot sind… :-p

    Ernsthaft, ich bin Ihrer Meinung. Ich habe mich ja im letzten Beitrag über die allgemeine inhaltsstoffixiertheit im Bezug auf Lebensmittel ausgelassen, und die Gefahr besteht natürlich auch hier. Um es nochmal klarzustellen: Die Hinweise darauf, dass erhöhte Silizium-Aufnahme bei jungen, gesunden Personen sinvoll und notwendig ist, sind eher dünn. Relevant ist das vor allem für Osteoporose-Patienten und die Risikogruppen.

    Was natürlich niemandem davon abhalten soll, es als Ausrede zu benutzen…

    @Balanus
    Ein Tagesbedarf ist derzeit noch nicht bekannt. Ich gehe davon aus, dass die Brauereien demnächst einen Richtwert von 100mg/Tag propagieren und uns alle zu Mangelerkrankten erklären wird.

  5. Alkfrei

    Wurde auch zwischen alkoholfreien Bieren unterschieden? Es gibt da ja verschiedene Herstellverfahren. Die einen werden ganz normal gebraut und dann mittels Osmose und eventuell noch einem Dünnschichtverdampfer vom Alkohl befreit. Bei anderen wird der Gärprozeß wie beim Malzbier frühzeitig abgebrochen. Dieses müßte dann noch den vollen Siliziumgehalt haben. Ich denke, das müßte dann auch auf die alkoholfreien Weißbiere zutreffen. Da las ich mal, sie hätten einen Brauprozeß, wo erst gar nicht soviel Alkohl entsteht. Müßte also das Malzbierverfahren sein. Aber gut, wenn Weizen wohl von Natur aus weniger Silizium enthält, dann nützt auch das Verfahren nichts.

  6. Alkfrei…

    Die beteiligten Wissenschaftler geben leider keine Auskunft über die Marken, deswegen weiß ich es nicht.
    Nach meinem Dafürhalten gibt es keinen verfahrenstechnischen Grund, weswegen alkoholfreies Bier grundsätzlich weniger Silizium enthalten sollte, aber laut Veröffentlichung sind die Gehalte vergleichsweise gering.

  7. Osmose

    Wenn durch Osmose Alkohol entzogen wird, wieso sollte dann nicht auch Silizium (und wohl auch noch andere Stoffe) entzogen werden?

  8. Rein intuitiv:

    Kieselsäure ist deutlich größer als Ethanol und reagiert außerdem leicht sauer. Osmosemembranen sind für so nen Kram meist eher undurchlässig. Kann aber natürlich trotzdem sein dass was durchgeht, ich bezweifle dass das jemals einer erforscht hat…

  9. Ethanol

    Deine Intuition bestätigt demnach meine Annahme. Wenn schon Ethanol nicht “durchflutscht”, dann Kieselsäure erst recht nicht.

  10. Hildegard von Bingen, Physica:
    Das Bier macht das Fleisch des Menschen stark und gibt infolge seiner Stärke und des guten Getreidesaftes seinem Antlitz eine schöne Farbe.

    Gut, von Knochen war nicht die Rede. Aber der rosige Teint ist ja auch schon ganz gut. 😉

  11. Na das ist doch endlich mal wieder ein Grund, sich ohne ein schlechtes Gewissen am Abned ein Bierchen zu genehmigen…Ich finde es super…Es ist ja schließlich gut für meine Gesundheit.

  12. “Jetzt soll man 2 L Bier pro Tag trinken, um einen ausreichend guten Siliziumspiegel zu halten.”

    Ich glaube, so eine Vorschrift würde viele Arbeitnehmer freuen 😀

    Alles hat seine guten und schlechten Seiten. Bier fördert ja auch die Fettentstehung oberhalb des Bachnabels, welches bekanntlich auch sehr ungesund ist, daher kann es nicht die Lösung sein, sich Unmengen an Bier einzuflößen.
    Ich bin gespannt, was die Forscher in der Beziehung noch herausfinden werden… aber die ändern ihre Meinung ja eh von Jahr zu Jahr.

  13. Kampftrinken für die Gesundheit

    Was soll man davon halten. 2-3 Halbe sind gut für die Knochendichte. Also ist Kampftrinken für die Gesundheit erlaubt? Wohl aber nur alkoholfreies Bier, da man dann schnell in andere Abhängigkeiten kommt. Wurde dieser Artikel von der deutschen Brauereiwirtschaft gesponsert?

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