Prähistorische Penis-Tätowierungen

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ResearchBlogging.orgEs ist ja hinlänglich bekannt, dass der Phallus über nahezu die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg Gegenstand künstlerischer und ritueller Darstellungen war und ist. Erigierte Penisse finden sich von den frühesten Höhlenbildern an in den verschiedensten Artefakten. Allerdings scheint das ganze auch andersherum funktioniert zu haben: Die Herren haben schon im Paläolithikum ihre besten Stücke künstlerisch modifiziert, ziemlich sicher durch Beschneidung, wahrscheinlich auch durch Tätowierungen und Ziernarben. Im Journal of Urology konnte man kürzlich eine Zusammenstellung entsprechender Indizien lesen, zusammengestellt von drei spanischen Forschern.

Man kann nämlich, argumentieren die Forscher, den zahlreichen Penisdarstellungen nicht nur Hinweise auf die kultische Bedeutung des Phallus entnehmen, sondern natürlich auch, wie Penisse zu jener Zeit üblicherweise aussahen. Jene Zeit ist in diesem Fall das europäische Jungpaläolithikum von ungefähr 40.000 bis 10.000 Jahre vor unserer Zeit, aus dem insgesamt 42 Phallusdarstellungen enthalten sind. Von denen zeigen drei Viertel geometrische Verzierungen.

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Penisdarstellungen mit Streifen- und Fischgrätenmustern, möglicherweise Ziernarben. Quelle: J. Angulo et al, The Journal of Urology 186 (2011), S. 2498-2503

In den Penisdarstellungen tauchen meist Streifen- oder Fischgrätenmuster auf, die ich spontan als Ziernarben interpretieren würde, außerdem zeigt ein Objekt nach Angaben der Autoren klare Piercings. Besonders bemerkenswert finde ich die elaborierten Punktreihen und Linien in vielen Abbildungen. Beides sind bekannte Elemente von prähistorischen und historischen Tätowierungen, zum Beispiel denen der Eismumie Ötzi (allerdings bilden auch Ziernarben oft Punktmuster). Sowohl der älteste Phallus als auch der am detailliertesten dargestellte deuten auf Tattoos von der Sorte hin, die ich mir nicht freiwillig machen lassen würde.

Es besteht natürlich immer die Möglichkeit, dass die Verzierungen lediglich im Bild auftauchen und in der Realität so nicht erscheinen – nur: Wenn die Muster im Bild eine besondere Bewandtnis haben, und sei es nur ästhetisch, dann hätten sie das auch am realen Objekt. Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass die Menschen des Paläolithikums technisch zu den nötigen chirurgischen Eingriffen in der Lage waren – man kennt zahlreiche Belege für erfolgreiche prähistorische Trepanationen, und das ist ein weitaus schwerwiegender Eingriff.

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Penisdarstellungen mit Punkt- und Linienmustern. Zum Vergrößern klicken. Quelle: J. Angulo et al, The Journal of Urology 186 (2011), S. 2498-2503

Es gibt ein weiteres Indiz dafür, dass unsere Vorfahren in der Steinzeit auch am Penis herumgeschnippelt haben, und zwar die Vorhaut, beziehungsweise ihr häufiges Fehlen in solchen Abbildungen. Geometrische Muster kann man auch de novo in ein Bild reinmalen, aber ein Penisbild ohne Vorhaut verlangt schon eher nach einem realen Vorbild. Womöglich war Beschneidung schon zu jener Zeit üblich.

Bleibt die Frage, wozu sich die Leute damals das angetan haben. Die Markierungen werden sicherlich keine rein ästhetische Funktion gehabt haben, sondern auch eine soziale und spirituelle, wie das ja auch in jüngerer Zeit bei modernen Ziernarben afrikanischer Völker, Maori-Tattoos oder eben der Beschneidung der Fall ist. Vielleicht sollten die Muster Schaden abwenden (quasi eine Umkehrung der Phallusamulette z.B. aus römischer Zeit) oder Fruchtbarkeit garantieren. So unangenehm wie diese Prozeduren gewesen sein dürften, kann man sich auch vorstellen, dass sie Teile von Initiations- und Mannbarkeitsritualen waren. Wir wissen es nicht.

Angulo, J., García-Díez, M., & Martínez, M. (2011). Phallic Decoration in Paleolithic Art: Genital Scarification, Piercing and Tattoos The Journal of Urology, 186 (6), 2498-2503 DOI: 10.1016/j.juro.2011.07.077

9 Kommentare

  1. Kennst Du den?

    Ein extrem tätowierter, russischer Seemann liegt im Krankenhaus. Zwei Krankenschwestern unterhalten sich. Die ältere: “Du, kürzlich musste ich den Kerl baden und ich las einen ganz komischen Schriftzug auf seiner Fleischpeitsche: Rumbalotte. Weißt Du, was das bedeuten soll?”
    Darauf die jüngere, attraktive Schwester: “Ach ja? Ich musste ihn neulich auch waschen. Aber ich las da auf seinem besten Stück: Ruhm und Ehre der baltischen Seeflotte!” 🙂

  2. Patriarchale Geschlechtsoperationen

    Wenn ich das richtig interpretiere, dann könnten die Beschneidungsrituale in heutigen Religionen auf die Initiationsrituale steinzeitlicher Menschen zum Erlangen der Männlichkeit zurückgehen.
    Wenn man die patriarchalen Einstellungen heutiger Religionen bedenkt, ist dieser Zusammenhang zumindest auffallend, oder habe ich dabei etwas übersehen?

  3. @Jemand:

    Einen Flattr-Button gibt es nicht und wird es nicht geben. Die entscheidende Währung hier sind Backlinks – siehe auch die Social-Media-Buttons unter dem Artikel.

    @KnoxonK
    Das ist eher weit hergeholt.
    Intiationsriten gab und gibt es auch für Frauen, und laut dem Artikel gibt es auch an weiblichen Statuetten indizien für permanenten Körperschmuck. Indizien für (geschlechtsabhängigen?) gesellschaftlichen Status würde ich so oder so eher in Grabfunden suchen.

    Meine Vermutung ist, dass wegen der sehr geringen Bevölkerungsdichte und der wahrscheinlich geringen Gruppengröße die paläolithischen Kulturen egalitärer waren als spätere sessile Kulturen.

    Fakt ist: Wir wissen’s nicht.

  4. @Andreas

    Der Witz (du hast die DDR-Version gebracht) existiert in zahlreichen nationalen Ausprägungen. Am besten gefällt mir die jamaikanische:

    “Wendy”

    bzw.

    “Welcome to Jamaica, mon. Please enjoy our hospitality, relax on our beaches, try our rum and have a nice stay”

  5. Pingback:altes Zeug halt – Was mit Lust

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