Plastikmüll: Zurück an den Absender

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Alle Flüsse fließen ins Meer, und heutzutage bringen sie Plastiktüten mit. Kunststoffabfälle bedecken große Flächen der Weltmeere, sie treiben dicht unter der Wasseroberfläche, werden langsam mechanisch zerkleinert und von arglosen Meerestierchen gefressen. Das ist allerdings nicht alles. Kunststoff zersetzt sich, und dabei gelangen ihre Bestandteile wie Bisphenol A und Styrole in die Umwelt. Glücklicherweise sind diese Polymere sehr beständig, so dass der Effekt keine Rolle spielt. Dachte man jedenfalls.

Spiegel Online verweist heute auf eine noch nicht publizierte Untersuchung japanischer Wissenschaftler, die herausgefunden haben wollen, dass der Prozess tatsächlich viel schneller vonstatten geht. Bedingt durch UV-Strahlung und Witterung setzt zum Beispiel Styropor bereits nach einem Jahr Styrol und seine Di- und Trimere frei, die als Krebserregend gelten. Vergleichbares gilt für das Östrogen-Analogon Bisphenol A aus Polycarbonaten.

Das Ergebnis erklärt jedenfalls einen anderen Befund: Bei der Analyse von Wasser oder Sand tauchen immer wieder überraschend hohe Konzentrationen dieser Chemikalien auf, in diesem Fall bis zu 150 ppm. Natürliche Quellen gibt es nicht, und bekannte Quellen, zum Beispiel verschmutzte Flüsse oder einfach Auswaschung aus Plastikmüll, können die vergleichsweise hohen Konzentrationen nicht erklären.

Dieser schnelle Abbau der Kunststoffe unter natürlichen Bedingungen verändert natürlich einiges, was die möglichen Effekte des Plastikmülls in den Ozeanen angeht. Bisher betrachtet man das Problem vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass Vögel, Schildkröten oder anderes Meeresgetier die Plastikteile fressen und daran zugrunde gehen. Wenn der treibende Müll aber große Mengen Chemikalien freisetzt, ist das ungleich dramatischer, denn dann betrifft das Problem wesentlich mehr Organismen.

Anders als Plastikbröckchen reichern sich die Chemikalien in der Nahrungskette an, und wer steht da ganz oben? Richtig, wir nämlich. Ich habe heute zum Beispiel Schollenfilet mit Kartoffelsalat gegessen. Ein bisschen von jeder entsorgten Plastiktüte kriegen wir ganz persönlich per Fischmahlzeit wieder reingewürgt. Natürlich, wie das immer ist, die plastikproduzierenden Industrienationen wesentlich weniger als die bettelarmen Küstenfischer in Westafrika. Die Mengen dieser Chemikalien, die in Ökosystemen und Lebensmitteln auftauchen, sind allerdings vergleichsweise gering, und speziell Bisphenol A hat in der Umwelt eine Halbwertzeit von lediglich zwei Wochen. Man muss wegen dieses Befundes also nicht gleich auf Meeresfisch verzichten.

Ein Problem haben wir trotzdem, denn es sind wirklich enorme Mengen Plastik, die im Ozean treiben, und dementsprechend viele Abbauprodukte setzen sie frei. Schlimmer noch, wir wissen kaum, wie groß das Problem wirklich ist und noch viel weniger, wie man all das Plastik wieder los wird, wenn es tatsächlich (was ich für unwahrscheinlich halte) eine konkrete Gesundheitsgefahr darstellt. Im Gegenteil, die Mengen werden weiter wachsen, und selbst wenn wir die Plastikflut irgendwann in den Griff kriegen, begleiten wird sie uns noch Jahrzehnte.

6 Kommentare

  1. Plastikstrand

    Kürzlich lief eine Sendung im Fernsehen, in der gesagt wurde, dass in England (Ort?) bereits 18% des Strandes aus zerkleinertem Plastikschrot bestünde und es quietschen würde, wenn man darüber geht. Finde ich echt gruslich!

  2. 18%

    halte ich für maßlos übertrieben. Ich mein, wieviel Sand liegt allein an einem so nem Strand rum?

    Aber viel ist es auf jeden Fall, die Briten kriegen ja alles ab, was mit dem Westwind aus Nordamerika rüberdriftet.

  3. Schöner Artikel!

    …und sie begleiten uns wahrscheinlich nicht nur Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte – vgl. Weisman, Alan: “Eine Welt ohne uns”

  4. Verwertung

    Trennverfahren:

    Plastik schwimmt im Meerwasser, und Sand sinkt auf den Grund.

    Verwertung:

    Die thermische Umwandlung zu Dieselöl ist problemlos möglich.

    Aussichten:

    Gut, wenn das natürliche Erdöl erschöpft ist.

  5. Für ein Trennverfahren…

    …muss man aber auch genug Material zum trennen haben. Ein paar Zehntausend Tonnen Plastik sollte da schon rausspringen, damit sich das lohnt.

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