Pestizid-Teststreifen für Lebensmittel

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Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Obst und Gemüse nachzuweisen erfordert oft erheblichen Aufwand. Eine einfache Technik könnte jetzt komplizierte Laboruntersuchungen bei einigen Stoffen überflüssig machen.

Frisches Obst und Gemüse ist ja prinzipiell sehr gesund, allerdings gelangen dabei gelegentlich auch mal unerfreuliche Beilagen auf den Teller, nämlich diverse Pflanzenschutzmittel. Die klassische Lebensmittelüberwachung ist, was das angeht, chronisch im Hintertreffen. Etwa ein Drittel aller weltweit eingesetzten Stoffe kann man routinemäßig im Labor nachweisen, andere sind nur mit großem Aufwand zu detektieren oder gar nicht. Und trotz regelmäßiger Stichproben gibt es immer wieder Waren, die stark belastet sind.

Der Verbraucher ist diesem Problem in Ermangelung eigener Analytik weitgehend ausgeliefert. Trotz Stichproben der Lebensmittelüberwachung und Untersuchungen privater Organisationen wie zum Beispiel Greenpeace bleibt ein erhebliches Restrisiko, möglicherweise gesundheitsschädliche Mengen Pflanzenschutzmittel aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist eine Publikation interessant, die ich kürzlich in der Zeitschrift Analytical Chemistry aufgetrieben habe: Wissenschaftler haben Pestizide mit simplen Teststreifen nachgewiesen.

Das ist natürlich eine verführerische Vision: Ohne Labor und binnen Minuten die Qualität von Lebensmitteln bestimmen, jeder Konsument sein eigener Lebensmittelkontrolleur. So weit ist es natürlich noch nicht, der neue Test existiert nur als Versuch und funktioniert bisher nur mit einigen in Europa schon verbotenen Pestiziden. Die Anwendung basiert auf dem Umstand, dass die gesuchten Substanzen Nervengifte sind, die das Enzym Acetylcholinesterase (AChE) hemmen.

Durch diesen gemeinsamen Wirkmechanismus lassen sich mehrere unterschiedliche Pflanzenschutzmittel entdecken. Die AChE spaltet normalierweise den Neurotransmitter Acetylcholin in Cholin und Acetat, die Reaktion funktioniert allerdings auch mit anderen, chemisch ähnlichen Verbindungen. In diesem Fall ist das der orangefarbene Stoff Indophenylacetat, der von der AChE in Acetat und einen blauen Farbstoff gespalten wird.

Der Teststreifen besteht also aus einem Feld mit besagter Acetylcholinesterase in einer Kieselgel-Matrix und einem zweiten Feld mit dem Farbstoff. Für den Test braucht man lediglich die Probelösung und ein Glas Wasser. Nachdem das Enzym mit der Probelösung wechselwirken durfte, stellt man den Teststreifen einfach mit dem unteren Ende in das Wasser. Das Papier saugt das Wasser auf und die sich ausbreitende Flüssigkeit transportiert den Farbstoff zum Enzym, das den blauen Farbstoff freisetzt. Entsteht kein (oder weniger) blauer Farbstoff, ist irgendetwas in der Lösung, was das Enzym blockiert, und das ist in den allermeisten Fällen ein Pestizid.

Der Test ist nach Aussage der beteiligten Wissenschaftler erstaunlich sensibel: Gängige Pestizide wie Paraoxon, Bendiocarb oder Malathion lösen schon in Konzentration von wenigen Nanomol pro Liter eine sichtbare Farbreaktion aus. Die akzeptable Tagesdosis (acceptable daily intake, ADI) liegt in der Regel um ein Vieltausendfaches über diesem Wert.

Das schöne an dem Verfahren ist seine Einfachheit. Die Teststreifen lassen sich mit einem modifizierten Tintenstrahldrucker herstellen, sind lagerstabil und einfach zu verwenden. Das erste Einsatzgebiet wären sicher Entwicklungsländer, in denen diese Pestizide noch im Einsatz sind und nur unzureichende Lebensmittelkontrollen existieren. Und auch hierzulande dürften Verbraucher an so einem Produkt interessiert sein, denn immer mehr Leute verwenden importierte Spezialitäten wie chinesische Kräutertees, bei denen das Risiko für unerkannte Belastungen notorisch hoch ist.

Langfristig gesehen hat diese Technik das Potential, die Lebensmittelüberwachung selbst zu revolutionieren – sofern es gelingt, das Prinzip des Teststäbchens auf möglichst viele Substanzklassen auszuweiten. Dann nämlich könnten Händler und Verbraucher belastete Waren noch an der Ladentheke abfangen.

Hossain, S., Luckham, R., McFadden, M., & Brennan, J. (2009). Reagentless Bidirectional Lateral Flow Bioactive Paper Sensors for Detection of Pesticides in Beverage and Food Samples Analytical Chemistry, 81 (21), 9055-9064 DOI: 10.1021/ac901714h

7 Kommentare

  1. was mich beim Thema Pestizide in Lebensmitteln generell immer interessiert, ist die tatsächliche Relevanz des Ganzen – gibt es irgendwo Zahlen, wieviele Menschen tatsächlich deswegen erkrankt oder verstorben sind?

    Ich ernähre mich seit zehn Jahren fast ausschließlich von großen Mengen Obst, und ich wasche das nicht mal ab… und zwar nicht das gute Bio-Obst vom Öko-Bauern, sondern abgepackte Sachen aus dem Supermarkt.
    Um es mal überspitzt zu formulieren: wann kann ich damti rechnen, dass mir alle Haare und Fingernägel ausfallen, weil ich so pestizid-belastet bin?

    • Haben sie nach 9 Jahren immer noch keine Probleme? Mit Krebs, Erkrankungen sowie Immunerkrankungen? Oder haben sie bereits ihre Ernährung auf Bio Lebensmittel gewechselt?

  2. Das…

    …ist natürlich die nächste große Frage. Dauerbelastungen mit geringen Mengen sind toxikologisch insgesamt schwer einzuschätzen. Aus Tierstudien weiß man zum Beispiel, dass Kombinationen von Pestiziden in niedrigen Konzentrationen gefährlicher sein können als Einzelstoffe.
    Viele Pestizide reichern sich im Laufe der Zeit an und entfalten dann irgendwann eine chronische Wirkung. Es gibt da Substanzen, die in den Hormonhaushalt eingreifen können und so.

    Für eine Prognose sind da viel zu viele Unbekannte im Spiel. Es gibt aber keinen Grund, sich da jetzt verrückt zu machen, im Großen und Ganzen sind unsere Lebensmittel sicher. Bei Pestiziden ist weniger halt einfach besser.

  3. Ehrlich gesagt, mir graut ein wenig davor, Verbraucher in die Supermärkte zu schicken – ausgerüstet mit Teststreifen die einen Stoff in einer 1000x geringeren Konzentration feststellen, als man täglich gefahrlos zu sich nehmen kann…

  4. Lebensmittel aus Asien

    Ich weis nicht wie es bei Lebensmitteln aus anderen Ländern zb China ist. Aber ich bestelle häufig persische Spezialitäten. Ein guter Freund ist Iraner.Er ist Arzt und hat mir persische Produkte, wegen der Natürlichkeit und der Qualität, empfohlen. Was machen die anders? Ich würde gerne mal ein paar Teststreifen zum vergleichen haben. Gibt es die mitlerweile?

  5. Jetzt sind gute 5 Jahre vergangen seit diesem Beitrag. Gibt es hier einen neuen Kenntnisstand?!
    Gibt es Möglichkeiten eigene Analysen an Lebensmitteln im Privathaushalt durchzuführen?

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