Nobelpreis für Chemie 2014 – die Kandidaten

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Update: Worum es beim Nobelpreis für Hell, Moerner und Betzig geht, habe ich hier ausführlich für Spektrum.de aufgeschrieben.

Dieses Jahr gibt es zwei Disziplinen, die die Spekulationen über den Chemie-Nobelpreis dominieren: Bio – natürlich – und Angewandt. Letztere Variante zieht Thomson Reuters dieses Jahr durch, mit drei Gruppen aus dem Bereich functional materials. Charles Kresge, Ryong Ryo und Galen Stucky mit den mesoporösen Materialien werden’s nicht. Erstens ist das Thema noch zu frisch, und zweitens ist Kresge CTO bei Saudi Aramco. Das traut sich das Nobelkomitee im Leben nicht.

Besser sind die Chancen für Ching Tang und Steven van Slyke, die T-R wegen der organischen Leuchtdioden auf der Liste führt. Die OLEDs sind Lehrbuchwissen, technisch relevant und weit verbreitet. Beim dritten Vorschlag, der RAFT-Polymerisation, treffen wir mit Ezio Rizzardo einen Forscher, der schon 2011 und 2013 unter ferner liefen in meiner Liste auftauchte. Er wird zusammen mit Graeme Moad und San Thang genannt. Aber wenn es eine Polymerisation wird, dann ist Matyjaszewski auch dabei.

Böse Zungen sagen, gegen die Thomson-Reuters-Kandidaten spreche allein schon, dass sie Thomson-Reuters-Kandidaten sind. So ganz falsch ist das nicht. Gemessen an ihrer Schrotschuss-artigen Ratemethode und daran, dass sie jeden, den sie irgendwann mal genannt haben, als Erfolg zählen, ist ihre Erfolgsquote tatsächlich nicht so dolle. Wenn überhaupt, dann wird es von dieser Liste die OLED-Gruppe.

Batterien und Nano

Ein oft vergessener Kandidat aus der Anwendungs-Ecke ist John Goodenough, einer der Väter der Lithiumionenbatterie. Drei Gründe sprechen aus meiner Sicht dafür: Erstens sind die Batterien ein echter Game-Changer, weil sie brauchbare Elektroautos möglich machen. Zweitens wäre es ein nettes politisches Symbol, worauf das Nobelkomitee ja gelegentlich zu achten scheint, und drittens ist Goodenough Baujahr 1922 – jetzt oder vielleicht nie. Allerdings stellt sich die Frage, ob sein Einzelbeitrag wirklich entscheidend genug ist.

Richard Zare und William Moerner gehören natürlich auch auf die Liste, für die Entwicklung der Einzelmolekülmikroskopie, die sich ihren festen Platz in der Forschung erobert hat. Die beiden sind ein Dauerbrenner auf meiner Liste, und nicht nur da.

Seit Jahren hält sich auch die Meinung, dass die Zeit reif ist für einen Nobelpreis im Bereich Nanotechnik. Einschlägig verdächtig sind da Charles Lieber, der das Verfahren zur systematischen Herstellung von kolloidalen Nanokristallen perfektioniert hat, Paul Alivisatos, dank dem man heutzutage wenige Atome dicke Nanodrähte aus fast allem herstellen kann, und Mildred Dresselhaus, die Existenz und Eigenschaften von Kohlenstoff-Nanoröhrchen auf der Basis theoretischer überlegungen vorhersagte. Auf jeden Fall drei wichtige Kandidaten, die ersten beiden haben zusammen auch schon 2012 den Wolf Prize für die gleichen Themen bekommen. Das wären meine Favoriten, wenn dieses Jahr ein Nicht-Bio-Thema drankäme.

Proteinforschung für die Medizin

Ich tippe dieses Jahr aber wieder auf einen Preis aus der Bio-Ecke. Einerseits hatten wir in den letzten Jahren schon haufenweise Biochem-Preise, andererseits scheinen sich die Bio-Themen mit anderen Chemie-Themen derzeit so etwa abzuwechseln, und demnach wäre wieder eins dran. Meine langjährigen Favoriten hier sind Franz-Ulrich Hartl und Arthur Horwich. Die beiden haben die ersten Chaperone charakterisiert und ihre Bedeutung für die Proteinfaltung entschlüsselt. Allerdings hat das Feld anwendungstechnisch bisher noch nicht so geliefert.

Trotzdem wären die beiden meine Nummer 1, allerdings habe ich den Verdacht, dass vorher Pierre Chambon und Ronald Evans drankommen, die Entdecker der Kernrezeptoren. Das ist im Grunde ähnlich spannend und relevant wie die Chaperone, allerdings sind sie für die Medizin mittelfristig und aktuell wesentlich relevanter – sie vermitteln unter anderem die Wirkung von Cortison und anderen Glucocorticoiden. Außerdem ist Chambon inzwischen 83, vor allem ist 2012 Elwood Jensen verstorben, der nach allgemeiner Ansicht dritte Anwärter auf diesen Nobelpreis. Eine gewisse Dringlichkeit lässt sich hier nicht leugnen. Deswegen tippe ich auf Chambon und Evans beim Chemie-Nobelpreis 2014.

5 Kommentare

  1. Dieses Jahr könnten der Chemie- und Phyisknobelpreis im gleichen oder mindestens nahe benachbarten Bereich liegen. Für die blauen LED’s haben jetzt drei japanische Forscher den Physiknobelpreis erhalten und OLED’s sind ja scheinbar gemäss obigem Artikel chemienobelpreiswürdig.

    Das Nobelpreiskomitee hält nun scheinbar auch alltagstaugliche Entdeckungen für nobelpreiswürdig.

  2. Was hat denn Fluoreszenzmikroskopie mit Chemie zu tun. Stefan Hell, Eric Betzig und William Moerner haben laut SPON den Chemienobelpreis für die Entwicklung der hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie erhalten – also für ein Hilfsmittel. Es gibt noch einige andere Hilfsmittel neueren Datums wie Mikroreaktoren. Na gut, in der obigen Kandidatenliste sind ja auch Richard Zare und William Moerner aufgelistet, ” für die Entwicklung der Einzelmolekülspektroskopie”, was ja ebenfalls ein Hilfsmittel ist und nicht direkt Chemie.

  3. Leicht paradox: Physik-Nobelpreis für Arbeiten mit chemischer Basis (Dotierung von GaN), Chemie-Nobelpreis für Arbeiten mit physikalischer Basis (photonische An- und Abregung von Molekülen). Da versteh’ einer die Welt ;-).

  4. Das sind also die Chemienobelpreisträger
    – Stefan Hell ist ein rumäniendeutscher Physiker. Er ist Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen.
    – Eric Betzig erwarb den Bachelor of Science in Physik vom California Institute of Technology (Juni 1983), den Master of Sciences in Angewandter Physik an der Cornell University (Januar 1985) und den Ph.D. für angewandte Physik von der Cornell University (August 1988) bei Michael Isaacson
    – William Esco Moerner (normalerweise als W. E. Moerner bekannt; * 24. Juni 1953 in Pleasanton, Kalifornien, USA) ist ein US-amerikanischer Physiker und Chemiker.

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