Was die Grippe für die Zeit nach Corona bedeutet

Die Influenza war während der Corona-Zeit weltweit fast völlig von der Bildfläche verschwunden – und das lag nicht an fehlender medialer Aufmerksamkeit. Es hat einfach so gut wie niemand mehr Grippe bekommen. Aber das wird sich ändern. Manche Leute haben schon öffentlich gewarnt, dass die Grippewellen nach Corona besonders tödlich werden könnten. Es gibt jedoch auch Argumente dafür, dass die Grippe nach Corona für eine ganze Weile harmloser sein wird als zuvor. Klar ist: Wenn wir wissen wollen, wie es nach der Pandemie weiter geht, müssen wir über die Grippe reden.

Auch für die Grippe war die Pandemie ein dramatischer Einschnitt. Parallel zur ersten Welle der Corona-Infektionen sind die Grippezahlen im Frühjahr 2020 dramatisch eingebrochen und sind seitdem sehr niedrig geblieben. Auf der Nordhalbkugel gab es zwischen Frühjahr 2020 und heute nur wenige hundert Fälle pro Woche, und zwar überwiegend in China, wo 2021 ein Influenza-B-Virus umging. Auf der Südhalbkugel wurden noch weniger Fälle registriert. [1]

Der genaue Grund, dass es während der Pandemie nur sehr wenig Grippefälle gab, hat natürlich auch Auswirkungen auf die zukünftige Dynamik von Grippe und Sars-CoV-2. Zum einen haben sicherlich Masken, Kontaktbeschränkungen und Reisebeschränkungen einen großen Beitrag geleistet, dass sich die Grippe nicht mehr so gut verbreiten konnte.

Warum die Grippe verschwand

Die Grippe ist gegenüber Maßnahmen und anderen bremsenden Faktoren verwundbarer als ein neues Pandemievirus, weil in der Population ohnehin eine erhebliche Immunität vorhanden ist. Deswegen endet die Grippewelle, sobald es wärmer wird, während Corona bisher auch im Sommer umging. Und deswegen sind Maßnahmen gegen Grippe auch weit effektiver.

Das ist aber nur ein Teil der Geschichte. Denn auch ohne strikte Maßnahmen haben die bisherigen Grippepandemien des 20. Jahrhunderts immer das vorher kursierende Virus ersetzt. Deswegen ist es plausibel, dass auch Sars-CoV-2 selbst für die niedrigen Grippezahlen zumindest mitverantwortlich ist.  Wenn man bereits mit einem Atemwegserreger infiziert ist, haben es andere schwer, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Eine Studie auf Réunion hat zum Beispiel gezeigt, dass mit dem Pandemievirus H1N1 infizierte Menschen eine um zwei Drittel geringere Wahrscheinlichkeit hatten, sich mit Rhinoviren oder Coronaviren zu infizieren, als nicht infizierte. [2]

Der Eindrucksvollste Beleg für das fast völlige Verschwinden der Grippe in den letzten zwei Jahren ist aber der dramatische Verlust an genetischer Vielfalt. Eine jetzt in Nature publizierte Analyse vom letzten Jahr hat da eine echt schöne Grafik zu. Viele einst weit verbreitete Abstammungslinien sind komplett verschwunden, darunter ein ganzer Subtyp von Influenza B, die Yamagata-Linie.

Streamgraph der Grippe.

Häufigkeit von Viruslinien während der Pandemie. Quelle: Dhanasekaran, V., Sullivan, S., Edwards, K.M. et al. Human seasonal influenza under COVID-19 and the potential consequences of influenza lineage elimination. Nat Commun 13, 1721 (2022). DOI: 10.1038/s41467-022-29402-5, Figure 1 , CC BY 4.0

Man sieht da schon, dass die saisonale Grippe tatsächlich ein Schwarm aus diversen mehr oder weniger verwanden Viren ist. Sie umfasst vier klar unterscheidbare Subtypen (die mit der Vierfach-Impfung abgedeckt werden), und die wiederum sind Quasispezies[3] aus verschiedenen Abstammungslinien, die separat vor sich hin evolvieren. Und von denen ist jetzt ein ganzer Haufen ausgestorben.

Der genetische Flaschenhals

Außerdem ist die Grippe regional zersplittert. Es gibt einzelne Regionen, in denen sich Grippe noch hält, umgeben von einer Welt, in der R0 für Grippe zwei Jahre Lang fast überall unter 1 war. H3N2 kursiert vo allem in Westafrika, H1N1 in Asien, B/Victoria geht in China um, und von B/Yamagata hat man seit 2020 nichts mehr gesehen. Es gibt noch andere Nester, und vermutlich kursieren in den regionalen Hotspots tatsächlich mehrere Viren. Aber der virale Superschwarm, der im Jahresrhythmus um den Globus wanderte, existierte in den letzten zwei Jahren nicht mehr.

Man kann sich die Situation etwa so vorstellen wie von Meerestiere bei Ebbe, die in den verbliebenen Tümpeln zwischen den Felsen Zuflucht gefunden haben. Und jetzt kommt das Wasser langsam zurück. Mit dem Ende der meisten Pandemiemaßnahmen und Reisebeschränkungen öffnen sich auch dem Grippevirus wieder die Wege, die ihm in den letzten zwei Jahren verschlossen waren.

Doch die Welt, in die Influenza zurückkehrt, ist eine andere, und auch die Grippe selbst hat während der Pandemie eine andere evolutionäre Richtung eingeschlagen. Vor allem war die Pandemie ein “genetischen Flaschenhals”. Nur ein winziger Bruchteil der viralen Vielfalt hat es durch die Pandemie geschafft.

Geringere Fitness?

Die Folge davon ist, dass die Grippe nach der Pandemie möglicherweise im Mittel weniger gut angepasst ist als vorher. Das liegt an der genetischen Struktur von Virenpopulationen. Wegen der hohen Mutationsrate bilden RNA-Viren wie Grippe Quasispezies. Das heißt, man kann zwar für, sagen wir, H1N1 eine theoretische “Konsenssequenz” formulieren, die alle wichtigen Merkmale dieses Virus enthält und relativ stabil ist. Die real existierenden Virenlinien aber sind hochvariabel und werden meist mehr oder weniger von dieser Konsenssequenz abweichen. Und die allermeisten Abweichungen reduzieren die Fitness.[4]

Während sich so eine Quasispezies bei hohen Fallzahlen wegen ihrer großen genetischen Vielfalt sehr schnell anpassen kann – siehe Corona -, passiert in so einem Flaschenhals das Gegenteil. Wenn man aus der enormen genetischen Vielfalt der Quasispezies per Zufall eine ganz kleine Stichprobe entnimmt, dann sind in ihr schädliche Mutationen angereichert – einfach weil es viel mehr schädliche als neutrale oder nützliche Mutationen gibt. Welche Bedeutung dieser Effekt tatsächlich für die Grippe hat, und ob er durch schnelle Evolution vielleicht schnell verschwindet, ist unbekannt.

Der Flaschenhals ist außerdem nur ein Teil der genetischen Veränderungen während der Pandemie. Dort, wo sie weiter kursierte, ist die Grippe in den letzten zwei Jahren natürlich evolviert – und zwar unter ganz anderen Bedigungen als gewohnt. Die Schwerpunkte der Übertragung von H3N2 und H1N1 liegen ja derzeit in tropischen und subtropischen Regionen.

Dort verhält sich die Grippe ganz anders als in den gemäßigten Breiten. Zum Beispiel scheint die Antigen-Drift, also die kontinuierliche Evolution des Virus, dort schneller zu gehen. Ob die Viren dadurch vielleicht für die Tropen optimiert und bei uns dadurch weniger effektiv sind, ist derzeit reine Spekulation. Es wird auf jeden Fall spannend zu sehen, ob die nächsten Saisons bei uns vielleicht erst einmal deutlich milder sind oder von B/Victoria dominiert werden, das derzeit weiterhin in gemäßigten Breiten kursiert.

Weniger Bevölkerungsimmunität gegen Influenza

Aber nicht nur die Grippe hat sich während der letzten zwei Jahre gewandelt – die lange Abwesenheit der Influenza hat auch Konsequenzen für uns. Die meisten Fachleute gehen davon aus, dass mit dem Verschwinden der Grippe auch die bevölkerungsweite Immunität nachgelassen hat. Der Grundgedanke dahinter ist, dass sich vor der Pandemie jedes Jahr ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung mit Grippeviren infiziert hat.

Das führte einerseits dazu, dass die jeweils letzte Infektion mit Influenza fast immer nur zwei, drei Jahre her war und deswegen die Infektion mild verlief. Zum anderen bremst die in der Bevölkerung verteilte Immunität das Virus, so dass weitere Faktoren wie das Wetter die Welle beenden. Das heißt, mit dem beginnenden wärmeren Wetter Ende März enden Grippewellen, im Gegensatz zu Corona, das wegen fehlender Bevölkerungsimmunität sich immer wieder auch im Sommer verbreitet hat.

Nun war seit 2020 praktisch niemand mehr mit Grippe infiziert. Die letzte Infektion liegt bei den meisten Menschen zwei Jahre länger zurück als unter normalen Umständen. Studien zeigen, dass der Schutz vor Infektion relativ schnell nachlässt. Durch Impfung oder Infektion gebildete Antikörper verschwinden in rund 12 bis 15 Monaten weitgehend. Zum einen können sich womöglich mehr Menschen infizieren, weil das Virus schwächer gebremst wird und mehr Kinder noch gar  keinen Kontakt mit dem Virus hatten

Das heißt, es ist denkbar, dass wir in den nächsten Jahren auch bei der saisonalen Grippe eine Art Corona-Effekt kriegen. Die bevölkerungsweite Immunität könnte zu schwach sein, so dass die Saison nicht wie gewohnt im März endet – oder wir kriegen sogar zusätzlich Sommerwellen, womöglich ausgelöst durch einen anderen Virustyp als in der Winterwelle. Zum anderen ist es möglich, dass auch die individuellen Erkrankungen schwerer werden, weil der Schutz wegen der größeren Lücke schwächer ist. Allerdings halten T-Zellen gegen Influenza mehrere Jahre.

Geographische Zersplitterung und der Gründereffekt

Ein weiterer Grund, weshalb eine schwerere Grippewelle möglich erscheint, ist die geographische Isolation verschiedener Versionen der gleichen Grippeviren in mehreren Regionen. Die könnte dazu führen, dass sich das Virus von der bei uns in der Bevölkerung vorherrschenden Immunität wegentwickelt, einerseits durch genetische Drift, andererseits durch den Gründereffekt. Der Gründereffekt kann ganz erhebliche Auswirkungen auf die Dynamik von Viren haben.

Die Viren in den seit beginn der Pandemie von anderen Grippeviren isolierten Regionen stammen von einem begrenzten Pool von Mutanten ab. In so einer Situation können plötzlich ganz durch Zufall normalerweise seltene Merkmale häufig auftreten, einfach weil sie durch Zufall in der Gründerpopulation vorhanden waren, von denen die aktuell kursierenden Viren abstammen. Es ist also möglich, dass die aktuell häufigsten Versionen von H1N1 und Co sich untereinander deutlich unterscheiden – worauf Daten aus Ausbrüchen während der Pandemie hindeuten.

Globale Verteilung von Viruslinien vor und während der Pandemie. Quelle: Dhanasekaran, V., Sullivan, S., Edwards, K.M. et al. Human seasonal influenza under COVID-19 and the potential consequences of influenza lineage elimination. Nat Commun 13, 1721 (2022). DOI: 10.1038/s41467-022-29402-5, Figure 1 , CC BY 4.0

Das könnte bedeuten, dass hier in Europa die Immunität gegen die aktuell in Westafrika und Asien kursierenden Grippeviren besonders schwach ist, einfach weil sie so anders sind als die Viren, die hier in Europa zuletzt kursierten. Umgekehrt könnte es aber auch sein, dass die Gründerpopulationen den Immunescape der letzten Grippewelle in den gemäßigten Zonen nicht mitgemacht hat. Das spräche wiederum für eine mildere post-pandemische Welle

Die Impfung gegen Grippe könnte kaum wirken

Geographische Isolation und Gründereffekte sind aber vor allem ein Problem für unser wichtigstes Instrument gegen eine potenziell gefährliche Grippewelle, nämlich die Impfungen. Die Grippeimpfung besteht aus Viren, die erst in großen Mengen gezüchtet und dann inaktiviert werden – und zwar vier Stück, je eine für die kursierenden Subtypen H1N1 und H3N2 sowie die beiden Linien von Influenza B. Damit so ein Totimpfstoff ordentlich wirkt, muss er allerdings jeweils genau die Viruslinie enthalten, die in einer Saison auch die meisten Erkrankungen verursacht – oder zumindest eine sehr ähnliche.

Das scheint im Moment nicht gut zu funktionieren. Das CDC hat vor ner Weile die Effektivität der Grippeimpfung letztes Jahr mit 16 Prozent Schutz vor Infektion angegeben. Das ist innerhalb der Fehlergrenzen – also hart gesagt: gar nix. Insofern war es vermutlich ganz praktisch, dass die Omikron-Welle die Grippe wieder einmal klein gehalten hat

Ein solcher Mismatch ist auch vor der Pandemie schon mal vorgekommen, aber in der aktuellen Situation könnte er darauf hindeuten, dass es derzeit tatsächlich sehr schwer ist, einen passenden Strain zu finden – und dass die Impfung deswegen bis auf Weiteres nicht ordentlich wirkt.

Der Grund ist, dass man die Antigen-Evolution und damit die richtigen Impf-Viren lange im Voraus erraten muss. Denn man braucht etwa ein Jahr, um den Grippeimpfstoff für eine Saison zu entwickeln und in ausreichender Menge zu produzieren. Dabei liegen die Fachleute durchaus auch mal daneben, wie die wechselnde Effektivität der Impfstoffe über die vergangenen Jahre belegt. Allerdings hatte man bisher zumindest sehr viel Erfahrung damit, welche Komponenten des globalen Grippe-Mobs sich womöglich durchsetzen.

Der wichtigste Faktor ist dabei die Immunität in der Bevölkerung. Dadurch, dass im Laufe einer jährlichen Welle immer mehr Leute einen Teilschutz vor dem dominanten Grippevirus haben, entsteht ein Selektionsdruck. Der zeigt sich in manchen Grippeepidemien als messbarer Antigen-Drift hin zu Immunescape-Varianten.

Die Qual der Viren-Wahl

Die in einer Grippesaison entstandene bevölkerungsweite Immunität ist quasi der Ausgangspunkt der nächsten Saison. Ein Virus, das sich schon daran angepasst hat, dürfte dann die besten Karten haben. Man nimmt also für die Impfung jeweils ein Virus, das die Entwicklung dieses Influenza-Typs als Reaktion auf die vorhandene Immunität in der Bevölkerung abbildet. Damit fährt man meistens ganz gut.

Die Pandemie und der damit einhergehende Kollaps der Grippezahlen haben dieses System gleich auf mehrere Arten zum Entgleisen gebracht. Zuerst einmal gab es keine große Grippewelle letztes Jahr und damit auch keine frische Immunität gegen die kursierenden Viren. Das macht die Sache komplizierter.

Außerdem ist der Schwarm in Einzelteile zerfallen. Gründereffekte und lokale Evolution haben verschiedene, womöglich recht unterschiedliche Linien entstehen lassen, die nicht direkt konkurrieren und von denen einige womöglich derzeit gar nicht bekannt sind.

Für die Impfung ist das natürlich potenziell ein großes Problem. Normalerweise nimmt man von einem Subtyp wie H3N2 die dominante Linie der letzten Saison, durch Immunescape etwas verändert. Es ist nahe liegend anzunehmen, dass ein Virus, das am Ende der letzten Saison dominierte, das auch am Anfang der nächsten Saison tun würde. Doch nun gibt es vielleicht drei oder mehr regional dominante Varianten mit oder ohne Immunescape, die das Potenzial haben, die nächste Epidemie bei uns zu starten.

Wie wird die nächste Welle?

Die Grippe wird auf jeden Fall zurück kommen – die Frage ist nur, wann und wie. Das ist extrem schwer vorherzusagen, denn die Ausgangslage unterscheidet sich dramatisch von allen bisherigen Grippesaisons. Nach zwei Wintern fast ohne Grippe ist die allgemeine Immunität in der Bevölkerung bei uns gesunken, weit mehr Kinder als sonst hatten noch gar keinen Kontakt mit der Grippe. Außerdem sind die derzeit kursierenden Varianten gegenüber den letzten bei uns verbreiteten vermutlich deutlich verändert. Das spricht für einen außergewöhnlich geringen bevölkerungsweiten Immunschutz vor kommenden Wellen.

Gleichzeitig ist es wegen der geographischen Zersplitterung der einst globalen Grippe sehr schwer geworden, geeignete Impfviren zu finden. Impfstoffe könnten also – wie schon in der letzten Saison – kaum vor Infektion schützen. Inwiefern diese Faktoren außerdem die Häufigkeit schwerer Verläufe beeinflussen, ist unklar.

Das worst-case-Szenario einer sich sehr effektiv ausbreitenden Grippewelle mit ungewöhnlich vielen schweren Verläufen bei gleichzeitig wenig wirksamer Impfung ist also unangenehm plausibel. Aber es gibt eben auch andere Szenarien, zum Beispiel eine reduzierte Fitness insgesamt oder in gemäßigten Breiten. Unter Umständen kommt die Grippe auch erst nach und nach wieder, so dass die Impfstoffe vor der nächsten großen Welle wieder gut wirken. Oder die Grippe läuft jetzt einfach weiter wie vorher, weil die oben diskutierten Effekte real kaum einen Unterschied machen.

Und dann gibt es ja noch die Nachwehen der Corona-Pandemie, die schwer einzuschätzen sind. Zum Beispiel gäbe es das not-sure-if-win-Szenario dass die Grippe kleiner bleibt, weil Corona bis auf Weiteres große Wellen auslöst und ihr “Marktanteile” abnimmt.[5] Nicht zuletzt könnte es passieren, dass große Teile der Bevölkerung noch auf Jahre hinaus in Herbst und Winter Infektionsschutz betreiben – und dass die Grippe es deshalb noch eine Weile schwer hat, wieder Fuß zu fassen.

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[1] Der Einbruch in den Fallzahlen liegt auch nicht an weniger Tests oder so – dafür ist er zu extrem, und tatsächlich wurde auch nicht weniger getestet. Man kann das ganz gut in den Wochenberichten der AG Influenza sehen. Das Sentinel-System lief ja weiter und registrierte u.a. sommerliche  Rhinoviren- und RSV-Wellen während der Pandemie.
[2] Ursache ist vermutlich ein unspezifischer Immuneffekt. Wenn ein Virus anfängt, Zellen der Nasenschleimhaut zu infizieren, dann alarmieren die befallenen Zellen das Immunsystem, unter anderem in dem sie Typ-1-Interferone abgeben. Diese Signalstoffe werden aber nicht nur von Immunzellen wahrgenommen, sondern auch von vielen anderen Körperzellen. Die reagieren auf das Signal, indem sie in einen “antiviral state” wechseln, in dem zum Beispiel die Produktion von RNA und Proteinen eingeschränkt ist, um die Vermehrung von Viren einzudämmen. Der antiviral state stoppt natürlich nicht nur das eigentlich angreifende Virus, sondern auch alle anderen Krankheitserreger, die zufällig so vorbeikommen. Der Schutz ist nicht wasserdicht, aber effektiv genug, um die klar voneinander getrennten Viruswellen über Herbst und Winter zu erklären. In der gleichen Studie fanden die Forscher, dass auf eine fünf Wochen dauernde Welle der Pandemie eine weitere Erkältungswelle folgte, in der das Pandemievirus kaum eine Rolle spielte. Wohlgemerkt, die jeweils dominierenden Viren haben die Konkurrenz nicht beseitigt, aber ihre Verbreitung während der eigenen Welle deutlich unterdrückt.
[3] Derzeit kursieren vier verschiedene “Arten” des Grippevirus: Die Subtypen H1N1 und H3N2 von Influenza A, sowie die Yamagata- und die Viktoria-Linie von Influenza B. Influenza A wird nach den jeweiligen H- und N-Typen benannt, bei B nach dem Ort, an dem das Virus erstmal isoliert wurde. Der Kern der Sache ist aber, dass alle vier unterschiedliche Serotypen sind, das heißt, sie verursachen untereinander keine Kreuzimmunität. Deswegen ist im Grippe-Vierfachimpfstoff je ein Vertreter jeder dieser Typen drin.
[4] Zum Vergleich: der Effekt hat bei sich geschlechtlich vermehrenden Organismen nicht so negative Folgen wie bei Viren. Denn jedes Individuum hat zwei Allele eines Gens. Und während auch hier durch einen Flaschenhals der Anteil schädlicher Mutationen steigt, betreffen sie bei den meisten Organismen nur ein Allel, so dass anders als bei Viren die “normalen” Genversionen nicht so einfach verschwinden.
[5] Das wird in diesem Herbst besonders spannend, weil auch der umgekehrte Effekt denkbar ist. Klar, alle Fachleute rechnen damit, dass die Seuche noch einmal mit Schwung wieder kommt. Andererseits ist aber auch ein ganz anderes Szenario denkbar. Dass nämlich einerseits der Wegfall der Masken und andererseits die geringere Immunität gegen andere Atemwegserreger im Vergleich zu Covid dazu führt, dass alle anderen Viren – und natürlich auch die Grippe – mit Schwung zurückkehren. Sars-CoV-2 könnte dann wegen der verbreiteten Immunität durch Impfung und Infektion ziemlich unter die Räder kommen.

23 Kommentare

  1. Ja ein toller Beitrag mit vielen Denkanstößen… Es bleibt spannend und keiner kann vorhersehen wie die Grippe einzelne Gruppen erwischen wird. Die Alten weil Immunsystem und Grunderkrankungen schlechte Abwehr bieten und keiner den Impfstoff adäquat entwickeln oder vorhersehen kann wie er konzipiert sein sollte. Die Kids die weniger Feihung erhielten…
    Einziger Trost dass man nicht schräg angeschaut wird sollte man weiter in der fiesen Winters Zeit Maske tragen. Toller Beitrag… Immer wieder ein Vergnügen Guten wiss. Journalismus zu lesen. Stil klasse und super lesbar… Und die Hintergründe klasse aufgearbeitet und viele kritische Ansätze 👌👌👏

    • Die Person in meiner Familie, die sich regelmäßig impfen liess, ist auch dement geworden. Selbst wenn es eine Korrelation gäbe (Menschen mit Grippeimpfung und Menschen mit weniger Demenz) könnte es daran liegen, dass diese Menschen sich besser um sich selbst kümmern. Siehe vegetarische Ernährung und Gesundheit.

  2. Dr. W versucht hier definitorisch zu werden, die Grippe ist eine nicht selten saisonal einkehrende, die Jahreszeiten meinend, (dann wieder) einkehrende Infektion, die auch Krankheit meinen kann.
    Sofern Infektion bestimmte Symptome zeigt.

    Es gibt i.p. Jahreszeiten gewisse wie hier gemeinte Häufungen, es ist generell so, dass der Mensch in etwa wie folgt in der bekannten Online-Enzyklopädie so auch beigebracht, immer irgendwie “befallen” ist, vgl. gerne auch so :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Mikroorganismus#Mikroorganismen_im_menschlichen_Körper

    Es ist unklar, was hier “Grippe” ist.

    I.p. Grippe kann z.B. so geschaut werden :

    -> https://www.merriam-webster.com/dictionary/grippe

    -> https://www.etymonline.com/word/grippe (K-Probe : Die Grippe meint den Griff (so übertragend übersetzt, von : Dr. Webbaer)


    Es geht i.p. Mikroorganismen, wie Dr. Webbaer an dieser Stelle gerne feststellt, nicht um wie gemeinten Befall, sondern um Schadwirkung.

    Es ist (vergleichsweise) cool den hier gemeinten Hominiden generell als wie gemeint, auch gerne sog. PCR-Tests zugrunde gelegt, als “befallen” zu betrachten.

    Vielleicht fehlt diese Erkenntnis, auch bundesdeutsch, allgemein ein wenig.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

      • Viren wirken, sie sind insofern, rein sprachlich, organisch.
        Eine Feinunterscheidung bietet sich hier nicht an, Dr. W mag diese Aussage der bekannten Online-Enzyklopädie : ‘Because they possess some but not all such qualities, viruses have been described as “organisms at the edge of life”, and as replicators.’

  3. Wenn man bereits mit einem Atemwegserreger infiziert ist, haben es andere schwer, einen Fuß in die Tür zu bekommen.

    Warum ist das eigentlich so?

    • Ja und wenn es blöde läuft wird keine Anpassung vom Impfstoff mehr im Vorfeld möglich oder sinnvoll sein. Dann wäre es nötig wieder klinische Studien komplett durchlaufen zu lassen… Damit ständen wir ohne Influenza Impfung da oder mit einer relativ wenig spezifisch wirkenden… Evolution kostet oft 😜

  4. Weniger Demenz könnte aber auch damit zusammenhängen, dass eine durchmachte Grippe-Erkrankung womöglich das Nervengewebe schädigt – und dass darum Geimpfte, die nur leichter und/oder seltener schwer erkrankten, keine Folgeschäden haben. Es also nicht die Impfung selbst ist, die die Wirkung hat, sondern die Vermeidung von Schäden durch eine starke Immunantwort des Körpers.

  5. Oder wir lassen die Masken auf ? Denn es hilft auch gegen die lästige Erkältung.
    Zumindest beim Einkauf, in der Bahn. Theater, Kino……immer da wo wird uns eh nicht sehen müssen.
    Und vor allem im Wartezimmer beim Arzt………

  6. Ist der Beitrag eigentlich mal gegengelesen worden, also auf Ortografie und Interpunktion? Hier haben sich doch einige Fehler eingeschlichen…

  7. Nachdem ich mich durch den Beitrag gekämpft habe kommt für mich als Laie am Ende heraus, dass entweder:
    1. Alles ganz anders wird
    2. Alles gleich bleibt, aber langsamer voranschreitet
    3. Alles wie immer sein wird
    Na die Lektüre hat sich ja mal richtig gelohnt.

  8. Sie schreiben:
    “Klar, alle Fachleute rechnen damit, dass die Seuche noch einmal mit Schwung wieder kommt. Andererseits ist aber auch ein ganz anderes Szenario denkbar.”
    Wie ist es erklärbar dass ALLE Fachleute falsch liegen könnten?

  9. Hmm. Vielleicht haben wir “weniger” Grippe auf Grund von weniger Diagnostik? Überlasteten Gesundheitssystemen?
    Wie bei Corona: Wieviel wird getestet, etc.
    Wieviele Wissenschaftler beschäftigen sich aktuell mit Grippe (Influenza) und nicht Covid (Sars-Cov-2)?
    Sprich… vielleicht waren die Grippewellen der letzten Jahre nur von den Coronawellen überdeckt?

  10. Wir fassen zusammen…wieder einmal lässt Phyrrhus freundlich grüßen.
    Neben einer weiteren Corona-Welle – die wir dank fehlender Impfpflicht vermutlich nicht in den Griff bekommen werden und mit Corona-Varianten die selbst mit den maximal menschenverachtenden chinesischen Methoden nicht kleinzuhalten sind – bekommen wir vermutlich noch eine Grippewelle mit vollkommen unbekannten Varianten – gegen die ein Impfstoff mehr ein Zufallstreffer ist – bei gleichzeitig geringer Immunität – die wir über zwei Jahre als Kollateralschaden einfach hingenommen haben. Übrigens nicht nur bei Influenza, auch bei RS-Viren. Am stärksten geschädigt werden dabei übrigens nun die Kinder da während der Schwangerschaft keine Immunitäten gegen Allerweltsviren aufgebaut haben.
    Prost Mahlzeit

    • … aha “schwangere Kinder” ohne Immunität. liegt an der Verhütung 😉
      übrigens ist ein paar Tage nach der Geburt das angeborene Immunsystem
      noch “abgeschaltet”, damit es sich nicht gegen eigene Körperzellen wendet.

  11. Gleich am Anfang die Eröffnung mit Unsinn. Grippe – als Sammelsurium verschiedener Viren – hätte niemand mehr bekommen. Ein klein wenig logische Denke und schon… Aber auch ohne: Viele Tests konnten schlichtweg nicht ziwchen dem bösen C und der Grippe unterscheiden. Sie war also nie weg, wurde nur anders genannt. Zumal Coroanviren zu den üblichen Grippeviren gehören.

    • Ich lass das hier mal stehen, um einfach mal zu zeigen, was für ahnungsloser Quatsch hier so abgeladen wird.
      Nur dass sich niemand wundert, wenn ich in absehbarer Zeit die Kommentare ganz dicht mach.

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