Monsterwellen werden überschätzt

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Bedingt durch den enormen Anstieg der Rechnerkapazität in den letzten Jahren haben sich Computersimulationen zum bedeutendsten Hilfsmittel bei der Konstruktion von Gebäuden und Fahrzeugen entwickelt.

Im Schiffbau werden derartige Methoden verwendet, um dynamische Belastungen in Extremsituationen genau zu berechnen und die Bauteile an die auftretenden Kräfte anzupassen. Als besonders gefährlich gelten die sogenannten Freak Waves, bis zu 35 Meter hohe Monsterwellen, die Schiffe schwer beschädigen oder versenken können. Freak waves werden inzwischen für viele bislang ungeklärte Schiffsuntergänge verantwortlich gemacht, Konstrukteure versuchen daher, Schiffe widerstandsfähiger gegen die größten Brecher zu machen.

Die Konzentration auf die höchsten Wellen scheint allerdings der falsche Ansatz zu sein, zumindest nach Angaben von Wissenschaftlern der Uni Michigan.

Ihre überraschende Aussage gründen Armin Troesch und seine Doktorandin Laura Alford auf einen neuartigen Simulationsansatz.

Normalerweise wird die Wirkung einer bestimmten Situation auf eine Konstruktion berechnet, zum Beispiel Die Kräfte, die bei einem Zusammenstoß auf ein Auto wirken. Genauso lässt man normalerweise im Rechner eine virtuelle Welle das Schiff treffen und guckt was passiert.

Troesch ging dagegen den umgekehrten Weg: Er gab dem Computer die Belastungen vor, die eine Schiffskonstruktion zum Versagen bringen, es also zum Beispiel kentern lassen oder zum Bruch des Rumpfes führen. Ausgehend von diesen Vorgaben berechnete der Computer dann eine Wellensituation, die diese Effekte verursacht.

Die Simulationen erzeugten natürlich überwiegend Ereignisse, die in der Realität nicht auftreten, sagt Professor Troesch. Viele der Berechneten Szenarien können jedoch tatsächlich auf See vorkommen.

Das Überraschende: Es sind keineswegs immer die größten Wellen, die zu den größten Belastungen führen. Genauso bedeutend sind andere Größen wie Wellenlänge und -frequenz sowie die genaue Richtung aus der die Welle auftrifft. Auch bestimmte Gruppierungen von Wellen können laut Troesch, ein Schiff zum Sinken bringen.

Diese Erkenntnis hat weitreichende Implikationen: Schiffsrümpfe werden bei der Konstruktion darauf ausgelegt, bestimmten Wasserdrücken – in der Regel etwa 15 Tonnen pro Quadratmeter – standzuhalten, die eng mit der Wellenhöhe zusammenhängen. Wenn sich die Simulationsergebnisse bestätigen sollten und die Wellenhöhe nicht der bestimmende Faktor bei den auftretenden Belastungen ist, müssen womöglich die Richtgrößen für die sichere Konstruktion von Schiffen überdacht werden.

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