Die nächste Methan-Rückkopplung

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Ihr erinnert euch sicher an die Geschichte mit der Methan-Rückkopplungs-Apokalypse in der Arktis, die eine Weile lang prominent durch die Medien lief. Die Idee dabei war, dass die Arktis in einen Teufelskreis geraten und binnen kurzer Zeit gigantische Mengen Methan freisetzen könnte. Dabei entsteht bei steigenden Temperaturen einerseits aus zerfallendem Methanhydrat, andererseits durch Bakterien im tauenden Permafrost zusätzliches Gas. Dieses Methan erwärmt die Atmosphäre weiter, wodurch Methanhydrat und Bakterien noch mehr Methan noch schneller freisetzen. Und so weiter, bis das Methan einen globalen Hitzeschock verursacht.

Ich hatte im letzten Jahr des vorpandemischen Zeitalters in einem Artikel erklärt, warum es unwahrscheinlich ist, dass der arktische Permafrost eine solche gefährliche Rückkopplung auslöst. Allerdings begann genau in jenem Jahr ein noch schnellerer Anstieg der Methankonzentration in der Atmosphäre. Und der könnte nun tatsächlich auf einen beginnenden Methan-Teufelskreis hindeuten. Die Details, basierend auf zwei aktuellen Studien, hat neulich ein Artikel in Science auseinanderklamüsert.

Dass solche positiven Rückkopplungen von Methan und Klima so große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, liegt an einer Besonderheit des Methans. Es ist nämlich ein vielfach stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid. Unter normalen Umständen ist das nicht übermäßig relevant, weil Methan in der Atmosphäre sehr schnell abgebaut wird und deswegen das Klima viel weniger beeinflusst als Kohlendioxid.

Wie Methan Hitzeschocks auslösen kann

Hat man aber einen Mechanismus, durch den eine kurzfristige Erwärmung zu einer sehr schnell steigenden Emission von Methan führt, ändert sich das. Wenn das Gas schneller in die Atmosphäre gelangt als es abgebaut wird und sich dort stark anreichert, kann der Effekt den Erwärmungstrend dominieren. Das ist zwar nach einigen hundert oder tausend Jahren auch wieder vorbei, nach den Maßstäben der menschlichen Zivilisation wäre aber auch ein solch kurzer Hitzeschock ziemlich unerfreulich.

Quelle des galoppierenden Methans in der aktuellen Hypothese sind dabei nicht, wie Satellitendaten zeigen, die Permafrostböden der Arktis, sondern tropische Feuchtgebiete. Und die sind tatsächlich, anders als die Arktis, schon jetzt eine sehr bedeutende Methanquelle. Feuchtgebiete in warmen Klimaten tragen etwa 30 bis 40 Prozent der globalen Methanemissionen bei und sind je nach Quelle für bis zu 90 Prozent aller nicht vom Menschen erzeugten Methanemissionen verantwortlich.[1]

Das Methan tropischer Feuchtgebiete stammt von Methan bildenden Bakterien, die im sauerstoffarmen Schlamm leben. Diese Methanbildner sind schon jetzt die wichtigste einzelne Quelle für das Gas auf dem Planeten. Und tatsächlich scheint es einen Mechanismus zu geben, durch den auch die tropischen Feuchtgebiete um so mehr Methan abgeben, je wärmer es wird. Das wäre genau jene positive Rückkopplung, die auch hinter der vermeintlichen arktischen Methan-Apokalypse steckt.

Zusätzliches Methan in den Tropen

Anlass zu solchen Überlegungen gibt der schon erwähnte überraschend schnelle Methananstieg seit 2019. Der kommt auf den normalen überraschend schnellen Methananstieg seit etwa 2007, dessen Ursache auch noch heiß diskutiert wird, noch mal obendrauf. Und auch in diesem Fall gibt es eine erste Vermutung, was dahinter steckt. Zwei neue Veröffentlichungen nämlich kommen zu dem Ergebnis, dass das zusätzliche Methan aus den tropischen Feuchtgebieten kommt, und dass der Klimawandel die Entwicklung antreibt.

Quelle: NOAA Global Monitoring Laboratory

Messungen sprechen dafür, dass die Methanemissionen tropischer Sümpfe tatsächlich zunehmen. Speziell in Ostafrika zeigen Satellitendaten deutliche bis dramatische Anstiege seit 2019, zum Beispiel in der Sudd, Afrikas größtem Sumpf in Sudan. Aber auch das Amazonasbecken gibt mehr Methan ab. Ursache scheinen stärkere Regenfälle zu sein, zumindest legt das eine der Untersuchungen für Ostafrika nahe. Mehr Regen überschwemmt mehr Land, und mehr Sumpf erzeugt mehr Methan.

Die zunehmenden Niederschläge hängen einerseits mit dem Indian Ocean Dipole (IOD) zusammen, einem zyklischen Wettermuster, das in seiner positiven Phase Ostafrika mehr Regen bringt. Klimamodelle deuten ziemlich konsistent darauf hin, dass der IOD in einer wärmeren Welt immer länger und stärker positiv wird. Zum anderen fällt durch globale Erwärmung in den Tropen und Subtropen mehr Regen, weil mehr Wasser verdunstet und eine warme Atmosphäre mehr Wasser aufnimmt.

Die Sumpf-Klima-Connection

Das heißt, der Klimawandel hat einen doppelten Effekt auf die Methanemissionen der tropischen Feuchtgebiete – einerseits durch den intensiveren IOD, zum anderen durch zusätzliche Feuchtigkeit. Der Zusammenhang mit dem zyklischen IOD ist auch das bisher klarste Indiz dafür, dass Regen und Methan etwas miteinander zu tun haben – die Daten zeigen einen Zusammenhang zwischen den drei Größen. Für die These und gegen einen anderen Mechanismus spricht auch, dass die natürlichen Methanemissionen in Asiens Feuchtgebieten analog zu den dortigen Niederschlägen nicht generell steigen.[2]

Die Methanemissionen der tropischen Feuchtgebiete speziell in Ostafrika reichen laut den neuen Analysen aus, um einen erheblichen Teil des zusätzlichen Anstieges seit 2019 zu erklären. Nicht zuletzt, weil die Anstiege ziemlich dramatisch erscheinen – um das Zehnfache des erwarteten Werts bei Messungen in Sambia.

Außerdem legen die engen Zusammenhänge zwischen Regen und Methan einerseits und Regen, IOD und Klima andererseits einen potenziell verhängnisvollen Rückkopplungszyklus nahe. Das wärmere Klima lässt den Metahausstoß der tropischen Sümpfe steigen, das zusätzliche Methan treibt die Temperatur nach oben, es regnet mehr, dadurch entsteht mehr Methan und so weiter. Und da die tropischen Feuchtgebiete ohnehin eine wichtige Quelle für Methan sind, könnte ein beschleunigtes Feedback hier dramatische Konsequenzen haben.

Es ist nur eben noch überhaupt nicht klar, ob diese Rückkopplungsschleife sich tatsächlich so verhält. Der globale Methan-Trend, der auf diese Rückkopplung hindeutet, ist gerade mal seit 2019 erkennbar. Es ist ja immer riskant, aktuelle Entwicklungen weit in die Zukunft fortzuschreiben, und weitreichende Schlussfolgerungen auf der Basis eines drei Jahre andauernden Trends darf man ruhig mit einiger Skepsis betrachten.

Wie real ist der Teufelskreis?

Die positive Rückkopplung geht ja nur dann weiter, wenn die Zusammenhänge innerhalb der Rückkopplungsschleife auch in einer wärmeren Welt in der gleichen Weise weiterhin gelten. Und das ist absolut nicht gesagt. Zum Beispiel könnten sich IOD und Regenmengen mit zunehmender Erwärmung anders verhalten. Aussagen über so dynamische Systeme sind notorisch schwierig. Genauso fraglich ist, ob sich die Methanemissionen der Feuchtgebiete auch langfristig parallel zum Regen verhalten.

Tatsächlich gibt es bisher nicht allzu langfristige Daten über Methanemissionen aus tropischen Feuchtgebieten. Und das, was man hat, zeigt sehr große Schwankungen von Jahr zu Jahr. Angesichts der doch recht hohen Unsicherheit kann man nicht ausschließen, dass andere Faktoren – zum Beispiel ökologische – langfristig den Methanausstoß stärker beeinflussen. Und wenn der Zusammenhang zwischen Klima, Regen und Methan nicht im vermuteten Ausmaß gilt, funktioniert der apokalyptische Teufelskreis nicht mehr.

Andererseits, aus der Luft gegriffen ist das Ganze keineswegs. Klimamodelle und theoretische Überlegungen deuten darauf hin, dass die Trends bei Regen und IOD eine Weile halten dürften. Ebenso ist es relativ banal, dass höhere Temperaturen und mehr Feuchtigkeit Ökosysteme produktiver machen, und das gilt auch für die mikrobielle Methanherstellung.

Außerdem muss es ja auch nicht immer gleich ein apokalyptischer Teufelskreis sein. Der Klimawandel ist ja kein Kinofilm. Wenn eine der wichtigsten Methanquellen des Planeten langfristig deutlich mehr von dem Zeug produziert und dadurch die atmosphärische Konzentration weiter hoch treibt, ist das zusätzliche Bonuswärme, die wir nicht so richtig gut gebrauchen können. Da hilft es auch nicht allzu viel, dass der absolute Worst Case recht spekulativ ist – zumal er mir allemal plausibler erscheint als die arktische Methan-Apokalypse. So oder so, wir werden vermutlich in den nächsten Jahren rauskriegen, was Sache ist.

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[1] Der gesamte Permafrost an Land gibt derzeit weniger als 20 Millionen Tonnen pro Jahr ab. Das sind rund zehn Prozent der natürlichen und rund drei Prozent der gesamten jährlichen Emissionen.
[2] Die Methanemissionen in China und Südostasien sind zwar seit 2010 deutlich angestiegen, das sind aber überwiegend menschengemachte Quellen.

5 Kommentare

  1. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt in diesem Zusammenhang auch eine Studie, nämlich dass das globale Methan-Budget in den aktuellen Klimasimulationen unterschätzt wird.

    Die Autoren benutzen ein “methane-enabled” Erd-System-Modell für die Studie und sehen einen starken Anstieg natürlicher Methan-Emissionen, in der sich erwärmenden und feuchter werdenden Welt.

    https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ac1814

    “Our results show that the natural CH4 emissions will increase dramatically in high warming scenarios, compared to the late historical period. This increase is predominantly driven by the increase in emissions from wetlands, caused by the combination of warmer temperatures, higher CO2 concentrations leading to increased vegetation productivity, and changes in wetland seasonality or area.”

  2. Nur ergänzend zum ‘Teufelskreis’ : besondere vom hier gemeinten Hominiden veranlasste bes. Ausgasung liegt vor und diese wirkt vermutlich terrestrisch erwärmend (vgl. auch mit dem bekannten Erd-Trabanten, auf dem es bekanntlich ca. 50 K kühler ist, sog. Klimaleugner, die CO2 und anderes primär als Nahrungsquelle für Pflanzen betrachten, sind mit dieser Einsicht womöglich nicht gut bedient).

    Redewendungen wie mit ‘Teufelskreisen’ mag Dr. W abär nicht.

    Ansonsten ist es so, dass Methan eine geringe Verweildauer in der terrestrischen Atmosphäre, das Fachwort an dieser Stelle, hat, vergleiche :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Methan#Treibhauspotenzial (‘Im Vergleich zu Kohlendioxid [1] hat Methan eine kürzere Verweildauer in der Erdatmosphäre (12 Jahre ggü. 5–200 Jahre).’)

    Was günstig ist, der hiesige Leser darf sich – ga-anz plump formuliert – vorstellen, dass der Mensch ein nicht immer kleines Feuerchen gemacht hat, das auch global derart wirkt, dass sich die so veranlasste Ausgasung generell erwärmend auswirkt.
    Was daran liegt, dass (auch : klimarelevante) Gase absenken, an Höhe verlieren sozusagen, weil sie schwer sind.
    Schwerer als umgebendes Gas.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

    [1]
    Ganz klar ist dies Dr. Webbaer nicht, er erwartet stattdessen, wie bei einem Feuer sozusagen, dass sich schwerere Elemente zeitlich näher, zeitnäher, absenken.
    Auf den schlichten Boden.
    Generell : Ist dieser Vergleich mit dem “Feuer-Machen” (auch das atmosphärische “Karbonieren” meinend) im hiesigen Kommentariat verstanden worden ?

  3. @Dr. Webbaer
    Methan zerfällt über Umwege in CO2. Die durchschnittliche Verweildauer von 12 Jahre von Methan in der Atmosphäre sorgt für einen kräftigen Temperaturanstieg nebst den üblichen Wettereffekten. Nach dem Zerfall in CO2 dauert es weitere 10 Jahre, bis es voll klimawirksam ist. Was meiner Meinung nach noch interessant wird sind die Folgen des Ozonlochs über dem Amazonas. Dieses Loch ist sieben Mal so groß wie das antarktische und letztendlich so etwas wie eine Wundertüte. Wenn ich sehe, wie stark die CH4-Emissionen in den letzten zehn Jahren gestiegen sind, dann wird es “wild”.

  4. Es ist halt so, dass schwerere Gase in der Atmosphäre absinken und insbes. auch von der Pflanzen- und Tierwelt dann sozusagen angemessen bearbeitet werden können, von der sog. Biosphäre, insofern gibt es sozusagen vergleichsweise kurze Halbwertzeiten für hier gemeintes “Feuermachen” (zu dieser Metapher : siehe oben).

    ‘Teufelskreise’, sich immer wieder neu Verstärkendes, gibt es aus diesseitiger Sicht nicht; insgesamt darf hier wiederum aus diesseitiger Sicht vergleichsweise fröhlich geblieben sein.
    Der Mensch hat womöglich nicht die Macht derart zu bewirken :

    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Runaway_greenhouse_effect

    Das Fachwort ‘Runaway greenhouse effect’ ist nun genannt worden, vs. ‘Teufelskreis’, sofern diese Theoretisierungen stimmen :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Klimasensitivität (‘Bei ausschließlicher Betrachtung der im Labor messbaren Strahlungswirkung von CO2 ergibt sich bei einer Verdoppelung der Konzentration eine Klimasensitivität von 1,2 °C.’)

    … könnte es auf diesem Planeten bis ca. 10 K wärmer werden, also von ca. 288 K zu 298 K.
    Innerhalb von 500 bis 1.000 Jahren.

    Derart muss sozusagen Religiösität (eine besondere Rückgebundenheit ist gemeint, die nicht immer rational ist) nicht entstehen, Mitigation, Anpassung ist möglich und vielleicht reagiert das terrestrische Klimasystem mit seinem Kohlenstoffkreislauf ja auch ein wenig langsamer, weniger zeitnah als von einigen vermutet.
    (Großsysteme tendieren zum Gleichgewicht, dies ist eine theoretische, philosophische Aussage, die nicht geglaubt werden muss.)
    Auch ist sog. Geo-Engineering, bspw. ga-anz leichte Abschattung per Satelliten-Funktionalität (es wird immer billiger Satelliten ins geostationäre Umlaufbahn zu schicken) denkbar, so dass hier bereits unilaterales Handeln genügen könnte.
    Multilaterales globales Handeln ist schlecht zu koordinieren, dezent formuliert, es sind auch Sparsamkeitsmodelle, die “ganz dolles Sparen” am klimarelevanten Gas-Ausstoß meinen, protestantisch sozusagen und ein wenig böse formuliert, kaum durchzusetzen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

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