Ölpreis: ein bisschen Spekulation

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Im dritten Teil meiner Öl-Serie im Fischblog hatte ich Anfang Juni vorhergesagt, dass der zu dem Zeitpunkt rasant steigende Ölpreis in absehbarer Zeit wieder deutlich fallen würde, und einige Gründe dafür aufgezählt. Zwei Monate später hat sich diese Prognose nun bewahrheitet.

Abbildung: Preisentwicklung Brent Crude. Quelle: Schreenshot von eltee.de

Seit seinem Höchststand knapp unter 150 $/bbl Anfang Juli ist der Preis für Brent Crude, eine der Referenzsorten, kontinuierlich gefallen, auf jetzt etwa 117 $/bbl.

Aber warum?

Es gab (und gibt) zwei Thesen, weshalb der Ölpreis so stark angestiegen ist. Beliebte und keinesfalls unplausible Sündenböcke waren die Trader an den Ölmärkten, die angeblich durch Spekulation die Preise hochtrieben. Dagegen vertraten andere, darunter der bekannte Ökonom Paul Krugman, die Ansicht, mit Öl könne man gar nicht spekulieren, weil man es dafür lagern müsse. Es handele sich vielmehr um einen Verknappungseffekt.

Müsste man nicht jetzt, da die Preise deutlich abgesackt sind, feststellen können, wer Recht hatte? Leider ist das Bild nicht allzu klar, es gibt für beide Thesen einige Indizien. Für die Spekulationstheorie spricht zum Beispiel, dass eine ganze Reihe anderer Güter, vor allem Metalle wie Kupfer oder Platin, in diesem Zeitraum parallel zum Ölpreis gefallen sind – ein Zeichen dafür, dass es nicht um Angebot und Nachfrage nach einzelnen Rohstoffen geht, sondern um praktisch alles, was vorne in die Industrieproduktion hineingeht und hinten als Handy wieder rauskommt. Ist ja auch monatelang rumerzählt worden: Leute, steckt euer Geld in Rohstoffe, die steigen gerade. Und jetzt wahrscheinlich: Nehmt eure Gewinne mit, eine Rezession kommt.

In die gleiche Richtung deutet auch der Umstand, dass der US-Amerikanische Kongress am 22. Juni ein Gesetz erlassen hat, das den Handel mit Öl- und Gasderivaten und dessen Überwachung reguliert. Ziel der Sache war, Betrug und Preismanipulationen in diesem vorher völlig unregulierten Markt zu unterbinden. Sollte diese Maßnahme tatsächlich zum Preisrückgang beigetragen haben, würde das natürlich im Umkehrschluss bedeuten, dass ein beträchtlicher Teil der hohen Rohölpreise auf die Aktivität von Kriminellen zurückzuführen war. Was mich nicht wirklich wundern würde.

Auf der anderen Seite spricht auch einiges für den klassischen Markt, genauer gesagt für die so genannte demand destruction, wörtlich: Zerstörung der Nachfrage. Das passiert schlicht dadurch, dass Öl für viele Leute zu teuer wird und sie sich aus dem Markt verabschieden. Ich hatte ja getippt, dass die meiste Nachfrage in Asien vernichtet wird, weil dort die staatlichen Energiesubventionen nicht mehr finanzierbar sind. Das ist – noch – nicht eingetreten, stattdessen ist der Verbrauch in den USA deutlich stärker abgesackt als erwartet.

Und wenn ihr an einem besonders ruhigen Ort ein Ohr auf den Boden legt, hört ihr möglicherweise ein leises Schlürfen. Das sind die Saudis, die ihre Produktion noch einmal erhöht haben, angeblich auf zehn Millionen Barrel am Tag. Die Zahl selbst muss man nicht unbedingt glauben, sicher ist, dass sie aus dem Boden saugen, was die Quellen hergeben, und in einem so engen Markt wie dem für Öl haben selbst kleine zusätzliche Mengen einen Effekt. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die hohen Förderraten die Öllagerstätten beschädigen – ein Phänomen, das als rate sensitivity bezeichnet wird. Das ist in Saudi-Arabien angeblich schon einmal passiert, am Ghawar field, dem größten Ölfeld der Welt.

Wahrscheinlich tragen alle diese Effekte zu der derzeitigen Preissenkung bei. Völlig offen ist dabei allerdings, wie es weitergeht. Wenn es sich tatsächlich um eine reine Spekulationsblase handeln sollte, dürfte der Preis kurzfristig noch ein ganzes Stück fallen, vielleicht auf etwa 70 bis 80 Dollar pro Barrel. Wenn es sich hauptsächlich um einen Nachfrageeffekt handelt, dürften 100 $ das höchste (bzw. niedrigste) der Gefühle sein. Ich persönlich tippe auf irgendwas dazwischen, 90 Dollar innerhalb der nächsten vier Wochen, dann geht’s wieder hoch.

Das ist jetzt allerdings nur geraten.

6 Kommentare

  1. Spekulation

    Vorweg, ich bin kein Volks- oder Betriebswirt. Ich musste aber vor kurzem von einem der Ökonomen der Deutschen Bank auf Bloomberg lernen, dass nicht alles was man ggf. als spekulativ empfindet eine Spekulation darstellt. Dieser Effekt ist auch bei Studien, die den spekulativen Anteil des Ölpreises zu bestimmen versuchen, zu berücksichtigen. Nur die sehr kurzfristigen Geldströme gelten als Spekulation. Eine langfristige Strategie gilt schlicht als Investment… Und hier findet sich jede Menge Geld, der diversen Staats- und Rentenfonds, dem Geld aus der Immobilienblase, etc…

    Ihren Tipp hab ich so von der Commerzbank gehört und halte das auch für realistisch (Bauchgefühl 😉 )

    Gruß
    Rainhelt

  2. Preisrückgang nur kurzfristig

    Ich glaube nicht, dass der Preisrückgang von längerer Dauer ist. Auf lange Sicht wird die Nachfrage steigen und das Angebot sich verknappen. Das lässt sich eben nicht verhindern, da die meisten Länder noch viel zu zögerlich reagieren.

    Ein hoher Ölpreis ist auch das beste, was Deutschland passieren kann. Denn wir sind schon relativ Energieeffizient und können so einen Teil unserer Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen.

  3. @Rainhelt: Definiere langfristig…

    Die Finanzdienstleister wollen natürlich möglichst das belastete Wort Spekulation vermeiden.
    Streng genommen gibt es doch nur drei Arten von Investments: Zum Verbrauch, zum Besitz und zur Spekulation.

    Und dass so ein institutionellen Anleger zwei Millionen Barrel Öl für kalte Winter bunkert, glaub ich nicht so recht.

  4. @ Raffael

    Seh ich auch so. Das wird anderen Leuten noch viel mehr weh tun als uns. Ist natürlich nur ein schwacher Trost.

    Hierzulande wie überall auf der Welt werden vor allem die Armen bluten, einfach deswegen, weil billige Energie im Westen den Armen überproportional genützt hat. Das ist jetzt vorbei.

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