Indonesien brennt nicht wegen El Niño

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Ich möchte kurz einen Aspekt in Erinnerung rufen, der in Artikeln über unser aller Lieblings-Wetterkapriole El Niño und ihre verheerenden Auswirkungen immer ein bisschen unter den Tisch fällt. Weil wir das ja alle wissen, nicht wahr? Aber es ist ganz gut, sich gelegentlich ins Gedächtnis zu rufen, was da wirklich passiert. In Indonesien zum Beispiel. Dort zeigt sich, dass Aussagen wie “El Niño verursacht verheerende Waldbrände” ein bisschen kurz gedacht sind.

In Indonesien brennt derzeit so viel Wald, dass die Feuer mehr Kohlendioxid ausstoßen als die gesamten Vereinigten Staaten in der gleichen Zeit, wie George Monbiot im Guardian anmerkt. Das gigantische Inferno entzieht sich jeglicher Vorstellung. Brauner Rauch und giftige Gase hüllen ganze Städte ein, über 40 Millionen Menschen leiden unter der Luftverschmutzung. Das geht schon seit Monaten so. Allein dieses Jahr brannten mehr als zwei Millionen Hektar Wald ab, etwa 8 Saarland.

15000 Kinder zu wenig

Die bekanntesten Opfer der alljährlichen Waldbrände sind die Orang-Utans von Borneo, deren Lebensraum da ja abfackelt. Da sie am dichtesten dran sind, bekommen sie auch am meisten Rauch ab, mit erheblichen Auswirkungen vor allem auf den Nachwuchs. Deren Effekt kann man gut bei etwas weniger prominenten Primaten der Region erkennen: in dem Jahrgang, der in den letzten großen El-Niño-Jahren 1997/98 zur Welt kam, fehlen in Indonesien etwa 15000 Kinder. 2015 wird nach allgemeiner Ansicht noch mal ein Eckchen schlimmer.

Die Primaten sind aber erst der Anfang. Indonesien nimmt einen beträchtlichen Teil eines Biodiversitäts-Hotspots namens Sundaland ein. Solche Hotspots kennzeichnen Regionen, in denen eine besonders große Artenvielfalt existiert, die stark bedroht ist. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Naturschätze geht derzeit in Rauch auf. Wenn das so weitergeht, sind Biodiversität und Hotspot bald futsch.

All das liegt aber nicht an El Niño. Das Wetterphänomen ist zwar für die aktuelle Dürre verantwortlich und mithin für das beispiellose Ausmaß der Katastrophe, doch Indonesien brennt jedes Jahr. Die Feuer schaffen Platz für Ölpalmen, die den Rohstoff liefern, ohne den Schokolade, Shampoo und Biodiesel deutlich teurer wären.

Indonesien ist einer der wichtigsten Exporteure von Palmöl, den wichtigsten, weil billigsten Rohstoff für fetthaltige Substanzen aller Art. Das Land allein bedient fast die Hälfte des Weltmarktes und will bis 2020 seine Produktion verdoppeln, und die Anbauflächen sollen im gleichen Tempo weiter wachsen. Die Nachfrage steigt jedenfalls und damit die Profite – Indonesien ist das Land mit der höchsten Abholzungsrate weltweit. Schutzgebiete verlangsamen den Raubbau meist nur, weil die Behörden kaum gegen illegale Landnutzung vorgehen.

Straßen zestören Wald

Auch die Abnehmerländer gehen das Problem eher halbherzig an, weil einfach keine wirkliche Alternative in Sicht ist. Klar, es gibt ein paar symbolische Boykottaufrufe, aber auch nur bei Unternehmen und Produkten, die dafür anfällig sind. Das Zeug ist nun mal, um mal eine populäre Zahl in den Raum zu werden, in der Hälfte aller Alltagsprodukte enthalten.

Ich bezweifle, dass das so genau stimmt, aber von der Größenordnung des Problems haut das sicher hin. “Ohne Palmöl” ist ein bisschen wie “ohne Chemie” – wer’s glaubt, weiß nur nicht genug Bescheid. Greenpeace hat eine schöne beziehungsweise unschöne Übersicht. Man bräuchte einen vergleichbar günstigen Ersatz, der dem ganzen System das Wasser abgräbt. Dann hätte man zumindest den Anfang einer Lösung für Indonesiens Feuerproblem.

Die meisten Feuer gehen auf Brände zurück, die Landbesitzer am Ende der Trockenzeit legen, um Waldflächen zu roden. Dabei ist es gar nicht mal so, dass die Leute Primärwald anzünden und auf der so gerodeten Fläche dann gleich Ölpalmen anpflanzen. Das Muster der veränderten Waldnutzung ist etwas komplexer, und Palmöl ist keineswegs der einzige Antrieb der Abholzung. Nur: Alle Wege, zumal die profitablen, führen irgendwann zur Ölpalme.

Meistens beginnt es mit einer Straße. Entlang dieser schlagen Waldarbeiter zuerst einmal – legal oder illegal – die wertvollsten Bäume im Primärwald und erzeugen so einen ökologisch weniger wertvollen Sekundärwald. Der wiederum ist ja nicht so wichtig wie unberührter Primärwald und kann deswegen in Felder und Plantagen umgewandelt werden, und die müssen natürlich gründlich durch Straßen erschlossen werden.

Überraschung: Torf brennt gut

Ihr seht worauf es hinausläuft. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen sind keineswegs alle mit Ölpalmen bewachsen, aber letztendlich sind die eben doch am rentabelsten. Ölplantagen müssen regelmäßig neu bepflanzt werden, weil ihr Ertrag mit dem Alter zurück geht. Das alte Gehölz kriegt man, ebenso wie Sekundärwald auf neuen Nutzflächen, am billigsten mit Feuer weg. Womit wir wieder beim alljährlichen “haze” wären, dem Rauch der Waldbrände.

Die Ironie liegt darin, dass die indonesischen Regenwälder zwar eigentlich zu den am wenigsten brennbaren Ökosystemen des Planeten gehören, sich aber durch veränderte Landnutzung schnell in eines der brennbarsten Ökosysteme umwandeln: Die Wälder sind nämlich nur die oberste Schicht des ganzen. Sie stehen in einigen Regionen auf bis zu 15 Meter dicken Torfschichten. Torf hält Wasser wie ein Schwamm, so dass die Trockenzeiten dem Regenwald normalerweise nicht allzu viel ausmachen.

Unglücklicherweise besteht Schritt eins bei der landwirtschaftlichen Nutzung der Waldregionen meist darin, das Wasser über Drainagegräben abzuleiten und den Torf so trockenzulegen. Trockener Torf wiederum brennt recht gut – hierzulande hat man das Zeug im Moor gestochen und damit Öfen befeuert. Ein entwässerter Regenwald ist also nichts anderes als ein diverse Meter hoher Stapel Feuerholz mit einem Wald obendrauf. Und den zünden Leute dann an. Das ist, wie wir sehen, eine eher mäßig gute Idee. Denn wenn so ein Stapel erstmal brennt, dann brennt er. Und versucht mal nen Schwelbrand unter fünf Meter Torf wieder auszukriegen.

Dafür ist sicher nicht El Niño verantwortlich, sondern schlicht fahrlässiger Raubbau an natürlichen Ressourcen. Genauso wie anderswo Sturzfluten, Erdrutsche und Überschwemmungen nicht bloß durch den vielen Regen kommen, sondern auch, weil die Wälder an den Hängen abgeholzt, die Flussauen begradigt und die Städte in Flussniederungen gebaut sind. Die meisten Wetterextreme sind erst einmal Naturereignisse. Zu Naturkatastrophen machen sie die Menschen.

(Dank an @humorkritik für den Anstoß und Quellen)

2 Kommentare

  1. Torf brennt nicht nur sehr gut und mit schöner Rauchentwicklung, er brennt vor allem sehr lange. Und er ist extrem schwer zu löschen. Das ist der Punkt, wo eigentlich el Nino ins Spiel kommt. Denn es ist in den meisten Jahren nicht die Feuerwehr, sondern ausgiebiger Regen, der die Feuer löscht. Bleibt der aber aus, brennt es munter weiter. Es zeigt sich auch, dass derartiger Umweltfrevel eben nicht vor nationalen Grenzen halt macht.

    • Das ist der Punkt: In einem “Normaljahr” würde ungefähr jetzt die einsetzende Regenzeit dem Spuk ein Ende setzen – und genau die kommt jetzt erstmal nicht oder nur abgeschwächt. Was mich übrigens ganz persönlich betrifft, da ich Anfang März genau in die Krisenregion reisen werde, wo sich eine Sonnenfinsternis ereignen wird – zuerst hatte ich mich ja über den kommenden El Niño gefreut (wenn man das darf), weil er in SO-Asien im März generell besseres Wetter bringen sollte, aber an die gelegten Feuer hatte ich leider nicht gedacht …

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