Gerüchteküche: PAMELA, SuSy und dunkle Materie

BLOG: Fischblog

Wissenschaft für alle
Fischblog

Die fundamentalen narzisstischen Kränkungen, die Wissenschaft dem Menschen angeblich zugefügt hat, gehen mir ja im Grunde am Allerwertesten vorbei. Die Erde ist nicht im Zentrum des Universums – geschenkt. Wir stammen von Affen ab. Na und? Einige meiner besten Freunde sind Primaten. Und dass wir letztendlich nur kleine irrelevante Staubkörnchen im Weltall sind und das Universum nicht einzig und allein erschaffen wurde um uns als Bühne zu dienen, finde ich eher erleichternd. Wäre auch Verschwendung.

Ein Ergebnis der modernen Physik allerdings finde ich irritierend: Das, was man gemeinhin als Universum bezeichnet, also Sterne, Planeten, Gas- und Staubwolken, Asteroiden, Plasma und der restliche Klumpatsch, ist in Wirklichkeit ein bloßes Randphänomen. Über 95% der gesamten Welt bestehen aus…

…ja was eigentlich? Wir haben, bei Lichte betrachtet, nicht die leiseste Spur einer Ahnung.

Halt, das stimmt ja so nicht. Drei Viertel des Universums bestehen aus Dunkler Energie, ein Viertel aus Dunkler Materie, soviel ist bekannt. Wir wissen nur nicht so ganz genau, was Dunkle Energie und Dunkle Materie sind.

Zumindest bei letzterer gab es in den letzten Jahren ein paar echte Fortschritte, sowohl theoretisch als auch praktisch. Es gibt eine ganze Reihe Hypothesen über ihre genaue Natur und inzwischen sogar Karten ihrer Verteilung in ausgewählten Raumbereichen.

Und es gibt PAMELA.
PAMELA (Payload for Antimatter Matter Exploration and Light-nuclei Astrophysics) ist ein europäischer Satellit, der seit 2006 im Orbit unterwegs ist. Bei den meisten astronomischen Satelliten, zum Beispiel Hubble, geht es um elektromagnetische Strahlung, hier dagegen um hochenergetische Teilchen. Unter anderem hat PAMELA einen Detektor für Antimaterie an Bord, und der hat jetzt mehr Antimaterie gefunden als erwartet. Genauer gesagt, einen Überschuss an hochenergetischen Positronen.

Eine mögliche Quelle dafür sind hypothetische Supersymmetrische Teilchen, die sich gegenseitig in einem Teilchenschauer vernichten. Und deswegen sind jetzt alle ganz aufgeregt, denn diese Supersymmetrischen Teilchen sind ein heißer Kandidat für besagte Dunkle Materie.

Der Hintergrund ist folgender: In der Physik gibt es einen unüberschaubaren Haufen Teilchen, Elektronen, Quarks, Neutrinos, Myonen, Tauonen, W-Bosonen, Pionen… und natürlich ihre Antiteilchen. Ordnung in diesen treffend benannten Teilchenzoo bringt das so genannte Standardmodell der Teilchenphysik, das die Beziehungen in diesem Partikelwust hervorragend beschreibt.

Dummerweise ist dieses Modell nicht der Weisheit letzter Schuss, weil eine ganze Reihe Eigenschaften wie Masse und Ladung vorgegeben werden müssen, damit das Modell funktioniert. Mit diesem Zustand sind die Teilchenphysiker extrem unglücklich und suchen nach einem fundamentaleren Modell, das die Eigenschaften der Materie erklärt. In diesen Kontext gehört auch der viel diskutierte LHC (siehe unter anderem hier, hier, hier und hier), der endlich die Frage nach der Herkunft der Masse[1] klären soll.

Lange Zeit waren Strings und Branes als Kandidaten für diese fundamentale Theorie en vogue, im Moment allerdings würde wohl eine Mehrheit der Physiker auf die Supersymmetrie setzen. Die besagt, dass es für jedes Teilchen im Zoo einen supersymmetrischen Partner gibt.

Das leichteste dieser supersymmetrischen Partnerteilchen könnte nun die Dunkle Materie im Universum stellen. Die extrem seltene gegenseitige Vernichtung dieser Partikel würde tatsächlich einen beobachteten Überschuss an heißen Positronen auslösen. Wenn sich das PAMELA-Ergebnis bestätigt, ist das eine Revolution, die unser Verständnis des Allergrößten wie des Allerkleinsten umwälzen wird.

Wenn.

Denn erstens handelt es sich dabei bislang lediglich um ein Gerücht auf der Basis eines PowerPoint-Slides mit Rohdaten, zweitens gibt es ein paar andere mögliche Quellen für Positronen im Universum. Drittens gab es schon einmal vergleichbare Messungen, und deren Daten passen weder zu den neuen Resultaten noch zur SuSy-Hypothese, wie Geoff Brumfiel hier in Nature schreibt.

Nennt mich einen Spielverderber, aber ich vermute eher, dass da eine konventionellere Positronenquelle hinter steckt, die keiner auf dem Zettel hatte. Was ja auch keine so ganz unwichtige Entdeckung wäre. Auf jeden Fall ist da ein spannendes Paper unterwegs…

– Dank an Florian für den Hinweis und ganz besonders an Andreas für die lang ersehnte Alternative zu Wikipedia. –

.
.
.
[1] In vielen Fällen ist der Grund für zusätzliche Masse einfach dunkle Materie mit über 50% Kakaoanteil.

10 Kommentare

  1. Na und? Einige meiner besten Freunde sind Primaten.

    Selber!

    Aber ernsthafter:
    Lange Zeit waren Strings und Branes als Kandidaten für diese fundamentale Theorie en vogue, im Moment allerdings würde wohl eine Mehrheit der Physiker auf die Supersymmetrie setzen.

    Susy ist kein Gegenmodell zu Strings. Historisch stammt die Idee sogar aus der Stringtheorie und ist immer noch mit der wichtigste Bestandteil der meisten Stringmodelle.
    Soweit ich das überschauen kann, haben sich die beiden Theorien aber inzwischen soweit entkoppelt, dass wir uns auch Susy ohne Strings und Strings ohne Susy vorstellen könnten.

  2. Stimmt

    das “Super” in “Superstrings” stammt ursprünglich von der Supersymmetrie, soweit ich weiß.

    Aber aus den meisten derzeit diskutierten Susys sind die Strings doch rausgekickt worden.
    Oder werden die nur totgeschwiegen?

  3. Nein, Susy würde nicht Strings beweisen oder diese voraussetzen. Die beiden Modelle beziehen sich allerdings auf ganz andere Ebenen und stehen nicht in Konkurrenz zueinander (mal von Forschungsgeldern abgesehen).
    Nur dass wir bei Susy reeller hoffen können, die auch experimentell nachzuweisen. Nicht nur im Fernglas, sondern vielleicht schon bald auch im Labor 🙂

  4. @ kamenin

    Viel Glück! Und haltet uns Laien auf dem Laufenden, ja!?

    @ Lars

    Wieder mal ein Klasse-Artikel mit Witz, Selbstironie und Humor!

    Mıt schulterklopfenden Primaten-Grüssen!

    Michael (noch immer aus der Türkei)

  5. @ Michael

    Hab mir schon gedacht dass du das bist, als ich in der Statistik nen Zugriff aus der Türkei gesehen hab. 🙂

    Was treibst du so? Bestimmt haufenweise Kulturschätze gucken, oder? Faul am Strand rumliegen kann ich mir bei dir irgendwie nicht so recht vorstellen…

    Schönen Urlaub auch weiterhin!

  6. @ Lars

    “Was treibst du so? Bestimmt haufenweise Kulturschätze gucken, oder? Faul am Strand rumliegen kann ich mir bei dir irgendwie nicht so recht vorstellen…”

    Huch, ertappt! 😉

    In der Tat habe ich natürlich die Gelegenheit genutzt, in Ephesus die laut Überlieferung letzte Wohnstätte Mariens in Augenschein zu nehmen, die heute von Christen und Muslimen gemeinsam verehrt wird (sowie die v.a. katholischen Pilger aus aller Herren Länder, die anläßlich Mariä Himmelfahrt dorthin strömten) und durch die in Ausgrabung befindliche Stadt Ephesus zu streifen, durch die Griechen, Römer und auch Paulus streiften (sich Ärger mit den Silberschmieden einhandelnd).

    Und wenn dann mal Zeit für Strand oder Pool war, forderten zwei Kinder ihr Recht in Form von kombiniertem Baywatching und Schwimmunterricht. 😉

    War also in der Tat ein inhaltlich, aber auch familiär toller Urlaub, von dem ich neben einigen durchgelesenen Büchern eine Menge Ideen und Anregungen mitbringen konnte. Dunkle Materie habe ich aber leider auch dort nicht ausfindig machen können… 😉

  7. Zwei Anmerkungen

    Lieber Lars

    Danke, dass Du dieses spannende (und sehr aktuelle, siehe CERN) Thema aufgreifst; besten Dank auch für die Verlinkung (werde mir die Attribution “lang ersehnte Alternative zu Wikipedia” über’s Bett hängen).

    Hier noch zwei Anmerkungen:
    1) Stringtheorien sind i.A. supersymmtrisch, damit sich akausal verhaltene Teilchen, die Tachyonen (überlichtschnelle Teilchen), vermieden werden können. Eine der sechs Stringtheorien ist die elfdimensionale Supergravitation (SUGRA) – hier steht das “super” auch für supersymmetrisch.
    Supersymmetrie (SUSY) sorgt in der Theorie dafür, dass die Stärke von den Naturkräften sich zu hohen Energien hin angleicht (“Laufen der Kopplungskonstanten”), d.h. SUSY vereinheitlicht die Kräfte sehr elegant. Ohne SUSY funzt das nicht. Der Preis: Die Physik handelt sich so mehr Teilchen ein, als beobachtet werden können (z.B. das Selektron, das Neutralino, das Higgsino, das Gluino etc.).

    2) Sich vernichtende Teilchen-Antiteilchen-Paare können auch elektromagnetisch mit Gammastrahlen-Teleskopen wie EGRET, Integral oder Glast beobachtet werden. Die Gammastronomen machen das bereits bei sich vernichtenden Elektron-Positron-Paaren (siehe mein Post). So was erwarten Physiker auch bei SUSY-Teilchen, z.B. wenn ein Neutralino auf ein Anti-Neutralino trifft.
    Auf diese Weise könnten sich SUSY-Teilchen kosmisch verraten, wie bereits vor Jahren Würzburger Physiker um Karl Mannheim mutmaßten.

    Gruß,
    Andreas

  8. Danke…

    Eine Frage: Warum sollte man Tachyonen unbedingt vermeiden wollen? Man nimmt ja mit der Supersymmetrie auch einen ganzen Haufen Seltsamkeiten in Kauf…

  9. @ Michael:

    Jetzt bin ich neidisch… 😉

    Das klassische Ehesus muss ich mir auch noch mal reinziehen, allein schon die Celsus-Bibliothek. Asia Minor steht schon lange auf meiner Liste, und dann gibts ja noch Troja, Göbekli Tepe, Catal Höyük…

  10. PAMELA

    ist kein Satellit, sondern ein Experiment, das auf einem russischen Satelliten montiert ist – nebensächliche Kleinigkeit, ja ich weiß… trotzdem.

Schreibe einen Kommentar