Gefälschte Fachzeitschriften: (Mindestens) sechs gute Gründe für Open Access

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…und das ist wahrscheinlich erst der Anfang. Der Verlag Elsevier hat seinen Kunden als wissenschaftliche Journals getarnte Werbung der Pharma-Industrie untergeschoben. Der Betrug kam zuerst im Zuge des Vioxx-Prozesses ans Tageslicht. Das Australasian Journal of Bone and Joint Medicine erwies sich als reines Werbemittel, um den damals kursierenden Gerüchten, Vioxx sei unsicher, zu begegnen.

Die Publikation ist rein äußerlich von einer seriösen Wissenschaftlichen Zeitschrift erst einmal nicht zu unterscheiden. Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Pharmakonzern Merck die Zeitschrift in Auftrag gegeben und bezahlt hat. Enthalten sind dafür Artikel, die das ganze Spektrum von seriös (d.h. bereits in anderen Journals veröffentliche echte Papers) bis dubios abdecken. Die beiden publizierten Ausgaben des Journals (einsehbar nach kostenloser Registrierung) enthalten insgesamt 50 Beiträge,von denen jeder zweite Verweise auf die Merck-Medikamente Vioxx und Foramax enthält. Und jede einzelne dieser Besprechungen ist positiv.

Dabei blieb es allerdings nicht. Inzwischen hat Elsevier zugegeben, dass fünf weitere Titel aus der Reihe der Australasian Journals ebenfalls reine Schein-Journale sind. Das ist aber noch nicht alles, denn in der Serie gibt es 13 weitere Zeitschriften, die nach den Recherchen von Bill Hooker vom Open Reading Frame mindestens fragwürdig aussehen. Salamitaktik, anyone?

Und damit sind wir beim Kern des Problems angelangt, nämlich dem Geschäftsmodell des Wissenschaftsverlag Elsevier. Das basiert nämlich darauf, quasi monopolartig Zeitschriften zur Verfügungzu stellen, die den Anforderungen der Wissenschaft genügen. Der Name Elsevier auf einer Zeitschrift steht dafür, dass die enthaltenen Artikel mal von so halbwegs unabhängigen Fachkollegen begutachtet wurden. Das ist bei weitem keine Garantie, aber ein Standard, mit dem man arbeiten kann.

Jedenfalls dachte man das. Und hat dafür den Verlag sehr, sehr gut bezahlt.

Es ist ja gar nicht mal so, dass ich es grundsätzlich verwerflich finde, dass Elsevier PR-Material druckt, oder dass Merck selektiv positive Besprechungen seiner Produkte zusammensucht (wie die positiven Besprechungen zustande kommen, jetzt mal außen vor gelassen). Die Bezahlpublikationen von Elsevier verletzen ein grundsätzliches Prinzip jeder seriösen Publizistik: Die saubere Trennung von redaktionellen Inhalten und PR. Werbung hat als solche erkenntlich zu sein, und es muss klar sein, wer hier wofür bezahlt.

Elsevier mag seine Integrität nach wie vor intakt sehen, ich sehe das anders. Im Gegenteil, der Skandal zeigt wieder einmal, dass die Wissenschaft dringend ein Publikationssystem braucht, das von Profitinteressen unberührt ist. Diese Erkenntnis ist nicht neu, schließlich nutzen die Fachverlage ihre Monopolstellung seit Jahren, um Bibliotheken und Forschungseinrichtungen immer größere Summen abzupressen.

Aber es hieß eben auch immer, dass die Fachverlage dafür die Integrität des Peer Review garantieren und eine verlässliche Plattform für die Wissenschaft zur Verfügung stellen. Diese Verlässlichkeit hat sich jetzt als Luftnummer erwiesen. Von einigen lautstarken Monopol-Apologeten sollte man sich da nicht täuschen lassen: Inzwischen stehen nahezu alle größeren deutschen und internationalen Wissenschaftsorganisationen hinter der Open-Access-Bewegung. Mit guten Gründen, wie man sieht. 

2 Kommentare

  1. Schau an…

    Lieber Lars,

    danke für den Artikel. Zuerst ist man bedrückt, um dann eben doch wieder zu merken: Monopole und Kartelle verkrusten überall und ohne Ausnahme, die nach außen hoch gehaltenen Maßstäbe lösen sich unmerklich auf. Immerhin bietet die Open-Access-Bewegung eine Alternative, die hoffentlich den Wettbewerb beflügelt und nicht ihrerseits in neuen Kartelle (z.B. über Suchmaschinen, Rankings etc.) erstarrt. Womöglich werden Zeitschriften, die Überblicke geben und weiterführende Quellen- und Linktipps geben, dabei als Informierende und Sortierende gewinnen. Ein schlichtes “Weiter so” geht auf jeden Fall nicht mehr.

  2. So ist es.

    Im Grunde müsste man den ganzen Open-Access- Gedanken nach und nach ausweiten, bis es ganz selbstverständlich zum Wissenschaftlerberuf gehört, die eigene Arbeit auch in der Öffentlichkeit zu vertreten.

    Btw, hat dein Dienstherr eigentlich eine Schlangengrube oder sowas, wo man diesen unsäglichen Professor Reuß reinschmeißen kann?

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