Flut und Klima: Eine Vorhersage

BLOG: Fischblog

Wissenschaft für alle
Fischblog

Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und sage voraus, dass Flusshochwasser wie 2002 und dieses Jahr in Zukunft häufiger werden, und das hat sehr direkt etwas mit dem Klimawandel zu tun. Auf die notwendigen technischen und politischen Maßnahmen zum Hochwasserschutz hat das Klima für sich genommen allerdings nur vergleichsweise geringe Auswirkungen.

Die akademische Klimaforschung ist mit solchen Ansagen zu extremen Wetterereignissen natürlich vorsichtiger, wie das da klingt, kann man dieser Tage bei Stefan Rahmstorf nachlesen: Statistische Aussagen zu Starkregenereignissen sind schwierig, dazu sind die Daten zu variabel.

Wir können uns aber anhand recht simpler Ursache-Wirkungs-Beziehungen klarmachen, wohin die Reise geht. Flusshochwässer in Mitteleuropa gehen eigentlich fast immer auf eine spezifische Großwetterlage zurück, die man entweder als Vb-Wetterlage (nach einer über 100 Jahre alten Klassifikation der Zugbahnen von Tiefdruckgebieten) oder salopp als Mittelmeertief bezeichnet. Ich habe das in meinem aktuellen WWAS-Video kurz erklärt.

In der Vb-Lage reicht eine Schlaufe des polaren Jetstreams in großem Bogen von Nordeuropa bis in den Mittelmeerraum und zurück. Dieser Trog enthält kalte Luft von Norden, die dadurch bis zu den Alpen nach Süden vordringt. vor allem aber ziehen die Tiefdruckgebiete entlang des Jetstreams, und in so einer Situation weichen sie nach Süden ins Mittelmeer aus. Warmes Wasser gibt so einem Tief zusätzliche Energie, und das gilt nicht nur für tropische Hurricane, sondern auch für unsere stinknormalen Atlantiktiefs der mittleren Breiten. Das Mittelmeer ist schön warm, und entsprechend stärker werden die Tiefs dort unten. Außerdem nehmen sie viel Feuchtigkeit auf.

alt

Großes Tiefdruckgebiet über dem westlichen Mittelmeer. An der Ostflanke strömt feuchte Luft über den Balkan nach Europa. Bild: NOAA

An diesem Punkt passieren zwei für’s Hochwasser relevante Dinge: Erstens rotiert das Tiefdruckgebiet gegen den Uhrzeigersinn, das heißt, so ein Zyklon über Italien leitet an seiner Ostseite Luft nach Norden über den Balkan nach Mitteleuropa – und diese Luft ist vorher ein paar hundert Kilometer übers warme Mittelmeer gezogen. Hallo Verdunstung. Außerdem macht der Jetstream auf der Ostseite des Troges ja wieder einen langen schwung nach Norden, und das ist die Linie, der auch die Tiefdruckgebiete selbst folgen. In der Summe pumpt so eine Wetterlage also ordentlich feuchte, warme Luft aus dem Mittelmeer nach Osteuropa, wo sie auf die stationäre Kaltluft des Trogs trifft und im Stil einer klassischen Warmfront auf diese aufgleitet. Und dann pisst es wie blöde. Der Rest ist Geschichte.

Was das Klima mit dem Hochwasser macht

Der Klimawandel beeinflusst nun mal die Parameter, die so ein Hochwasser erzeugen. Die Erwärmung selbst trägt über recht simple physikalische Effekte zum Hochwasser bei: Zum einen braucht man warmes Wasser, damit die Tiefdruckgebiete schön groß werden und ordentlich Luft nach Norden leiten. Mehr Wärme, mehr Tiefdruckgebiet. Mehr Wärme bedeutet auch, dass mehr Wasser verdunstet, und warme Luft hält mehr Feuchtigkeit. Summa summarum: Wärmeres Mittelmeer bedeutet mehr Wasser für die Flut. Wie viel mehr das konkret sein wird, ist nach meiner Kenntnis ziemlich offen, aber auf jeden Fall ist die Richtung des Effekts klar.

Außerdem müssen wir damit rechnen, dass Vb-Wetterlagen selbst häufiger und länger werden. Der südwärts gerichtete Trog ist Teil einer großräumigen Wellenbewegung des polaren Jetstreams, den Rossby-Wellen. Nach aktuellen Forschungen ändern diese Rossby-Wellen derzeit ihr Verhalten erheblich, weil der Temperaturgegensatz zwischen Arktis und mittleren Breiten geringer wird. Die Polarregionen erwärmen sich weit schneller als der Rest des Planeten, und dadurch macht der Jetstream insgesamt größere Bögen nach Norden und Süden. Und da so eine Vb-Wetterlage genau so ein großer Bogen im Jetstream ist…

Es wird noch besser: Der Witz ist, dass die Rossby-Wellen außerdem um so langsamer wandern, je größer diese Schleifen sind. Ab nem bestimmten Punkt bleiben sie auch gerne mal ein paar Wochen an einem Ort stehen. Das bezeichnet man dann als “blockierten” Jetstream, inzwischen bekannt aus Funk und Fernsehen von allerlei unschönen Wetterereignissen wie dem “Jahrhundertsommer” 2003 , den wiederkehrenden Dürren in den USA, der katastrophalen Indus-Flut 2010 und der russischen Hitzewelle im gleichen Jahr. Es ist nicht abwegig zu vermuten, dass auch Vb-Lagen blockiert sein können und uns entsprechend länger beglücken. Und entsprechend höher ist die Chance, dass die Flüsse im Laufe so einer Zeitspanne irgendwann überlaufen.

Keine Panik

Die gute Nachricht ist, dass sich dadurch erstmal nicht grundsätzlich etwas ändert. Die Flüsse in Mitteleuropa sind in der Vergangenheit immer mal wieder über die Ufer getreten und werden es in Zukunft auch wieder tun. Da in den gefährdeten Gebieten viele Menschen leben und immense materielle und kulturelle Werte versammelt sind, müssen wir uns über Hochwasserschutz so oder so Gedanken machen, das ist nun wirklich keine neue Erkenntnis. Was sich ändert sind halt die Zahlen und die Häufigkeiten: Wenn man nicht mehr als eine Hochwasserkatastrophe pro Jahrhundert haben will, muss man dem zusätzlichen Wasser vor den Deichen eben entsprechend mehr Raum schaffen. Über Hochwasserschäden entscheidet auf lange Sicht der politische Wille, daran ändert der Klimawandel nichts.

17 Kommentare

  1. Der Klimawandel als erlebnisreiche Reise

    Stehende Rosby-Wellen die den Jetstream blockieren könnten eine Momentaufnahme des sich entwickelnden Klimawandels sein: Momentan dominiert die starke Erwärmung in der Arktis den Klimawandel was möglicherweise mehr stehende Rosby-Wellen und in der Folge mehr Vb-Wetterlagen und damit auch mehr Hochwasserfluten bewirkt.

    Wie der Artikel ja festhält kann man sich darauf einstellen: Wenn nun Hochwasser alle paar Jahre angesagt ist, dann halt mehr Hochwasserschutz aktiv (Dämme und Mauern) und passiv (grösseren “Auslauf” für den Fluss).

    Doch da wir uns ja mitten in einer Reise durch das Klima befinden mit langsam steigenden Temperaturen und der Ausbildung von neuen Strömungs- und Wettersystemen, könnte sich der Klimawandel schon in ein paar Jahrzehnten wieder von einer ganz anderen Seite zeigen und die Hochwasser wieder in den Hintergrund treten lassen. Dann wird man vielleicht ganze Blogartikelserien über die neue Trockenheit in gewissen Teilen Deutschlands schreiben oder über Invasionen von Quallen und anderem garstigen Getier in der Ostsee.

    Wenn das passiert, würde uns der Klimawandel immer auf Trab halten und uns eine erlebnisreiche Reise durch verschiedene Klimata und jeweils vorherrschende Wetterlagen bescheren: Wo gestern noch das Hochwasser das beherrschende Thema war würde uns morgen schon ein ganz anderes Problem umtreiben.

  2. Testaufwand

    Wie lange werden wir das Wetter bzw. die Flüsse beobachten müssen, um die eingangs gemachte Voraussage mit einiger Gewissheit bestätigen oder verwerfen zu können?

  3. Schwierig.

    Erstmal müssen wir uns darauf einigen, was wir vergleichen. Sowohl Schadenshöhe und Pegelstände können wir durch wasserbauliche Maßnahmen beeinflussen und werden es auch tun. Sinnvollerweise wird man hydrologische Rahmenbedingungen als Maßstab nehmen.

    Dann natürlich der Trend selbst. Als Basis würde ich die Häufigkeiten 1970-2000 nehmen, das ist sowohl vom Intervall als auch von den Zeitpunkten vernünftig. Extremniederschläge sind stark verrauscht, das heißt, vor 2050 wird das garantiert nix mit p

  4. Zu viel

    Gibt zu viele Menschen die zu nah an Flussnähe ihre Häuser bauen wollen. Schaut man sich manche Altstadtorte an ist nur das neumodische überschwemmt.

  5. Es würde mich nicht wundern, wenn die These vom Klimawandel als Schuldigen für die Katastrophe sich als genau so haltlos herausstellt, wie es schon bei ähnlichen Befürchtungen zu Hurrikans, Winterstürmen, Tornados und Dürren war .

    Zur Frage, wann man einen Einfluss nachweisen kann, hier ein Vergleich zu Hurrikans: Crompton et al (Environmental Research Letters V. 6, No. 1) geht von mindestens 120 und durchschnittlich 260 Jahren aus, bevor man eine prognostizierte Zunahme an Hurrikans signifikant nachweisen kann (zum Glück können wir schon früher ablehnen).

  6. Klimawandel oder nicht?

    Auch wenn es doch ganz witzig klingt, dass uns das Mittelmeer jetzt beglückt, für die meisten betroffenen ist das kein Trost (leider).

    Ich muss gestehen, dass ich nicht allzuviel von Klima und Klimamodellen verstehe, aber ich bin extrem vorsichtig geworden, wenn es darum geht irgendwelchen Ursache-Wirkung Vorhersagen zu glauben, die auf sehr langfristigen Annahmen basieren.

    Es gab schon immer verheerende Hochwasser und nur weil wir die Auswirkungen stärker spüren, glaub ich nicht, dass es zwingend der Klimawandel sein muss. Das ist keine Ausrede dafür, CO2 in die Luft zu pusten. Aber ich glaube, man neigt zu schnell dazu einfach etwas auf ein bestimmtest Thema zu schieben und nicht nach konkreten Lösungsvorschlägen zu suchen.

  7. Ursache-Wirkung reicht nicht

    Manchmal ist es ja ganz gut, sich aus dem Fenster zu lehnen, allerdings gibt es gute Gründe, warum Klimaforscher das angesichts des Hochwassers nicht tun.

    Wetter ist nun einmal Wetter und Klima ist Klima. Klima lässt sich erst über lange Zeiträume und Mittelwerte beschreiben. Extreme Wetterereignisse wie das Hochwasser sind Einzelereignisse. Wetter ist einmalig auf den Sommer, ein Jahr oder einen Tag bezogen.

    Auch wenn es noch so plausibel scheint, dass das Hochwasser Konsequenz des Klimawandels ist, ist das Klimageschehen zu kompliziert für Kausallogiken.

    Wir können uns gerade nicht “anhand recht simpler Ursache-Wirkungs-Beziehungen klarmachen, wohin die Reise geht”

    Dass wir nur das Wetter spüren können, das Klima aber nicht, macht die Diskussion nicht einfacher 🙂

  8. Was soll das?

    @ Solveig: Sie behaupten, Sie verstünden den Unterschied zwischen Wetter und Klima, na immerhin. Aber ansonsten, was meinen Sie bspw. mit der Formulierung, dass das “Klimageschehen zu kompliziert für Kausallogiken” sei? Hallo?

    @ Karl: Ich habe in den letzten Jahren etliche Stunden damit verbracht, irgendwelche Postings zu überprüfen, die angeblich dem Stand der wissenschaftlichen Forschung widersprechen. Das Ergebnis war immer (!), dass es sich um Unfug handelt. Mal war jemand zu faul oder zu dumm eine wissenschaftliche Aussage zu verstehen, mal hat jemand einfach ein Gerücht als Tatsache dargestellt um sich wichtig zu machen (EIKE läßt grüßen).

    @ Raffael: Wenn Sie “nicht allzuviel” von Klimamodellen verstehen, sollten Sie zumindest versuchen ihren “Glauben” zu überprüfen, bevor Sie hier Ihr Bauchgefühl posten.

    Zusammengefasst: Wer sich klimaleugnerisch äußert, sollte sich zumindest bemühen, den kritisierten Artikel und die zugehörigen Links zu verstehen. Und er/sie sollte sich klar machen, dass eine Meinung, die deutlich von der “begründeten Wissenschaft” abweicht, schon sehr starker Argumente bedarf, um ernst genommen zu werden.

    Argh!

  9. DWD-Niederschlagsdaten

    Lars,
    wenn das alles so richtig ist, daß tendenzielle Zunahme der Temperatur auch tendenzielle Zunahme der Regenspende bedeuten muß, dann sollte man signifikante Trendänderungen bei der Extremniederschlagsspende feststellen können. Der DWD liefert frei tägliche Daten von etwa 40 Stationen, verteilt über ganz Deutschland. Einige wenige haben zu kurze Zeitreihen, für die übrigen habe ich das hier ausgewertet:

    http://i171.photobucket.com/…mescount1956200.png

    Wie man sieht, gibt es nicht mehr signifikante Änderungen, als dem Zufall nach zu erwarten wäre; zudem ist die Richtung des Trends uneinheitlich.

    PS: In der Pauschalargumentation ‘wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen’ vermisse ich auch, daß in einer generell wärmeren Troposphäre auch die abgeregnete Luft entsprechend wärmer ist und mehr Restfeuchtigkeit enthält. Außerdem wird ja davon ausgegangen, daß sich Temperaturdifferenzen infolge AGW eher ausgleichen. Möglicherweise erklärt dies, warum sich in einem wärmeren Deutschland kein einheitlicher Trend zu höheren Niederschlagsintensitäten feststellen läßt.

  10. Wie schon erwähnt

    würde ich persönlich wegen der relativen Seltenheit und starker Streuung bei extremen Niederschlägen eh nicht erwarten, innerhalb so kurzer Zeiträume einen statistisch nachweisbaren Trend zu sehen.

    Die Argumente im Postskriptum erschließen sich mir beide gerade nicht so recht.

  11. Lars,

    wir hatten im Zeitraum von ca. 1970 bis 2000 einen Anstieg der Lufttemperaturen von ~0,5°C … 1°C zu verzeichnen, eine recht deutliche Erhöhung. Wenn man da bei den Starkniederschlägen keine Änderung sieht und auch keine zu erwarten hat, wann denn dann?

    Was die Erklärungsversuche angeht, ist die These doch nicht so schwer nachzuvollziehen?
    Niederschläge fallen bei einer Unterschreitung des Taupunktes. Dies kann zB in Form von Steigungsregen erfolgen oder beim Kontakt von Luftmassen unterschiedlicher Temperatur.

    In einer wärmeren Welt ändert sich der Temperaturgradient der unteren Troposphäre aber kaum. Dh daß beim Steigregen die relative Abkühlung der angehobenen feuchtwarmen Luftmassen nahezu gleich bleibt und daher auch keine deutliche Änderung der Regenspende zu erwarten ist.

    Und für den Fall des Kontaktes zwischen warmfeuchten Luftmassen mit kalter Luft gilt, daß in einer generell wärmeren Welt auch diese kalte Luft tendenziell wärmer ist als früher. Auch da würde ich erwarten, daß sich an der Temperaturdifferenz und somit an der resultierenden Regenspende wenig ändert.

    Hinzu kommt, daß das AGW in Richtung sinkender Temperaturunterschiede wirkt; die gemäßigten und nördlichen Breiten erwärmen sich stärker als die Tropen, die Nächte stärker als die Tage, die Winter stärker als die Sommer … so steht es jedenfalls zu lesen. Und wo sich die Temperaturunterschiede eher verkleinern, ist natürlich mit tendenziell geringfügigeren Taupunktunterschreitungen zu rechnen.

  12. Ah, OK

    Da war ich grad etwas vernagelt. Deine Argumentation ist quasi eine mechanistische. Das kann ich jetzt mangels detaillierter Expertise weder bestätigen noch widerlegen, scheint mir aber zumindest auf den ersten Blick ebenfalls plausibel.

    Das von mir angeführte Temperaturargument bezieht sich allerdings auf die allgemeine Verfügbarkeit von Wasser, und wie die sich auf die maximal möglichen Regenmengen auswirkt. Und da gilt: Je mehr Wasser, desto mehr kann auch maximal runterkommen. Ob zum spezifische Zeitpunkt X maximal viel Wasser runterkommt, hängt dann von den lokalen Bedingungen ab, die du zitierst. Das sind zwei unterschiedliche Sachen.

    Was die Trends bei Starkregenereignissen angeht, hatte ich meine Position ja oben schon angedeutet: Wegen der starken regionalen Variation und der vergleichsweise geringen Zahl solcher Ereignisse ist da Statistik eher problematisch. Siehe Tornados, siehe Hurricanes.

  13. … zur statistischen Auswertung

    “Wegen der starken regionalen Variation und der vergleichsweise geringen Zahl solcher Ereignisse ist da Statistik eher problematisch.”

    Lars,

    deshalb habe ich ja willkürlich ein recht hohes, aber eben nicht zu hohes Perzentil gewählt. Nochmal die Frage: Wenn man bei 0,5 … 1°C Temperaturanstieg über 30 Jahre noch nichts nachweisen kann, wann dann? Die von Dir vorgetragene Argumentation basiert auf dem Sättigungsdampfdruck, da sind eben keine sprunghaften Änderungen zu erwarten.

Schreibe einen Kommentar