Die globale Bedrohung durch Rostpilze

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Die Welt steht an der Schwelle einer vernichtenden Pandemie. Seit zehn Jahren ist der schon besiegt geglaubte Erreger zurück und breitet sich unaufhaltsam aus. Schon bald, fürchten Wissenschaftler, wird er eine globale Katastrophe auslösen, wenn es nicht gelingt, ihn aufzuhalten. Vergesst die Vogelgrippe. Der nächste Killer heißt Puccinia, und sein Opfer ist der Weizen.

Rostpilz Puccinia spp., Quelle: FAO

Der Weizen, wissenschaftlich Triticum, ist gemessen an der Anbaufläche das zweitwichtigste Getreide der Welt, aber seine tatsächliche Bedeutung ist noch größer. Weizen ist das ultimative Brotgetreide, Grundnahrungsmittel für Milliarden Menschen. Nun aber fürchten Wissenschaftler globale Ernteausfälle, mit potentiell dramatischen Folgen.

Ursache sind Rostpilze (siehe Bild), die Blätter und Halme des Weizens befallen und je nach Pilz bis zu achtzig Prozent der Ernte vernichten können. Durch sorgfältige Züchtung war es Mitte des 20. Jahrhunderts gelungen, kommerzielle Weizensorten mit Clustern einer Handvoll verschiedener Gene auszurüsten, die in ihrer Gesamtheit eine Resistenz gegen die meisten wichtigen Rostpilze mit sich brachten. Nun ist der Weizenrost mit Macht zurückgekehrt.

Freie Bahn für den Gelbrost – dank Monokultur
Begünstigt werden die Erreger durch eben jene modernen Weizensorten, mit denen Wissenschaftler die Pilze einst besiegt hatten. Die Hochertragssorten investieren einen größeren Teil ihrer Energie in nutzbare Pflanzenteile und sind deswegen anfälliger gegenüber Schädlingen und Krankheiten als ihre wildlebenden Verwandten. Schlimmer noch, hat sich erst einmal ein Erreger festgesetzt, breitet er sich wie ein Flächenbrand durch die genetisch weitgehend homogenen Monokulturen aus.

Schon zu Beginn der 90er Jahre verursachte der Gelbrost (Puccinia striiformis) innerhalb einer Saison Ernteausfälle von etwa einer Milliarde Dollar. Seit der Jahrtausendwende gab es in den USA und Australien mehrmals großflächige Ausbrüche des Pilzes, die bis zu etwa zehn Prozent der jeweiligen Ernte zerstörten, und das Schadpotential steigt stetig (pdf). Der eigentlich auf Regionen mit gemäßigtem ozeanischen Klima beschränkte Pilz hat inzwischen aggressive Varianten hervorgebracht, die auch in anderen Klimazonen erfolgreich sind.

Die Sporen des Pilzes verbreiten sich überwiegend mit dem Wind und können auf diese Weise Tausende Kilometer zurücklegen. Sie haften aber auch an Kleidung und anderen Gegenständen und können heutzutage als blinde Passagiere in modernen Verkehrsmitteln in andere Erdteile gelangen. Letztes Jahr schaffte der Pilz den Sprung nach Eurasien über und verheerte bedeutende Anbaugebiete von China bis nach Nordafrika, und auch dieses Jahr gab es bedeutende Ausbrüche in Afrika und Asien. Selten zuvor hat sich ein bedeutendes Pflanzenpathogen so schnell so weit verbreitet wie die neuen Varianten von P. striiformis.

Der nächste Killerpilz ist schon in den Startlöchern
Es ist allerdings ein anderer Rostpilz, der den Forschern derzeit am meisten Sorgen macht. Der Schwarzrost (Puccinia graminis) befällt die Stängel von Weizenpflanzen und kann, anders als der Gelbrost, auf betroffenen Feldern nahezu die komplette Ernte vernichten. Auch der Schwarzrost galt dank eines in Hochleistungssorten eingekreuzten Resistenzgens lange als besiegt, ja fast als ausgerottet. Doch im Jahr 1999 entdeckten Wissenschaftler in Ostafrika eine Variante des Pilzes, der diese Resistenz umgeht.

Seither ist der Stamm mit der Bezeichnung ug99 unaufhaltsam auf dem Vormarsch. 2003 traf man ihn im Jemen, zwei Jahre später im Sudan. Anschließend tauchte der Pilz auch im Nordiran auf, über 2000 Kilometer weiter nördlich und in Reichweite der Weizengürtel von Russland und Indien, und seit letztem Jahr befällt er auch Weizen in Südafrika. Es ist nach Ansicht der meisten Wissenschaftler nur eine Frage der Zeit, bis das Pathogen weltweit auftaucht.

Bild: FAO, Rust SPORE

Dummerweise haben die Wissenschaftler bei der Produktion der modernen Schwarzrost-resistenten Pflanzen ihr Pulver praktisch verschossen. Nachdem der Schwarzrost praktisch verschwunden war, wurden die Investitionen in die Forschung drastisch zurückgefahren. Jetzt befindet sich die Welt in einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit, und der Erreger bringt immer aggressivere Varianten hervor. Die globalen Weizenfelder sind dem neuen Killer derzeit fast wehrlos ausgeliefert – im schlimmsten Szenario könnte der Pilz vier Fünftel der weltweiten Ernte eines Jahres vernichten.

Kurzfristig halten im Ernstfall Fungizide die Ernteverluste auf befallenen Feldern in Grenzen. In der Praxis jedoch ist dieser Weg nur in den Industrieländern gangbar. In wichtigen Produktionsgebieten wie Nordindien fehlen neben der Infrastruktur auch die ökonomischen Voraussetzungen, um Agrochemikalien großflächig einzusetzen. Die meisten Kleinbauern können sich die Behandlung schlicht nicht leisten.

In Schach halten kann man die zunehmend variablen und aggressiven Pilze auf lange Sicht nur mit neuen Weizensorten, die gegen die neue Bedrohung immun sind. Bereits 2006 warnten Forscher, dass die verwundbaren Weizenkultivare im Nahen Osten und Indien dringend gegen resistente Formen ausgetauscht werden müssten. Allein – es gibt sie nicht. Die Agrarwissenschaft hat die Forschung an diesen Erregern seit Jahrzehnten vernachlässigt und musste mit dem Auftauchen insbesondere von ug99 praktisch bei Null anfangen.

Zum Glück gibt es fast überall einzelne Weizenlinien, die teilweise oder vollständig gegen den einen oder anderen Erreger resistent sind. Noch am besten erforscht ist das Resistenzpotential gegen ug99, dank der unter dem Eindruck einer drohenden globalen Katastrophe gegründeten Borlaug Global Rust Initiative, die sich dem Kampf gegen den Schwarzrost verschrieben hat.

In Kenia zum Beispiel (pdf) erwiesen sich zwar alle angebauten Weizensorten im Jungstadium verwundbar gegen den Pilz, einige ausgewachsene Pflanzen älterer lokaler Sorten widerstanden dem Pilz jedoch. In Indien sind die Aussichten noch besser, dort fand eine Untersuchung unter 318 Sorten insgesamt 78 resistente Linien. Die so gefundenen Varietäten sind der Grundstock eines Kreuzungsprogrammes, das bereits erste bemerkenswerte Erfolge bei der Erzeugung neuer resistenter Hochleistungssorten erbracht hat (pdf).

Allerdings ist der Kampf gegen den Weizenrost nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine politische und ökonomische Herausforderung. Die Fehler der Vergangenheit dürfen nicht wiederholt werden. Alle Staaten müssen die Infrastruktur schaffen um neu auftauchende Pflanzenpathogene systematisch zu identifizieren, zu überwachen und zu bekämpfen. Dazu braucht man ausgebildete Wissenschaftler, Kontrolleure und Techniker, kontinuierliche Zuchtprogramme und nicht zuletzt die Möglichkeit, in großem Maßstab alte, verwundbare Weizensorten durch neue Kreuzungen zu ersetzen.

6 Kommentare

  1. Mehrjähriger Weizen und Krankheiten

    Das Problem ist erkannt und kann wohl mit den bekannten Methoden wie Züchtung neuer Sorten, Einkreuzungen mit resistenen Weizensorten und so weiter wieder unter Kontrolle gebracht werden.

    Man liest jetzt immer mehr über mehrjährige Getreidepflanzen, darunter Reis und Weizen. Mehrjährige Getreidepflanzen scheinen sogar das Thema zu sein, wenn es um nachhaltigere Landwirtschaft geht, versprechen sie doch bessere Verwertung von Wasser und Nährstoffen und vor allem Schutz des Bodens vor Erosion und Degradierung, welche vor allem durch Pflügen und fehlende Bedeckung des Bodens zwischen Ernte und Neuanpflanzung entsteht (siehe http://www.scienceblogs.de/…-agrargeschichte.php).

    Wenn da nicht das Problem der Planzenkrankheiten wäre, das kaum je erwähnt wird im Zusammenhang mit mehrjährigen Getreidepflanzen, mindestens wenn man die Webseiten konsultiert, die für mehrjähriges Getreide werben. Die Forscher auf diesem Gebiet scheinen sich jedoch durchaus dieses Problems bewusst zu sein. Auf folgender Website (siehe http://www.futurefarmcrc.com.au/…attothetest.pdf) ist sogar zu lesen: “The single greatest risk to the concept
    of perennial wheat is disease,”
    Als Lösung wird auf dieser Webseite die Hybridisierung zwischen Weizen und Weizengras gesehen, denn Weizengras hat eine geringe Krankheitsanfälligkeit.
    Nun ja, dies ist auf alle Fälle ein Problem einer ganzen zukünftigen Generation von Pflanzenforschern, denn alle sind sich einig, dass mehrjähriger Weizen noch mindestens 20 Jahre Forschung benötigt bevor er marktgängig wird.

  2. @Martin Holzherr

    Das Problem ist langfristig vor allem organisatorisch und ökonomisch. Monokulturen, ob einjährig oder mehrjährig, werden immer anfällig für Krankheiten sein. Daran ändert auch das Weizengras nichts, das muss ja auch zur Hochertragssorte gezüchtet und in Monokultur angebaut werden. Da hilft nur ständige Überwachung.

    Mehrjährige Pflanzen haben natürlich das Problem, dass man nicht so einfach mal eben das Saatgut austauschen kann, wenn ein neuer Schädling auftritt. Das dürfte ein recht relevanter Punkt sein, vor allem in der Anfangsphase.

  3. Weitere Artikel zum Thema

    Ich hab vor einiger Zeit schon darüber unter dem Label “Pandemie” gebloggt und fand in dem Zusammenhang zwei Artikel interessant:
    Nature News (26.Mai 2010): Virulent wheat fungus invades South Africa.
    und
    WIRED Magazine (22.02.2010): „Red Menace: Stop the Ug99 Fungus Before Its Spores Bring Starvation“

    Ich hab keine Ahnung vom Thema, aber wie realistisch sind denn transgene Ansätze, mit denen etwa Resistenzen gezielt einkloniert werden? Damit würde man doch die meisten Probleme der langwierigen konventionellen Züchtung umgehen, vorausgesetzt, es existieren derartige Resistenzen?

  4. Transgene Ansätze

    Das ist natürlich absolut realistisch, und wahrscheinlich auch der effektivere Weg, weil man die Gene und Genkomplexe, die zu Resistenzen führen, inzwischen recht gut kennt.

    Allerdings liefern auch transgene Sorten nicht auf Anhieb das gewünschte Eigenschaftenprofil (gerade bei so komplexen Aufgaben), so dass ein gewisser Teil Trial-and-Error bleibt. Hinzu kommt natürlich das politische Problem, dass Gentechnikgegner solche Maßnahmen gegen Schadpilze wohl mit Gewalt sabotieren würden.

    Aber es gibt natürlich entsprechende Forschungen mit vielversprechenden Resultaten, ich hab gerade ein paar Publikationen zu rostresistenter transgener Gerste gelesen.

  5. Vielleicht kann man ja einfach die alten Sorten wieder anpflanzen (?) – die alten Pilzvarianten scheinen ja nicht mehr da zu sein …

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