Pakistan: Die Folgen der Flut – mit Spendenaufruf

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Es zeichnet sich inzwischen ab, dass die Monsunflut von Pakistan eine der größten Naturkatastrophen der jüngeren Geschichte ist. Schon jetzt stellen die Ereignisse am Indus prominentere Ereignisse wie den Weihnachtstsunami 2004 in den Schatten, und dabei ist das gesamte Ausmaß der Katastrophe noch kaum zu ermessen. Anhaltender Regen hat zehn Tage nach den ersten Höchstständen, über die ich vor einer Woche schon geschrieben habe, eine zweite Flutwelle erzeugt, die sich nun ebenfalls auf das Tiefland zu bewegt.

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Dieses zweite Hochwasser erreicht nicht ganz den Pegelstand der ersten Welle, dafür scheint es deutlich länger zu dauern bis diese Flut durchgezogen ist. Die erste Welle hat indessen die Provinz Sindh erreicht. Am Sperrwerk von Sukkur, der drittgrößten Stadt der Region, ist das Hochwasser so extrem, dass es vier Tage lang die Kapazität der Messeinrichtungen überstieg. Der Damm ist für einen maximalen Fluss von 900.000 cusecs ausgelegt, teilweise dürfte die aktuelle Indus-Flut dort allerdings deutlich über 1,3 Millionen cusecs erreicht haben.

Wie dramatisch die Lage in der Ebene ist, verdeutlicht das Satellitenbild: Der Indus füllt sein Flusstal derzeit völlig aus und drückt Wasser weit in die Ebene hinein. Besonders bemerkenswert ist die Seenlandschaft, die sich südlich der Stadt Sibi gebildet hat – in der Wüste.

Überschwemmtes Industal. Das Hellblaue sind Wolken. Bild: MODIS Rapid Response Team at NASA GSFC

Wegen des nach wie vor starken Regens in den letzten Tagen ist auch an den zuerst betroffenen Oberläufen die Lage nicht besser als vor einer Woche. Angeblich hat eine Flut ein ganzes Dorf vernichtet als ein aufgestauter See seinen durch Erdrutsche entstandenen Damm durchbrach. Erdrutsche und Hochwasser haben vor allem beträchtliche Teile der Infrastruktur zerstört oder blockiert, so dass ganze Landstriche derzeit mehr oder weniger von der Außenwelt abgeschnitten sind. Es wird wohl noch Wochen dauern bis man absehen kann, wie viele Tote es im gebirgigen Norden tatsächlich gegeben hat.

Doch mit dem Ende der Flut beginnt die eigentliche Krise erst. Wenn sich das Wasser zurückzieht, hinterlässt es zerstörte Straßen und Häuser, Totes Vieh, vernichtete Ernten und verschmutzte Brunnen. Diese Nachwirkungen werden nicht nur die direkt betroffenen Menschen, sondern die gesamte Region auf Jahre hinaus beschäftigen. Schon jetzt sind über 14 Millionen Menschen direkt von der Flut betroffen. Die Folgen der Katastrophe haben das Potential, die politische und soziale Situation in dem noch nie allzu stabilen Staat – immerhin eine Atommacht – dramatisch zu verschärfen.

Neben den direkten ökonomischen, sozialen und politischen Folgen einer so ausgedehnten Überschwemmung drohen langfristige gesundheitliche Effekte. Durch den Mangel an sauberem Trinkwasser grassieren in den betroffenen Gebieten bereits Cholera und Durchfallerkrankungen, die wegen der schlechten Versorgungslage vor allem Kindern, Alten und Kranken zum Verhängnis werden. Infektionskrankheiten verbreiten sich in beengten Notunterkünften natürlich besonders gut.

Auch nach dem Ende der Flutphase wird sauberes Trinkwasser für lange Zeit ein Problem bleiben – selbst unter normalen Umständen leidet Pakistan unter Wassermangel. Ursache sind paradoxerweise abnehmende Regenfälle und damit schwindende Grundwasserreserven, aber auch die schlechte Infrastruktur trägt dazu bei. Ich gehe davon aus, dass die Flut Teile des Systems beschädigt oder verschmutzt und so vielerorts die Lage verschärft.

Eine weniger bekannte, aber durchaus reale Gefahr besteht durch Schimmel und Bakterien in Gebäuden, die für eine gewisse Zeit unter Wasser gestanden haben. Eine Viertelmillion Häuser, heißt es, wurden allein in Punjab und der Nordwest-Provinz zerstört oder beschädigt. Nur ein Teil von ihnen wird neu aufgebaut oder gründlich getrocknet. In den übrigen verbleibt Feuchtigkeit in Böden und Wänden, die dadurch schimmeln und eine echte Gesundheitsgefahr darstellen.

Schwerer einzuschätzen, aber dadurch keineswegs weniger bedeutsam sind die sozialen und psychologischen Effekte auf die Opfer. Allgemeine Krankheitssymptome sind häufig bei Flutopfern und gehen nur zum Teil auf die tatsächlichen physischen Bedingungen zurück. Betroffene klagen über starken Stress, der seinen Tribut fordert – anekdotische Berichte nennen gravierende Effekte bis hin zu überwunden geglaubten schweren Erkrankungen wie Krebs, die als Reaktion auf die Flut zurückkehren. Angst, Verlust und Hilflosigkeit durch die Flut sind traumatisierende Erfahrungen, die oft schwer zu überwinden sind, insbesondere für Kinder. Studien unter anderem aus Großbritannien zeigen, dass vergleichsweise wenige Betroffene in den folgenden Monaten vollständig über das Erlebte hinwegkommen – und das bei vergleichsweise kleinen Fluten in Europa, mit ausreichend Rettungskräften medizinischer Versorgung und Hausratsversicherungen.

Durch das enorme Ausmaß der Katastrophe und die große Zahl der Betroffenen droht nun in Pakistan eine beispiellose humanitäre Katastrophe, die das Land nicht alleine bewältigen kann. Die Opfer brauchen medizinische Hilfe, Unterkünfte, Lebensmittel und Wasser, bis sich die Lage wieder normalisiert – wenn sie sich denn normalisiert. Atommacht, Taliban und so…

Trotz der dramatischen Lage steht bisher insgesamt sehr wenig Geld zur Verfügung, vor allem wenn man das Spendenaufkommen nach früheren Katastrophen dieser Größenordnung in Betracht zieht. Wir dürfen Pakistan nicht hängen lassen! Die Ärzte ohne Grenzen sind derzeit in Pakistan aktiv und betreiben dort mehrere mobile Kliniken für die Hochwasseropfer. Neben medizinischer Hilfe wird vor allem sauberes Trinkwasser benötigt, auch die Versorgung mit Lebensmitteln ist inzwischen gefährdet.

Ärzte ohne Grenzen – Spendenkonto

Welt.de | Liste mit Spendenkonten anderer Hilfsorganisationen

Tapsell, S., Penning-Rowsell, E., Tunstall, S., & Wilson, T. (2002). Vulnerability to flooding: health and social dimensions Philosophical Transactions of the Royal Society A: Mathematical, Physical and Engineering Sciences, 360 (1796), 1511-1525 DOI: 10.1098/rsta.2002.1013

8 Kommentare

  1. Mir tun die Leute richtig leid.

    Mir tun die Leute richtig leid. Wie man eben in den Nachrichten sehen konnte ist jetzt eine Flutwarnung für die südpakistanische Stadt Jacobabad gekommen. Die Behörden haben die 400.000 Einwohner aufgefordert, die Region zu verlassen. Tausende Menschen brachten sich mit Autos, auf Traktoranhängern oder auf Eselskarren in Sicherheit. Das Hochwasser im Noorwah-Kanal könne jederzeit über die Ufer treten.
    Siegfried Anton Paul

  2. Trinkwasser

    hallo, ich habe einen Artikel gelesen, http://www.aufkurs88.com/…sser-in-nur-2-minuten/ und frage mich, ob so etwas helfen würde. Und überhaupt funktioniert so ein System. Ich hab schon oft von Einwegflaschen gehört, die Wasser aufbereiten. Und wenn so ein System funktioniert, ist das doch besser als ein Spende, von der man nicht weiss ob sie ankommt.

    Gruss

  3. Wenn ich das richtig verstehe

    Ist da einfach eine UV-Lampe drin, prinzipiell geht es wohl.

    Für so ne Situation wie Pakistan ist das Ding natürlich zu klein und viiiel zu teuer. Da wird außerde, eh schon in großem Stil Aufbereitungskapazität hingekarrt.

    Also: Auf jeden Fall Spenden, und zwar am besten An Organisationen, die schon länger im Land arbeiten (Ärzte ohne Grenzen etc) und eine entsprechende Infrastruktur nicht erst aufbauen müssen.

  4. Dass…

    …Du Raum und Zeit in Deinem zu Recht erfolgreichen Scilog fuer die Menschen in Pakistan gibst, finde ich großartig, danke! Wenn die Jugend des Landes in Verzweiflung stagniert, haben die Extremisten leichtes Spiel. Wir leben in einer Welt!

  5. Mitleid mit Flutopfern kann man haben

    und vor allem mit den Kindern, die noch keinen anerzogenen Hass auf westliche Werte haben, die Atombombe noch nicht für gut und wichtig befinden und auch noch keine islamistischen Extremisten unterstützen. Die Erwachsenen in Pakistan sehen sogar im wirtschaftlich aufstrebenden Nachbarstaat Indien einen Feind.

  6. @realkontrol

    Pakistan hat jetzt entschieden, indische Hilfe anzunehmen. Auch Griechenland und die Türkei sind sich in der Not näher gekommen. Ich erinnere mich noch gut, wie damals ein türkisch-nationalistischer Minister gemeint hat, Türken sollten keine griechischen Blutspenden annehmen. Die Reaktion der Öffentlichkeit, dann auch Medien und schließlich der ganzen Gesellschaft war: “Halt den Mund und tritt ab!”

    Auch Indonesien oder Sri Lanka sind Beispiele, wo Katastrophenhilfe endlich dazu geführt hat, dass sich Menschen verschiedener Kulturen als Mitmenschen erkannt und politische Konflikte hintan gestellt haben.

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