Der Mond und die Fortpflanzung: Korallen

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Jedes Jahr in bestimmten Vollmondnächten trübt sich das Wasser über Korallenriffen, wenn Millionen von Polypen Eier und Spermien ins Wasser entlassen (Vorsicht, großes Bild) – gleichzeitig. Dass diese perfekte zeitliche Koordination etwas mit dem Mondlicht zu tun hat, ist seit langer Zeit experimentell belegt. Wie die augenlosen Polypen das genau anstellen, blieb allerdings ein Rätsel.

Ein internationales Forscherteam berichtet jetzt im Magazin Science vom Nachweis lichtempfindlicher Proteine, sogenannter Cryptochrome, bei der Steinkoralle Acropora millepora. Die Moleküle sind unter anderem von höheren Tieren Insekten und Säugetieren bekannt, wo sie den circadianen Rhythmus, die „Innere Uhr“, regulieren.

Vor ein paar Jahren fragte sich der Meeresbiologe Oren Levy, ob der gleiche Mechanismus auch für die Synchronisation der Korallen verantwortlich sein könnte. Sein Team benutzte Cryptochrom-Gene von Mäusen, Fröschen, Fruchtfliegen und Fischen als Schablone, um ähnliche Sequenzen bei A. millepora zu entdecken. Sie fanden insgesamt vier Cryptochrom-Gene, von denen sie zwei näher untersuchten.

Zuerst einmal stellte sich heraus, dass die Cryptochrom-Gene abhängig von der Tageszeit in unterschiedlichem Maße abgelesen werden, und zwar tagsüber besonders stark. Untersuchungen an Korallen in Dunkelhaft ergaben, dass zur Einstellung des täglichen Zyklus tatsächlich Licht nötig ist: Im Dunkeln bildeten die Korallen gleichbleibend wenig Cryptochrome. Bemerkenswert ist, dass eines der Gene bei Vollmond wesentlich aktiver ist als bei Neumond – ein deutlicher Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem Fortpflanzungszyklus.

Dass Cryptochrome auch bei Nesseltieren (Cnidaria), zu denen die Korallen gehören, auftauchen, ist durchaus überraschend und deutet darauf hin, dass die Reaktion auf Licht ein sehr altes evolutionäres Erbe ist. Unklar ist allerdings, weshalb das ausgerechnet bei Tieren der Fall ist. Die Cryptochrome sind nach den neuen Erkenntnissen wesentlich älter als die beim eigentlichen Sehen involvierten Pigmente. Der Lichtsinn muss für die Lebewesen der frühen Erde eine andere, wichtigere Bedeutung gehabt haben als die Wahrnehmung.

Möglicherweise, spekulieren die Forscher in ihrer Veröffentlichung, hat sich der Lichtsinn vor der Ausbildung der Ozonschicht entwickelt, als die Organismen bei Tagesanbruch vor der gefährlichen ultravioletten Strahlung ins tiefere Wasser flüchten mussten.

Wenn dem so ist, hat dieser Schutzmechanismus eine erstaunliche Karriere gemacht.

Foto: Dennis Pflugradt, Pixelio.de

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