Das Klima kontrollieren?

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Bild: NASA earth observatory

Den menschengemachten Klimawandel aufhalten, dieses hehre Ziel bewegt seit einiger Zeit Entscheidungsträger weltweit.[1] Genau genommen bewegen sich allerdings vor allem Lippen und Stimmbänder, und darüber hinaus nicht viel. Währenddessen macht das Klimasystem, nicht auf Mehrheitsentscheidungen angewiesen, Nägel mit Köpfen: Schon ab etwa 2020 könnte nach den jüngsten Prognosen das Nordpolarmeer im Sommer eisfrei sein. Und ab dem Punkt sind meiner Meinung nach alle gegenwärtigen Simulationen und Vorhersagen Makulatur.[2]

Die Anzeichen mehren sich, dass sich im irdischen Klimasystem große und vor allem schnelle Veränderungen anbahnen. Selbst wenn wir die Kohlendioxid-Emissionen per sofort auf Null reduzierten, wegen der langen Verweildauer des Gases[3] in Atmosphäre und Ozean zeigt sich der Effekt dieser Maßnahme erst nach Jahrzehnten. Dann ist es möglicherweise schon zu spät.

An der Harvard University trafen sich deswegen letzte Woche Klimaforscher und Politikexperten zu einem Workshop, um eine lange verpönte Strategie zu diskutieren:

Den Versuch, das irdische Klima gezielt zu beeinflussen.

Im Grunde sind sich alle einig, dass dieser Ansatz im Grunde eine Verzweifelungstat wäre. Trotz aller Forschung ist weitgehend ungeklärt, wie das Klimasystem auf externe Einflüsse reagiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass gezielte Eingriffe in das Klima durch ungeplante Nebenwirkungen mehr Schaden anrichten als sie nützen, ist hoch.

Die beteiligten Wissenschaftler befürchten jedoch, dass derartige Maßnahmen das kleinere Übel darstellen könnten. Der Geochemiker Dan Schrag erklärt zum Beispiel in einem Gespräch mit dem Magazin Science:

An der Komplexität des Klimasystems – die dich [Penny Chisholm] am Versuch, es zu kontrollieren, so besorgt macht – macht mir doppelte Sorgen, was die Treibhausgase mit ihm anstellenn werden. Deswegen finde ich, dass wir in der unangenehmen Situation sind, etwas erforschen zu müssen, bei dem viele von uns ein schlechtes Gefühl haben, denn die Alternative ist möglicherweise schlimmer.[4]

Im Gespräch sind derzeit einige Möglichkeiten, die Erwärmung durch den Treibhauseffekt zu bremsen. Angestoßen hat die Debatte im Jahr 2006 der Meteorologe und Nobelpreisträger Paul Crutzen vom MPI für Chemie in Mainz mit einem Artikel in Climatic Change. Sein Vorschlag, systematisch Schwefelaerosole in die Atmosphäre einzubringen, um den kühlenden Effekt von Vulkanausbrüchen zu imitieren, stieß auf weltweite Kritik.

Inzwischen gibt es weitere Vorschläge in dieser Richtung, die alle mehr nach Science Fiction als ernsthafter Wissenschaft klingen: Sonnenschirme im Weltall, künstliche Wolken, Eisendüngung der Ozeane, um Kohlendioxid abzufangen.

All diese Möglichkeiten könnten theoretisch funktionieren, gemessen an dem, was wir über das Klimasystem wissen. Realistischerweise jedoch wären derartige Ansätze ein Blindflug mit völlig unbekannten Konsequenzen. Die Meeresbiologin Penny Chisholm bringt es in Science auf den Punkt:

In diesem Sinne wäre es nicht richtig, [Geoengineering] als Experiment zu bezeichnen, weil das impliziert, dass es wissenschaftlich ist. In Wirklichkeit ist es das nicht.[5]

Neben den Risiken und Nebenwirkungen haben derartige Ansätze zwei grundsätzliche Probleme. Sie bekämpfen lediglich ein einziges Symptom, nämlich die Erwärmung. Andere Effekte der Treibhausgas-Emissionen, zum Beispiel die Versauerung der Ozeane, sind noch einmal eine ganz andere Frage.

Die größte Gefahr ist jedoch, dass derartige Maßnahmen irgendwann – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr fortgeführt werden können. Dann schlägt die Erwärmung voll durch.
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[1] Nachdem ich mit dem letzten Thema Ärger mit unserer Biologin gekriegt habe, bin
ich mit diesem hier hoffentlich auf der sicheren Seite…

[2] Der springende Punkt hier ist der Wärmehaushalt des arktischen Ozeans. Das Meereis beeinflusst nicht nur über das Eis-Albedo-Feedback die Wärmeaufnahme des Nordpolarmeeres, sondern auch die Orte, an denen es seine Wärme wieder abgibt. Und wie wir golfstromverwöhnten Nordeuropäer wissen, ist das ein extrem klimarelevanter Aspekt.

[3] Nach dem Modell von Wigley (Tellus B, 45, 1993, S. 409) beträgt die Halbwertzeit des überschüssigen atmosphärischen Kohlendioxids etwa 50 Jahre.

[4] Meine Übersetzung. Wortlaut aus Science:

In response to what Penny just said, the complexities of the climate system–and all the uncertainties about the climate system that make you very nervous about trying to engineer it, try[ing] to control it–make me doubly nervous about what greenhouse gases are doing to it. And so I really think we’re in an awful place where we have to explore something that makes many of us feel uncomfortable, and yet the alternative may be worse.

[5] Meine Übersetzung. Wortlaut aus Science:

In that sense, I don’t think it’s right to call it an experiment, because it implies that it’s scientific. And it’s really not.

5 Kommentare

  1. Auswandern

    Wenn das alles so kommen wird, wie die Prognosen es ankündigen, dann laßt uns mal schnell ein neuen Planeten suchen. Also alles Geld in Raumfahrt. 😉

  2. Ingenieure sollen es richten, wenn persönliches Engegement fehlt

    Die Diskussion um eine sekundärtechnische Lösung des Klimaproblems erscheint mir vor allem eines: bquem und egoistisch.
    Vielen Wissenschaftlern, welche in den Bereichen Klimaforschung, Biodiversität etc. tätig sind, ist inzwischen völlig klar, dass unter den gegebenen politischen Mehrheiten keine erfolgreiche ökologische Entwicklung angestossen werden kann. Seit Rio bekennen sich praktisch alle einflussreichen Politiker zu den Zielen des Klimaschutzes und der Erhaltung der Biodiversität. Seither verschlechtert sich der Zustand des Klimas wie der Tier- und Pflanzenwelt stetig weiter. Der Grund liegt meines Erachtens darin, dass es zur Lösung dieser Probleme keine einfachen technischen Möglichkeiten gibt. Effektiv wurden bisher nur Umweltprobleme gelöst, für deren Lösung günstige technische Alternativen zur Verfügung standen (z. B. Ozonproblem durch Ersatzstoffe für FCKW, Luftqualität durch Einbau von Katalysatoren). Das Klimaproblem erfordert aber eine massive Investitionswelle zugunsten alternativer Energien. Genau diese Investitionen zu veranlassen, wäre die Aufgabe der Politik. Doch dies würde die Interessen der heutigen Präsidenten und Minister in den Industrienationen sowie deren Geldgeber massiv tangieren.
    Als Klimawissenschafter wäre also ein erhebliches Mass an Zivilcourage gefordert, wenn man wirklich die Wende weg von der Klimakatastrophe schaffen wollte. Zum Beispiel durch Aufdeckung der Interessenverflechtungen heutiger Entscheidungsträger, welche einen Wandel verhindern und durch Bekanntmachung solcher Informationen in der bildungsfernen Bevölkerung.
    Diese uNTERFANGEN hätten allerdings einen Nachteil: Der Wissenschafter müsste sich ganz persönlich ins Rampenlicht stellen und eventuelle seinen oftmals staatlich finanzierten Job gefährden. Dies ist keine einfache Sache und die hier dargestellte Forderung stellt in der Tat hohe Ansprüche an die angesprochenen Personen. Deshalb ist die Suche nach einer billigen technischen Lösung (“kippen wir Eisen in die Ozeane”) auch viel angenehmer zu vertreten. Damit steht man garantiert keinem auf die Füsse, kann seine Stelle behalten etc.

    Allerdings sollte uns dabei bewusst sein, dass die sich abzeichenende Klimaentwicklung unseren gesamten Lebenswandel in Frage stellen wird. Dies wird Opfer fordern, vermutlich mehr als jeder Krieg und jede isolierte Einzelkatastrophe in der Geschichte der Menschheit. Da wäre mehr persönlicher Einsatz und etwas weniger politische Enthaltsamkeit der Wissenschafter meiner Ansicht nach dringend angebracht.

  3. Hat jemand den bisherigen Klimawandel ausgeschaltet?

    Im Laufe der mehr als 4,5 Milliarden Jahre alten Erdgeschichte hat sich immer wieder das Klima geändert. Auf eine Warmzeit folgte eine Kaltzeit und auf eine Kaltzeit wieder eine Warmzeit. Nach gängiger Lehrmeinung ging vor rund 10.000 Jahren das letzte Eiszeitalter, das von starken Klimaschwankungen geprägt war, zu Ende. Danach müsste eigentlich wieder eine Warmzeit folgen und anschließend wieder eine Kaltzeit. Oder hat irgendjemand den bisherigen Klimawandel ausgeschaltet? Bei der gegenwärtigen Diskussion über den Klimawandel vermisse ich den Hinweis, in welcher Zeit wir heute leben und dass niemand davon redet, dass irgendwann wieder eine Kaltzeit oder sogar ein Eiszeitalter mit Gletschervorstößen und kilometerdicken Eispanzern beginnen kann. Ich frage mich, wodurch die Menschheit mehr gefährdet ist: durch eine Warmzeit, eine Kaltzeit oder ein Eiszeitalter? Oder durch Umweltsünden?

  4. Was den menschengemachten Klimawandel von den natürlichen Klimaschwankungen unterscheidet (u.a. Zeitskala sowie unsere Verwundbarkeit gegen derartige Veränderungen) ist anderswo hinlänglich durchgekaut, da würde ich auf die einschlägigen Internetforen verweisen.

    Viel wesentlicher scheint mir der folgende von Ihnen angesprochene Punkt:
    *Ich frage mich, wodurch die Menschheit mehr gefährdet ist: durch eine Warmzeit, eine Kaltzeit oder ein Eiszeitalter? Oder durch Umweltsünden?*

    Der menschengemachte Klimawandel ist im Grunde ja auch nur ein Teilaspekt des tatsächlichen Problems, das man mit “Umweltsünden” ganz gut pauschal zusammenfassen kann.

  5. Klimawandel kontrollieren

    Bei den derzeitigen Bestrebungen, den Klimawandel zu kontrollieren wird in keinster Weise ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Schon am Beispiel Biosprit stellt sich die Frage, ob da nicht der Teufel mit dem Beelzebub ausgtrieben werden soll. Falls wirklich mit derzeitigen Methoden Erdöl durch sog. Biosprit ersetzt werden soll, dürfte dies erstmal eine massive Erhöhung der Treibhausgase durch Brandrodung, Trockenkegung etc. bedeuten. Diese Klimagase werden aber in keiner Rechnung bemüht. Als weiter Folge droht eine der Kolonialisierung vergleichbare Ausbeutung der dritten Welt. Diese Bemühungen zielen nicht auf Ökologie sondern nur auf Profite einiger Konzerne. Aber weder sog. ökologische Parteien noch Umweltverbände interessiert dies. Leider sind wir durch Zwangsabgaben auch noch gezwungen diese Umweltpolitische und Sozioökonomische Katastrophe zu finanzieren.

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