Wer kriegt den Chemie-Nobelpreis 2019?

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Ich habe schon länger den Eindruck, dass der Nobelpreis in Chemie mit jedem Jahr schwieriger einzuschätzen ist. Jetzt bin ich auf eine Veröffentlichung von 2008 gestoßen, die das zum Teil bestätigt und auch Gründe nennt. Demnach nämlich hat die Vorhersagekraft von wissenschaftlichen Veröffentlichungen und ihren Zitierungen – auf die sich zum Beispiel Web of Science bei den Citation Laureates stützt – rapide nachgelassen. Noch 1992 ließen sich auf diese Weise mit hoher Trefferquote klare Nobelpreiskandidaten identifizieren. Das geht heute so einfach nicht mehr.

Ein Grund dafür ist, dass die Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dramatisch gewachsen ist. Die Fächer sind inzwischen in Teilbereiche zerfallen, die ihrerseits wiederum schon zu groß sind, als dass man auch nur alle Veröffentlichungen zum eigenen Thema lesen könnte. Dadurch gibt es nicht mehr in jeder Generation vielleicht eine Handvoll herausragender Leute, sondern in den einzelnen Fachgebiete Dutzende.

Was ist Nobelpreis-würdig?

Deswegen ist die Gewichtung der eigentlichen Forschungsarbeiten geringer geworden – die Preise gewinnen nun Forscherinnen und Forscher, die mit bedeutenden Fortschritten auf ihrem Gebiet assoziiert werden. Wer das sein soll, ist nicht immer unstrittig, und schon gar nicht, was als bedeutender Fortschritt gilt.

Da gibt es zum Beispiel den langjährigen Favoriten John B. Goodenough, unter dessen Leitung Lithiumcobaltoxid entwickelt wurde, das als Elektrodenmaterial die heutigen Lithiumionenbatterien erst möglich machte. Einerseits ist die Bedeutung dieser Entwicklung immens, andererseits kann man auch argumentieren, dass der Akku als solcher die bedeutende Entwicklung war, und er nur einen besonders praktischen Werkstoff zusammenkochte. Mein persönlicher Favorit auf den Nobelpreis für Chemie ist trotzdem er.

Das liegt daran, dass ich immer noch nicht an einen Nobelpreis für die zweifellos preiswürdige CRISPR-Technologie glaube. Eigentlich wären Emmanuelle Charpentier ein ganz heißer Tipp (schon weil die Schwedische Akademie der Wissenschaften seit letztem Jahr das Frauenproblem der Preise zumindest anerkennt), aber erstens ist der letzte große Prozess um die Technik gerade erst zu Ende gegangen, zweitens sind alle Beteiligten noch fleißig am Patentieren. Ein Preis zu diesem Zeitpunkt würde womöglich das Nobelkomitee in einen Rechtsstreit hineinziehen könnte, und es eilt ja nicht, sich hier festzulegen. Anders beim fast hundertjährigen Goodenough.

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