Wie stabil ist der Golfstrom?

Derzeit machen Berichte über eine Veröffentlichung von Niklas Boers vom PIK ihre Runden, laut denen der “Golfstrom” mehr oder weniger kurz vorm Kollaps steht. Vor so einem möglichen Zusammenbruch des nordatlantischen Strömungssystems warnen viele Fachleute, mit guten Argumenten. Tatsächlich aber sind noch sehr viele Fragen offen, denn man weiß nur vergleichsweise wenig darüber, wie die ozeanischen Zirkulation im Detail funktioniert und wie sie wirklich auf den Klimawandel reagiert.

Es gibt aber einen Ansatz, mit dem man so einen Kollaps auch bei Systemen vorhersagen kann, über die man wenig weiß. Das hängt mit den statistischen Eigenschaften dynamischer Systeme zusammen. Boers sucht in seiner Veröffentlichung im Golfstrom nach den Anzeichen für ein als “critical slowing down” bezeichnetes Phänomen, das in solchen Systemen abrupte Zusammenbrüche ankündigt.

Was man über den “Golfstrom” ziemlich sicher weiß ist, dass sich die als AMOC (Atlantic meridional overturning circulation) bekannte Atlantische Umwälzzirkulation, von der der Golfstrom ein Teil ist, seit geraumer Zeit abschwächt. Die Daten deuten auch ziemlich konsistent darauf hin, dass das Strömungssystem im Nordatlantik derzeit im Vergleich zum Rest der aktuellen Warmphase ziemlich schwach ist.

Außerdem gibt es inzwischen gute Indizien dafür, dass ein großer Teil des aktuellen Rückgangs im 20. Jahrhundert stattfand und die AMOC derzeit weiter schwächer wird. Und es ist auch plausibel, dass der menschengemachte Klimawandel da eine große Rolle spielt. Gut belegt ist auch, dass das Strömungssystem in eine schwächere Phase kippen kann. Das hat es in der letzten Kaltzeit mehrfach getan, mit ziemlich dramatischen Folgen.

Was die kollabierende AMOC heute mit dem Klima in Europa und der Welt machen würde, ist im Detail unklar, weil wir nicht wissen, wie das Strömungssystem danach aussähe. Der Konsens ist aber, dass man es nicht so gerne ausprobieren möchte. Die Thermohaline Zirkulation, von der die AMOC wiederum nur ein Seitenast ist, beeinflusst Wetter und Vegetationsphasen weltweit.

Was man über den Golfstrom alles nicht weiß

Das sind so die Grundlagen, die weithin unbestritten sind. Kompliziert wird es, wenn man in die Details geht. Zum Beispiel, wann die aktuelle Abschwächung begann (um etwa 1850? Um etwa 1950?), ob der gesamte Rückgang auf den Klimawandel zurückgeht und welche Rolle die natürlichen Schwankungen des Systems dabei spielen. Und dann natürlich, wenn man wissen möchte, ob und wann das Strömungssystem “kollabiert” – also einen kritischen Punkt erreicht, an dem es unwiderruflich in einen neuen Zustand wechselt.

Der Haken an der Sache ist, dass wir immer noch praktisch nichts über die Ozeane wissen. Vor 30 Jahren war der Schnack, dass wir vom Meeresboden weniger wissen als über die Oberfläche des Mondes. Das ist inzwischen ein bisschen besser geworden, dank Fächersonar und so weiter, aber was sich so in der fünf Kilometer dicken Wasserschicht darüber abspielt, weiß auch weiterhin niemand hinreichend genau.

Über die AMOC wissen wir zugegebenermaßen ein bisschen mehr als gar nichts, weil dieses Strömungssystem das am besten erforschte der Welt ist. Herauszufinden, was dieses Strömungssystem macht, ist trotzdem sehr schwierig. Zum Beispiel basiert das ganze System auf dem Sog, der entsteht, weil Oberflächenwasser im Nordatlantik kälter und dichter wird und zum Meeresboden absinkt. Das passiert irgendwo in einem riesigen Meeresgebiet grob zwischen Grönland und Norwegen.

OK, und jetzt messen wir doch mal, wie viel da absinkt, und ob das weniger ist als letztes Jahr. Blöderweise ist das nicht wie wenn man in der Badewanne den Stöpsel zieht, und wenn man an der richtigen Stelle einen Korken (oder eine Messboje) ins Meer wirft, wird der mit nach unten gezogen. Man muss sich das eher so vorstellen, dass über eine sehr große Fläche Wasser immer schwerer und dichter wird und nach und nach einzelne lokale Wasserpakete fast unmerklich abwärts sinken. Tatsächlich ist nicht mal so ganz sicher, wo das genau passiert.

Weder Paläoklima noch Modelle helfen weiter

Es gibt natürlich noch andere Marker, zum Beispiel kann man Meeresströmungen mit Satelliten anhand ihrer unterschiedlichen Wassertemperaturen verfolgen und dergleichen. Die heutige Ozeanografie misst eine ganze Reihe verschiedener Dinge, und daraus kann man dann zum Beispiel kalkulieren, dass die AMOC im Bereich des nördlichen Wendekreises so ungefähr 15 Sverdrup (Millionen Kubikmeter pro Sekunde) Wasser transportiert.

Und dann kann man die Beobachtungsdaten noch mit Klima- und Ozeanmodellen abgleichen, um zu gucken, ob das ungefähr hinhaut. Deswegen hat man inzwischen tatsächlich ein grobes Bild davon, was die AMOC aktuell macht. Man muss da aber immer noch vorsichtig sein, weil das Strömungssystem räumlich und zeitlich extrem stark schwanken kann. Inwiefern einzelne “Schnappschüsse” des Zustandes der AMOC da möglicherweise ein falsches Bild bieten, ist meines Wissens noch nicht so ganz klar.

Die entscheidende Frage ist natürlich, ob die aktuelle Abschwächung des Systems sich noch im Rahmen des “Normalzustandes” des Systems bewegt, oder ob wir uns einem kritischen Punkt nähern. An so einem Kippunkt würde die AMOC in einen – für unsere Maßstäbe – neuen Zustand wechseln. Wir können aus Modellen und der Erdgeschichte schließen, dass das für uns nicht so angenehm wäre.

Ob ein solcher Kipppunkt nahe ist, ist aber sogar noch schwerer zu klären als der aktuelle Zustand der AMOC. Das Problem ist, dass uns sowohl die Daten aus der Erdgeschichte als auch die Computermodelle widersprüchliche Indizien geben. Einerseits wissen wir sicher, dass die AMOC einen Kipppunkt zwischen zwei Zuständen hat. Während der letzten Kaltzeit wechselte sie mehrmals den Modus und verursachte damit dramatische Klimaveränderungen in Nordeuropa.

Die große Frage nach der Stabilität der AMOC

Andererseits ist das Strömungssystem in den letzten Zehntausend Jahren trotz diverser kurzfristiger Schwankungen im globalen Klima recht stabil geblieben. Und das, obwohl sie in sich durchaus sehr variabel ist. Das würde eher darauf hindeuten, dass das System AMOC auch massive Störungen abfangen und zum normalen Muster zurückkehren kann.

Auch die Computermodelle helfen da nicht wirklich weiter. Viele Modelle zeigen zwar die beiden Zustände des Systems und den Kippunkt dazwischen, andere wiederum aber nicht. Unter den ersteren wie den letzteren sind einige der besten globalen Klimasimulationen, und selbst ähnliche Modelle kommen in der Frage zu unterschiedlichen Ergebnissen. die meisten Fachleute glauben, dass die Modelle die Stabilität der AMOC deutlich überschätzen – sicher ist das aber nicht. Dass die AMOC durch den Klimawandel kollabiert, ist plausibel, aber keineswegs zwangsläufig.

In seiner Veröffentlichung versucht Boers nun, diese Frage auf einem dritten Weg zu untersuchen. Und zwar indem er aus dem gegenwärtigen Verhalten des Golfstromsystems direkt versucht, dessen Zukunft zu erschließen. Unter normalen Umständen ist das bei so komplexen Systemen wie den Komponenten des Klimas ziemlich aussichtslos, wenn man keine klaren Parallelen in Simulationen und Erdgeschichte hat. Es gibt allerdings eine ganz entscheidende Ausnahme: wenn ein System kurz davor steht, zu kollabieren, dann verändern sich seine statistischen Eigenschaften.

Der Hintergrund ist, dass die AMOC sehr stark schwankt, aber sich dabei im Rahmen eines Grundzustandes bewegt, der unserem bekannten Golfstromsystem entspricht. Mal wird mehr, mal weniger Tiefenwasser gebildet oder Warmwasser transportiert, und wenn man mal ein extremes Jahr hat, werden die nächsten Jahre wieder “normaler”, weil der Zustand zufällig um den Mittelwert herumschwingt.

Critical slowing down

Man kann sich das so vorstellen[1], dass ein dynamisches System sich von äußeren Störungen wieder erholt, weil es sich in einem abstrakten “Becken der Stabilität” befindet – wie eine Murmel in einer Tasse. Ein dynamisches System ist nie statisch im Gleichgewicht, sondern rollt in seinem Becken der Stabilität umher. Je stabiler ein Zustand, desto tiefer das Becken. Bewegt es sich vom stabilen Zustand weg, wird seine Tendenz zum Zurückrollen immer größer.

Bitte nicht vergessen, das ist ein völlig abstraktes Bild, das beschreibt, wie sich Zustände von Systemen wie dem Golfstrom im Lauf der Zeit verändern. Es vermitteln aber ganz gut, was die Mathematik hinter solchen Analysen letztendlich beschreibt. Verliert ein System an Stabilität, wird das Becken nach und nach flacher. Irgendwann rollt das System, getrieben durch seine eigenen zufälligen Bewegungen oder eine Störung von außen, über den “Rand” – also den kritischen Punkt. Dann gelangt es ins nächste Becken, einen neuen stabilen Zustand.

Das ist letztendlich das, was sich hinter dem Begriff “Kollaps” verbirgt. Es wird auch danach ein Strömungssystem im Nordatlantik geben, allerdings ein anderes. Möglicherweise handelt es sich dabei um jenen “schwachen” Zustand der AMOC, in der sie während der letzten Kaltzeit gelegentlich kippte. Das scheint eine verbreitete Annahme zu sein, ich habe da aber meine Zweifel. Die Bedingungen damals waren sehr anders, und deswegen werden die Stabilitätsbecken heute auch anders aussehen.

Aus dem Bild des flacher werdenden Stabilitätsbeckens leitet man vier Voraussagen ab, wie sich ein System nahe einem solchen kritischen Punkt verhält. Erstens dauert es mit zunehmender Flachheit immer länger, bis das System vom Rand seines Beckens zum Zentrum zurückgerollt ist – es braucht immer länger für die Erholung. Zweitens sind die Ränder weniger steil, so dass das System mehr Orte in der Tasse erreicht – das System wird also immer variabler.

Wie man critical slowing down misst

Drittens ist die Bewegung innerhalb des Beckens langsamer, so dass aufeinanderfolgende Zustände des Systems sich immer ähnlicher werden – eine statistisch messbare Eigenschaft, die man als Autokorrelation bezeichnet. Viertens ist das flache Stabilitätsbecken manchmal asymmetrisch, so dass das System in solchen Fällen dazu neigt, öfter Zustände am Übergang zum benachbarten Becken einzunehmen.

Diese Veränderungen des Systems bezeichnet man als critical slowing down, und es scheint ein universelles, oder zumindest sehr weit verbreitetes Verhalten komplexer dynamischer Systeme zu sein. Ich hatte das mal in einem eigenen Blogbeitrag erklärt, aus dem habe ich auch die Passagen oben übernommen. Und das Paper von Boers ist schlicht darüber, ob man solche Anzeichen von critical slowing down auch beim Golfstromsystem sieht.

Konkret geht es um zwei der oben genannten Aspekte, nämlich einerseits höhere Varianz – also größere Ausschläge bei den Schwankungen – und andererseits die Autokorrelation. Die sind beide in Zeitreihen gut zu analysieren und gelten deswegen als Frühwarnsignale für kritische Übergänge. Das Problem dabei ist allerdings, dass solche statistischen Veränderungen einem System auch von außen “aufgeprägt” werden können, ohne tatsächlich mit einem drohenden kritischen Übergang zusammenzuhängen.

Boers verwendet deswegen eine dritte Variable λ, die die Rückkehr zum Ausgangspunkt nach kurzfristigen Schwankungen innerhalb des Systems beschreibt. Sie ist nur indirekt von diesem Problem betroffen und gibt einen Hinweis, dass man tatsächlich die Eigenschaften des Systems misst. Außerdem gibt λ ein ungefähres Maß dafür, wie weit das System vom kritischen Übergang, also dem “Kollaps” weg ist.

Stimmt das alles?

Diese drei statistischen Eigenschaften untersucht Boers nu in insgesamt acht Zeitreihen von Indikatoren, die die AMOC beschreiben. Und nahezu in allen Datensätzen deuten diese Frühwarnsignale darauf hin, dass sich ein kritischer Punkt nähert. Zusätzlich ist demnach der Parameter λ im letzten Jahrhundert kontinuierlich immer weniger negativ geworden und liegt jetzt ungefähr beim Wert 0 – der mathematisch gesehen den kritischen Punkt markiert.

Tatsächlich ist der Golfstrom nicht das einzige System, an dem Boers mit statistischen Instrumenten den Kipppunkten im Klimasystem nachspürt. Vor zwei Monaten hat er schon eine sehr ähnliche Analyse über die statistischen Eigenschaften von Grönlands Eisschmelze publiziert, mit ähnlichem Ergebnis. In der Ökologe analysiert man auf diese Weise sterbende Wälder und andere Ökosysteme nah an kritischen Übergängen. Das ist dieser Tage ein reichhaltiges Forschungsfeld.

Theoretisch müsste das auch beim Klimawandel und seinen Kippunkten funktionieren – dynamische Systeme folgen überall den gleichen Regeln. Und auch bei früheren Klimawandeln gibt es Anzeichen für critical slowing down. Zumindest in Klimamodellen haben Leute auch schon analysiert, ob die Warnzeichen auch beim Golfstromsystem auftauchen. Die spannende Frage ist jetzt, ob all die Annahmen hinter den Indikatoren und Schlussfolgerungen stimmen.

Also ob die so berechneten Werte beim Golfstrom tatsächlich ein Frühwarnsystem sind oder ob die Statistik hier täuscht – was durchaus passieren kann. Wie gesagt, es ist nach wie vor schwer sicher zu belegen, dass die AMOC im aktuellen Klima überhaupt instabil ist. Endgültig lässt sich das nur nachträglich beantworten, also wenn der kritische Übergang passiert ist und ein neues stabile System existiert. Für unsere praktischen Zwecke wäre das natürlich zu spät.

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[1] Die Beschreibung in den folgenden Absätzen stammt aus diesem älteren Beitrag.

49 Kommentare

  1. Was man über den “Golfstrom” ziemlich sicher weiß ist, dass sich die als AMOC (Atlantic meridional overturning circulation) bekannte Atlantische Umwälzzirkulation, von der der Golfstrom ein Teil ist, seit geraumer Zeit abschwächt.

    Das Ganze ist doch eine methodisch sehr anspruchsvolle Sache, um es mal vorsichtig zu sagen, und inwieweit die AMOC-Abschwächung tatsächlich stattfindet, wird aktuell ja auch wieder diskutiert:

    Worthington, E. L., Moat, B. I., Smeed, D. A., Mecking, J. V., Marsh, R., and McCarthy, G. D.: A 30-year reconstruction of the Atlantic meridional overturning circulation shows no decline, Ocean Sci., 17, 285–299, https://doi.org/10.5194/os-17-285-2021, 2021.

    • Danke wieder mal an Herrn Fischer für diesen echt tollen Artikel!! Das ist übrigens der erste Artikel, wo ich erstmalig nicht so sehr beunruhigt bin, denn, in den anderen zig Artikeln, die in den letzten Tagen erschienen sind, haben die Artikel Schreiber echt so geschrieben, als würde der Golfstrom schon Morgen kollabieren.

      Aber, trotzdem bin ich sehr skeptisch, dass es eben nicht nicht passieren wird. 2017 wurde noch geschrieben, dass der Abbruch erst in 300 Jahren passieren könne…..jetzt wird geschrieben, dass der Abbruch sogar in weniger als 10 (!!!) Jahren passieren soll!

      • Einige der Medienberichte waren wirklich etwas unglücklich, das ist mir auch aufgefallen. Zumal absolut nicht klar ist, welche Vorhersagekraft solche Warnzeichen wirklich haben. Das hatte mich auch zu diesem Artikel angeregt.

      • Ich beobachte den Golfstrom schon seit gut 10 Jaqhren über diese Monitoringapplikation, er hat nicht immer stur die gleiche Flussrichtung, und so lässt sich auch gut anhand des Monitorings ablesen, wann Iren und Engländer im Winter mal kurzfristig kalte Füße bekommen. Und von wegen schächelt, er schafft es momentan bis zur Küste grönlands – der Golfstrom splittet sichn auf. Und wie man erkennen kann, der Golfstrom ist nicht der einzige Strom weltumspannend. Warmes Wasser fließt immer in richtung kaltes Wasser. Gemessen wird über einen Satteliten per Radar die Wasserdampfsäule, rechts im Fenster der Maßstab dazu.
        http://tropic.ssec.wisc.edu/real-time/mtpw2/product.php?color_type=tpw_nrl_colors&prod=global2&timespan=24hrs&anim=html5

    • Also so weit mir bekannt ist, ist der Golfstrom schon ein Paar mal zum erliegen gekommen. Den Beitrag habe ich vor längerer Zeit einmal gesehen.
      Würde meinen das es irgendwann sicherlich mal passiert !
      Das ist so wie mit den Klimakonferenzen, meistens eine schöne Gegend wo es stattfindet.
      KiotoProtokoll in den 90’er hat nichts gebracht, also dann schliesen wir die Akte und eröffnen halt eine neue in Frankreich. Die Jungend freut sich darüber aber wenn man rechnet das man bereits vor über 20 Jahren was machen hätte können, na ja typisch gewinnorientierte Gesellschaft. Jetzt ist es zu spät der Zug ist bereits abgefahren, und metafamässig gesprochen kann man nun schön zuschauen wie aus einem Schneeball eine Lawine wird.

      • Sehr zutreffend die Bemerkung von @Mike!
        Als ich vor 40 Jahren Atmosphärenphysik und Klimatologie an der ETH Zürich studierte, war es im Rahmen von Wahrscheinlichkeiten eine beklemmende Option, dass die Alpengletscher abschmelzen könnten. Gesichert wussten wir einzig: wenn wir diese Option dannmal nachweisen werden können, wird es definitiv zu spät für die Gletscher sein.
        Und so ist heute: Das Abschmelzen der Alpengletscher ist beoachtbar in der exponentiellen Phase. Es gibt kein Überleben für sie. Was das dann auch immer zur Folge haben wird.

        • Als ich vor 30 Jahren angefangen habe, mich für das Thema zu interessieren, hieß es: das Klima ist so komplex und variabel, dass man den statistischen Nachweis der ersten Klimawandel-Effekte erst in den 2030ern erwarten könne.

          • Als ich letzte Woche angefangen habe mich für das Thema zu interessieren, war ich echt froh keine Kinder zu haben

  2. Um solche Unsicherheiten in die Praxis zu übersetzten gibt es das Risiko Management.
    Irgend jemand muss sich dafür halt den Hut aufsetzten und die Wahrscheinlichkeit und die möglichen Auswirkungen abgeben um das Risiko zu bewerten. Besser ist, das macht nicht die Politik.
    Es ist gut, wenn es Menschen tun, die mit der Materie vertraut sind. Mein Respekt vor denen, da sie sicher wissen, dass sie auch daneben liegen können.
    Nichts tun ist halt eine sehr schlechte Alternative.

  3. Was soll dieser Kommentar (abgesehen vom Link)? Das ist doch im Artikel impliziert.

    Oder überinterpretiere ich?

    • Beziehen Sie sich auf mein Kommentar? Nun, Fischer diskutiert ja die Rolle der AMOC für das Klima, deren Instabilität und ein mögliches Kollabieren (“Kipp-Punkt”). Vorausgesetzt wird dabei eine seit geraumer Zeit stattfindende Abschwächung. In dem von mir erwähnten Artikel von Worthington et al. wird aber genau die für die letzten drei Jahrzehnte in Frage gestellt.

  4. Bei diesem Thema erinnere ich an Sokrates Zitat ‘Ich weiß, dass ich nichts weiß’.
    Wenn der Golfstrom tatsächlich seine Eigenschaft ändern sollte, ist es sowieso zu spät etwas dagegen zu tun.
    Es wird immer so sein, dass der Mensch den Naturgewalten machtlos gegenübersteht. Was er tun kann, er kann sein Verhalten ändern. Allerdings weiß der Mensch das schon seit einigen Jahrzehnten. Tut er es? Ich denke nein, er wird die Erde auf langer Sicht gesehen unbewohnbar machen. Ja, es ist leider so, der Mensch ist das größüte Rindvieh auf Gottes-Boden.

  5. Die Frage “Wie stabil ist der Golfstrom?” wird im Beitrag leider nur vertieft. In der Meeresforscherung ist jedoch gerade dieses System sehr gut erforscht und es gibt darüber hinaus auch einige Methoden und Tracer, mit denen man die hier aufgeworfenen Fragen beantworten kann. Es ist gut, dass “Spektrum” die Diskussion von Niklas Boers aufgreift! Ich finde es aber schade, dass in diesem Beitrag in “Spektrum” keine Methode und nicht noch umfangreichere Untersuchungen gezeigt werden. Es bleibt der Eindruck, dass man eigentlich nichts weiß.

  6. Als Kippunkt stellt man sich ja eine Situation vor, bei der es am nächsten Morgen plötzlich passiert. Da sich die Erdgeschichte aber nicht in Tagen, Stunden oder Minuten darstellt, ist das kaum zu erwarten. Es wäre daher schon interessant, wielange das Kippen dauert. Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte ?

  7. Wichtig wäre es jetzt heraus zu finden, wie die neue Dynamik aussehen könnte…zu sagen “wir wissen nicht” ist ja sehr unambitioniert…

    wo könnte ein neuer Sog oder Überdruck entstehen? Wie verhält sich das Wasser abseits vom Meer? Wirkt nicht auch die zunehmende Verdunstung des Wasser wie eine Bremse gegen die Sogkraft von unten?

    Könnte das evtl dazu führen, dass wir in eine scheinbar stabile Phase vorrücken, die aber nur so lange stabil ist, bis es einen Überstau gibt, gefolgt von einer explosiven Phase in welcher die Dynamik aller Prozesse den gesamten Globus schlagartig ändert? Und riesige Verwerfungen auslöst?

    Genauso wie das Erdmagnetfeld wieder am Ende einer Stabilen Phase steht (42.000Jahre von 200.000-300.000 Jahren bis zum nächsten vorhergesagten Polsprung) und langsam aber sicher in die Chaotischen Phasen innerhalb des Magnetfeldzyklus vordringt, bei immer schnellerer Polverschiebung, tritt das Klima ein in eine neuen Phase des Zyklus.

    Könnte sogar der Polsprung einen EInfluss auf den Klimawandel haben, schließlich ist der Nordpol seit den letzen 100 Jahren um ca 3000 km gewandert…

    Ein anderer Punkt ist die veränderte Geographische Lage… Immer mehr Eis taut im Norpol auf, das bedeutet, dass die Strömung in der Beringstraße rapide abnimmt, da das “Flussbett” nun deutlich breiter ist als zuvor. Hinzu kommt das steigende Gesamtvolumen der Ozeane, wo immer mehr träge Masse die Ozeane sättigt und so ebenfalls die Strömung verlangsamt.

    Als erstes müssten sich die Strömungen vertiefern, da der Ozean ja wärmer ist und die kälteren Gebiete tiefer zu finden sind. der Druck am Meeresboden würde dadurch verändert und das wird Einfluss auf die endogene Dynamik haben. Tektonische Veränderungen (evtl aufbruch des Mariannengrabens?) und vermehrte Vulkanausbrüche erwarten uns dann, was zu einer dunkleren Atmosphäre führt, was zu kälteren Temparaturen führt, was zu neuen Polargebieten führt, die diesmal verteilter sind. Wenn der große Ausbruch abgeflaut ist, und das Eis an vielen stellen wieder taut, wird die Erde komplett anders aussehen. Es bilden sich viele neuartige Biotope und Klimazonen und vom Menschen kann zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr die Rede sein.

    Was ich damit sagen will unsere Erde ist sehr lebendig und empfindlich und die Ruhephase, die wir als junge Spezies genießen durften, ist kein ewiges Gesetz nur ein kleiner Kreis im Mandelbrot Fraktal.

    Und wir können beten, dass wir nicht mehr leben, wenn sich die Dynamiken kommultativ akkumulieren…auch wenn ich das schon gerne sehen würde 😀
    Würde der Erde vielleicht sogar ganz gut tuen mal schön gevolced zu werden.

  8. Der globale CO₂-Ausstoß übertrifft inzwischen noch die pessimistischen Prognosen des UN-Klimarates. Die jüngste Studie an den Club of Rome, die für die Klimaintensität Peak 2030 annimmt und dabei von einem Anteil der erneuerbaren Energien von 40 Prozent bis 2052 sowie eine Stagnation der Weltbevölkerung bei 8,1 Milliarden Menschen (2040) ausgeht, hält eine Erderwärmung von vier bis fünf Grad bis zum Jahrhundertende für wahrscheinlich. Folgt man dem OECD-Umweltausblick, der eine Vereinfachung der Weltwirtschaft, 9 Milliarden Menschen, nur 15 Prozent erneuerbare Energieträger, einen um 80% erhöhten Energiebedarf und 70% mehr CO₂-Emissionen bis 2050 prognostiziert, so ist das eher noch ein optimistisches Szenario. Treibhausemissionen und Klimawandel stellen jedoch nur eine Dimension ökologischer Krisenherde dar. Nicht minder gravierend ist die Vernetzung endlicher natürlicher Ressourcen und fossiler Energieträger. An den endlichen Ressourcen gemessen, lebt die Welt schon seit dem Ende der 1970er-Jahre über ihre Verhältnisse.

    Ich kann dazu nur eins sagen: Menschen mögen sich zwar gerne einreden, wir seien die höchsten und intelligentesten Wesen auf diesem Planeten. Allerdings zweifel ich das an, schließlich sind wir so dumm seit über 50 Jahren die verherrenden Auswirkungen der Industralisierung zu ignorieren und einfach weiter zu machen. Selbst schuld!

  9. Vielen Dank für die anschauliche Zusammenfassung! Es weckt mein Interesse, das paper zu lesen und mich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen.

  10. Nach meinem Wissen ging den Eiszeiten stets eine sehr starke (natürliche) Erwärmung voraus, die gegen Ende der sogenannten Interglaziale jeweils zu rasanten Abkühlungen um 5 bis 8 K führten und somit die Vereisungen verursachten. Da das jetzige Interglazial, also die jetzige Warmzeit, bereits rund 12.000 Jahre “auf dem Buckel” hat und das Ende eines realistischen “Durchschnittszeitraums” für ein solches Interglazial erreicht ist, wäre es damit nicht denkbar, dass die jetzige Erwärmung bzw. ein Abreißen des Golfstroms ebenfalls eine Eiszeit ankündigt? Denn eins ist ganz sicher: Die nächste Eiszeit kommt bestimmt! Es wäre die siebte innerhalb des Quartärs, der jüngsten und momentanen Epoche der Erdgeschichte, die vor ca. 2,6 Millionen Jahren begann.

    (Man möge mir nun aber nicht nachsagen, ich würde GEGEN den menschengemachten Klimawandel sprechen!)

    • Weltuntergangsszenarien genießen gegenüber der dem langweiligen status quo eine unwiderstehliche Popularität.
      Kaum haben wir einigermaßen verwertbare Daten (meist nur bezogen auf den Zeitraum der letzten 150 Jahre), stellen wir regelmäßig Veränderungen anheim, die natürlich dramatisch sein müssen, um erhört zu werden.
      Die Klimawandelfolgenabschätzung surft auf dieser Welle. Wir haben seit Beginn der Bronzezeit flächendeckend Europa und Nordafrika entwaldet und tun dies jetzt beschleunigt mit dem südamerikanischen und afrikanischen Kontinent. Milliarden Hektar sind unter dem Pflug. Seit Beginn der Düngung leiten wir den Meeren Pflanzennährstoffe in einem nie dagewesenen Ausmaß zu. Dabei kann man keinem Individuum Böses unterstellen.
      Möge die Wissenschaft sich aus dem kurzen Modehypes heraushalten und in Ruhe forschen und sich sowohl der Spekulation als auch dem Trend verweigern.

    • Dann ist diese unsägliche Sommerhitze, die tagtäglich von den Mainstream-Wetterberichten in Funk und Fernsehen gepriesen wird als das non-plus-ultra eines ordentlichen Sommers, endlich bald Geschichte sein.
      Wenn ich das bloß noch erleben könnte …. dafür tickt der Globus aber wohl in einer anderen Zeitrechnung

    • “…wäre es damit nicht denkbar, dass die jetzige Erwärmung bzw. ein Abreißen des Golfstroms ebenfalls eine Eiszeit ankündigt? ”

      Zu diesem Thema würde ich Ihnen folgenden Artikel empfehlen: Maslin, M. A. (2020) in: Tying celestial mechanics to Earths ice ages.
      frei zugänglich unter: https://www.researchgate.net/publication/341103071_Tying_celestial_mechanics_to_Earth%27s_ice_ages

      In diesem Paper wird relativ kompakt erklärt, dass in den nächsten zehntausenden Jahren aufgrund des menschengemachten Klimawandels vermutlich nicht mit der nächsten Eiszeit zu rechnen ist.

  11. Gehe ich recht in der Annahme, dass λ ein Ljapunow-Exponent ist? Lässt sich der bei so einem niederfrequenten System, wo man schlecht mal ein paar hundert Zyklen überblicken kann, mit hinreichender Genauigkeit bestimmen?

        • Boers beschreibt λ als eine “Wiederherstellungsrate” (‘restoring rate’), welche sich aus Linearisierung um ein gegebenes Equilibrium x’ ergibt:
          dx/dt ~ λ x + η
          η repräsentiert hier hoch-frequente Fluktuation (als stochastischer Antrieb).
          PS: Bei genauerem Interesse finden Sie weitere Informationen auf der Seite von Herrn Boers bei researchgate.

        • Forscher schicken in aller Regel ihre paper auf Anfrage gratis als PDF zu. Die Journale haben ein kommerzielles Interesse, die Forscher hingegen ein Verbreitungsinteresse.

          Also einfach immer die E-Mail der Forscher auf deren Hochschulwebseite herausbekommen, anschreiben, kurz danach hat man den paywall umgangen.

  12. Endlich einmal ein ehrlicher Beitrag, der nicht behauptet etwas zu wissen. Die Welt ist so komplex, dass eigentlich niemand in der Lage ist sie auch nur annähernd zu verstehen. Ein Blinder stochert im dunkeln. Manchmal trifft er etwas

  13. Lieber Herr Fischer,

    vielen Dank für diesen tollen und für mich sehr anspruchsvollen Beitrag.
    Zwar habe ich nicht alles verstanden, aber Sie haben dieses Thema zumindest für mich etwas besser nachvollziehbar gemacht, insbesondere im Angesicht der “Schreckensmeldungen”, die man andernorts so lesen kann.

    Herzlichen Dank für Ihre Mühen und viele Grüße

  14. Sehr geehrter Herr Fischer,

    boah, war das aufregend, Ihren Artikel mit all diesen Differenzierungen zu lesen. Und damit zu ahnen, dass uns faszinierende Einblicke möglich sind und wir doch noch vor Rätseln stehen. Bei all diesen Unwägbarkeiten – brauchen wir noch die letzten Beweise angesichts der Dramatik der möglichen Veränderungen? Es gibt längst genügend Fakten, die uns zum Umsteuern hätten bewegen müssen. Hoffen wir auf andere politische Mehrheiten ab September, damit das Schlimmste wenigstens noch abgemildert wird. Schließlich ist der Klimawandel weder Ideologie noch Panikmache, sondern ein tatsächliches, wissenschaftliches Geschehen. In der Bibel nannte man die warnenden Zeichen Menetekel. In einem klugen Ausspruch heißt es: “Ich habe das Gestern gesehen. Ich kenne das Morgen.”

    Besten Dank für Ihren Artikel, der Denken und Handeln auf Trab bringt !!!

    • Liebe Frau Decker,

      die politischen Mehrheiten in unserem kleinen Land haben keinen messbaren Einfluß auf das globale (Klima)Geschehen – hier überschätzen sich die (alle) Handelnden maßlos.

  15. Der Schriftsteller Dirk C. Fleck sagte einmal: “Wir pinkeln ständig in unser Wohnzimmer und die Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Saugfähigkeit des Teppichs.” Und genau diesen Eindruck hinterließ obiger Artikel bei mir. Nach der Ahnungslosigkeit unserer Vorfahren und unsere Untätigkeit, obwohl wir seit 50 Jahren darum wissen folgt jetzt die Überheblichkeit, wir könnten das Klima retten wenn wir dieses und jenes machten. Worüber kaum jemand redet ist, dass es einfach darauf ankommt, einfach viele Dinge nicht oder nicht mehr zu machen, wie zB. Elektromobilität auf der Straße mit ihrer neuen Infrastruktur, statt die schon vorhandene und umweltfreundliche Elektromobilität auf der Schiene massiv auszubauen aber auch Verkehr massiv zu vermeiden. Oder den Strombedarf, den regenerative Energien sicherstellen sollen durch Einsparung erst gar nicht entstehen zu lassen – zB. durch das sofortige Verbot aller Kryptowährungen oder schlicht durch Verlagerung der Produktionszeit in Tageszeiten wo regenrative Elektroenergie besser zur Verfügung steht, was hieße, zB im Sommer mehr zu arbeiten als im Winter, tendenziell weniger Schichtarbeit usw.

  16. “…Das ist letztendlich das, was sich hinter dem Begriff “Kollaps” verbirgt. Es wird auch danach ein Strömungssystem im Nordatlantik geben, allerdings ein anderes…”

    Da sind die Hauptwörter! Sicher jedes System strebt zur Stabilität, ob es danach gut für die Menschen würde..?
    Mein Eindruck nach diesem Artikel , “Es ist nichts schlimmes, es ist alles noch unklar, es giebt noch Zeit”. In den Halbleiter die Stabilität des Spannungs-Strom-Verchältnises wird sich oft lawinenartig verendern.

  17. Hab das ähnlich gesehen – es ist eine Studie von einem Wissenschaftler, der “nur” statistische Methoden genommen hat. Auch geht er in der Studie davon aus, dass der Abbruch dazu führen würde, dass Europa und Nordamerika im Winter und im Sommer kühlere Temperaturen haben würde. Bisher war es jedoch so, dass davon ausgegangen wird, dass der Abbruch der AMOC dazu führen würde, dass die Temperaturen im Winter kühler wären, aber im Sommer wärmer – wäre also für uns nicht wirklich erstrebenswert. Nur ist es schon so, dass wir inzwischen eine Menge über die AMOC wissen, nur muss man um einen Abbruch bestimmen zu können, ihn sehr genau verstehen. Aber alles in allem ist die Studie einfach nur eine weitere in unserem Prozess die AMOC besser zu verstehen und die Position, dass er kurz vor dem Abbruch stehen könnte ist auch eine wichtige, da es halt auch diese Möglichkeit gibt. Nur hat die Presse die Studie extrem aufgegriffen, wohl auch, weil in der Studie wie besagt steht, dass es bei uns dann kühler werden würde, was ja ganz angenehm sein würde. Das ist der entscheidende Fehler meiner Meinung nach – eben, dass die Studie den Abbruch prognostiziert und das als Vorteil für uns darstellt – da können wir ja weiter machen als ob nichts wäre…

    • Anscheinend haben sie irgendwie übersehen, dass eine schwächere AMOC auch die Niederschläge in Europa reduzieren würde. Mal ganz abgesehen davon, dass die “Abkühlung” sich ohnehin nur auf einen Messparameter bezieht. Die Energie wäre ja weiterhin da, und halt irgendwo anders.

  18. Tja, wie insgesamt ist nur eines sicher: Das man sich nicht sicher ist.
    Denn ohne ein Idee, was danach passiert, ist man natürlich im Vakuum unterwegs.
    Auch das Thema Kippunkt und das wir diesem Nahe sind ist nicht sicher – wir bauen uns Modelle und sagen das ist so.
    Selbst wenn es so ist – ist es natürlich, oder welchen Anteil hat der Mensch und unsere Veränderung auf diese Erde?

    Die Frage ist grundsätzlich, denn das wir Menschen die Erde verändern ist unstrittig, nur welchen Einfluss hat das?
    Betrachten wir Deutschland – so ist von den germanischen Wäldern von denen die Römer geschrieben haben erstaunlich wenig übrig geblieben. Über die Jahrhunderte ist allerlei gerodet worden, Landwirtschaft und Siedlungen entstanden – eine Veränderung. Aber welche Auswirkungen hatte das?

    Und welche Lösungen haben wir dafür?
    Es ist schon sehr vermessen, das wir wenigen reichen Westler quasi China, Idien, Afrika und Brasilien sagen: Wir sind durch das Verbrennen von billigem Öl und Kohle reich geworden, aber ihr könnt das nicht machen, weil wenn ihr das macht sind wir alle dran.
    Brasilien will auch an seine Rohstoffe, und deren germanischer Wald heisst Amazonas.

    Wir sind weit davon entfernt wirklich zu wissen was los ist, wir haben in vielen Bereichen leider nur ein rudimentäres Verständnis, und ich Rate besonders bei wissenschaftlichen Modellen zur vorsicht – denn die Wissenschaft lag schon oft daneben. Nicht vergessen das die Rassentheorie bis zu ihrer Wiederlegung in den 50ger und 60ger Jahren als wissenschaftlich belegt galt.

  19. Super Artikel, besten Dank dafür, Herr Fischer!

    Noch eine simple Frage dazu: Das zugeführte Süsswasser hat ja einen anderen Temperatur- und Dichteverlauf als das Meerwasser der Oberflächenströmung. Kennen die gängigen Modelle die Vermischungsgeschwindigkeit von Süss- und Meerwasser unter Berücksichtigung der sich stetig verändernden Temperatur und Dichte?
    Oder wie sonst will man vorhersagen, wo und wann die Wassermassen in den verschiedenen Szenarien absinken, resp. wie sie die Strömungen beeinflussen?

  20. Ich habe den Artikel von Dr. Boers gelesen (nature climate change Abo). Er wirkt sehr überzeugend und auch Prof. Rahmstorf (der weltweit führende Experte für dieses Strömungssystem) hat bestätigt, dass damit die noch im IPCC-Sachstandsbericht Nr. 6 vertretene Einschätzung, die AMOC würde wahrscheinlich nicht vor dem 22. Jahrhundert selbst bei Hochemissionsszenarien wie SSP5-8.5 zum Erliegen kommen, nicht mehr haltbar ist.

    Von der Zeitskala des Kippens hat man am PIK jedoch aktuell offenbar (noch?) keine Ahnung (ich habe nachgefragt). Meine Vermutung, dies könnte schon in einigen wenigen Jahren oder spätestens wenigen Jahrzehnten passieren, entspringt somit eher einem Bauchgefühl eines Physikers für solche nichtlinearen Systeme – das wäre natürlich fatal, denn das könnten wir selbst durch rasche, massive Klimaschutzmaßnahmen dann schon jetzt nicht mehr verhindern.

    Insgesamt spricht viel dafür, dass wir die AMOC in einer natürlich langsamer werdenden Phase (die war ja auch ohne uns nicht sonderlich stabil) noch mit unseren menschengemachten Klimaänderungen zuletzt massiv beeinflusst haben. I.W. ist der Süßwasserzufluss für die Änderung verantwortlich, dieser hat sich seit der Jahrtausendwende aus Grönland jedoch rasch beschleunigend aufgrund der Eisschildschmelze stark erhöht (bis 2000 war dieser Eisschild noch stabil). Seit dem letzten Jahrzehnt (10er-Jahre) schmilzt überdies das arktische Meereis im Rekordtempo und bringt daher noch mehr Süßwasser in den arktischen Ozean ein, was das Oberflächenwasser verdünnt, salzärmer und leichter macht und das Absinken desselben in der AMOC im Gebiet Grönland/Norwegen deutlich erschwert und so zweifellos Stärke und Stabilität dieser Strömung gefährdet.

    Natürlich führt eine Änderung dieser großen, neben der zirkumantarktischen Meeresströmung hinsichtlich Volumenfluss stärksten zunächst “nur” zu einer Umverteilung der Wärme im Erdsystem: die nördliche Hemisphäre, v.a. in hohen Breiten, kühlt dadurch ab, die Äquatorzone heizt sich dagegen noch weiter auf, und das bei der ohnehin vorhandenen globnalen Erwärmung.

    Plausible Folgen sind ein kalt-arides Klima in hohen nördlichen Breiten (auch bei uns in Deutschland), der Ausfall des Monsuns/der Regenzeiten in Indien, Afrika usw. sowie die engültige Vernichtung des Großteils des unter starkem Rodungsdruck stehenden Amazonas-Regenwalds, das gilt wohl sowohl für die schon bisher erwartete weitere Verlangsamung der AMOC wie auch für den Kollaps in ein ganz schwaches Strömungssystem.

    Darauf könnte man sich prinzipiell vorbereiten, soweit das bei so einer katastrophalen raschen globalen Änderung möglich ist. Der Umschwung selbst würde wohl nur Monate dauern, die Frage ist, wann er erfolgt.

  21. @Sash Kosmopolit

    Wir sind weit davon entfernt wirklich zu wissen was los ist,

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    Was meinen Sie mit “Losein”?
    Wir wissen z.B. sehr genau über unsere Emissionen, den CO2-Anstieg in der Atmosphäre und den globalen Temperaturanstieg, Meeresspiegelanstieg…
    Dass in Brasilien riesige Urwaldflächen zerstört werden, wissen wir auch ganz genau. Ebenso, dass das äußerst nachteilig ist.
    Genauso wissen wir, dass Brasilien natürlich seine Rohstoffe ausbeuten will.
    Das “Verständnis”, dass das unter großen Umweltschäden abläuft, haben wir durchaus.
    Was also wollen Sie mit Ihrem Satz jetzt eigentlich sagen? Von welchem Wissen sind Sie “weit entfernt”??

  22. “Derzeit machen Berichte über eine Veröffentlichung von Niklas Boers vom PIK ihre Runden, laut denen der “Golfstrom” mehr oder weniger kurz vorm Kollaps steht.” Ist dies nun eine Theorie, die erklärt warum der Sommer in diesem Jahr zu nass und kalt ist oder warum der Winter in diesem Jahr zu kalt war oder für die Dürre in den Sommern der letzten Jahre? Unter “critical slowing down” verstehe ich das Verhalten des Ordnungsparameters an Phasenübergängen. Aber so ein schöner Begriff findet inzwischen offensichtlich in vielen Disziplinen Verwendung.

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