Biodiesel, auf ein neues

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Nun hat sich ja so langsam die Erkenntnis durchgesetzt, dass die bisher verfügbaren Kraftstoffe auf Biomasse-Basis, Ethanol und Biodiesel, im Großen und Ganzen eine ganz, ganz blöde Idee sind: Sie zerstören Ökosysteme, verknappen Nahrungsmittel oder haben eine lausige Klimabilanz.

Nun ist die Idee, Treibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen, recht attraktiv. Allein schon deswegen, weil das langfristig unsere einzige Aussicht ist, überhaupt noch Treibstoffe zu haben. Und nichts setzt bekanntermaßen so viel Kreativität frei wie die Befürchtung, das eigene Penisdefizit nicht mehr mit einer dicken Karre ausgleichen zu können.

Also doch Biodiesel, irgendwie wird das schon gehen. Letzten Winter ging die Idee durch die Presse, ölhaltiges Phytoplankton in großen Wannen zu züchten. An der Sache gibt es zwei Haken: Zum einen verwandeln die Mikroalgen das Wasser in kürzester Zeit in eine trübe Brühe, die wenig Licht durchlässt. Man kann die zusätzliche Anbaudimension im Wasser – Volumen statt Fläche – nur mit erheblichem Aufwand effektiv nutzen. Und zum zweiten braucht man spezielle Anlagen und muss die mikroskopisch kleinen Viecher vom Wasser trennen und aufarbeiten, was alles die Kosten hochtreibt.

Einige Forscher haben die Idee jetzt ein bisschen weiter gedacht. Ausgerechnet an der Kansas State University, die mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zu den am weitesten vom offenen Meer entfernten Hochschulen dieses Planeten gehört, läuft jetzt demnächst ein Projekt an, das tatsächlich ein wenig Hoffnung weckt.

Was ZJ Pei und Wayne Yuan vorhaben, ist nicht nur naheliegend, sondern hat auch eine ganze Reihe Vorteile: Sie wollen Trägermaterialien für Makroalgen entwickeln. Die Idee scheint zu sein, gigantische schwimmende Farmen in den Küstengewässern der Ozeane auszubringen, an denen ölhaltige Algen wachsen. In der ersten Stufe wollen die beiden Forscher nach geeigneten Pflanzen suchen.

Das Zeug soll auf schwimmenden Trägern gut anwachsen, wuchern wie Unkraut und möglichst viel Öl pro Biomasse enthalten. Im zweiten Teil wollen sie dann nach einem geeigneten Trägermaterial suchen. Nicht jede Oberfläche ist gleich gut geeignet; ich vermute allerdings, dass sich die mineralischen Substrate als überlegen erweisen und die Forscher entweder bei Spezialkeramiken oder dem guten alten – und in allen Häfen der Welt algenbewachsenen – Beton landen.

Aber soweit ist es noch nicht. Die beiden haben erstmal ein Sondierungsprojekt finanziert bekommen, auf die Fragen der National Science Foundation ("Sie wollen Seetang züchten – in Kansas???") hatten sie offenbar überzeugende Antworten.

Die Idee hat in der Tat eine Reihe Vorteile, auch über die Biodiesel-Produktion hinaus. Die eigentliche Zucht ist simpel. Sobald die Algen angewachsen sind, schippert man sie raus auf den Ozean und hängt den Träger ins Meer. Düngen fällt weg, in die Küstengewässer werden eh schon zu viele Nährstoffe eingetragen, und man trennt die Biomasse vom Wasser, indem man den Träger aus dem Meer zieht und die Algen mechanisch abkratzt.

So wie ich die Widerstandsfähigkeit der durchschnittlichen Makroalge einschätze, wird man den Träger einfach wieder bis zur nächsten Ernte ins Wasser hängen. Die Farmen können je nach Bedarf praktisch beliebig ausgeweitet werden, womit wir zu einem weiteren potentiellen Pluspunkt kommen: Meeresgebiete, in denen derartige Farmen ausgesetzt werden, sind für die Fischerei automatisch gesperrt. Angesichts der Anbauflächen, die für die Energieversorgung der Welt mit dieser Methode nötig sind, würde das bedeuten, dass gigantische Meeresgebiete mehr oder weniger automatisch zu Schutzzonen würden – die meisten von ihnen in den flachen Schelfgewässern in der Nähe der Verarbeitungszentren.

Klingt gut, oder? So ganz traue ich der Sache allerdings noch nicht. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, an denen derartige Projekte scheitern könnten, nicht zuletzt anderes Meereslebewesen, das diesen Monokulturen an den Kragen gehen könnte, sei es Pflanzenfresser, Parasiten oder konkurrierende Makroalgen. Einen Versuch ist es allemal wert.

12 Kommentare

  1. Biotreibstoffe

    Guten Tag,
    in der Diskussion werden die naheliegenden, einfachen Lösungen nie erwähnt – vielleicht weil sie nicht bekannt sind?
    Ölsaaten sind leguminosen (Raps, Senf)Sie lassen sich mit anderen, Getreide zb., zusammen anbauen. So hat mensch, wenn schon nicht zwei, so doch mehr als eine Ernte pro Flächeneinheit. Der technische Aufwand ist ein rein mechanischer undhält sich nicht nur bei uns in Grenzen.
    Motoren für das Öl – auch Abfälle ließen sich ja verbrennen – stehen zur Verfügung. Solche Forschung ist ja schön, aber, sieh das Gute liegt so nah!
    MfG

  2. Der Haken dabei…

    Moin Herr (?) Hausin,

    das ist durchaus richig, und derartige Überlegungen werden ja auch (in anderem Zusammenhang als Biokraftstoffe) bereits angestellt. Im Falle des Biodiesels ist das aber keine Lösung, denn auch wenn zwei unterschiedliche Arten auf der gleichen Fläche wachsen, konkurrieren sie miteinander.
    Die Biomasse pro Flächeneinheit ist schlicht nicht beliebig vergrößerbar, das ist der Kern des Problems.

  3. Dünger

    Um ausreichend Biomasse zu erzeugen braucht man Dünger. Die Phosphatdünger-Lagerstätten sind angeblich früher erschöpft, als die Erdölvorräte. (Man kann nur einen Teil des bekannten PhosphatLager nutzen, da der andere Teil durch giftige/radioaktive Schwermetalle verseucht ist)
    => Biotreibstoffe sind längerfristig keine vernünftige Lösung

  4. Du kannst…

    …einfach genial schreiben, Lars! Wenn ich mich der Todsünde des Neides schuldig mache, nehme ich Dich dann in Haftung, ja? Wobei Du gut wählst, z.B. ein Bericht über Algen-Betonfarmen im Ozean ja nicht wirklich ein “trockenes” Thema ist… 😉

    Bewundernde Grüße

    Michael

  5. Danke für das Lob. Für Dich besteht hier aber eher kein Anlass zum Neid, sag ich mal als regelmäßiger Leser. Und mehr Kommentare hast du auch. 😉

    @ Richard: Das ist ja das schöne an dieser Idee – sie kommt ohne zusätzlichen Dünger aus.

  6. @ Lars

    Sie haben recht, dass die von Ihnen vorgestellte Idee der Ölalgen ohne Dünger auskommt.
    (Mein Beitrag bezog sich auf den vorhergehenden Beitrag von B.Hausin/Biotreibstoffe.)

    Wenn es mehrere solcher Ölalgen-Arten gibt, dann wäre das Problem und Risiko der Meeres-Monokulturen etwas gemildert.

    Was mich aber an solchen Projekten immer stört, ist die ´Größe´ der Idee: unterhalb einer gigantischen Meeresfläche geht es wohl nicht.
    Oder andersum formuliert: Es wird zwar darüber nachgedacht, wie man möglichst viel Öl produzieren kann, damit man die bisherigen verschwenderischen Lebensgewohnheiten beibehalten kann. Es wird aber zu wenig darüber überlegt, wo/wie man Rohstoffe sparen kann und die Zerstörung der Umwelt (Überfischung, Abholzen von Urwäldern, …) stoppen kann.
    Ich meine, wenn man schon gigantisch denkt, dann muss man über extrem sparsame Verkehrsmittel, andere Lebensformen und auch über Geburtenkontrolle intensiv nachdenken.

    Selbst wenn die Idee der Ölalgen gut funktioniert – was zu wünschen wäre – so werden damit Probleme nur verschoben. Beim Menschen ist es ein Mangel an bestimmten Vitaminen oder Spurenstoffen, die ihn krank macht. Bei unserer industriellen Lebensform reicht es aus, wenn bestimmte Mineralien-Vorkommen erschöpft sind, um ganze Produktionsbereiche zum Absterben zu bringen.

  7. Öl/Fläche

    Schiffe brauchen sehr viel Treibstoff, um sich im Wasser zu bewegen.
    D.h. der Flächenertrag Öl/Fläche muss sehr hoch und die Transportwege müssen möglichst kurz sein, damit eine positive Ölbilanz entsteht.
    => Die Algenflöße müssen möglichst dicht bepackt sein.
    Dies führt aber wiederum dazu, dass gerade die biologisch sehr vielfältigen Küstengewässer unter den Flößen zu lichtarmen Schatten- und Todeszohnen werden.
    Des weiteren wirken diese Flöße als Windbremse, welche die durch Wind erzeugte Zirkulation von Oberflächenwasser unterbinden. Auch dies stört die darunter befindliche biologische Lebenskreisläufe.

    Und dann sind die Algen natürlich sehr nass (hohe Transportkosten/Volumen) – Wie kann man sie verwerten oder entsorgen, wenn man das Öl gewonnen hat?

    Es sind also noch eine Reihe von Fragen zu überdenken, bevor man sagen kann, ob die Idee mit den Ölalgen wirklich sinnvoll ist. Eine spannende Herausforderung für die Meeresbiologen. Als erstes müssen sie die passenden Algen finden.

  8. Mir düngt…

    …es stimmt nicht! Phosphor ist doch überall. Der geht uns NIEMALS aus. Und damit auch nicht das Phosphat. Und falls es tatsächlich Engpässe geben sollte, kann man sich sicher sein, dass Coca Cola eine Lösung finden wird. Sonst ist es vorbei mit der Softdrinkherrlichkeit! Zur not schlagen sie der Belegschaft die Zähne aus ;o)

    Abgesehen davon gibt’s doch genug Scheisse zum Düngen.

    Am Rande: Kryolith gibt es auch nicht mehr in natürlichen Lagerstätten und jetzt macht man es halt selber. Sonst gäbe es nämlich oben genannte Getränke wieder in Weisblechdosen.

    DerÖli

  9. @ DerOli

    Hallo Oli
    Ihren Kommentar gegen die Firma CocaCola finde ich völlig unangebracht.
    Hier sollte ein Forum für sachliche Beiträge sein.

    Zu Phosphat:
    Nachdem Justus von Liebig 1856 seine erste brauchbare Kunstdüngermischung entwickelt hatte, setzte sich seine Idee sehr rasch durch.
    Anfangs baute man die Seevogelkot-Lagerstätten (Guano) ab und zermahlte in den USA die ausgebleichten Knochen der im 19.Jhdt. abgeschlachteten Büffel in Knochenmühlen zu Knochenmehldünger.
    Dann ging man zu Phosphat aus Minerallagerstätten über.
    Allerdings wies bereits von-Liebig
    auf die Begrenztheit solcher Lagerstätten hin.
    Tierkot als Quelle für Phosphatdünger würde zu einem drastischen Rückgang der Ernteerträge führen. Denn diese Düngung ist nicht sehr effektiv und man müßte große Teile des Ackerlandes in Brachen bzw. Weideland umwandeln.

  10. Gute Idee

    Also ich finde, wie du bereits auch geschrieben hast, dass die Idee auf jeden Fall den Versuch wert ist, bedenken solle man jedoch, dass es sich um eine Zucht handelt und dafür jetzt erstmal viel Geld für Forschung und die Testreihen benötigt wird, natürlich werden sich im Erfolgsfall die Kosten schnell wieder armotisieren, ich bin trotzdem aber noch skeptisch, ob und in wie weit sich diese Idee durchsetzten kann.

  11. @ Richard

    Lieber Herr Richard,

    nur weil ich mich nicht einer formellen Sprache bedient habe, bedeutet es noch lange nicht, dass mein Beitrag unsachlich war. Der Blogautor bedient sich ja auch nicht der trockenen Amtssprache.

    Es bringt dem “Forum” auch nichts, wenn Sie von Ihrem hohen Ross Schulbuchwissen predigen und es dabei an Exaktheit mangeln lassen. Bei Liebigs Theorie geht es doch gerade darum, dass das schwächste Glied den Ertrag bestimmt. Deswegen nutzt man mineralische Dünger, die neben Phosphat, Nitrat und Co. auch Mineralien enthalten. Eben um möglichst ausgewogen zu düngen. Sie aber sprechen allgemein von “Phosphatdünger”, der angeblich ausgehen soll.

    Ich habe lediglich süffisant darauf hingewiesen, dass uns Phosphat nicht ausgehen wird. Nicht mehr und nicht weniger! Die Tatsache, dass Coca Cola in Aludosen verkauft wird und hauptsächlich Phosphorsäure enthält, werte ich nicht als Kommentar gegen diese Firma. Und Zähne enthalten nunmal auch Phosphat.

    Reitet auch ganz gerne mal hoch zu Ross: DerOli.

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