Unser Mann in Riga: European Planetary Science Congress 2017 (II) Auch die Kleinen wollen nach oben

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Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
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Riga also. Nach einem Flug über die Ostsee in einer Propellermaschine. Regnerisch und stürmisch schon bei der Ankunft am Sonntag. Mein Versuch, ein Taxi mit zusammengeklaubten Fragmenten der lettischen Sprache klar zu machen war derart erfolgreich, dass der Fahrer umgehend, ohne den üblichen Umweg auf Englisch, direkt ins Deutsche gewechselt ist.

Überhaupt, das Lettische ist eine etwas eigene Sprache, selbst in geschriebener Form verstand ich erstmal gar nix. Wirkt auf mich wie ein Mix aus Schwedisch und Russisch. Aber die Sprache wird gepflegt, ein alter Kollege aus britischen Jahren, der mir zufällig in Riga über den Weg lief und jetzt in der Literaturbranche arbeitet (ja, so was gibt es auch) berichtet von einer sehr lebendigen lettischen Literaturszene.

Die Tagung selber im Tagungshotel war angenehm großzügig ausgelegt, mit vielen Rückzugsmöglichkeiten. Man kann also Leuten zur Not unauffällig aus dem Weg gehen. Wie schon erwähnt, meine Tagungsverpflichtung war schon am ersten Tag, der übliche 10-15 Minuten lange Vortrag. Er ging eigentlich recht gut über die Bühne (wenn auch keine Fragen nach dem Vortrag kamen, etwas unbefriedigend).

Was fiel auf? Jede Tagung hat natürlich ihre regionale Prägung, was auch den Reiz von leicht exotischen Orten wie Riga ausmacht. Im Falle Rigas natürlich viele Teilnehmer aus dem Baltikum sowie Ostseeraum generell. War der erste Eindruck am Sonntag aufgrund des Dauerregens eher trist, machte die Stadt bei Sonnenschein einen recht guten Eindruck. Natürlich bin ich nicht zum Vergnügen in Riga, sondern als hart arbeitender Wissenschaftler. Deshalb verbringe ich die meiste Zeit in eher sehr speziellen technischen Sitzungen. Für viele der auch generell interessanten Sitzungen bleibt da nicht immer Zeit. Aber ich gab mein Bestes.

Dienstag war gerade interessant was geplante Raummission angeht, im speziellen die schon erwähnte einfachen, low-cost Raumsonden von der Stange wie CubeSats. Dummerweise gab es überlappende Sessions was weltraumraumtaugliche Hardware angeht, kommt vor. Ich entschied mich für die Sitzung über Interplanetary nanosatellites, CubeSats/SmallSats. Die Sitzung war in der Tat interessant, zuerst ein generelle Präsentation aus den USA von Beauchamp et al., Increasing Small Satellite Reliability for Planetary Science Missions. Das Thema hat offensichtlich ein richtiges Momentum entwickelt, und das Interesse, solche Einfach-Missionen auch außerhalb der Erdumlaufbahn für die planetare Forschung einzusetzen ist groß. Eine Ausschreibung für Entwürfe ergab über 100 Proposals. Natürlich gibt es auch in Europa Ideen in eine ähnliche Richtung im Rahmen von Europlanet/Horizon 2020. Generell ist die Zusammenarbeit international sowie zwischen staatlichen/privaten Einrichtungen sehr zentral auf diesem Gebiet. Das Geld sitzt halt nicht mehr so locker wie früher.

Es wurden einige Studien vorgestellt – CUVE ist ein Venus-Orbiter, der die Atmosphäre des Planeten im Ultraviolet untersuchen könnte. So ein kleiner Orbiter hätte z.B. auch den Vorteil, das er mehr Risiko eingehen könnte, Stichpunkt Sun-avoidance. Bei Beobachtungen mit den teuren Weltraumteleskopen will man die Sonne bei der Beobachtung der inneren Planeten natürlich vermeiden, könnte die Detektoren zerstören.

Das Problem ist natürlich, die Sonden erst mal in den interplanetaren Raum zu bringen. Und da kam ein recht spektakulärer (zumindest für meine Ohren) Vorschlag, gleich eine Flotte Nanosatelliten mittels eines E-Sails in den Asteroidengürtel segeln zu lassen: Asteroid touring nanosat fleet with single-tether E-sails .(Die Präsentation ist hier hochgeladen). Das Ganze nennet sich Coulomb Drag Propulsion, ist eine finnische Erfindung und scheint wohl auch zu klappen, zumindest im Labor. Und es wird nicht gekleckert, sondern gleich geklotzt. Bis zu 20 km lange, geladene Tether (sehr dünnes Kabel) sollen hier zum Einsatz kommen, der die Flotte an bis zu 300 Asteroiden vorbeifliegen lassen soll. Aber wie alle von diesen Klein-Missionen gibt es einen Haken. Hier ist der Flaschenhals die Kommunikation – permanenter Kontakt zur Erde wäre zu teuer, deshalb würden die Daten erst bei einem finalen Vorbeiflug bei der Erde abgeliefert werden. Aber irgendwo muss man bei diesen Missionen halt sparen – man kriegt halt keine ‘volle’ Mission für lau. Irgendwo muss massiv gespart werden. Die Quadratur des Kreises oder so. Eine ähnliche Mission ist auch von einer estnischen Gruppe geplant. ESTCube wird schön systematisch aufgebaut, Nummer 1 war schon im Weltraum und hat Bilder geliefert.

In Feasibility of asteroid exploration using CubeSats — ASPECT case study präsentierte Tomas Kohout aus Helsinki dann eine Übersicht über CUBEsats in der Asteroidenforschung, wo dann die ganzen Probleme für solche Sonden bei Einsätzen außerhalb der Erdumlaufbahn erläutert wurden – eben überhaupt wegzukommen, Kommunikation, Navigation, generelle Kontrolle. Alles wird viel komplizierter. Kern der Philosophie – ein eher evolutionärer Prozess, viele einfache Sonden, Verluste müssen in Kauf genommen werden.

Dann gab es eine Präsentation der estnischen Finanzministerin, Dana Reizniece-Ozola. Entgegen den Erwartungen für solche Auftritte eine positive Überraschung, die Ministerin war sehr gut informiert was in der Branche läuft. Luft- und Raumfahrtindustrie wird als wichtiger Multiplier angesehen, dem in Zukunft eine wichtige Rolle eingestanden wird. Hier gibt es gerade aufgrund des Brain-Drains nach Ende der Sowjetunion viele Verbindungen nach Deutschland – und zu den Skandinaviern.

Dann wollte ich eigentlich in die AIDA (Asteroid Impact and Deflection Assessment)-Sitzung, die sich mit einer sehr konkreten Mission zum Thema Asteroidenabwehr beschäftigt. Als Sandsack für diese Übung muss ein Teil von Doppel-Asteroid 65803 Diddlmaus Didymos herhalten. Dummerweise war der Raum viel zu klein für das massive Interesse, und deshalb bis zum Bersten voll. Weshalb ich nach Alternativen Ausschau halten musste. Das war eine Sitzung dann über alles, was da ganz weit draußen herumschwirrt – im Kuiper Belt und so: KBOs and Centaurs. Ich bin zwar eher gesteinsorientiert, aber so was ist dann doch auch sehr interessant (und der Großteil des Sonnensystems besteht halt aus eher kaltem, eisigem Material).

Erst mal gab es einen Keynote Talk, also eine etwas längere Präsentation, die einen Überblick über die aktuelle Lage im Gebiet liefert: P. Santos-Sanz mit Physical characterization of Kuiper belt objects from stellar occultations and thermal measurements. Wie kann man Informationen über so weit draußen schwebende, lichtschwache Körper bekommen? Eine Technik ist Stellar Occultation. Wenn so ein Körper an einem Stern vorbeifliegt, verdunkelt er diesen für einen Moment. Wenn man diesen abpasst, kann man eine gute Idee über die Größe bekommen. Wenn man mehrere solche Momente aufsummiert, kann man durchaus die Form z.B. des KBO abschätzen. Bisher hat man 15 Objekte jenseits des Neptuns (deshalb TNO, Trans Neptunian Objects) so beobachtet. Darunter die Beobachtung eines 7 km durchmessenden Ringes um ein TNO (Chariklo). Erstaunlich geringe Dichten der Körper, was auch auf hohe Porosität hinweist.

Sehr interessant vorläufige Ergebnisse des CDA auf Cassini (Schnüff), Altobelli et al. mit Dust in the Outer Solar System as measured by Cassini-CDA: KBOs, Centaurs and TNOs as parent bodies? Das CDA (Cosmic Dust Analyzer) ist ein Eimer, in den kleine Staubpartikel einschlagen, und das resultierende Plasma durch ein einfaches Massenspektrometer gejagt wird. Und die Teilchen, die Cassini bemessen hat, haben ihren Ursprung wohl im Kuiper Belt. Mit anderen Worten, es gibt jetzt mindestens eine chemische Analyse einer Probe eines KBO. Wenn auch nur einer winzig kleinen, dennoch Beeindruckend. Die gezeigten Rohdaten waren durchaus interessant (insoweit dass sie irgendwie nicht richtig wo reinpassen, aber das rohe Massenspektrum wurde nur ganz kurz gezeigt).

Donnerstag dann eine interessante technische Session über Plantare in-situ Untersuchungen. Also Instrumente, die vor Ort auf Landern aktiv sein werden. Naomi Murdoch aus Toulouse präsentierte ein Mikrofon für den Mars 2020 Rover. Schön die Demonstration, wie sich der Laser-Schuss des LIBS (ein Spektrometer) unter irdischen und simulierten Marsbedingungen anhört – man hört immer noch was, trotz der sehr dünnen Atmosphäre.

Auch was die Untersuchung von Proben auf die chemische und isotopische Zusammensetzung betrifft, gibt es massive Fortschritte. Inzwischen werden Geräte gebaut, mit denen Lander mittels eines kleinen Massenspektrometers und eines Lasers winzige Punkte in Gesteinsproben untersuchen können. Ich schätze mal, solche Geräte werden irgendwann auch als kleine Tischgeräte in der Laborforschung verfügbar sein.

Ähnliche Geräte sind bereits im Einsatz – der Keynote Talk von S.Schröder, Overview of ChemCam Activities and Discoveries during 5 years at Gale Crater, Mars gab eine beeindruckende Übersicht über die Ergebnisse der ChemCam auf dem Curiosity Rover. Hier konnte bereits mittels eines Lasers (LIBS) die chemische Zusammensetzung von einen halben Millimeter durchmessenden Punkten in bis zu 7 Meter Entfernung untersucht werden. Damit konnte die Petrologie der Marsoberfläche endlich im Detail (auf den 17 abgefahrenen Kilometern zumindest) festgestellt werden. Dazu gehörte die Identifikation von Krustengestein nicht unähnlich der irdischen Kontinentalkruste, was auf eine deutlich kompliziertere Entstehungsgeschichte des Planeten hindeutet. Auch wichtig war die detaillierte Untersuchung der Füllungen in Gesteinsrissen – Sulfate, die sich wohl in aquatischen Prozessen dort abgelagert haben. Und vieles mehr.

Das waren denn ein paar Eindrücke aus Riga – natürlich gab es noch viel, viel mehr. Ging aber zeitlich halt nicht immer. Die Rosetta-Session war schon spektakulär, aber da hatte ich kaum Zeit für. Insgesamt aber scheint es um das Gebiet der Planetologie eigentlich recht gut zu stehen. Nächstes Jahr findet die EPSC dann in Berlin statt, weniger exotisch, aber dann mit weniger Reisestress verbunden.

 

 

 

 

 

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

2 Kommentare

  1. Interplanetare Missionen wie beispielsweise CUVE (Venus) oder ASPECT (Asteroidenhauptgürtel) allein mit Cubesats durchzuführen, die mit neuen Antriebstechnologien wie E-Sails zum Zielort kommen, würde bedeuten, dass solche Missionen viel billiger würden und von der Planung über die Satellitenrealisation (als Cubesat), bis zur Reise zum Zielort von einem kleinen lokalen Team durchgeführt werden könnten. Da Cubesats so klein sind, gäbe es Missions-Beschränkungen, doch das könnte durch einfachere, dafür häufigere Missionen ausgeglichen werden.
    Ideal wäre, wenn es irgendwann im interplanetaren Raum eine Infrastruktur gäbe, die allen Missionen zur Verfügung stände. Als Teil dieser allgemein verfügbaren Infrastruktur sehe ich Kommunikationssatelliten, die um die inneren Planeten (Venus, Mars, Merkur) und Jupiter und Saturn kreisen und welche beliebige Missionssignale verstärken und zur Erde weiterleiten können oder an ein System zur Navigationshilfe innerhalb des Sonnensystems beispielsweise in Form eines interstellaren GPS in Form von in regelmässigen Abständen in Richtung aller Missionen ausgesendeten Laserimpulsen. Anders als heute wären dann dutzende von gleichzeitig aktiven Missionen denkbar, von denen jede die gleiche Infrastrutkur nützen könnte.
    Damit würde sich die Erkundung des Sonnensystems enorm beschleunigen – anstatt jahrzehntelange Vorbereitungen für Missionen, welche mehrere Aufgaben erledigen, wären viele Kleimissionen unterwegs von denen jede nur ein mässig anspruchsvolles Ziel hätte. Zusammengenommen würden diese Kleinmissionen aber unser Wissen über das Sonnensystem und seine Objekte in kurzer Zeit enorm erweitern.

  2. Dr. Dana Reizniece-Ozola is the Latvian (not Estonian) Minister of the Latvian Ministry of Finance. She is also one of the authors of the Venta-1 satellite, Latvia’s first satellite, which was just launched this past summer. That was why she was invited as a speaker to speak in that session.

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