Unser Mann in Nantes: EPSC 2015 (1): Immer auf Achse

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Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
Exo-Planetar

Die Tagungssaison neigt sich dem Ende zu. Jetzt fehlt nur noch ein Trip zur European Planetary Science Conference (EPSC) 2015 in Nantes, dann war es das schon im Wesentlichen für dieses Jahr. Die EPSC ist so was wie das kleine Geschwisterchen der großen LPSC, welche jährlich in Houston stattfindet. Die Tagung ist aber inzwischen zu einer respektablen Größe herangewachsen, und kann sich auch durchaus eigenständig behaupten. Das Profil unterscheidet sich auch von der LPSC, das Gewicht liegt deutlich mehr auf Raummissionen, und es wird auch das ganze Sonnensystem abgedeckt. Dafür spielt die klassische Meteoritenforschung eine eher untergeordnete Rolle.

Wieso Nantes? Wieso denn auch nicht (und an der Uni gibt es eine veritable Planetologie). Nantes liegt weit im Westen Frankreichs, fast am Atlantik. Dummerweise ist mein Französisch nicht so toll (trotz 1.5 Jahre im Lande), aber was soll’s. Gutes Essen, Wein und Seeluft, was will man mehr. Ich leiste sogar einen bescheidenen Beitrag, ein Poster über meine laufende Arbeit (kommt vielleicht auch was, später).
Anreise: sagenwirmal fast 12 Stunden im Zug (Münster-Nantes, 2 Mal umsteigen). Aber dennoch nicht so stressig wie fliegen.
Nach einer eher ruhigen EPSC 2014 in Portugal, sollte der Andrang heuer größer sein. Sollte, denn zumindest Montag wirkte die Veranstaltung eher unter- denn überlaufen. Im Tagungszentrum wurde aber immerhin was für Public Outreach getan (mehr später), lobenswert.

Auf der Tagung laufen bis zu 6 Sitzungen gleichzeitig, jeweils maximal 15 Minuten pro Vortrag (gibt auch Ausnahmen). Da kann man nicht alles mitkriegen (da vieles auch sehr speziell ist). Vielleicht auch ein Grund, weshalb die Tagung eher ruhig wirkt, vielleicht sitzen die Leute tatsächlich in den Sessions, anstatt beim Kaffee zu netzwerken.

Montag zum Auftakt erst einmal eine Session zum Thema Kleine Körper im Sonnensystem, also Kometen, Asteroide und ähnliches Kleinzeugs. Das ist natürlich ein weites Feld, es gab alles von Modellierungen über was man z.B. aus dem Aufbau des Asteroidengürtels für die Planetenbildung herleiten kann (Izidoro et al.)

Dann erst mal ein Block über Space Weathering – atmosphärenlose Körper sind über Jahrmilliarden Partikeln und Strahlung der Sonne schutzlos ausgesetzt, zudem summiert sich der Schaden durch Mikrometeorite und Staubpartikel in der Zeit gewaltig auf. Kleinvieh macht halt auch Mist, und so wird auch die unbefleckteste Oberfläche in der Zeit zu einem glasigen Klumpatsch geschossen. Das beeinflusst dann die spektroskopischen Eigenschaften der Körper, also wenn man über Fernerkundungsdaten die mineralogische Zusammensetzung von z.B. Asteroiden bestimmen will. Da sollt man die Effekte des Space Weiterging schon kennen. Dazu werden Laborversuche durchgeführt, wo die Prozesse nachgestellt werden (Lanz et al.) Oder Proben von Körpern, die eben den Einflüssen ausgesetzt waren, werden genauer unter die Lupe genommen. Das sind zum einen Mondproben, aber auch die Itokawa-Brösel, die von Hayabusa zurückgebracht wurden (Keller et al.)

Dann Fortsetzung am Nachmittag mit einem Themenblock Kollisionen (mein Lieblingsthema). Erst mal eine Studie über die dynamischen Familien unter den Asteroiden, von Milani et al. Es gibt eine riesige Zahl and Daten über Asteroide, eine Gelegenheit die Datenbank nach Gruppen oder Familien an Asteroiden mit ähnlichen Bahndaten zu durchforsten, die wohl vom selbigen Mutterkörper kommen. Auch lassen sich auch die relativen Alter der Familien berechnen. Die ganz alten Familien aus dem Late Heavy Bombardment scheint es nicht mehr zu geben, und dominierend scheinen solche aus dem Altersbereich 100 Millionen bis 1 Milliarde Jahren. Interessant wird es, wenn es Unterschiede in den Charakteristika (z.B. Albedo) innerhalb einer Familie gibt. Ein Problem stellt Ceres dar, der keiner Familie zugehörig scheint. Mögliche Gründe könnten ein sehr hoher Eisgehalt sein, der schlichtweg keine Trümmerasteroiden erlaubt, oder dass die recht hohe Fluchtgeschwindigkeit nur ziemlich zerbröselte, schwer erkennbare  Trümmer erlaubt.

Dann die Frage (Avdellidou et al.), ob bei einer Kollision etwas vom kleineren Körper, dem Impaktor, in erkennbarer Form im Ziel übrig bleibt. Nicht selbstverständlich bei den involvierten Energien. An der Universität in Canterbury wurden dazu verschiedene Projektile mit bis zu 3.5 Km/s auf ebenfalls verschiedene Ziele (Gestein/Eis) geschossen. Die Untersuchung der Trümmer war kompliziert, daraus wurde berechnet, wieviel Material vom einschlagenden Körper im Ziele hängenblieb.
Dann Altmeister Erik Asphaug et al. zum eher vernachlässigten Thema Phobos (“The weirdest thing I’ve ever seen”), oder wieso dieser so zerbeult und vor allem zerfurcht ist. Was ich nicht wusste: Phobos umkreist den roten Planeten innerhalb dessen Roche Limit, aber das scheint nicht als Erklärung auszureichen. Die Modelle deuten in die Richtung, das der Stress durch das langsame inwärts-trudeln (sein Orbit ist nicht langfristig stabil) von Phobos der Hauptgrund ist.
Und dann wieder Itokawa, Tsuchiyama et al. aus Kyoto mit einer  Übersicht der Untersuchungen der Partikel. Auch hier wird der Fortschritt der analytischen Technik deutlich, winzige Körner wurden auf allen Seiten auf Space Weathering hin untersucht. So lassen sich die verschiedenen Schritte der Bildung des Regoliths, des Oberflächenmaterials von (meistens) atmosphärenlosen Körpern nachvollziehen, und das an Körnern von bestenfalls wenigen tausendstel Millimeter Durchmesser.

 

Dann, schon am Dienstag. Die Tagung erfreute sich eines deutlich größeren Andrangs. (Die Mars-Wasser Pressekonferenz der NASA übergehen wir einfach mal.) Dafür gibt es Dienstag die volle Ladung an Rosetta, in erschöpfendem Detail. Erst mal Staub in der Umgebung des Kometen. Ergebnisse des Massenspektrometers COSIMA (Cottin et al.) deuten (unter anderem) auf eine Chemie (und damit Mineralogie) hin, die mit den STARDUST-Ergebnissen kompatibel ist, Silikate wie Oliven, Pyroxen, aber eben auch CAI-artiges Material. Also eben Hinweise auf eine generelle Ähnlichkeit primitiver planetaren Materialien, auch mit Meteoriten.

Das GAIDA-Instrument (Della Corte et al.) hat sich um die Art/Zahl und vor allem Verteilung des Kometenstaubs um den Kern gekümmert, mit MIDAS (Bentley et al., auch auf Twitter @msbentley) wurden Partikel mittels eines AFM (Atomic Force Microscope) unter die Lupe genommen, das Teil rastert mit einer Nadel wie ein Plattenspieler die Partikel ab, und kann deren Form bis auf Nanometer-Auflösung abbilden. Die Technik wurde erst in den 80er Jahren entwickelt, weshalb sie beim Entwurf Rosettas noch sehr jung war. Aber durchaus vorzeigbare Ergebnisse.

Es scheint kompakte Partikel zu geben, deren Ursprung auf dem Kern lokalisierter ist, während die flauschigen (fluffy) eher diffus verteilt sind. Mit MIDAS wurden immerhin 21 Partikel soweit (vor-Perihelion) direkt analysiert. Brösel in der Größe um die 30-40 µm wurden gesichtet. Die Teile sind porös un zerbrechlich, so dass sie sich gerne schon bei der Messung zerlegen.

Dann ein Block Vorträge aus Bern, beginnend mit Altwegg et al. über ROSINA, ein weiterer Massenspektrometer im Orbiter. Highlights: die Wasserstoffisotope, die sehr ähnlich denen in den großen Molekülwolken oder interstellaren Medium sind. Also wirklich ursprüngliches Material. Dann Stickstoff, die Verhältnisse deuten auf extrem niedrige Entstehungstemperaturen hin. Viel Argon, Isotope ähnlich der Erde. Ergebnisse der Outbursts könnten auf amorphes Eis hindeuten, das sich bei Erwärmung kristallisiert und viel Gas über längere Zeiträume abgibt.

Jäckel et al. dann mit einer Übersicht über die Oberflächenaktivität von H2O, CO und CO2 mit der Zeit. Es gibt eine anti-Korrelation zwischen H2O und CO2 bevor Perihelion, die Gase kamen also aus verschiedenen Ecken. Le Roy et al. gehen dann genauer auf die verschiedenen volatilen Komponenten ein, auch da gab es große Schwankungen, weil sich wohl die Oberflächenschicht bei Annäherung an die Sonne verändert hat. Viel CO2 C2O6 H2S, aber wenig NH3.

Irgendwie müssen die ganzen Ergebnisse dann weiter verarbeitet werden. Mousis et al. präsentiert erste Versuche, etwas über die Entstehung des Sonnensystems herzuleiten. Das steht aber noch ganz am Anfang.

Am Mittag dann der spektroskopische Teil, Filllachione et al. und Ciarniello et al. mit der Zusammensetzung des Kerns, nach umfangreicher Datenverarbeitung. Schöne 3D-Verteilungsbilder z.B. über verstreute Vorkommen von reinem Eis, das aber überall auch im Mix drinnen ist.

Dann wieder der Staub, Rinaldi et al. haben die Jets mit dem Spektrometer beobachtet, und wieder die nicht-Korrelation von Wasser und CO2 gesehen. Scheint ein wichtiger Punkt zusein.

Quirico et al. dann wieder mit der Spektroskopie der Oberfläche des Kometen. Insgesamt nicht viel Variation zwischen den großen Regionen. Es ist schwierig, irgendwas mit den Spektren zu vergleichen. Keine Ähnlichkeit zu den kohligen Chondriten (ARGH!)

Beste Kandidaten ein wilder Mix aus polyaromatische Festkörper und opaque Minerale, organisches Material und NH4, wohl vor der Akkretion gebildet, also sehr primitiv. Aber es scheint auch Unterschiede zu den anderen Kometen zu geben.

Dann noch die erste Postersession, darüber mehr später.

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

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