Meteorite, Isotope und Wasser: geschüttelt & gerührt. Die wichtigsten Paper der Planetologie 2017

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Meteorite, Planeten, Sternenstaub (und was sonst so runterfällt)
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Ein Jahr ist schnell vorüber, und so ist es auch mal wieder Zeit für den allseits beliebten Jahresrückblick auf die Paper, die am meisten auf Cosmochemistry Papers nachgefragt wurden. Veröffentlichungen also, die gerade unter Planetologen für Interesse sorgten.
Dieses mal thematisch zusammengefasst, die Papers auf den ersten 10 Plätzen. Ein Themenblock erregte besonderes Interesse: wie lassen sich chemische und isotopische Zusammensetzung der Erde (und der terrestrischen Planeten) in Einklang mit den bekannten planetaren Materialien (im Wesentlichen den Meteoriten) bringen? Und wenn nicht, wie lässt sich das erklären?

Elardo und Shahar (Washington) untersuchten in Non-chondritic iron isotope ratios in planetary mantles as a result of core formation (erschienen in Nature Geoscience, hier ein LPSC Abstract) das ganze aus dem Blickwinkel der Eisenisotope. Die sind natürlich ganz nützlich, wenn es um das Thema Kernbildung geht. Mittels Laborexperimenten wurde die Verteilung von Eisenisotopen und Nickel zwischen Metall und Silikaten festgestellt, und tatsächlich lässt sich die gemessene Bandbreite in Proben von Erde, Mond, Mars und Vesta (HED-Meteorite) damit nachvollziehen.

Meine münsteraner Kollegen Fischer-Gödde und Kleine gingen das Problem mittels Messungen der Ruthenium-Isotope an, in Ruthenium isotopic evidence for an inner Solar System origin of the late veneer (erschienen in Nature, hier ein frei zugänglicher LPSC Abstract). Hier wird versucht, den relativen Überschuss an siderophilen Elementen (die sich ähnlich wie Eisen verhalten) im silikatreichen Erdmantel nachzuvollziehen. Dazu wurde die Flöte an kohligen Chondriten, den ganz primitiven Meteoriten, auf ihre Ruthenium-Isotopie durchgemessen. Ru ist ein praktischer Tracer für dieses Material, da es eine große Variation in der Isotope in diesen Meteoriten zeigt. Ein wichtiges Stichwort hier ist der ‚Late Veneer‘ – ein hypothetischer Eintrag an extraterrestrischem Material auf der Erde nach der Kernbildung. Und da ist es auch ganz interessant zu wissen, woher der Nachschlag kam, was dann wieder hilft, diverse Modelle der Sonnensystementwicklung zu bestätigen (oder auch nicht). Ergebnis: die Ru-Isotopie der Chondrite ist deutlich anders als die der Erde, und scheint auch nicht aus dem äußeren Sonnensystem zu kommen. Das wiederum würde auch eher die Herkunft des irdischen Wassers aus dieser Ecke ausschließen.

Die Thematik (Kernbildung, Late Veneer) wird dann auch aus marsianischer Sicht von Wang und Becker (Berlin) bearbeitet. In Chalcophile elements in Martian meteorites indicate low sulfur content in the Martian interior and a volatile element-depleted late veneer geht es vor allem um Schwefel und sich ähnlich verhaltende Elemente (veröffentlicht in Earth and Planetary Science Letters, frei zugänglicher LPSC Abstract hier). Ergebnis hier ist dass in diesem Falle die Elementverhältnisse auf einen frühen Eintrag der volatilen Elemente (und damit auch des Wassers) durch kohlige Chondrite hindeuten. Also vor dem Late Veneer.

Das Ausgangsmaterial der Erde war auch Ziel der Studie In search of the Earth-forming reservoir: Mineralogical, chemical, and isotopic characterizations of the ungrouped achondrite NWA 5363/NWA 5400 and selected chondrites von Burkhardt (Münster) et al., veröffentlicht in Meteoritics & Planetary Science, ein LPSC-Abstract hier. Reservoir bedeutet soviel wie eine Region im Sonnensystem, aus dem sich Mutterkörper verschiedener Meteorite mit charakteristischen Eigenschaften geformt haben. Wo und wie sich die Reservoirs erst mal gebildet haben, ist natürlich auch eine knifflige Frage. Besonders interessant an der Studie ist die Untersuchung von zwei ungruppierten Meteoriten. Nicht alle Meteorite passen genau in eine Schublade, da gibt es viele, die irgendwie quer in der Landschaft liegen, also möglicherweise die einzigen vorhandenen Proben eines Mutterkörpers darstellen. Genaugenommen haben wir gar keine Ahnung, ob die Meteorite in den Sammlungen wirklich repräsentativ für das innere Sonnensystem sind. Könnte sein, muss aber nicht. Deshalb ist es immer ganz nützlich, die Aussenseiter unter die analytische Lupe zu nehmen. (Spoiler) Leider haben NWA 5363 und NWA 5400 sich auch nicht als heiliger Gral der Kosmochemie zur Lösung der Isotopenkrise herausgestellt.

Was, wenn alles viel einfacher war? Also kein wilder Mix aus vielen, zum Teil obskuren Planetesimalen? Nicolas Dauphas (Chicago) gehört zu dieser Schule, und in The isotopic nature of the Earth’s accreting material through time (veröffentlicht in Nature) versuchen er und einige Mitstreiter zu beweisen, dass sich unsere Erde im Wesentlichen aus Material ähnlich dem der eher seltenen Gruppe der Enstatit-Chondrite gebildet hat. Das ist so ein speziell französisches Steckenpferd.

Und dann ein Paper zum Lieblingsthema von gefühlt der Hälfte aller Meteoritenforscher und Kosmochemiker: die Chondren und wie sie entstanden sind. Gerber (Münster) et al. beschäftigtem sich mit der Titan-Isotopie in Chondren. In Mixing and Transport of Dust in the Early Solar Nebula as Inferred from Titanium Isotope Variations among Chondrules erschienen in The Astrophysical Journal (und höchstlöblicherweise für lau auf Arxiv zugänglich) wird die Titanisotopie als Tracer für die Zustände in der jungen protoplanetaren Scheibe verwendet. Unterschiede in zwischen Chondren aus verschiedenen Meteoritengruppen deuten auf lokale Entstehung der jeweiligen Mutterkörper hin, dass sich also in den Meteoritengruppen die charakteristische Zusammensetzung eben von über längere Zeit stabilen Reservoiren widerspiegelt. Dies würde den großräumigen Transport der Chondren im jungen Sonnensystem ausschließen, auch wieder ein wichtiger Punkt für Modellierungen.

Natürlich immer von großem Interesse ist Wasser – Grundlage für Leben und so weiter. Wo also kommt selbiges auf der Erde (oder generell im Sonnensystem) her? Eine Übersicht über den aktuellen Stand von Conel Alexander mit The origin of inner Solar System water (in Philosophical Transactions, scheint aber aber frei zugänglich zu sein). Die feuchten kohligen Chondrite der Typen CI und CM werden als wahrscheinlichste Wasserquelle der Erde identifiziert, basierend auf den H- und N-Isotopen.

Auch um Wasser in Chondriten, aber genauer wo es sich im Sonnensystem gebildet hat, ging es in Origin and abundance of water in carbonaceous asteroids von Marrocchi (Nancy) (in Earth and Planetary Science Letters, ein LPSC Abstract für lau hier). Basierend auf der Sauerstoff-Isotope kommen die Autoren zum Schluss, dass das Wasser der kohligen Chondrite in der Region des Asteroidengürtels durch Kondensation aus der Gasphase gebildet hat.

Nach all den Isotopenstudien mal was etwas vergleichsweise konventionelleres. Fossile Meteorite sind ein faszinierendes Thema, eben weil es auch erlaubt den Flux an extraterrestrischem Material über die Jahrmillionen einzuschätzen – sind unsere Meteoritensammlungen auch über größere Zeiträume repräsentativ, oder ist früher anderes Zeug heruntergeregnet? Ein stark nachgefragtes Paper 2017 war Rare meteorites common in the Ordovician period von Phillip Heck (Chicago) et al., erschienen im neuen Nature-Ableger Nature Astronomy (ein passender Abstract hier). In der Tat, es gab starke Schwankungen. Untersuchungen von gut erhaltenen fossilen Meteoriten in einer vor 466 Millionen Jahren gebildeten Kalksteinschicht zeigen, dass heute sehr rare Achondrite der Typen Lodranite und Acapulcoite damals die größte Gruppe darstellten.

Und dann zum zum Abschluss noch ein Übersichtspaper von einem weiteren Veteranen, Alan Rubin und Chi Ma (beide Los Angeles). Rubin hat in den letzten vier Jahrzehnten wohl an so ziemlich allem geforscht hat, was auf diesen Planeten gefallen ist. Also der ideale Autor für ein Übersichtspaper wie Meteoritic minerals and their origins, erschienen in Chemie der Erde.

Fazit: Was auch immer ist mit Mond&Mars passiert? Die letzten Jahre waren das eigentlich immer die Top-Themen. Vielleicht ist die Liste nicht richtig repräsentativ, oder die Gewichte (oder Gelder) auf dem Gebiet haben sich tatsächlich verschoben. Letztes Jahr lief es auch besonders gut für die hiesige Planetologie, besonders die münsteraner Kosmochemiker. Was die Journals angeht, knapp die Hälfte der ersten 10 Paper erschien in Nature oder deren Ableger, der Rest ist recht gemischt.

 

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Mein Interesse an Planetologie und Raumforschung begann schon recht früh. Entweder mit der Apollo/Sojus Mission 1975. Spätestens aber mit dem Start der Voyager-Sonden 1977, ich erinnere mich noch wie ich mir mein Leben in der fernen Zukunft des Jahres 1989 vorzustellen versuchte, wenn eine der Sonden an Neptun vorbeifliegen würde. Studiert habe ich dann Mineralogie in Tübingen (gibt es nicht mehr als eigenständiges Studienfach). Anstatt meinen Kommilitonen in die gängigen Richtungen wie Keramikforschung zu folgen, nahm ich meinen Mut zusammen und organisierte eine Diplomarbeit über Isotopenanalysen von Impaktgestein aus dem Nördlinger Ries Einschlagkrater. Dem folgte dann eine Doktorarbeit über primitive Meteorite in Münster. Nach 10 Jahren als PostDoc in verschiedenen Ecken der Welt arbeite wieder am Institut für Planetologie in Münster, an Labormessungen für die ESA/JAXA Raumsonde BepiColombo, die demnächst zum Merkur aufbrechen wird. Mein ganzes Arbeitsleben drehte sich bisher um die Untersuchung extraterrestrischer (und damit verwandter) Materialien: Gesteine aus Impaktkratern, die ganze Bandbreite Meteoriten (von den ganz primitiven Chondriten bis hin zu Marsmeteoriten). Zu meiner Forschung gehören auch Laborexperimente, in denen Vorgänge im frühen Sonnensystem nachgestellt wurden. Mein besonderes Interesse ist, die Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material mit Fernerkundungsdaten (im Infrarot) zu verknüpfen. Das vor allem mit Daten aus der planetaren Fernerkundung durch Raumsonden, aber auch mit Beobachtungen junger Sonnensysteme durch Teleskope.

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