Sterben heutzutage weniger Menschen an Krebs?
BLOG: Enkapsis
Standardisierungen sind Rechenverfahren zur Herstellung vergleichbarer epidemiologischer Maßzahlen für strukturell verschiedene Gesamtheiten. Der Strukturunterschied der Bevölkerung kann z.B. bezüglich des Alters, des Geschlechts und/oder anderer Merkmale bestehen. Die Standardisierung nach Alter kommt besonders häufig vor, da die Angabe in der Regel verfügbar ist und das Alter bei den meisten Gesundheitsproblemen eine Rolle spielt.
Anwendung: Altersstandardisierungen auf Grundlage einer Standardbevölkerung werden häufig bei Krebsregistern zum Vergleich von Morbiditäts- oder Mortalitätsraten herangezogen. Liegen unterschiedliche Altersstrukturen bei Bevölkerungen verschiedener Regionen oder der Bevölkerung eines Gebietes über die Zeit hinweg vor, sind deren Mortalitäts- oder Morbiditätsraten nur beschränkt vergleichbar. Für interregionale oder intertemporale Vergleiche ist daher eine Altersstandardisierung notwendig. Hierbei wird der Bezugsbevölkerung die Altersstruktur einer Referenzpopulation, die so genannte Standardbevölkerung unterstellt. Dabei werden die altersspezifischen Mortalitäts- oder Morbiditätsraten der Bezugsbevölkerung entsprechend dem Altersaufbau der Standardbevölkerung gewichtet.
Interpretation: Nach einer Altersstandardisierung können Daten unterschiedlicher Jahre oder Regionen miteinander verglichen werden, ohne dass es zu Verzerrungen aufgrund unterschiedlicher Altersstrukturen kommt. Bei der Interpretation altersstandardisierter Morbiditäts- oder Mortalitätsraten ist zu beachten, dass sie keine realen, im Sinne von empirisch beobachtbaren, Angaben darstellen. Sie beschreiben vielmehr, wie die Mortalitäts- oder Morbiditätsraten in der betrachteten Bevölkerung wären, wenn die Bezugsbevölkerung der Standardbevölkerung entspräche, also von altersstrukturbedingten Effekten abstrahiert würde (Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, GBE).
Die Altersstandardisierung erlaubt es also Statistiken zu erstellen, die die Krebsmortalitätsraten vergangener Jahre mit heute vergleichen. Dabei werden die tatsächlichen Krebssterblichkeiten von anderen Ursachen unterschieden, die wachsende Lebenserwartung berücksichtigt und das Alter mit einbezogen. Ihm kommt eine besondere Bedeutung zu, da ältere Menschen häufiger an Krebs erkranken als jüngere. Dazu komme ich später noch. Als Bezugsbevölkerungen werden bei solchen Berechnungen der sogenannte "Europa-Standard" benutzt, der die Altersstruktur der durchschnittlichen europäischen Bevölkerung wiedergibt. Ein "Weltstandard" ist ebenfalls vorhanden. Damit möchte ich darauf hinaus, dass es sich bei der Erstellung dieser Statistik durchaus um einen Wert handelt, der der Realität nahe kommt, da es bei der Interpretation der Alterstandardisierung vorhin hieß, sie sei empirisch nicht beobachtbar. Trotzdem stimmt sie natürlich. Abschließend lässt sich sagen, dass durch das statistische Verfahren der Alterstandardisierung Sterblichkeitsraten vergangener Jahre mit heute gut vergleichen lassen. Demnach ist die Krebssterblichkeit zwischen 1980 und 2006 um 20 Prozent zurückgegangen! Wie gesagt, es ist ganz wichtig zu beachten, dass wir mittlerweile durchschnittlich wesentlich länger leben und dass je älter man wird, desto höher das Risiko an Kebs zu erkranken ist. Aus diesem Grund kann man nicht einfach die Zahl der Menschen, die z.B. 1982 an Krebs gestorben sind mit den Zahlen beispielsweise aus 2004 vergleichen. Möchte man trotzdem vergleichen, dann kann man beobachten, dass die absoluten Zahlen der Sterbefälle in Deutschland steigen, obwohl in Wirklichkeit immer mehr Menschen ihre Erkrankung überleben. Man beachte hier, dass der Anstieg der Lebenserwartung dazu führt, dass insgesamt deutlich mehr Krebsneuerkrankungen und infolgedessen auch Todesfälle verzeichnet werden. Man darf die Zahlen aber nicht einfach vergleichen, sondern muss eine alterstandardisierte Statistik erstellen, da nur so das scheinende Paradoxon zu erklären ist.
Die Krebsart die es den Männern am meisten antut, ist das Prostatakarzinom. Jeder vierte männliche Krebspatient muss sich damit rumschlagen. Bei den Frauen ist am häufigsten das Mammakarzinom zu verzeichnen. Darunter versteht man schlichtweg Brustkrebs. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen sowohl bei Männern als auch bei Frauen Darm- und Lungenkrebs.
Quellen:
- Krebsstatistiken: Wie häufig ist Krebs in Deutschland?
- Gesundheitsberichtserstattung des Bundes
- Graphiken mit freundlicher Genehmigung vom RKI-Zentrum für Krebsregisterdaten; für detailliertere Quellen-, Broschüren- und Seitenangabe der entnommenen Bilder bitte den Quellennachweis unter den jeweiligen Graphiken nachlesen!
Therapie mach älter
Die Statistiken zeigen nicht nur, dass die Zahl der Neuerkrankungen seit den späten 90er Jahren stagniert, sondern auch, dass die Mortalitätsraten zurückgehen (bei Männern deutlicher als bei Frauen). Das ist wohl der Therapie zu verdanken. Krebs ist heute häufig heilbar. Wir sterben also im Durchschnitt auch darum später, weil wir in den Genuss einer besseren medizinischen Behandlung kommen. Die Ausgaben in diesem Bereich sind also nicht ganz für die Katz.
@Martin Holzherr
Ja, die guten Therapiemöglichkeiten wurden hier garnicht erst angesprochen, aber ihnen ist es sicherlich zu verdanken, dass die Mortalitätsraten zurückgehen. Krebs ist demnach besser therapierbar und größere Heilungschancen bestehen besonders dann, wenn der Krebs rechtzeitig gefunden wird. Wie schon einmal erwähnt, sind die Behandlungschancen bei bereits eingetretener Metastasierung viel schwieriger. Daher kann ich jedem die Vorsorge empfehlen. Besonders in den Fällen von Brust- und Prostatakrebs.
Die Frage “Sterben heutzutage weniger Menschen an Krebs?” beantwortet die New York Times mit dem Artikel Cancer Death Rate Is in Steady Decline Among Americans.
Aktuell geht die Krebs-Mortalität wegen höheren Überlebensraten bei Lungenkrebs und beim Melanom zurück.
Zitat:
Grund: In den USA wird weniger geraucht und die Krebsimmuntherapie verlängert das Leben vieler Lungenkrebskranker und heilt gar einen gewichtigen Anteil der an Melanom erkrankten.
Keine Fortschritte gab es bei Kolorektal, Prostata- und Brustkrebs, was auch daran liegt, dass diese Krebserkrankungen bei Adipösen häufiger sind und die Adipositas in den USA sich nun in solchen Erkrankungen auswirkt.