Schweine-Organe für den Menschen. Eine Möglichkeit?

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Zwischen Molekularbiologie und Medizin
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In Deutschland leben rund 12.000 Menschen, die auf eine Organtransplantation warten und einen Platz auf einer Warteliste bekommen haben. Gefragte Organe sind dabei das Herz, Nieren, Lunge, Dünndarm, Leber oder die Bauchspeicheldrüse, die z.B. schwer erkrankten Diabetikern helfen könnte. Die Wartelistenzahl übersteigt in den U.S.A. sogar die 100.000er Marke und es ist kein Geheimnis, dass es weltweit zu wenig Spenderorgane gibt. Den Erkrankten bleibt so oft nichts anderes übrig als abzuwarten und zu hoffen, dass sie möglichst schnell operiert werden können. Bis dahin müssen sie ihre meist fortschreitende Krankheit irgendwie im Griff halten, was zumeist tödlich endet. Dieses Problem besteht schon länger und daher mussten Ausweichmöglichkeiten her. Man konnte schließlich nicht immer warten bis ein Spenderorgan zur Verfügung stand und so fing man in der Medizin an, sich Gedanken über Alternativen zu machen. War es möglich nicht-menschliche Organe, wie etwa vom Schwein, als Ersatzorgane zu verwenden? Durchaus möglich, dachte man sich. Dieses Verfahren von der Übertragung von Zellen, Geweben und Organen von Tieren auf Menschen, also von einer Spezies auf die andere, wird Xenotransplantation genannt und man sah in ihr die Möglichkeit, den Mangel an Organspenden zu beheben. Mit der Zeit rückte so das Schwein in den Fokus für mögliche Xenotransplantationen, da es einen ähnlichen Stoffwechsel wie Menschan hat und mikrobiologisch einigermaßen sicher ist. Bevor wir nun aber auf die Risiken dieser Methode zu sprechen kommen, machen wir erst einmal eine kleine Reise in die Vergangenheit.

Die Geschichte der Xenotransplantation führt uns zurück zum Anfang der 90er Jahre, wo der Grundstein für diese Methode gelegt wurde. Der Chirurg Thomas Starzl stellte damals fest, dass Paviane unempfänglich für Hepatitis B-Infektionen sind und zudem das HI-Virus in sich trugen ohne an AIDS zu erkranken. Ihm stellte sich nun die Frage, ob man dieses Wissen für die Behandlung von HIV-Infizierten anwenden konnte, die an einem Hepatitis B-verursachten Leberversagen starben. Wenig später kam es dazu, dass Starzl eine Pavian-Leber in einen 35-jährigen HIV-Infizierten transplantierte, der an einer chronische Hepatitis litt. Alles verlief wie geplant: Der Patient überlebte, stieß das Organ nicht ab, die Pavian-Leber kam ihrer Arbeit nach und der Zustand des operierten Mannes verbesserte sich. 70 Tage später starb er allerdings an einer schweren Gehirnblutung, die auf eine Infektion mit dem Gießkannenschimmel zurückzuführen war und nichts mit der neuen Spenderleber zu tun hatte. Starzl war nun aber überzeugt: Organtransplantationen zwischen verschiedenen Spezies waren möglich.
Ein paar Jahre später schaffte es die Chirurgin Suzanne Ildstad Stamm- und Facilitatorzellen aus einem Pavian einem HIV-Infizierten zu verabreichen, dessen Knochenmark durch Strahlung und Chemotherapie "unterdrückt" wurde. Das Ziel war es natürlich die Krankheit AIDS dadurch in den Griff zu bekommen, da andere Behandlungen der erkrankten Person nicht mehr weiterhalfen. Es mussten also neue Methoden her. Der Patient überlebte diesen Eingriff und es bildeten sich in ihm chimäre Immun- und Blutzellen und sein körperlicher Zustand verbesserte sich. Auch hier wurde wieder deutlich, dass die Transplantation von einer Spezies zur anderen möglich war.

Diese beiden Experimente führten nun zu einem konzentrierten Blick auf die Xenotransplantation, doch es tauchten in weiteren Untersuchungen einige Probleme auf. Da man das Potential der Xenotransplantation natürlich erst einmal richtig untersuchen musste, wurden als Vorstufe von klinischen Phasen z.B. Schweineherzen oder Inselzellen der Bauchspeicheldrüse auf kranke Paviane übertragen. Dabei stellte man fest, dass in den meisten Fällen Abstoßungsreaktionen des Immunsystems auftraten. Das schwerwiegenste Problem dabei war, dass es sehr häufig zu Störungen der Blutgerinnung kam und gehäuft Thrombosen entstanden, an der die Versuchstiere schließlich starben. Nach einigen Jahre kam man zum Ergebnis, dass Xenotransplantationen äußerst risikobehaftet sind und die Lebensqualität der kranken Versuchstiere nicht deutlich verbesserte. Zudem bestand immer das Risiko einer xenogenen Infektion. Darunter versteht man die Infektion mit einem Virus, welches im Spenderorgan vorhanden ist und den Empfänger infizieren kann. Keine gute Vorstellung, wenn man bedenkt, dass das Immunsystem der Organempfänger meistens sowieso mit Immunsuppressiva unterdrückt wird.

Die Stimmung war getrübt, aber man gab nicht auf! Durch das verstärkte Aufkommen molekularbiologischer Methoden konnten Veränderungen an Genen vorgenommen und so genetisch manipulierte Schweine gezüchtet werden. Sie müssen dabei so manipuliert werden, dass die Oberflächenproteine der Spenderzellen das Immunsystem des Empfängers nicht mehr so massiv ansprechen und das Transplantat nicht mehr als fremdes Material erkannt und vernichtet wird. Heute ist dies eine gängige Methode und viele genetisch veränderte Schweinelinien stehen zur Verfügung. So bekam man damit z.B. die T-Zell-vermittelte Abtoßungsreaktion in den Griff und viele Transplantate wurden nicht mehr gleich zu Beginn abgestoßen. Ein Fortschritt! Weitere "Problem-Gene" wurden ausgeschaltet und so steht man heute kurz davor in die entscheidenden klinischen Phasen zu gehen. So ist z.B. der chinesische Wissenschaftler Dai Yifan sich sicher, dass es zumindest in China bald erste Untersuchungen an Menschen geben kann. An ihnen soll dann gestestet werden, ob sich die genetisch manipulierten Organe vertragen lassen. In Russland wird seit Dezember 2010 sogar schon eine Methode solcher Art angeboten. Hier werden bereits Insulin-produzierende Zellen aus dem Schwein zur Behandlung von Diabetes Typ 1 eingesetzt.

Natürlich sind nicht längst alle Probleme und Risiken behoben, so besteht im Moment weiterhin das Risiko der xenogenen Infektion, da sich z.B. Retroviren in Schweineorganen nur sehr schwer nachweisen lassen. Aber auch hier hat man schon eine mögliche Lösung mit der RNA-Interferenz parat. Mit ihr kann man nämlich die DNA das Erbgut dieser Viren unschädlich machen und eine Infektion verhindern. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob die genetisch manipulierten Schweine-Organe sich wirklich für eine Xenotransplantation eignen und ob so den Menschen, die auf einer Warteliste stehen, geholfen werden kann.

  
 

 


Eine Umfrage zum Thema Xenotransplantation und ob Schweine-Organe eine gute Lösung sind, gibt es Online auf Facebook. Dazu einfach hier klicken! Nach zwei Wochen schließe ich die Umfrage und veröffentliche hier die Ergebnisse dazu.

Ergebnis: 100% der Leute stimmten für eine Anwendung der Xenotransplantation. Kein Stimmen dagegen waren zu verzeichnen!

Quellen und Literatur:

  • Overcoming the barriers to xenotransplantation: prospects for the future, Burcin Ekser and David KC Cooper, Expert Rev Clin Immunol. Author manuscript; available in PMC 2011 January 1. ublished in final edited form as: Expert Rev Clin Immunol. 2010 March; 6(2): 219–230; doi: 10.1016/j.bbi.2008.05.010
  • Genetic engineering including superseding microinjection: new ways to make GM pigs Table of Contents, Galli, Cesare et al., Xenotransplantation 2010: 17: 397–410, doi: 10.1111/j.1399-3089.2010.00590.x
  • Genetic Manipulation in Pigs, David H. Sachs, M.D. and Cesare Galli, D.V.M., Curr Opin Organ Transplant. 2009 April ; 14(2): 148–153., doi: 10.1097/MOT.0b013e3283292549
  • Xenotransplantation, Xenogeneic Infections, Biotechnology, and Public Health, Louisa E. Chapman, MOUNT SINAI JOURNAL OF MEDICINE 76:435–441, 2009, doi:10.1002/MSJ
  • Xenotransplantation literature update June – October 2010, Schneider MKJ, Seebach JD., Xenotransplantation 2010: 17: 481–488, doi: 10.1111/j.1399-3089.2010.00615.x
  • New transgenic pigs for xenotransplantation, part 2: Strategies to overcome cellular rejection, B. Keßler et al., Xenotransplantation 2011: 18: 56–72, doi: 10.1111/j.1399-3089.2010.00607.x
  • Jahrebericht Organspende und Transplantation in Deutschland 2010 der deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO)

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Veröffentlicht von

Sebastian Reusch ist Naturwissenschaftler und studierte Biologie mit den Schwerpunkten Zell- und Entwicklungsbiologie, Genetik und Biotechnologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Danach arbeitete er am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin an molekularbiologischen Prozessen des Immunsystems. Derzeit promoviert er am IRI Life Sciences der Humboldt-Universität zu Berlin an grundlegenden Fragen der Zellbiologie und Biochemie des Tubulin-Zytoskeletts in Stammzellen. Seine Schwerpunktthemen hier im Blog sind Molekularbiologie und Biomedizin. Twitter: @MrEnkapsis

6 Kommentare

  1. Fach-Frage

    Kurze Frage:

    Retroviren zeichnen sich doch dadurch aus, dass sie RNA als Erbsubstanz enthalten, oder?

    “Mit ihr kann man nämlich die DNA dieser Viren unschädlich machen und eine Infektion verhindern.”

    Wäre es dann hier nicht besser, ein anderes Wort als DNA zu verwenden?

  2. @Sören

    Du hast natürlich Recht. Ich korrigiere das gleich mal. Danke! Ist immer so eine Sache mit den Retroviren: Sie besitzen ja als Erbgut RNA, schreiben sie aber in DNA um und integrieren diese dann ins Wirtsgenom. Ihre RNA liegt dann quasi als DNA vor. Da kann man schnell durcheinander kommen.

  3. @Sebastian

    Jaja, diese tückischen Viren, deshalb bevorzuge ich auch andere Viecher…Und ebenfalls ein Danke für die Erklärung, so genau wusste ich das spontan auch nicht mehr^^

  4. Xeno bleibt Xeno

    Xenotransplantate werden sicher eingesetzt, warten doch tausende auf Ersatzorgane. Andererseits sind Xenotransplantationen auch Experimente, mindestens zu Beginn. Dabei gibt es auch ein Risiko für die Allgemeinheit, könnten doch Krankheitserreger aus dem Tierreich den Organempfänger als Brücke für eine Ausbreitung von Mensch zu Mensch benutzen. HIV und Vogelgrippe zeugen davon, dass solche Sprünge über die Artengrenze hinweg zu besonders gefährlichen Erkrankungen führen können.

  5. Werbung in eigener Sache

    Dieser interessante Artikel gibt mir Gelegenheit, mal wieder Werbung in eigener Sache zu machen: Kennst Du mein Buch “Xenotransplantation: Tiere als Organspender für Menschen”? Es beschäftigt sich zwar vor allem mit der ethischen Frage, ob wir überhaupt das Recht haben, Tiere als bloße Ersatzteillager für Menschen zu nutzen, berührt aber auch die immunologischen, virologischen und epidemiologischen Fragen. Wie auch immer, mein Fazit lautete: Die Xenotransplantation ist ethisch gerechtfertigt.

  6. @Edgar Dahl

    Ich kenne dein Buch leider nicht und ich habe mich auch nicht ausführlicher mit der Ethikfrage bei Xenotransplantationen befasst. Veilleicht möchstest du aber mal aus deiner Sicht schildern, was für Fragen dort aufgeworfen werden und wie du sie persönlich beantwortest. Mich würde es sehr interessieren!

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