Gute Gründe, wieso Wissenschaftler mit dem Bloggen beginnen sollten

BLOG: Enkapsis

Zwischen Molekularbiologie und Medizin
Enkapsis

Was in den U.S.A. schon längst gang und gäbe ist, kommt in Deutschland nur spärlich in Fahrt: Wissenschaftler die nicht nur forschen, sondern auch über ihre Arbeit und neue Forschungsergebnisse bloggen. Wenn man es richtig anstellt, kann es nur gut für die Karriere sein – Keine Frage!

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Bloggen ist nicht nur Bloggen

Bloggen ist ein typisches Phänomen des Web 2.0s und was früher noch von Journalisten belächelt wurde, macht den Printmedien mittlerweile gewaltig Feuer unterm Hintern. Heutzutage muss man nämlich keine Leserkommentare mehr schreiben, sondern teilt seine Gedanken, Ideen und sein Wissen ganz einfach und unkompliziert mit dem Internet. Nichts eignet sich besser, um so schnell wie möglich das loszuwerden, was man aussprechen möchte. Eben zusammengeschrieben, ein paar mal in der Blogsoftware rumgeklickt und schon ist der Text Abermillionen von Menschen zugänglich. Das hat noch nicht überzeugt? Die bekannte Bloggersoftware WordPress gibt an, dass über 342 Millionen Menschen jeden Monat Blogs lesen, die bei ihnen gehostet werden – Tendenz: steigend. Es ist also ein großes Publikum vorhanden, welches mit digitalen Texten versorgt werden möchte.

Es steckt allerdings viel mehr dahinter, denn wer bloggt ist auch meistens über seinen Blog hinaus im Netz aktiv bzw. sollte es sein. Twitter, Facebook, Google+ und wie sie alle heißen. Links teilen, Leute auf etwas aufmerksam machen, das ist heute viel einfacher als früher. Ist doch logisch, dass auch Wissenschaftler da mitmachen, sind ja schließlich auch nur Menschen und ab und zu findet sich darunter jemand, der nicht nur über Katzenfotos oder den Sack Reis in China bloggt, der gerade umgefallen ist, sondern Wissen vermitteln möchte. Es ist eine Art Bildung 2.0 und nichts anderes als das was das Massachusetts Institute of Technology und Harvard mit ihren kostenlosen Online-Lehrveranstaltungen bereits anbieten: Wissen aus erster Hand.

Seien wir realistisch, man kommt um diese Medien nicht mehr herum und wer auf dem neuesten Stand der Forschung und Wissenschaft sein möchte, dem bringt es nichts mehr nur Lehrbücher oder Journals zu lesen, denn Wissen verbreitet sich mittlerweile viel schneller über das Internet. Die Alleinherrschaft der Journals über neue wissenschaftliche Erkenntnisse beginnt also langsam zu bröckeln, es wird heute getwittert, geshared und gebloggt.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und Öffentlichkeitsarbeit

Bereits die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fordert Öffentlichkeitsarbeit der Wissenschaftler. So kann man im ihrem Merkblatt “Öffentlichkeitsarbeit in Sonderforschungsbereichen” lesen, dass “Öffentlichkeitsarbeit in Sonderforschungsbereichen einen Beitrag zur Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft” leisten soll. Das Ziel soll sein “gesellschaftlichen Gruppen – über die reine Fachwelt hinaus – die Themen, Untersuchungsgegenstände, Arbeitsweisen und Ergebnisse der Forschungsverbünde zugänglich zu machen und mit verschiedenen öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten sollen die […] erarbeiteten Ergebnisse und Erkenntnisse präsentiert, der Dialog über Wissenschaft angestoßen oder Schulungen durchgeführt” werden.

Solch eine Öffentlichkeitsarbeit kann mittels eines Blogs vonstatten gehen, dies wäre die schnellste, einfachste und billigste Variante und wie man weiß, sollte man am Anfang immer kleine Kuchen backen, sich einen Ruf als guten Kommunikator erarbeiten und sich dann hocharbeiten bis man dann meinetwegen im Fernsehen oder bei Podiumsdiskussionen landet. Dort braucht man nicht nur Experten, sondern Experten, die auch verständlich vermitteln können.

Was die DFG fordert, ist richtig, denn selbst wenn das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Bedarf an Bürgerdialogen erkennt – und Politik ist bekanntermaßen langsam – wird das Interesse der Menschen für die Wissenschaft offensichtlich. Wissenschaftliches Bloggen kann hier einen Beitrag leisten.

Was sich statt bloggenden Wissenschaftlern in Deutschland bereits als Öffentlichkeitsarbeit  durchgesetzt hat, sind wissenschaftliche Pressemeldungen zahlreicher Universitäten, welche die neuesten Forschungsergebnisse der Hochschule in einem kompakten Text zusammenfassen. Diese Meldungen werden wiederum von anderen aufgegriffen und gesammelt. So entstand etwa der bekannte “innovations-report“, ein “modernes Forum für Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft”. Das englische Pendant dazu “ScienceDaily” dient schon jetzt als sehr gute Informationsquelle für allerlei wissenschaftliche Themen.

Der Informationsfluss von Wissenschaftsorganisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft über die Pressemeldungen der Hochschulen wird früher oder später zu den Wissenschaftler direkt führen. Aus dem Labor bloggen ist also nur noch eine Frage der Zeit. Wieso also nicht jetzt schon damit beginnen?

Wissenschaftskommunikation – Das A und O

Was nicht nur von der DFG gefordert wird, wünschen sich mittlerweile auch vermehrt andere Wissenschaftsinstitutionen und Lehrstühle. Längst ist das Forschen nicht mehr die einzige Beschäftigung des Wissenschaftlers. Daten, Wissen und Ideen präsentieren gehört genauso mit dazu, wie das einwerben von Drittmitteln. So findet man angeblich immer öfter in Stellenausschreibungen die Bedingung einer Öffentlichkeitsarbeit. Sie kann eine Universität, einen Lehrstuhl oder eine Arbeitsgruppe gut aussehen lassen.

Wer nämlich über seine Arbeit bloggt oder sich als geschickter Wissenschaftskommunikator beweist, bekommt Aufmerksamkeit und wo Aufmerksamkeit herrscht, könnten auch die Augen von potentiellen Geldgebern landen.

Es geht aber auch anders: Erreicht man mit seinen verbloggten Texten und Ideen Hunderte oder Tausende von Menschen, die davon begeistert sind, so kann man via Crowdfunding neue Projekte zum Laufen bringen. Man ist also nicht mehr unbedingt an die klassische Förderung via Forschungsantrag gebunden, sondern sucht sich potentielle Investoren über das Bloggen. Dies klingt zwar nach Zukunftsmusik, aber man geht bekanntermaßen den Weg des kleinsten Widerstandes und wer mal einen Förderantrag geschrieben hat, weiß, wie zeit- und nervenraufreibend so etwas sein kann. Wieso nich also Bloggen und so Menschen anziehen?

Die Tiefe der Materie

Ob Pressemeldungen oder Blogeinträge, beides bedeutet sich mit der Materie auseinanderzusetzen und sie zu verstehen, wie soll man sonst darüber berichten? Man bildet sich beim Schreiben eines Textes also permanent weiter, indem man vorher im besten Falle recherchiert, sich Grundkenntnisse angeeignet und pro und kontra gelesen hat, um so den Leser möglichst objektive oder argumentativ hochwertige Kost verabreichen zu können. Anders sollte es nicht sein. Wer diesen Grundregeln des wissenschaftlichen Bloggens folgt, macht alles richtig!

Zwar steht ein Blog per Definition dafür lediglich die Meinung des Autors wiederzugeben, so kann er trotzdem Informationen á la Lehrbucheintrag darbieten, wenn der Artikel richtig verfasst wurde. Blogs schreien gerade danach von Wissenschaftlern betrieben zu werden, denn was auf die Schnelle nicht auf Wikipedia oder im Fachbuch gefunden werden kann, ergoogelt man einfach. Nicht selten springen bei solchen Suchergebnissen Blogeinträge heraus.

Das jüngste Beispiel dieses Phänomens stellt die EHEC-Epidemie dar. In der Wissenschaft war nicht allzu viel über diesen neuartigen Keim bekannt und so taten sich Wissenschaftler auf der ganzen Welt zusammen und analysierten ihn mittels bioinformatischen Methoden als großes Crowdsourcing-Projekt. So gelang man an neue und relevante Kenntnisse über das Bakterium, welche u.a. im Wissenschaftsblog bacpathgenomics veröffentlicht wurden.

Wer sich zudem an die Schweine- und Vogelgrippe zurückerinnert, wird feststellen, dass sich einige Blogeinträge von Wissenschaftlern mit dem Thema auseinandergesetzt und Menschen aufgeklärt haben. Gerade in solchen Zeiten, wo Panik vermag aufzukommen, braucht man objektive und kompetente Ansprechpartner und Informationen. Bloggende Wissenschaftler können dies leisten.

Jetzt aber – Bloggen aus dem Labor

Wenn man gerade nicht damit beschäftigt ist über Schweine- oder Vogelgrippe aufzuklären, lässt es sich ab und zu auch mal aus dem Labor bloggen. Läuft mal wieder alles schief und Experimente klappen nicht, so ist man nur ein paar Klicks davon entfernt seinem Frust ein Ventil zu geben. Welcher Wissenschaftler kennt diesen Zustand nicht? Während einige in solchen Situationen ihre Freunde und Bekannte anrufen, abwinken und nach Hause gehen, lässt es sich wunderbar darüber bloggen. Es ist die perfekte Option, um sich gemeinsam mit anderen – teils erfahreneren Wissenschaftlern – auf Fehlersuche zu begeben oder auch eine Möglichkeit, die Leser am Alltag eines Wissenschaflers teilzuhaben. Man beginnt vielleicht zu verstehen, wie Wissenschaft funktioniert. Nicht alles läuft nämlich so wie manch einer es sich vielleicht von der Forschung denkt. Sie ist ein langer und steiniger Pfad mit viel Trial&Error. Jeder Weg zu einem Erfolg ist eine kleine Geschichte.

Nicht aber jeder Wissenschaftler gibt gerne seinen Frust kund, schließlich passiert es dann schnell, dass man als unfähig abgetan wird. In Wahrheit schaut es allerdings so aus, dass im Labor die Sachen nie so klappen, wie man möchte. That´s Science! Es bringt also nicht immer etwas sich in die Tiefen des Internets zu begeben, um Troubleshooting-Guides hoch und runter zu pauken, sondern man sollte seine Missstände auch mal mit anderen teilen. So etwas kann das Bloggen leisten. Wenn man Glück hat, findet sich so jemand, der das selbe Problem schon einmal hatte und kann prompt mit einer Lösung zur Seite stehen.

Auf diesem Wege wird die Arbeit transparent, nicht, weil man jedes Detail aus dem Labor in die Welt hinausposaunt, sondern weil als Außenstehender mit dabei sein kann. Auf diesem Wege können Kooperationen gefördert werden.

Fazit

Wer als Wissenschaftler verantwortungsvoll bloggt und hierbei die Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlichen Praxis immer im Hinterkopf behält, kann nichts verkehrt machen. Bloggende Wissenschaftler liefern so einen wertvollen Beitrag für die Bildungslandschaft. Gegenargumente wie beispielsweise die verschwendete Zeit, die statt ins Bloggen in die Forschung investiert hätte werden können, erübrigen sich – Zum Wohle des großen Ganzen.

 

 

 


 

 

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Veröffentlicht von

Sebastian Reusch ist Naturwissenschaftler und studierte Biologie mit den Schwerpunkten Zell- und Entwicklungsbiologie, Genetik und Biotechnologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Danach arbeitete er am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin an molekularbiologischen Prozessen des Immunsystems. Derzeit promoviert er am IRI Life Sciences der Humboldt-Universität zu Berlin an grundlegenden Fragen der Zellbiologie und Biochemie des Tubulin-Zytoskeletts in Stammzellen. Seine Schwerpunktthemen hier im Blog sind Molekularbiologie und Biomedizin. Twitter: @MrEnkapsis

15 Kommentare

  1. Tipp:Mehr Arbeit in den Text investieren

    Lieber Herr Reusch,
    beim Lesen fiel mir doch sehr auf, wie weitschweifig ihr Text ist, viel Neues habe ich nicht erfahren. Bloggen muss nicht labern heißen. Zum Glück schreiben die Wissenschaftsblogs, die ich kenne, meist sehr stringent, auch das macht ihre Qualität aus.

  2. ‘richtiges’ Bloggen

    Wissenschaftler die nicht nur forschen, sondern auch über ihre Arbeit und neue Forschungsergebnisse bloggen. Wenn man es richtig anstellt, kann es nur gut für die Karriere sein – Keine Frage!

    Weiter unten war fazitär von ‘verantwortungsvoll’ die Rede, im Zitat sei das ‘richtig’ hervorgehoben, ist es nicht ein grundsätzliches und schwerwiegendes Problem, dass die “Dienstmeinung” (oder: die von anderen erwartete Meinung) und die eigene Meinung, die beim Bloggen idealerweise zum Vorschein kommen sollte, in vielen Fällen kollidieren?

    MFG
    Dr. Webbaer

  3. Verfehlter Optimismus

    „Die Alleinherrschaft der Journals über neue wissenschaftliche Erkenntnisse beginnt also langsam zu bröckeln, es wird heute getwittert, geshared und gebloggt.“

    Das ist grundfalsch. Die Alleinherrschaft der Journals breitet sich heute aus, und zwar auch in den Fächern, wo bisher das Buch herrschte, und wo bisher die Journals schon herrschten, da festigt sich ihre Herrschaft. Mag bisher ein Aufsatz in einem Tagungsband als gleichrangig gegolten haben, zählt so etwas heute zunehmend nicht mehr.

    Es kommt nicht darauf an, wie eine Meldung über irgendeinen Vorgang in der Wissenschaft der Öffentlichkeit zukommt und wie schnell das geht. Da waren bisher die Zeitungen und der Rundfunk auch viel schneller als die wissenschaftlichen Zeitschriften, waren nur ganz unwesentlich langsamer als das Internet. Aber sie haben zwei Nachteile, und die hat das Bloggen auch, das Twittern sowieso:

    Erstens, wo es um die Zitierfähigkeit geht, also bei Mitteilen von Ergebnissen, hinter denen z. B. experimentelle Arbeit steht, sind sie halt nicht zitierfähig, ebenso wie ein Blogartikel. Wenn man für Blogs Peer-Review-Verfahren einführt – und das müßte ja dann sein – dann sind sie halt keine Blogs mehr, sondern zu Journals geworden.

    Zweitens, wo die Zitierfähigkeit der Publikation für das Zitieren keine Rolle spielt (weil es nicht darum geht, ob man dem Experimentator glauben soll, was er da behauptet gemacht zu haben), nämlich beim Zitieren von Gedanken, hat das Bloggen den Nachteil, daß man zur Entwicklung von Gedanken einfach viel mehr Platz braucht als in einem Blog üblich und daß ein Blog nicht annähernd zu der Sorgfalt zwingt, die für einen zitierenswerten Gedanken notwendig ist.

    Alles, wozu es die Blog bringen könnten, ist, auf dem Gebiet des freien Diskutierens eine Rolle zu spielen, d. h. sozusagen das Reden auf dem Kongreß in seiner Bedeutung zurückzudrängen. Dazu habe ich in meinem Beitrag in diesem „Bloggewitter“ geschrieben.

  4. @Dr. Webbaer

    In meinen Augen stellt sich diese Frage nur, wenn man bei einem großen Unternehmen arbeitet, da solche Firmen meist einen großen Wert auf das eigene Image legen und wie es nach außen präsentiert wird. Da müsste man als Blogger, der bei diesem Unternehmen arbeitet, durchaus vorsichtig sein, was man so schreibt. Die meisten Blogger sind allerdings Wissenschaftler von Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen und Wissenschaftsjournalisten. Diese besitzen wesentlich mehr „Blog-Freiheiten“.

    Wenn ich allerdings die wissenschaftliche Bloglandschaft so überblicke, dann wird viel über Grundwissen oder neue Forschungsergebnisse gebloggt, ergo das Potential, dass hier Meinungen kollidieren können, ist gering. Selbst wenn man unterschiedlicher Meinung ist, das steht ja jedem zu, soweit man nachvollziehbare und handfeste Argumente hat.

  5. @Ludwig Trepl

    Twittern und Bloggen sollen den traditionellen Weg, wie wissenschaftliche Ergebnisse veröffentlicht werden, natürlich nicht ersetzen, sondern ergänzen. Das wir uns gerade im Prozess finden, dies umzusetzen wird dadurch deutlich, dass zuletzt vermehrt darüber geschrieben wird, wie man Tweets zitierfähig macht (hier, hier, hier und hier).

    Ich finde Ihren Blogpost “Warum dieser Blog?” übrigens vorzüglich, glaube jedoch, dass die dort angesprochenen Probleme, Probleme der älteren Generationen sind, die ohne Internet, Bloggen, Tweeten und Konsorten aufgewachsen sind. Das Internet ist heute fester Bestandteil des Lebens und mit dem Internet hat sich meines Erachtens auch die Mentalität der Menschen geändert – Weg von der “wir-bleiben-unter-uns”-Einstellung hin zur “ich-will-mir-Gehör-verschaffen”-Mentalität. Dies ist zumindest mein subjektiver Eindruck und ich verbinde damit auch einen Wandel in der Wissenschaft an sich. Der Status Quo des wissenschaftlichen Betriebes von vor 10 Jahren ist heutzutage einfach nur noch uncool und altmodisch (ob dies relevant ist, ist eine andere Frage). Während man damals hauptsächlich unter sich blieb und als Elite galt, so hat sich mit der Public Library of Science 2001 der Wandel hin zu Open Access und Open Science eingeleitet, ergo Wissenschaft für alle.

    Man weiß doch, dass Wissenschaft etwas ist, was alle betrifft. Man sollte also möglichst viele Menschen daran teilhaben lassen. Wieso startet man schließlich etliche Bürgerdialoge, organisiert Wissenschaftsjahre, führt Podiumsdiskussionen und etc. durch? Wem Populärwissenschaft zu “unfein” ist, wie sie es sagen, der schaut einfach nicht nach links und nach rechts und so etwas brauchen wir nicht.

    Die Menschen die heute mit Twitter und mit Blogs aufwachsen, halten diese Medien für selbstverständlich und werden sie – sofern sie Wissenschaftler werden – für ihre Arbeit so nutzen als wäre nichts dabei.

    Wie man sieht, ich bin kein verfehlter Optimist, sondern bloß aus einer anderen Generation für den gewisse Sachen selbstverständlich sind. Wenn ich jetzt konsequent weiterdenke, ist es eigentlich nur logisch, dass Bloggen fester Bestandteil der Wissenschaft wird. In den USA ist es schon so, wieso müssen wir hier in Deutschland also noch darüber diskutieren und können es nicht einfach so machen wie immer: Die Sachen von drüben einfach übernehmen?!

  6. @Sebastian

    Wenn Meinungen zu politischen Themen geäußert werden oder zu anderen Fachgebieten, zur Erinnerung: man ist ja fast überall nur interessierter Laie, kann die Sache schon problematisch werden. – Praktische Beispiele gibt es hier genug, oder?

    Anders formuliert: Wie kann man im Web überhaupt unter eigener Namensnennung Meinungen platzieren, wenn man nicht sozialen Bedingungen folgend und standardisiert vortragen will?

    Aber gut, da spielen eigene Präferenzen und Sichtweisen eine Rolle, ein weites Feld, dem man sich nur schwierig nähern kann…

  7. Bloggen ist zeitaufwendig

    Ich finde den Beitrag interessant-er ist mir aber etwas zu eng auf ‘Oeffentlichkeitsarbeit’ zugeschnitten, im Sinne von ‘wissenschaftliche Ergebnisse vermitteln’. Ich blogge aus Nordamerika und bloggende Wissenschaftler sind oft (auch) (hochschul)politische Kommentatoren, schreiben ueber Tagespolitik und natuerlich auch aus dem Arbeitsalltag eines Wissenschaftlers (Lehre, Konferenzen, Publizieren,…). Das ist oft locker, eher informell, gelegentlich anonym-aber immer mit einem REGELMAESSIGEN Zeitaufwand verbunden. Immer nur bloggen, wenn man gerade nix anderes zu tun hat klappt nur bedingt-man muss auch mal morgens 30 Minuten investieren um auf einen Beitrag der ‘Blogosphaere’ zu antworten. Und es muss schon ein kleines bisschen zugespitzt oder provozierend sein-denn sonst liest das kaum jemand. Bloggende Politikwissenschaftler in US-Medien sind ein gutes Bespiel. In Deutschland werden Blogs (noch) kaum im politischen Diskurs im weitesten Sinne wahrgenommen (s. mein Beitrag zur internationalen Entwicklungspolitik: http://aidnography.blogspot.ca/…y-nobody-in.html) und man sollte die ‘Oeffentlichkeitswirkung’ nicht ueberschaetzen. Bloggen ist prima, um auch mal unvollendete Gedanken in die Welt zu geben, mal ‘Luft machen’ ueber aktuelle Themen und um Einblicke in den Alltag des Beruf zu geben. Bei DFG-Handreichungen gruselt es mir leicht und hat den Beigeschmack von Buerokratie. Bloggen kommt ohne Max Weber aus! 😉

  8. @Dr. Webbaer

    Ja klar, ich erinnere mich da gerade an die Präimplantationsdiagnostik, aber auch an die personalisierte Medizin, Atomkraft, synthetische Biologie und und und. Das sind alles Themen, die man breit diskutieren kann und wo es natürlich auch viele unterschiedliche Meinungen gibt. Wenn sich Diskussionen darüber allerdings auf einer rationalen und sachlichen Ebene bewegen und man Argumente nachvollziehen kann (egal ob man jetzt für oder gegen etwas ist), sollten Meinungen einfach akzeptiert werden. Das dem leider nicht immer so ist, ist ja klar. Lagerbildung und Frontenverhärtung durch einzelne Personen passiert ja ständig, hier wird es dann in der Tat problematisch. Das ist allerdings kein Blogproblem, sondern eines, welches sich durch die gesamte Gesellschaft und Medienlandschaft zieht.

    Nun zu deiner Frage: Ich verstehe sie nicht so ganz, was ist mit „sozialen Bedingungen“ gemeint?

  9. @ Sebastian Reusch

    „… glaube jedoch, dass die dort [in “Warum dieser Blog?”] angesprochenen Probleme, Probleme der älteren Generationen sind“.
    Das stimmt zum Teil mit Sicherheit, soweit es um ein ungewohntes und mit Lebensstilfragen verbundenes Medium geht. Für eine bestimmte Generation war es unmöglich, Jeans zu tragen, aber die war irgendwann ausgestorben.

    Dennoch machen Sie es sich viel zu einfach.

    Die Frage des Ansehens des populärwissenschaftlichen Arbeitens in den Wissenschaften ist eine vollkommen andere als die des Benutzens eines bestimmten Mediums. Vielleicht entwickeln sich ja Blogs ohne den Charakter der „Wissensvermittlung“ an die allgemeine Öffentlichkeit, und die könnten problemlos von allen Wissenschaftlern akzeptiert werden, die weder ein technisches noch ein Lebensstil-Problem mit dem Internet haben. Aber über die Akzeptanz von Populärwissenschaft kann man nichts Vernünftiges sagen, wenn man nicht zur Kenntnis nimmt, was die Wissenschaftstheorie dazu zu sagen hat. Und ich habe den Eindruck, daß das in dieser ganzen Blogger-Diskussion kein einziger zur Kenntnis nimmt. Die „wir-bleiben-unter-uns”-Einstellung hängt mit dem zusammen, was in der Entwicklung von normal sciences mit Notwendigkeit geschieht, und dagegen ist nichts zu machen.

    „Während man damals [vor 10 Jahren] hauptsächlich unter sich blieb und als Elite galt, so hat sich mit der Public Library of Science 2001 der Wandel hin zu Open Access und Open Science eingeleitet, ergo Wissenschaft für alle.“ Das hört man jetzt ständig, aber es ist doch einfach Unsinn. Offen zugänglich waren die Ergebnisse der Wissenschaft seit eh und je, das ist ihr Wesen. Es dauerte halt ein paar Tage, bis man an sie kam, statt ein paar Minuten. Doch das ist völlig nebensächlich. Es nützt gar nichts, ob man die Ergebnisse in fünf Minuten vor sich liegen hat oder erst nach fünf Tagen, wenn die die per Fernleihe bestellten Bücher in der eigenen Bibliothek angekommen sind. Denn es dauert in den meisten Fällen nach wie vor mindestens fünf Jahre, bis man in der Lage ist, mit diesen Ergebnissen etwas anfangen zu können.

    Im Übrigen gab es die “ich-will-mir-Gehör-verschaffen”-Mentalität vor wenigen Jahrzehnten in einem Maße (auch unter Wissenschaftlern), wie man sich das heute gar nicht mehr vorstellen kann, und mit dem Internet hatte das naturgemäß nichts zu tun, denn das war damals noch nicht erfunden.

  10. Positionierungen

    Ich verstehe sie nicht so ganz, was ist mit „sozialen Bedingungen“ gemeint?

    Warum nicht? Stehen Sie außerhalb sozialer Bezüge, haben Sie Lust zu polarisieren, was Kraft kostet, oder sind Sie eher mittig in Ihren Meinungen?

    Wer mittig ist, kann im Blogwesen profitieren, auch unter klarer Namensnennung, sich Gemeinden schaffen bspw. im linken Bereich, wie es auch klar erkennbar ein hiesiger Bremer tut, aber unter klarer Namensnennung dahin zu gehen, wo die (auch: relativen) Mehrheiten nicht stattfinden, kann keinem geraten werden, oder?

    MFG
    Dr. Webbaer

  11. @Ludwig Trepl

    Ich weiß leider nicht, was über Populärwissenschaft in der Wissenschaftstheorie gesagt wird. Können Sie mich da mal bitte aufklären? Vielleicht ist das ja der Grund, wieso wir unterschiedlicher Meinung sind.

    Ich habe mir zudem über die letzten Tage etwas Gedanken gemacht, ein paar Texte über das wissenschaftliche Bloggen außerhalb dieses Bloggewitters gelesen und mir eine neue Meinung gebildet. Ich bin u.a. zum Ergebnis gekommen, dass es letztendlich völlig egal ist, wie, worüber für wen und ob man überhaupt bloggt. Am Ende des Tages wird es nämlich Leute geben, denen die Texte gefallen und solche bei denen dies nicht der Fall ist.

    Ich weiß, ist kein wirklicher Erkenntnisdurchbruch, aber zumindest ein Ergebnis. Es gibt etwa Beispiele, wo das Bloggen super ankam und solche, wo man Menschen davon abgeraten hat. Am Ende des Tages muss man einfach nur Glück haben, dass den richtigen Leuten die Texte gefallen, damit es mit der Karriere vereinbar ist.

    In meinen Augen ist wissenschaftliches Bloggen trotzdem super und mal schauen, ob ich in den nächsten Tagen einen weiteren Blogpost zum Thema hinbekomme.

  12. @Dr. Webbaer

    Ob es einem geraten werden kann oder nicht ist in meinen Augen eher sekundär, wie ich festgestellt habe. Primär sollte man sich fragen, ob man das Risiko eingehen möchte zu polarisieren und mit damit verbundenen Konsequenzen – welche auch immer – leben kann. Wie ich eben schon Herrn Trepl gesagt habe, es kommt einfach darauf an, wer die Texte mag und wer nicht. Wenn es die richtigen Menschen sind, kann man ruhig außerhalb der “sozialen Bedingungen” bloggen ohne das es einem schadet.

    In was für einer Welt würden wir zudem leben, wenn jeder einer Meinung wäre? Das wäre ja extrem langweilig! Wir brauchen verschiedene Meinungen, um am Ende des Tages zu wissen, was am besten ist. Meinungsmehrheiten hin oder her, sie sind nicht die absolute Wahrheit.

  13. @Sebastian

    Jedes Wort Ihrer letzten Nachricht ist zustimmungsfähig, der Schreiber dieser Zeilen hatte auch mehr die wissenschaftssoziologische Sicht auf das Ganze bemüht. Hier scheint es dann eher naheliegend den Konsens zu suchen, möglichst große und effiziente (Web-)Netzwerke zu bilden und sich dementsprechend einen Namen zu machen. Dass das auch mit Hilfe des Skeptizismus oder durch bloße Gegenmeinung geht, steht außer Frage, aber es scheint zumindest unbequemer. Es scheint schwieriger.

    Haben Sie nicht auch gelegentlich Lust ein wenig zu holzen? Oder tun Sie das synonymisch? – Falls ja, warum so? Falls nein, warum nicht?

    MFG
    Wb

  14. @ Sebastian R.

    „Ich weiß leider nicht, was über Populärwissenschaft in der Wissenschaftstheorie gesagt wird.“

    Ich meinte damit vor allem drei Punkte:

    Erstens, was man seit Kuhn über die Zwänge von Paradigmatisierungsprozessen weiß. Es ist Traumtänzerei zu meinen, dagegen könnte man ankommen in einem Maße, daß das Auswirkungen auf den Wissenschaftsbetrieb insgesamt hat; was der einzelne mit sich macht, ist etwas anderes. Selbst wenn die Universitätsleitungen aus hochschulpolitischen Zwängen heraus wünschen oder anordnen, daß die Wissenschaftler ihre Ergebnisse in die Öffentlichkeit tragen, wird das die normal sciences nicht beeinflussen. Es gehört zu deren Wesen und es ist Teil ihres Erfolgsgeheimnisses, daß sie sich von der Öffentlichkeit wie von anderen Disziplinen abschotten, daß sie an Fragen über die Stellung ihrer Wissenschaft im Ganzen der Wissenschaft und am Sinn ihres Tuns nicht mehr interessiert sind. Und wesentlich an Kuhns Theorie ist auch, daß es besonderer Voraussetzungen bedarf, damit all dies sich ändert und geradezu das Gegenteil geschieht, und daß diese Voraussetzungen von Zeit zu Zeit vom Normalbetrieb geschaffen werden, aber nicht mit Absicht geschaffen werden können. Was immer an diesen Theorien ungenügend sein mag – im Großen und Ganzen sind sie richtig, daran zweifle ich nicht.

    Zweitens. Es gibt viele weniger wissenschaftstheoretische als wissenschaftssoziologische Untersuchungen, die hinreichend zeigen, daß das Betreiben von Populärwissenschaft am Renommee kratzt, von bestimmten Konstellationen abgesehen. Aber diese Untersuchungen kenne ich auch nur vom Hörensagen.

    Drittens, und das geht in eine ganz andere Richtung. Ludwik Fleck hat vor mehr einem Dreiviertel Jahrhundert argumentiert, und mir ist kein Argument dagegen begegnet, daß die Spezialisten untereinander nicht für gedankliche Klarheit sorgen können. Denn sie sind nicht gezwungen, ihre Begriffe zu klären, sie verstehen auch das verwaschene, verschwommene, unausgereifte Zeug, was sie im täglichen Arbeitsprozeß einander zurufen, hinreichend. Erst diejenigen, die die Resultate nach außen vermitteln, sind gezwungen, die internen Formeln, Metaphern usw. mit dem abzuklären, was als System der Wissenschaft schon da ist. Und darum sind sie es, die für Klarheit und Präzision sorgen.

    Das ist jetzt alles nur auf die wissenschaftsinterne Ebene bezogen, d. h. auf die Frage, was es dem Wissenschaftler als Wissenschaftler bringt (und der Wissenschaft als Wissenschaft), wenn er nach außen geht oder eben nicht. Eine ganz andere Frage ist, ob der Wissenschaftler vielleicht aus höheren Gründen nicht so sein sollte, wie es die Wissenschaft, so wie sie nun einmal ist, von ihm verlangt, d. h., ob er sich nicht nach einem Ideal von Wissenschaft richten sollte, das ganz anderes verlangt.

  15. Wissens Blogger

    Da geb ich dir vollkommen recht ..wissenschaftler oder Experten die bloggen ist für die Informationskultur sehr wichtig.Gerade letzte Woche habe ich meinen Arzt darauf angesprochen wie wichtig es wäre das solche Experten wie er im Internet bloggen ..natürlich hat er abgelehnt ..hat mit dem Internet nichts zu tun ..will nichts zu tun haben und sieht darin nicht wirklich einen Sinn..hmm..wir müssen doch auf die nächste Generation warten befürchte ich

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