So arbeitet ein DFG-Fachkollegium

Seit zwei Jahren bin ich Mitglied des Fachkollegiums “Sprachwissenschaft” der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). In den Fachkollegien wird über einen großen Teil des Etats entschieden, den die DFG für Forschungsförderung zur Verfügung hat. Die Fachkollegien erscheinen vielen, die einen Antrag einreichen wollen, wie eine Black Box, und die Modalitäten der Wahl der Kollegiumsmitglieder wurden kürzlich öffentlich kritisiert. Grund genug also, in diesem Beitrag ein realistisches Bild von der Arbeit in Fachkollegien zu zeichnen.

Die Fachkollegien wurden 2004 ins Leben gerufen, um laut DFG-Satzung “die Wahrung einheitlicher Maßstäbe bei der Begutachtung” zu “kontrollieren”. In der gegenwärtigen Amtsperiode 2016-2019 gibt es 48 Fachkollegien, die nach einem komplexen Wahlverfahren für vier Jahre mit durchschnittlich knapp 13 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besetzt sind. Fast zwei Drittel davon wurden neu in die Fachkollegien gewählt, die übrigen befinden sich in ihrer zweiten und letzten Amtszeit von vier Jahren. Sie wurden gewählt von ca. 130.000 Wahlberechtigten im deutschen Wissenschaftssystem – im wesentlichen promovierte Mitarbeiter und Professoren, die an einer Mitgliedseinrichtung der DFG forschend tätig sind. Die DFG ist, obschon fast ausschließlich von Bund und Ländern finanziert, als Verein mit den deutschen Forschungseinrichtungen als Mitgliedern verfasst. Mit einem Etat von fast 3 Mrd. Euro im Jahr 2016 gehört die DFG nicht nur zu den größten Institutionen der Forschungsförderung in Europa, sondern sogar weltweit.

Die Fachkollegienwahl von der Zusammenstellung der Kandidierenden-Vorschläge bis zur eigentlichen Wahl dauert ein ganzes Jahr und ist in ihren Details immer wieder Gegenstand von Kritik gewesen. Die Nominierung von Kandidierenden erfolgt durch Fachgesellschaften und Mitgliedseinrichtungen. In einem zweiten Schritt wird die Kandidierenden-Liste vom Senat der DFG gefiltert und unter Umständen ergänzt. Erst kürzlich wurde der DFG in der FAZ vorgeworfen, in der neuen Wahlordnung die Wählerschaft gezielt im Unklaren darüber zu lassen, wer die jeweiligen Kandidierenden vorgeschlagen hat. Der DFG-Präsident Peter Strohschneider ist diesem und anderen Kritikpunkten wenig später an gleicher Stelle recht überzeugend entgegengetreten. Unstrittig ist, dass die Fachkollegien eine sehr wichtige Rolle in der Forschungsförderung für ein Fach spielen. Genau deshalb gibt es das Misstrauen, dass es aufgrund eines undurchsichtigen oder sogar manipulierbaren Wahlverfahrens zu unfairen Förderentscheidungen kommen könne.

Das Kerngeschäft des Fachkollegiums

Es ist deshalb wichtig, ein Bild davon zu haben, wie in einem Fachkollegium der DFG gearbeitet wird. Das Fachkollegium Sprachwissenschaft, dem ich angehöre, hat zehn Mitglieder, die vier Teilgebieten angehören und auch unabhängig voneinander gewählt wurden. Das Fachkollegium wird betreut von einer fachlich ausgewiesenen Mitarbeiterin der Geschäftsstelle. Jedes Fachkollegium beschließt zu Beginn einer Amtsperiode die Verfahrensweisen der eigenen Arbeit. Mein Fachkollegium kommt drei Mal pro Jahr zu ein- bis zweitägigen Sitzungen am Hauptsitz der DFG in Bonn zusammen.

Die Vorbereitung einer Sitzung erfordert eine Menge Zeit. Jeder Fachkollegiat ist bei der Sitzung für bis zu zehn Anträge verantwortlich, immer zusammen mit einem zweiten Kollegiaten. Trotz der vielen verschiedenen Förderformate der DFG bilden die “normalen” Projektanträge, die sogenannten Sachbeihilfen, den Schwerpunkt der Tätigkeit. Das sind auf zwei bis drei Jahre angelegte Projekte, die bis zu drei Mitarbeiterstellen, Hilfskräfte, Reise- und Sachmittel umfassen und sich bezüglich des Antragsvolumens zumeist zwischen 100 und 500 Tausend Euro bewegen. Über Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs entscheidet ein Fachkollegium nicht, dafür gibt es ein gesondertes Verfahren, einzelne Fachkollegiaten werden dabei allerdings grundsätzlich hinzugezogen.

In der Vorbereitung der jeweiligen Sitzungen spielt die Geschäftsstelle eine sehr wichtige Rolle. Wenn eine Antragstellung vorliegt – technisch gesehen geschieht dies wie alle anderen Verfahrensschritte über das Online-System ELAN –, wird der Antrag hier zunächst auf formale Korrektheit durchgesehen. Dazu gehört neben der in ihrem Aufbau genau festgelegten 20-seitigen Vorhabenbeschreibung die Kostenaufstellung genauso wie Erklärungen zu Arbeitgeberfunktionen, Lebensläufe oder Bestätigungsschreiben zu Kooperationen, die im Antrag erwähnt werden. Im zweiten Schritt bestimmt die Fachreferentin zwei fachlich geeignete Personen, die den Antrag begutachten sollen. Dies ist gerade in kleineren Teilfächern nicht ganz einfach, weil in vielen Fällen mögliche Befangenheiten aufgrund früherer Kooperationen oder Abhängigkeiten zu beachten sind. Zusätzlich müssen die Gutachter selbst eine Erklärung abgeben, dass auch ihrer eigenen Kenntnis nach keine der von der DFG definierten Befangenheitsgründe vorliegen. Die Liste potentieller Gutachterinnen und Gutachter ist den Mitgliedern des Fachkollegiums bekannt und wird immer wieder auf Ergänzungen und Änderungen hin gesichtet.

Intensive Diskussionen

Liegen die Gutachten – manchmal nach wenigen Wochen, manchmal dauert es leider auch länger – vor, bereitet die Geschäftsstelle die Förderentscheidung über den Antrag mit einem Entscheidungsvorschlag vor. Dieses nur wenige Seiten umfassende Papier enthält eine Übersicht über die beantragten Mittel, die (vom Antragsteller verfasste) Zusammenfassung des Projekts, den vollständigen Text der beiden Gutachten und eine kurze Bemerkung der Geschäftsstelle, ob nach Gutachtenlage der Antrag bewilligt, abgelehnt oder diskutiert werden sollte. Diese Empfehlung ist für das Fachkollegium jedoch nicht bindend.

Bei der Sitzung des Fachkollegiums wird nun jeder dieser Anträge mitsamt seinen Gutachten von den zwei Berichterstattenden referiert, nachdem die Geschäftsstelle von diesen in den Tagen zuvor bereits eine schriftliche Stellungnahme erhalten hat. Eine Abweichung davon im mündlichen Vortrag bedarf also einer besonderen Begründung. Bei der Berichterstattung geht es einerseits um den Projektantrag selbst, andererseits aber vor allem um die Gutachten, und die Referierenden haben die Aufgabe, die Fundiertheit, Schlüssigkeit und Fairness der Gutachten zu bewerten. Handelt es sich in diesem Sinne um zwei sehr überzeugende Gutachten, die beide gleichermaßen für Annahme oder Ablehnung votieren, und geht dies aus der Berichterstattung der beiden Fachkollegiaten klar hervor, fällt die Diskussion meist kurz aus. Problematisch wird es, wenn sich zwei grundsätzlich überzeugende Gutachten in ihrer Einschätzung widersprechen oder eines der Gutachten (oder gar beide) oberflächlich, einseitig, uninformiert oder unfair ausgefallen ist. In diesen Fällen entstehen oft intensive Diskussionen, die manchmal eine halbe Stunde oder länger dauern, und das Ergebnis kann auch darin bestehen, ein oder zwei weitere Gutachten einzuholen.

Für die Diskussion eines Antrags stehen den Mitgliedern des Fachkollegiums sämtliche Antrags- und Begutachtungsunterlagen zur Verfügung, die Namen der Gutachter kennen allerdings nur die beiden Berichterstatter im Fachkollegium. Fachkollegiaten, die befangen sind bezüglich eines Antrags, müssen während dessen gesamter Behandlung den Raum verlassen, etwa bei Anträgen der eigenen Uni. Auch im Nachhinein können sie die Diskussion nicht nachverfolgen, da kein Verlaufsprotokoll der Diskussion angefertigt wird. Den Antragstellenden gegenüber werden, auch wenn ihnen im Begründungsschreiben der Entscheidung zentrale Passagen der Gutachten zugänglich gemacht werden, neben den Gutachtern auch die berichterstattenden Fachkollegiaten geheim gehalten.

Wichtig bei der Diskussion ist auch die Vergleichbarkeit der Bewertung eines Projekts mit denen anderer Projekte. Dies kann nur durch das Fachkollegium geschehen, weil sich die externen Gutachter mit einem Projekt isoliert befassen. Dies gilt ganz inbesondere für Bereiche wie den des Forschungsdatenmanagements oder den technischen und rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung von Projekten, für die mehr und mehr Standards und Richtlinien zur Verfügung stehen, die Antragstellende kennen und einhalten sollten.

Kollegiale Qualitätskontrolle der Qualitätskontrolleure

Für die Arbeit des Fachkollegiums zentral ist also die Diskussion der Gutachten in Verbindung mit dem zugrunde liegenden Antrag. Das Votum der Berichterstattenden muss so begründet sein, dass es für die anderen Mitglieder des Fachkollegiums schlüssig und überzeugend ist. Es kommt oft vor, dass noch während der Diskussion einzelne angesprochene Punkte im Antrag oder in den Gutachten auf ihre genaue Formulierung hin überprüft werden. Da die Mitglieder des Fachkollegiums sehr unterschiedlichen Bereichen des Fachs entstammen, kann man auch nicht davon ausgehen, dass alle die gleichen Interessen und Ziele für das Fach verfolgen, zumal die Teilgebiete durch eigenständige Fachgesellschaften und Publikationsorgane repräsentiert sind. All das führt zu hohen Anforderungen an die “Qualität” von Argumenten innerhalb des Fachkollegiums.

Neben der Hauptaufgabe der Entscheidungsfindung in der Fachkommission werden deren Mitglieder von der DFG auch für verschiedene andere Aufgaben herangezogen. Dies sind zum einen die sogenannten koordinierten Verfahren wie Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche, zu deren Begutachtung eigene, meist interdisziplinäre Gutachtergruppen zusammengestellt werden. Diese diskutieren die viel umfangreicheren Anträge vor Ort mit der Gruppe der Antragstellenden und entwickeln anschließend einen Entscheidungsvorschlag für die DFG. Für manche Anträge werden überdies Ad-hoc-Kommissionen gebildet, die ähnlich wie ein Fachkollegium, manchmal auch auf der Grundlage eines Gesprächs mit den Antragstellenden, über eine Förderung befinden. Diese “Sonderkommissionen” werden von der Geschäftsstelle mit den besonders fachnahen Mitgliedern des Fachkollegiums abgestimmt, und es muss mindestens ein Mitglied betroffener Fachkollegien daran beteiligt sein. In jeder Sitzung eines Fachkollegiums wird zu Beginn über diese Begutachtungen berichtet und Eindrücke daraus gegebenenfalls diskutiert, so dass auch für diese Fälle Transparenz hergestellt wird.

Aufwand und Ertrag

Und damit noch nicht genug: Auch bei thematischen “Rundgesprächen”, die ganze Fächergruppen betreffen, sind Vertreter der Fachkollegien beteiligt ebenso wie an internationalen Förderprogrammen, an denen die DFG partizipiert. Für mich selbst hat das in dem einen Jahr zwischen Oktober 2016 und 2017 bedeutet, dass ich 12 Arbeitstage für die DFG in Bonn oder andernorts verbracht habe, eine eintägige Auswahlsitzung in Buenos Aires für ein europäisch-amerikanisches Förderprogramm eingeschlossen. Für all diese Sitzungstage muss man ungefähr die doppelte Anzahl von Arbeitstagen für die Vorbereitung ansetzen, so dass man als Fachkollegiat mit einem guten Monat Arbeitsaufwand pro Jahr rechnen muss – zusätzlich zur ohnehin zu erledigenden Arbeit und natürlich ohne eine zusätzliche finanzielle Honorierung irgendeiner Art.

Hochinteressant ist die Mitarbeit im Fachkollegium gleichwohl, denn man bekommt einen hervorragenden Überblick über aktuelle Themen und Tendenzen im eigenen Fach. Überdies können die Fachkollegien als ein Ausdruck der Autonomie und Selbstkontrolle der Wissenschaft betrachtet werden, und daran mitzuwirken sollte eigentlich jedem, für den die Freiheit der Wissenschaft einen Wert besitzt, ein Anliegen sein.

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Henning Lobin ist seit 2018 Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (Mitglied der gemeinsam vom Bund und allen 16 Bundesländern finanzierten Leibniz-Gemeinschaft) und Professor für Germanistische Linguistik an der dortigen Universität. Zuvor war er ab 1999 Professor für Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte bilden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Sprache, Texttechnologie, Grammatik, Wissenschaftskommunikation und Politolinguistik. Er ist Sprecher der Sektion "Geisteswissenschaften und Bildungsforschung" und Präsidiumsmitglied der Leibniz-Gemeinschaft, Mitglied germanistischer Fachbeiräte ua. von DAAD und Goethe-Institut, er war Mitglied des Forschungsbeirats der Stiftung Wissenschaft und Politik und des Fachkollegiums Sprachwissenschaft der DFG. Lobin ist Autor von neun Monografien und hat zahlreiche Sammelbände herausgegeben. Zuletzt erschienen sind Engelbarts Traum (Campus, 2014, polnische Übersetzung 2017, chinesische Übersetzung 2018), Digital und vernetzt. Das neue Bild der Sprache (Metzler, 2018) und Sprachkampf (Duden, 2021). Bei den SciLogs ist Henning Lobin seit 2014 Autor des Blogs "Die Engelbart-Galaxis", nachdem er dort bereits ab 2008 am Gruppenblog "Interactive Science" beteiligt war.

9 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Lobin,

    als Bürgerin und Außenseiterin der DFG erkenne ich gar nichts von Ihrem Bericht über die Qualität der Arbeit der Fachkollegien. Ich erkenne gar nichts davon zum Beispiel im Fachbereich „Hirnforschung“.

    Im Fachbereich „Hirnforschung“ bestehen ganz eindeutig nach meinen eigenen Erfahrungen bzw. der Erfahrung von Millionen von Bürgern für die Vergabe von Forschungsgeldern die lobbyartigen Strukturen, die hier beschrieben werden:

    Die freie Wissenschaft ist bedroht – Fördert die mächtige Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den Ideenklau und die Selbstbedienung? Transparenz ist für sie ein Fremdwort. Dieses Monopol ist bedenklich.

    Und zwar dahingehend, dass einzig die Hirnforschung mit Tierversuchen seit mehr als 40 Jahren mit Milliarden von Steuergeldern gefördert wird, obwohl diese Forschungsmethode keinen einzigen brauchbaren Nutzen für die Humanmedizin gebracht hat und auch nie bringen wird, denn es ist weltweit schon seit langem wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Ergebnisse von Tierversuchen von Art zu Art nicht übertragbar sind. Dabei müssen sich die Hirnforscher, die direkt am menschlichen Gehirn mit modernen, erfolgversprechenden Methoden forschen, seit Jahrzehnten mit einem Alibi-Almosen zufrieden erklären. Ich erkenne gar nichts von einer Qualität der Arbeit eines Fachkollegiums in diesem Bereich, ich erkenne nur Lobbyismus-Strukturen.

    • Liebe Frau Lopez, ihre Kritik richtet sich wohl weniger gegen die Arbeit des zuständigen Fachkollegiums bei der DFG, als generell gegen einen Zweig der Wissenschaft, in dem Tierversuche als Forschungsmethode für notwendig angesehen werden. Dass innerhalb der Fachkollegien kein “Lobbyismus” besteht, kann ich Ihnen versichern – ein solcher Fachkollegiat würde nicht vier Jahre in diesem Gremium überleben können. Ein Fachkollegium bildet natürlich eine herrschende Wissenschaftsauffassung in einer Disziplin ab, dazu muss man jedoch keine undurchsichtigen Netzwerke oder Schlimmeres annehmen. Und die Anwürfe von Reuß und Rieble in dem Artikel von 2011 sind altbekannt und vermischen auf teilweise fast schon groteske Weise sehr unterschiedliche Dinge miteinander, vermutlich ohne genauere Kenntnis der inneren Mechanismen in DFG-Gremien. Der in dem Artikel erhobenen Forderung nach Transparenz allerdings habe ich mit meinem Beitrag zur Arbeitsweise eines Fachkollegiums zu entsprechen versucht.

  2. Zitat Henning Lobin: „Und die Anwürfe von Reuß und Rieble in dem Artikel von 2011 sind altbekannt und vermischen auf teilweise fast schon groteske Weise sehr unterschiedliche Dinge miteinander, vermutlich ohne genauere Kenntnis der inneren Mechanismen in DFG-Gremien. Der in dem Artikel erhobenen Forderung nach Transparenz allerdings habe ich mit meinem Beitrag zur Arbeitsweise eines Fachkollegiums zu entsprechen versucht.

    Ob die Studie von Reuß und Rieble in grotesker Weise keine genauere Kenntnis der innereren Mechanismen in DFG-Gremien dokumentiert sei dahingestellt, das können die Bürger nicht beurteilen, die ja noch weniger als Reuß und Rieble zum Innenbetrieb der DFG gehören. Die Bürger können jedoch im konkreten Fall der Hirnforschung nur feststellen, dass es innere Mechanismen gibt, die zu gravierenden Missständen in der Vergabe der Fördermittel führen und sehr auffällig auf Selbstbedienung hinweisen.

    Es gehört nämlich zu jeder wissenschaftlichen Disziplin sich über den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu informieren, sowie seine eigenen Forschungsmethoden- und Ergebnisse zu hinterfragen. Nur so ist seriöse und vertrauenswürdige Wissenschaft zu verstehen, zumindest von außen. Es ist jedoch auffällig, dass die Tierexperimentatoren in der Hirnforschung völlig ausblenden und sogar vertuschen, sowohl nach innen als auch nach außen, dass sie keinen einzigen brauchbaren Nutzen für die Humanmedizin seit 40 Jahren erzielt haben, wobei sie zwangsläufig auch die wissenschaftliche Kritik dieser Forschungsmethode kennen müssen. Wie ist dann zu erklären, dass die Tierexperimentatoren in der Hirnforschung sich seit Jahrzehnten Jahr für Jahr Millionen und Milliaerden Steuergelder für eine nutzlose Forschung sichern, wobei Hirnforscher, die direkt am menschlichen Gehirn forschen, oder Forscher, die moderne tierversuchsfreien alternativmethode entwickeln, nur ein Almosen bekommen? Wie ist es sonst zu erklären? Es gibt offensichtlich ein gravierendes, entscheidendes Defizit an Transparenz innerhalb der DFG, die zu diesen Missständen führt.

    Der verheerende Mangel an Transparenz zeigt sich auch außerhalb der DFG: Wie ist zum Beispiel zu erklären, dass 8 führende Affenhirnforscher bzw. Befürworter der Affenhirnforschung, einschließlich dem Präsidenten der DFG, sich strikt weigern, der Öffentlichkeit 20 Fragen über den wissenschaftlichen Wert dieser Forschung zu beantworten? Warum sind sie nicht in der Lage gegenüber der Öffentlichkeit ihre Forschung wissenschaftlich zu legitimieren? Dieses Schweigen lässt nur den Schluß zu, dass Selbstbedienung bei der Vergabe der Forschungsgelder stattgefunden hat.

    Zumindest im Fachbereich Hirnforschung gibt es eklatant ein System-Fehler innerhalb der DFG, die durch die Arbeit der Fachkollegien nicht beseitigt werden kann.

  3. Lieber Herr Lobin, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass in Ihrem Fachkollegium „Sprachwissenschaft“ lobbyartige Mechanismen der DFG sich nicht bemerkbar machen. Erst einmal, soweit ich das richtig verstanden habe, behandelt dieses Kollegium hauptsächlich Forschungsanträge in der Größenordnung von 100 bis 500 Tausend Euro und es gibt auch in der Gesellschaft keine wirtschaftliche Lobby für Sprachwissenschaft.

    Anders ist es im bei Tierexperimenten für die medizinische Forschung. Hier handelt es sich um Förderungsbeträge in Millionenhöhen und im Hintergrund steht in der Wirtschaft die mächtige Pharmaindustrie, ich brauche Ihnen also nicht zu erzählen, um welche Summen es sich handelt: Tierversuche sind in unserer Gesellschaft ein Milliardengeschäft.

    Auch gibt es in Ihrem Fachkollegium „Sprachwissenschaft“ keine Berührungspunkte der Forschungsziele mit dem Gesetz. Anders ist es bei Tierversuchen: Er gibt ja ein Tierschutzgesetz, das strenge Auflagen für die Forschungsanträge und Durchführung der Versuche zum Schutz der Tiere verbindlich vorgibt.

    Seit 40 Jahren erleben wir in der Affenhirnforschung gravierende Verstöße der Labore gegen das Tierschutzgesetz. Nur um Ihnen ein kleines Überblick darüber zu verschaffen, lieber Herr Lobin, entnehmen Sie bitte hier kurz 8 Vorwürfe der Gesetzwidrigkeit dieser Versuche.

    Dies bedeutet allein durch die Tatsache, dass seit 40 Jahren die gleichen Versuche an Affen in ursprünglich 11 Standorten durchgeführt wurden (heute noch in 8 Standorten), dass das gesetzliche Verbot von Doppelversuchen und Wiederholungen von Versuchen umgegangen wird. Dies bedeutet, dass seit 40 Jahren diese Versuche illegal sind. Das bedeutet, dass tagtäglich, jede Stunde, jede Minute Straftaten in den Laboren geschehen.

    Jetzt meine Frage: Ist es plausibel, dass in dem zuständigen Fachkollegium, das diese Versuche seit 40 Jahren zur Forschungsförderung vorschlägt, kein Mitglieder von der Existenz eines Tierschutzgesetzes weiß?

    Plausibel ist vielmehr, dass eine Seilschaft von Affenhirnforschern, die sich gegenseitig anonym begutachten, die intransparenten Mechanismen der DFG ausnutzen, um sich in die Steuerkasse zu bedienen. In der Affenhirnforschung passt die Studie von Reuß und Rieble.

    • Ich respektiere Ihr Engagement gegen Tierversuche, kann mich aber nur wiederholen: Sie prangern die wissenschaftliche Praxis einer ganzen Disziplin an, gegen die Sie vor allem auf politischem Wege vorgehen sollten. Wenn Sie der DFG Korruption vorwerfen, sollten Sie dafür Beweise haben, die Vorgänge anzeigen und staatsanwaltlich überprüfen lassen. Andernfalls handelt es sich um Behauptungen, die leicht als üble Nachrede ausgelegt werden könnten.

  4. Sehr geehrter Herr Lobin, gerade bin ich zufällig auf Ihren aufschlussreichen Beitrag gestoßen. Beantworten Sie mir doch bitte zwei Fragen: Macht es Ihrer Ansicht nach Sinn, dass die Gutachter*innen von den Geschäftsstellen vorgeschlagen werden?
    Ist es richtig, dass nur zuvor erfolgreiche DFG-Antragsteller*innen als Gutachter*innen berufen werden?
    Mit aufrichtigem Dank für Ihre Bemühungen verbleibt
    Ulrich Blomann

  5. Zur Auswahl geeigneter Gutachtender ist ein sehr guter Überblick über das ganze Fach notwendig. Mein Eindruck ist, dass die Fachreferenten diesen eher haben als die Mitglieder eines Fachkollegiums, bei denen sich dies eher auf ihren unmittelbaren Kompetenzbereich beschränkt. Die Auswahl von Gutachtenden selbst wird ja wiederum durch das Fachkollegium kontrolliert und eine inkompetente Begutachtung auch entsprechend bewertet. Insofern sehe ich einerseits keinen anderen Weg, als die Gutachtenden durch die Fachreferenten auswählen zu lassen und dabei zugleich die Auswahl und die dadurch resultierende Qualität der Gutachten zu kontrollieren.
    Was die Qualifikation der Gutachtenden selbst betrifft, so ist mir eine formale Regel, dass zuvor eine erfolgreiche Antragstellung stattgefunden haben muss nicht bekannt und wird auch wohl nicht grundsätzlich so praktiziert. In sehr speziellen Fachgebieten ist das möglicherweise auch kaum durchzuhalten, und zudem gibt es ja auch andere Drittmittelgeber, bei denen ein potenzieller Gutachtender seine eigenen Antragsteller-Erfahrungen gemacht haben kann.
    Beste Grüße, H. Lobin

  6. Ich kenne die Arbeitsweise der Professoren mittlerweile aus dem ff. Darum liebe Leser: Glaubt nicht alles, was hier steht. Würde man in der “echten” Forschung, also v.a. in Industriebetrieben derart schwerfällige und zeitraubende Entscheidungsprozedere zulassen, würde man rasch Marktanteile verlieren. Eine Entscheidung sollte nicht mehr als 2 bis 3 Monate in Anspruch nehmen (und das ist schon viel!). Ich betrachte die DFG als deutsches Professorenkartell, aber nicht als eine international wettbewerbsfähige Einrichtung, in der originelle und innovative Forscher sonderlich zum Zug kommen. Es gibt zu Hauf Projekte der Lehrstuhlinhaber, die überflüssig sind und trotzdem genehmigt werden, andererseits aber auch Eigenanträge, die nicht gebilligt werden, aus Gründen, die sich oft einem nicht erschließen …

    Mein Rat: Glaubt ja nicht das Märchen von der wettbewerbsfähigen deutschen Forschung! Es wäre sinnvoller, wenn man Dienstreisen und Abschreibemöglichkeiten bei deutschen Profs wesentlich reduzieren würde. Wären Entscheidungsprozesse mit hohen eigenen Kosten verbunden, wäre das anders.

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