Smarte Maschinen, smarte Diktatur

In zwei kürzlich erschienenen Büchern werden völlig gegensätzliche Bilder der digitalen Zukunft gezeichnet. Ulrich Eberl berichtet in “Smarte Maschinen. Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändert” aus den Forschungsinstituten, in denen diese Zukunft gestaltet wird. Harald Welzer verdammt in “Smarte Diktatur. Der Angriff auf unsere Freiheit” die Auffassung, dass Informationstechnologie unser Leben besser machen und aktuelle Probleme lösen kann. Smart wird unsere Zukunft also auf jeden Fall. Grund genug, sich diese beiden Bücher genauer anzusehen. 

Meine Ferienlektüre am Strand der Provence – zu Lande, zu Wasser und in der Luft gut bewacht von Polizei und Militär – sollte mich in diesem Jahr zu Stand und Perspektiven der Künstlichen Intelligenz unter besonderer Berücksichtigung der Robotik informieren. Als Computerlinguist hat man von Natur aus eine Affinität mit ersterer, der KI; und mit letzterer, der Robotik, verbindet mich persönlich das Thema meiner Habilitationsschrift, in der ich mich seinerzeit mit der natürlichsprachlichen Steuerung autonomer Roboter befasst hatte [1]. Das ist jetzt 20 Jahre her, und seitdem ist in der KI-Forschung und der Robotik viel passiert. Dass sich aber gerade in den letzten fünf Jahren ungewöhnlich viel getan hat, nimmt Ulrich Eberl zum Anlass, eine hochaktuelle Bestandsaufnahme intelligenter Technologien vorzunehmen. Die ältesten Verweise im umfangreichen Anhang reichen kaum einmal bis ins Jahr 2010 zurück, die meisten datieren aus 2015, und die neuesten stammen sogar aus diesem Jahr.

Eberl_SmarteMaschinen

Eberl sieht den bevorstehenden Wandel vor allem in einem massiven Einsatz intelligenter Roboter und führt dies vor allem auf vier Gründe zurück: die enorme Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Miniaturisierung auf der Ebene der Computer-Hardware, die immer schnellere und effektivere drahtlose Kommunikation, die schon jetzt zur Entwicklung eines “Robot-Internets” führt, die Miniaturisierung von Sensoren und die Datenexplosion im Internet. Das ganze ist unterlegt durch die Erfolge von Technikern und Ingenieuren, eine immer bessere Roboter-Hardware als Plattform für intelligente Agenten zur Verfügung zu stellen.

Um dieser teilweise etwas nüchternen Bestandsaufnahme – Eberl dekliniert sein Thema in 13 Kapiteln systematisch durch – einen narrativen Zugang zu verschaffen, ist jedem Kapitel ein weiterer Teil einer Geschichte vorangestellt, die sich im Laufe des Buchs wie ein Fortsetzungsroman zu einem Ganzen fügt und sogar mit einem Kriminalfall aufwarten kann. Die Teile der Geschichte sind sehr geschickt mit den Kapiteln verwoben, indem sie deren Gegenstand in eine hypothetische Zukunft im Jahr 2050 versetzen, ohne dabei den Handlungsverlauf zu sehr zu verbiegen.

Im mittleren Teil seines Buchs widmet sich Eberl ausführlich dem aus seiner Sicht wesentlichen Treiber der aktuellen Entwicklung: dem maschinellen Lernen. Sehr lesenswert ist hier, wie er die verschiedenen Methoden dazu darstellt – das unüberwachte Lernen zur Mustererkennung, das überwachte Lernen zum Einüben erwünschter Verhaltensweisen und das Reinforcement Learning als ein sich selbstorganisierender Lernprozess mit Belohnungsanreizen – darstellt. Dabei hebt er besonders auf die jüngst erzielten Erfolge durch Deep Learning ab, dem Einsatz von sehr großen künstlichen neuronalen Netzen für die Realisierung der verschiedenen Lernverfahren. Das IBM-System Watson und dessen Fähigkeiten zu Textanalyse bilden hier den Kristallisationspunkt, und Eberl verbindet geschickt die Darstellung der eindrucksvollen Fähigkeiten dieses Systems, etwa beim Gewinn des “Jeopardy”-Quiz’, und den technischen Verfahrensweisen, die diese ermöglichen (Kapitel 5). Im sechsten Kapitel seines Buchs geht er sogar noch einen Schritt weiter und erläutert anhand des Human-Brain-Projekts, das von der EU mit einer Milliarde Euro gefördert wird, wie sich diese heutigen Ansätze einer künstlich-neuronalen Informationsverarbeitung nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns mittelfristig weiterentwickeln werden.

Im Stil von Pressemitteilungen

Die folgenden Kapitel enthalten Bestandsaufnahmen in den Bereichen autonomes Fahren und Servicerobotik, Industrie 4.0, militärische Roboter-Anwendungen und das (nicht vorhandene) Problem der “Superintelligenz”, Emotion und Sozialität von Robotern sowie die Integration intelligenter technischer Systeme in den menschlichen Körper. Viel Interessantes ist hier zu lesen, vieles aber auch kaum anders als im Stile von Pressemitteilungen für Eberls vormalige Arbeitgeber Daimler und Siemens, die beide in einigen Kapiteln mit ihren Entwicklungen eine sehr prominente Rolle einnehmen. Überhaupt verfällt der Autor immer wieder in Floskeln wie “In der Zukunft wird…” oder “Die A der Zukunft werden nicht nur X sein, sondern auch Y. N.N. an der Universität U hat mit seinem Team sogar ein System entwickelt, das Z kann.”. Zwischenüberschriften sind mehrmals nach dem Schema “Wenn X Y macht” oder anderen wiederkehrenden Mustern gebildet, was mich an die gewollt munteren, sich einer angenommenen Laienleserschaft gutmütig anbiedernden Pressemitteilungen zu Forschungserfolgen von Universitäten erinnert, die tagtäglich zu Dutzenden im Informationsdienst Wissenschaft veröffentlicht werden. Und auch die Tatsache, dass gleich zweimal in dem Buch “der heilige Gral” intelligenter Systeme identifiziert wird – einmal als Semantik, ein anderes Mal als emergentes Verhalten –, erhöht nicht gerade das Vertrauen in die eschatologische Erlösungspotenz dieses Buchs.

Das Buch ist trotzdem sehr lesenswert, und einige Aspekte der aktuellen Roboter-Entwicklung sind wahrlich faszinierend. Die Möglichkeit etwa, dass intelligente Roboter per WLAN quasi telepathisch miteinander kommunzieren, ja vernetzen können, ist eigentlich naheliegend und technisch unmittelbar realisierbar, in seiner Konsequenz woanders aber so noch nicht dargestellt. Auch der ständig verfügbare Zugang zu den unerschöpflichen Wissensquellen des Internets zur Bearbeitung anstehender Aufgaben wird von Eberl sehr gut an Beispielen erläutert. Und er macht auch deutlich, dass es ja gar nicht darum gehen wird, einen humanoiden Roboter mit einer bestimmten Persönlichkeit und bestimmten, festgelegten Fähigkeiten auszustatten. Beides kann variabel angelegt sind, die “Persönlichkeit” per Download je nach Aufgabe angepasst und spezifische Fähigkeiten als “Cogs” (“die neuen Apps”) neu konfiguiert werden.

Einige Abschnitte, etwa der zur Industrie 4.0, erschließen sich nur vor dem Hintergrund einer kapitalistischen Machbarkeitsideologie, die den Produktionsfortschritt als solchen verabsolutiert. Auch bei der Darstellung der Servicerobotik im Haushalt habe ich mich irgendwann gefragt, was das überhaupt alles soll. Eine Küche, die selbständig einkauft, ein Gericht passend zu meiner Stimmung und meinen Gesundheitsdaten aussucht und es dann auch noch mit ihrem integrierten Roboterarm kocht, braucht hoffentlich niemand. Manchen der Wissenschaftler, die Eberl getroffen hat, möchte man lieber keine Verantwortung für unsere Zukunft übertragen. Hier ist eine unreflektierte Forschrittsgläubigkeit, ja Naivität zu verspüren, die die Kehrseite der beschriebenen “Errungenschaften” unterbelichtet lässt. Nur an wenigen Stellen werden diese Implikaturen diskutiert, und dann fallen Sätze wie: “In der Zukunft geht es nicht nur darum, die Privatsphäre zu schützen, sondern überhaupt freie Willensentscheidungen zu ermöglichen.” Wenn wir tatsächlich darauf zusteuern sollten, dann müssten wir doch eigentlich alles daran setzen, die Notbremse zu ziehen.

Welzer Buch will die Notbremse sein

Harald Welzers Buch will genau diese Notbremse sein. Im achten und letzten Kapitel, “Vorwärts zum Widerstand”, geht es um Möglichkeiten, sich der digitalen Sphäre zu entziehen oder sie sogar zu sabotieren. Richtig überzeugend fand ich die Hinweise nicht, etwa statt eines iPhones ein “iStone” aus geschliffenem Granit zu verwenden und das Internet wo es geht zu meiden, Makeup aufzulegen, das die automatisierte Gesichtserkennung von Überwachungssystemen irritiert, sinnlose Anfragen, Daten und Likes an die sozialen Netzwerke zu schicken, um deren Benutzermodellierung zu hintertreiben, oder sogar Bürgerwehren zu bilden mit dem Auftrag, Drohnen abzuschießen. Welzer, bekannt geworden unter anderem durch “FuturZwei, Stiftung Zukunftsfähigkeit“, will also Widerstand und Krawall, um die Zukunftsvisionen, wie sie unter anderem in Eberls Buch beschrieben werden, als lächerlich, undemokratisch, freiheitsberaubend und umweltbelastend zu entlarven.

Welzer_SmarteDiktatur

Das Buch ist in Teilen wie eine Polemik geschrieben und bringt immer wieder Beispiele, aus denen sehr allgemeine Schlussfolgerungen gezogen werden. Lang befasst er sich etwa zur Demonstration der zerstörerischen Macht der Crowd mit der Geschichte von Justine Sacco, die vor einem längeren Flug mit einem ungeschickt formulierten Tweet eine weltweite Welle der Empörung auslöste, die sie nach ihrer Ankunft mitsamt Freundschaften und Job nahezu komplett wegspülen sollte. Eigentlich befasst sich Welzer mit nahezu allem, was heute von Bedeutung ist, und das ist Programm: den ökologischen Problemen der Welt, dem Klimawandel, der Lage des Kapitalismus, politischer Freiheit, Konsum und Produktionsmethoden, der Macht des Geldes, Aktienmärkte, Monopole. Eine Stärke des Buchs besteht darin, diese Themen als miteinander verbunden zu betrachten, was sie ja tatsächlich auch sind. Stark sind etwa die Abschnitte, in denen Welzer sehr detailliert und offensichtlich gut informiert auf die ökologischen Kosten der Digitalisierung eingeht. So referiert er Berechnungen, nach denen ein Smartphone inklusive aller in die Cloud ausgelagerter Daten und Dienste anteilig so viel Strom wie eine große Kühl-Gefrierkombination verbraucht, durchgängig. Auch die zur Produktion dieses Kleincomputers aufgewendete Energie sowie der Rohstoff- und Wasser-Einsatz sei gigantisch. Und er zeichnet nach, wie es kommt, dass von den 700 Euro, die man für ein iPhone von Apple im Laden hinlegen muss, bei der taiwanesischen Herstellerfirma Foxconn mit ihren Produktionsstätten in Billiglohnländern nur 10 Dollar ankommen, wo der Rest des Geldes bleibt und was das für die Lebensbedingungen der Arbeiter bei Foxconn nach sich zieht.

Der Nachteil von Welzers Buch liegt aber darin, dass er die digitale Welt nicht wirklich begreift. All die technologischen Entwicklungen, die Eberl in seinen “Smarten Maschinen” eindrucksvoll beschreibt, kommen hier nicht vor, insbesondere nicht die, die tief in unser Leben, oftmals indirekt, eingreifen und weit jenseits des Smartphones liegen. Dies fängt bei intelligenten Netzen zur Verkehrs- oder Energiesteuerung an und hört noch lange nicht auf bei den digitalisierten Produktionsmethoden von nahezu jedem Produkt, das uns umgibt. Vielleicht kann der inzwischen 58-jährige Welzer tatsächlich auf Handy und Internet verzichten, und bei seinen Generationsgefährten, die auch seine Lesungen gut besuchen, wird dies, wovon ich mich selbst überzeugen konnte, sehr honoriert. Wenn jedoch alle dies täten, würden wir allerdings von heute auf morgen in einer Welt leben, die auch Welzer so nicht wollen mag. “Es ist nicht mehr länger möglich, die Verbindung unserer Welt mit den IKT zu trennen, ohne sie damit selbst abzuschalten”, hat Luciano Floridi längst festgestellt. Und ob ein 17-Jähriger heute tatsächlich die Wahl hat, auf sein Smartphone zu verzichten, wage ich zu bezweifeln. Die kulturelle Evolution lässt immer wieder aus einem Luxus eine Not erwachsen, und die, für die der Luxus eine Notwendigkeit geworden ist, können nicht einfach den Off-Schalter betätigen.

Fazit: Eberl lesen, mit Floridi drüber nachdenken

Welzers Buch ist in seinem Furor lesenswert, weil es vernachlässigte Zusammenhänge zwischen sonst kaum verbundenen Gebieten aufzeigt und Fragen zur Sinnhaftigkeit des Weges stellt, auf dem wir uns gerade befinden. Antworten auf diese Fragen bietet es jedoch nicht und kann deshalb auch nicht als Ergänzung zu Eberls Technologiebericht empfohlen werden. Welzer ist blind für den qualitativen Wandel, der sich mit der Digitalisierung und der Informationstechnologie derzeit vollzieht. Will man Substanzielles dazu erfahren, sollte man zu Luciano Floridis bereits 2014 erschienenen Buch “Die 4. Revolution” [2] greifen, aus dem auch das Zitat soeben stammt. Floridi will eine “Informationsphilosophie” begründen und diskutiert klassische Begriffe wie Zeit, Raum, Identität, Privatsphäre, Politik, Umwelt oder Ethik aus einer strikt informationellen Perspektive. Privatsphäre etwa sieht er nicht als zeitlos gegeben an, sondern als ein seit Anbeginn der Geschichte immer wieder neu austariertes Gleichgewicht von Informationen, die eine Person bestimmten Gruppen in bestimmten Situationen zur Verfügung stellt. Für ihn ist die Privatsphäre der Antike eine andere als die des Mittelalters, die des 19. eine andere als die 21. Jahrhunderts. Mit dem Rüstzeug, das einem Floridi an die Hand gibt, lassen sich die bei Eberl fehlenden Reflexionen ergänzen und die Grenzen von Welzers Streitschrift ziehen.

Anmerkungen:

Beitragsbild:  Kotaro, ein an der Universität Tokyo entwickelter humanoider Roboter, präsentiert in der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz im Rahmen des Ars Electronica Festivals 2008. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ars_Electronica_2008_Kotaro.jpg, Foto: Manfred Werner, CC BY-SA 3.0 [Änderung des Formats].

1 Henning Lobin: Handlungsanweisungen. Sprachliche Spezifikation teilautonomer Aktivität. Wiesbaden: DUV, 1998 [zugl.: Universität Bielefeld, Habil.-Schr., 1996].

2 Luciano Floridi: Die 4. Revolution. Wie die Infosphäre unser Leben verändert. Berlin: Suhrkamp, 2015 [zuerst auf Englisch erschienen bei Oxford University Press, 2014].

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Henning Lobin ist seit 2018 Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (Mitglied der gemeinsam vom Bund und allen 16 Bundesländern finanzierten Leibniz-Gemeinschaft) und Professor für Germanistische Linguistik an der dortigen Universität. Zuvor war er ab 1999 Professor für Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte bilden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Sprache, Texttechnologie, Grammatik, Wissenschaftskommunikation und Politolinguistik. Er ist Sprecher der Sektion "Geisteswissenschaften und Bildungsforschung" und Präsidiumsmitglied der Leibniz-Gemeinschaft, Mitglied germanistischer Fachbeiräte ua. von DAAD und Goethe-Institut, er war Mitglied des Forschungsbeirats der Stiftung Wissenschaft und Politik und des Fachkollegiums Sprachwissenschaft der DFG. Lobin ist Autor von neun Monografien und hat zahlreiche Sammelbände herausgegeben. Zuletzt erschienen sind Engelbarts Traum (Campus, 2014, polnische Übersetzung 2017, chinesische Übersetzung 2018), Digital und vernetzt. Das neue Bild der Sprache (Metzler, 2018) und Sprachkampf (Duden, 2021). Bei den SciLogs ist Henning Lobin seit 2014 Autor des Blogs "Die Engelbart-Galaxis", nachdem er dort bereits ab 2008 am Gruppenblog "Interactive Science" beteiligt war.

24 Kommentare

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  2. Jürgen Schmidhuber, ein Pionier des Deep Learning und des Unsupervised Learnings, hat noch eine dritte Sicht. Nach ihm werden zukünftige intelligente Systeme weder Smart Companions noch Smart Dictators sein sondern sie werden Smart Self-Driven Species sein. Nach Schmidhubers Ansicht werden intelligente Systeme sich bald so wenig um uns Menschen kümmern wie wir uns um Ameisen kümmern, denn sie haben grösseres im Sinn. Diese neue Species der hyperintelligenten Maschinen, von denen jede die Denkfähigkeit der gesamten Menschheit hat, wird statt dessen die unendlichen Weiten des Alls erobern und fremde Zivilisationen werden dann nicht mit uns Menschen sondern mit den von uns einmal geschaffenenen supersmarten künstlichen Geschöpfen zusammentreffen. Hier ein paar Zitate aus einem der vielen Interviews, die Schmidhuber zu diesem Thema gehalten hat.

    KIs werden vielleicht innerhalb weniger Millionen Jahre die ganze Milchstraße auf recht konventionelle Weise kolonisieren. …
    Die wahre Zukunft im Weltraum gehört nicht den Menschen, sondern der künstlichen Intelligenz. Sehen wir die Menschheit als bedeutende Stufe für den nächsten Schritt des Universums hin zu immer unfassbarerer Komplexität.

    Nun meine eigene Sicht. Meine These lautet verkürzt: Was sich alle wünschen, nämlich mehr Sinn im Leben, mehr Abenteuer, stärkere Gefühle, erinnerungswerte Erlebnisse, genau das muss nicht nur die heutige, sondern auch die zukünfige Technologie immer mehr Menschen immer nachhaltiger verschaffen. Die Zukunft sind deshalb smarte Gefährten, die unser Leben verstärken, die mit uns reden und denken wie unsere besten Freunde. Ohne Zweifel wird es diese künstlichen besten Freunde irgend wann geben – sie werden das Leben lebenswerter machen, aber auch neue Probleme schaffen. Diese Vision verträgt sich auch mit Schmidhubers Vision einer losgelösten Intelligenz und selbst mit der Vision einer smarten Diktatur. Man muss sich bewusst sein, dass die meisten Wünsche von Menschen privater und nicht politischer oder gesellschaftlicher Natur sind. Die Menschen der Zukunft werden gerade auch mit KI mehr erreichen können, sie werden mächtiger und – zählt man ihre intelligenten Unterstützter hinzu – auch autonomer sein. Gesellschaftlich muss das aufgefangen werden, indem sich eine neue Balance bildet zwischen der Macht des KI-verstärkten Individuums, des KI-verstärkten Staates (Überwachung, Nudging, Manipulation) und der KI-verstärkten Superreichen und der selbsternannten Weltgestalter (zu denen heute auch Google, Apple, Amazon etc. gehören).

    Meine Kernthese ist also: Menschen wollten schon immer ihr volles Potenzial erreichen. KI wird ihnen dabei helfen. Nicht sichtbare Cyborgs, Uncanny Valley und andere störende Artefakte werden uns begleiten, sondern Smartness, die uns zu Diensten steht und die sich auf natürliche Art und Weise in unser Leben einfügt (seamless integration of super powers).

    • Alle drei im Beitrag erwähnten Autoren sind in ihrer Einschätzung zurückhaltender. Für Welzer ist das sowieso Unfug, aber das zählt nicht. Eberl macht geltend, das auch eine Superintelligenz nicht um das Embodiment herumkommt und die damit verbundenen ziemlich langwierigen sozialen – und jeweils spezifischen – Lernprozesse. Floridi sieht es tendenziell so wie sie, allerdings ist er der Meinung, dass echtes semantisches Verständnis Maschinen prinzipiell unzugänglich ist (damit gleicht er wohl Eberl). Aber stattdessen werden wir, so Floridi, als “semantische Allesfresser” endlich mit intelligenter Unterstützung in die Lage versetzt, das ständig wachsende semantische Vermächtnis der Menschheit dauerhaft vorzuhalten und aufzubereiten. Dabei entsteht ein immer dichteres soziales Netz aus “Inforgs”, wie er es nennt, von dem wir bislang nur eine anfänglich Ahnung bekommen haben. Ich selbst tendiere auch zu Floridis Prognose, glaube also nicht an Bostroms “Superintelligenz” oder Schmidhubers “Omega” – das dahinter stehende Konzept von Intelligenz ist mir zu simpel.

      • Letzlich meinen Menschen, wenn sie über Roboter, über KI oder Gottgleicheit sprechen, immer Dinge, die sehr viel mit ihnen selbst zu tun haben. Die KI-Gemeinde und die Öffentlichkeit spricht jetzt von grossen Fortschritten, weil Programme nun bei Aufgaben wie Gesichter- oder Mustererkennung ganz allgemein zum Teil besser abschneiden als Menschen. Diese Erfolge wiederum verstärken die Forschungsanstrengungen in diese Richtung womit in Zukunft noch mehr menschenähnliche Leistungen auch in anderen Gebieten zu erwarten sind. Die meisten Forscher scheinen aber unabhängig von ihren Zukunftsvorstellungen was die Rolle der KI angeht, davon überzeugt zu sein, dass noch wichtiger als die Software die Leistungsfähigkeit der Hardware ist, denn einige clevere Algorithmen, die schon jahrzehntealt sind, können erst jetzt wirklich eingesetzt werden – vorher waren sie zu langsam. Viele KI-Forscher verwenden inzwischen Supercomputer um den langwierigen Lernakt abzukürzen und es gibt Forschungen mit neuromorphen Schaltkreisen, die mit extrem kleinen Strömen auskommen. Die verbreitete Annahme ist nun, dass diese Hardwarefortschritte auch zu entsprechenden Softwarefortschritten führen. Mit leistungsfähiger Hardware konnte man schon bis anhin im Betriebsystem- und Programmierbereich vieles emulieren und simulieren, was sonst spezialisierte Hardware nötig gemacht hätte. Auch im Bereich der KI kann man sich vorstellen, dass extrem leistungsfähige Hardware ein emuliertes Embodiment ermöglicht. Eine zukünftige KI kann vielleicht in einen zusammengesampelten Körper eines 11-jährigen New Yorkers schlüpfen und in der nächsten Sekunde sich in Scarlette Johansson verwandeln. Nichts von diesen Anstrengungen führt aber von sich aus zur Superintelligenz – ja oft nicht einmal zu Intelligenz überhaupt. Wirkliche Intelligenz in Maschinen zu emulieren braucht mehr als Weiterentwicklung des schon Erfolgreichen, es braucht Umbrüche, die heute noch nicht zu erkennen sind. Das war aber schon immer so und fast auf allen Gebieten. Je mehr Menschen sich aber damit beschäftigen umso eher passieren solche Epochenbrüche. Über die Zukunft der KI in 50 oder 100 Jahren lässt sich wegen der Unvorhersehbarkeit solcher Epochenbrüche nur wenig sagen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit aber wird eine noch leistungsfähigere Hardware dabei aber eine wichtige Rolle spielen.

          • In meinem Buch unterscheide ich zwischen ganz verschiedenen Arten der Intelligenz … und ich denke, das sollte man auch tun, weil man sonst sehr schnell die Dinge durcheinanderwerfen könnte. Es gibt die Intelligenz, die man mit dem IP misst, es gibt eine ganz praktische Intelligenz, die man braucht, um mit der Welt, in der wir (oder andere Geschöpfe leben) umzugehen, es gibt die emotionale Intelligenz, die soziale Intelligenz usw. usf.

            Eine smarte Maschine, die es mit uns Menschen aufnehmen will, muss meines Erachtens all diese Arten von Intelligenz beherrschen und noch mehr, wenn sie uns übertreffen will.

            Mit der Vorstellung von Herrn Holzherr (“Smartness, die uns zu Diensten steht und die sich auf natürliche Art und Weise in unser Leben einfügt”), kann ich gut leben. Natürlich werden wir vor allem Maschinen bauen wollen, die uns zu Diensten sind, zuerst auf speziellen Gebieten (das passiert ja schon, vom autonomen Fahrzeug bis zum Care-o-Bot) und dann immer mehr in Richtung eines allgemeinen “dienstbaren Geistes”, mit dem man nicht nur sinnvolle Gespräche führen kann, sondern der auch physisch in der Lage ist, uns zu unterstützen.

            Es grüßt der Buchautor der “Smarten Maschinen”, Ulrich Eberl

        • @ Herr Holzherr :

          Über die Zukunft der KI in 50 oder 100 Jahren lässt sich wegen der Unvorhersehbarkeit solcher Epochenbrüche nur wenig sagen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit aber wird eine noch leistungsfähigere Hardware dabei aber eine wichtige Rolle spielen.

          Zynisch oder vielleicht besser: ursisch formuliert, wäre die “Hardware” dieser Planet oder weitergehend diese Welt, die sich um Artificial Intelligence bemüht, wobei die ‘Art’ und die ‘Intelligenz’ als Konstruktionen nicht ganz klar sind.
          Dies hier – ‘Die verbreitete Annahme ist nun, dass diese Hardwarefortschritte auch zu entsprechenden Softwarefortschritten führen.’ – scheint ebenfalls nett angemerkt.
          Software, Programmierarbeit [1], hat mit Hardware, ausführende Maschinen derselben meinend, erst einmal nichts zu tun.

          MFG
          Dr. Webbaer

          [1]
          Es liegen Rechenvorschriften vor, die Bedeutung meinen, diese Welt betreffend oder rein formale mögliche Welten, soweit denkbar von sich in dieser Welt Befindlichen.
          Sehr lustig insofern die Annahme, dass “Software” verbunden mit “Hardware”, einstmals waren hier Pferd und Nahrungsmittel (“Stroh” etc.) gemeint, in der Lage sein könnten besondere künstliche Verständigkeit zu schaffen, die aus Sicht des hier gemeinten Primaten “verständiger” sein könnte (als was genau? – korrekt nachgefragt).
          Anders, ja, also anders schon, aber dieser Vergleich “Human-AI” muss raus.

          • @Dr.Webbaer. Software benötigt oft Hardwarevoraussetzungen. Mit der Hardware von 1990 wären autonom fahrende Autos oder auf variierende Umgebungen adäquat reagierende Roboter nur als Konzept nicht aber als Massenprodukt möglich gewesen.

          • Herr Holzherr,
            Software benötigt Hardware, das Softe dient dem Harten sozusagen, ansonsten wäre es nicht soft, Ihr Oft und Ihre Voraussetzungen könnten insofern gekürzt, auf sie verzichtet werden.
            Worauf Opi W hinaus wollte, war natürlich, dass AI andere Verständigkeit meinen muss als humane (oder ursische), dies war ihm schon wichtich.
            MFG
            Dr. W (der allerdings demnächst vorhat, zumindest sich dbzgl. notiert hat, auch mit dem hiesigen werten Inhaltegeber – für seine Nachrichten, seine Toleranz und Vernunft sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt – i.p. “Kapitalismus” noch ein Hühnchen rupfen zu wollen, demnächst)

      • Zitat: dass echtes semantisches Verständnis Maschinen prinzipiell unzugänglich ist scheinen also Floridi wie Welzer zu glauben. Nun ja, heute fehlt Maschinen semantisches Verständnis und ich kenne keine Arbeiten, die aufzeigen, was semantisches Verständnis ausmacht und wie es zu implementieren wäre. Das heisst aber nur, dass heutige Ansätze des maschinellen Lernens – soweit mir bekannt – ungenügend sind, nicht dass es nicht möglich wäre (Framing- &Status-Quo-Bias). Dennoch lässt sich schon jetzt skizzieren, wie Maschinen zu semantischem Verständnis vordringen können.
        Verständnis bedeutet für mich sich in einem oder multiplen Wissens- und Regelräumen orientieren und positionieren zu können, darum zu wissen, wie man solche Räume erweitern und ausbauen kann und wie man neue Dinge in diese Räume einordnet. Ein Beispiel dazu: Schon heute können Programme Emotionen von Menschengesichtern teils besser ablesen als Menschen (Ausnutzung von nur Bruchteile von Sekundenbruchteilen andauernder Mikromimik), sogar Depressionen und Persönlichkeitsmerkmale können sie anhand des Benutzerverhaltens diagnostizieren. Bald werden sie Charaktereigenschaften von Personen eruieren können, die in Videofilmen auftauchen. Ein Verständnis der Maschine für Emotionen liegt dann vor, wenn die Maschine menschliche Emotionen aufgrund von zu erwartenden Ereignissen richtig prognostizieren kann, wenn sie “ahnt” wie sich ein neues Gebäude oder eine neue Infrastruktur emotional auswirkt, wenn sie die Rolle von Emotionen im menschlichen Leben richtig einordnen kann, wenn sie über Emotionen scherzen kann und so weiter. Mit andern Worten: Verständnis bedeutet über ein lebendiges Wissens- und Regelnetz zu verfügen, wobei dieses Netz vielfältige Beziehungen zu andern Netzen beinhaltet. Wahrscheinlich muss ein “Versteher” zudem eine Person sein, wobei es wohl genügt das Personale als Sicht, als Perspektive anzulegen.
        Kein Wunder also, dass heutige KI’s nicht verstehen. Sie sind einfach nicht in der Lage semantische Netze selbständig zu pflegen und auszubauen, weil Ihnen unter anderem die Orientierung fehlt, sie selbst keine Person, ja nicht einmal eine “heile” Struktur sind. Es gibt aber Forschungsprogramme, die Robotern eine Persönlichkeit verschaffen wollen, zB das iCUB-Projekt, über das auch Spektrum der Wissenschaft einmal detailliert berichtet hat. Eine grunsätzliche semantische Hürde sehe ich für Roboter und Programme nicht.

  3. Bis auf eine Ausnahme ein guter Vergleich , es läuft wohl – wie immer – auf die Synthese von blinder Fortschrittsgläubigkeit und ihrem genauen Gegenteil heraus.
    Eine Kritik an Welzer ist jedoch unsinnig: Natürlich geht es auch ohne smartphone – völlig problemlos. Wers nicht glaubt , muß sich schon die Frage stellen lassen , ob er nicht tatsächlich ein Stück digitaler Diktatur gefressen hat.

    Auch dürften Welzers “Aufrufe” zur Randale eher symbolisch gemeint sein (ausgehend von obiger Beschreibung , das Buch habe ich nicht gelesen).

    Ich könnte mir vorstellen , daß er auf ein Notwehrrecht hinaus will , für den Fall totalitären Mißbrauchs des Digitalen , auch mit Gewalt. Wäre dem so , hätte er damit recht.

    • Symbolisch sind Welzers Aufrufe keineswegs gemeint, er meint es wirklich genau so, sammelt und empfiehlt diese und ähnliche Maßnahmen auch über FuturZwei. Aber eine gewisse ironische Brechung ist in seinem Buch auch durchgängig zu verspüren. Was das Ausschalten des Smartphones betrifft: Ja, natürlich lässt es sich ausschalten, aber was hat das für den 17-Jährigen heute zur Folge? Soziale Isolation. Und wenn man sich dann vergegenwärtig, dass wir Menschen “soziale Tiere” (David Brooks) sind, dann ist es aus Sicht dieser Sozialität tatsächlich nicht möglich, auf das Handy zu verzichten – wohlgemerkt: für die Generation Z, die um 2000 Geborenen und vollständig mit ubiquitärer IT Augewachsenen (also diejenigen, die die zukünftige Entwicklung prägen werden).

      • @Henning Lobin

        Wenn man so denkt , kann man gleich das Feld für alle Herdentiere räumen , es gibt – gerade unter jungen Leuten – auch immer viele , die sich über das kreative Außenseitertum definieren , gäbe es sie nicht , gäbe es übrigens auch kein Internet.
        Daß dann solche Innovationen die Massenkonformität fördern , ist ein paradoxer und nicht neuer Widerspruch in sich , die Zivilisation schafft sich immer wieder auch selber fast ab.
        Ich kann mir gut vorstellen , daß in absehbarer Zeit eine neue Generation kommt , die es als sowas von uncool betrachten wird , ständig am phone zu hängen und die vielleicht sogar soziale Netzwerke ablehnen wird , zumindest das peinliche Modegetue drum rum , das auffällig häufig von Leuten kommt , die gar nicht zu den “digital natives ” zählen , sondern peinlich darum bemüht sind , mitzuhalten , mit dem , was sie für jugendlich halten.
        Je lauter es heißt , dies oder jenes wäre jetzt aber sowas von die Zukunft , desto näher ist der Untergang dieses Phänomens.
        Es ist ein kleiner Schritt vom “digital native” zum “digital naive”.

        • @ DH :

          (…) ständig am phone zu hängen (…) soziale Netzwerke ablehnen (…) das peinliche Modegetue drum rum

          Opi Webbaer lehnt “soziale Netzwerke” genau dann ab, wenn Benachrichtigende dort ihren pers. Mist aufbereiten, was oft der Fall ist, auch wenn dieser “Mist” relativ einzuschätzen bleibt, von Konsumenten.
          Ansonsten gibt es so etwas wie die Macht des Faktischen, gerne dbzgl. recherchieren, auch im Web, >:-> ; soll heißen: stehen bestimmte Kommunikationsmittel bereit und das Web, das die Möglichkeit meint, dass jeder (!) mit jedem (!) kommunizieren kann, ist hier sozusagen der maximale Ausbau dieser Möglichkeit, kann insofern nicht missachtet werden.

          Es ist ein kleiner Schritt vom „digital native“ zum „digital naive“.

          Bereits die Verwendung dieser Mode-Wörter deutet darauf hin, dass Sie im Web angekommen sind.
          Dr. W würde sich nicht erlauben dbzgl. zu formulieren.

          MFG
          Dr. Webbaer (der natürlich, was “soziale Netzwerke” betrifft, stets steif-skeptisch bleibt, wie es sich wohl auch gehört; der in diesem Zusammenhang gerne noch kurz anmerkt, dass es dort, gerade, wenn monopolistisch erscheinende Anbieter auf dem Markt sind, Stichwort: Facebook (mit dem nicht sehr netten “Zuck” an der Spitze), auch schnell zu Meinungslenkung und Manipulation kommen kann, bspw. Heiko Maas, Angela Dorothea Merkel und so wünschen diese – sehr mies, oder?)

          PS:
          Im Web wird selektiv konsumiert, diesen Standardspruch musste Ihr Kommentatorenkollege noch schnell loswerden.

  4. Schwierig, der Schreiber dieser Zeilen hat Harald Welzer immer als Tiefpunkt kollektivistischer Gegenrede kennengelernt, als einer der mögliche Tiefpunkte, personalisiert, sozusagen.
    Schwierig, Frank Schirrmacher, womöglich eine Art Säulenheiliger dessen, was feuilletonistisch möglich war, muss hier nicht schlechter (oder besser) gewesen sein.
    Das Feuilleton der FAZ scheint jedenfalls nachhaltig versaut, sofern dies in concreto der Schreiber dieser Zeilen anmerken darf, natürlich nur. [1]

    Schwierig, abär ganz am Rande notiert: Es gibt keinen ‘Kapitalismus’ (kam in der Wurzel zweifach in der WebLog-Nachricht vor); der sog. Kapitalimus dient dazu aufklärerische Gesellschaftssysteme -begrifflich- zu diskreditieren, die u.a. auch freies unternehmerisches Handeln meinen (müssen), bleibt kollektivistisch-marxistische Niedrigkeit.

    Schwierig.

    MFG + schönen Freitag, Samstag und Sonntag schon mal, auch das Wochenende meinend,
    Dr. Webbaer

    [1]
    Muss jetzt nichts direkt mit diesem Topic oder mit dieser Personalie zu tun haben.

    • Nein, diskreditieren will ich mit dem Begriff “Kapitalismus” nichts und niemanden, sondern eine bestimmte Funktionslogik beschreiben, die einige (nicht alle) der beschriebenen Entwicklungen (z.B. die der Industrie 4.0) antreibt. Allerdings kann man mit Blick auf Google, Facebook und Amazon auch von einem Datenkapitalismus sprechen. Und ich stimme Ihnen zu, dass es eine riesengroßer Verlust ist in diesem Zusammenhang, dass Frank Schirrmacher nicht mehr lebt, der, wie ich meine, gerade diesen Zusammenhang in seinem letzten Buch “Ego” hervorragend dargelegt hat.

  5. Bonuskommentar hierzu :

    Floridi will eine „Informationsphilosophie“ begründen und diskutiert klassische Begriffe wie Zeit, Raum, Identität, Privatsphäre, Politik, Umwelt oder Ethik aus einer strikt informationellen Perspektive.

    Ohne diesen Kollegen, hmm, näher beforscht zu haben oder irgendwie zu folgen:
    Das Fachwort lautete im d-sprachigen Raum zumindest bisher womöglich Webkompetenz.
    Sehr nett das mit der Vierten Revolution, Opi W. sieht hier auch eine Folge der Art “Erfindung der Sprache, Erfindung der Schrift, Erfindung des Buchdrucks & Erfindung der Vernetzung (erkennender Subjekte)” – und vor diesem Hintergrund: schwierig.

    MFG
    Opi W (der sich immer auch ein wenig beömmelt, wenn Kräfte der Güteklasse Schirrmacher oder Welzer dbzgl. bundesdeutsch beizutragen versuchen)

    • Floridi bezieht sich mit dem Begriff der 4.Revolution auf diese drei vorherigen: 1. Kopernikus, 2. Darwin, 3.Freud/Neurowissenschaften – jeweils mit einer Enttäuschung für das menschliche Selbstverständnis verbunden: 1. Die Sonne dreht sich nicht uns, 2. Wir sind keine besondere Spezies, 3. Wir können nicht alles in uns erkennen. Die Enttäuschung der 4. Revolution: Wir sind nicht die einzigen, die Informationen verarbeiten.

      • Aja, danke, Ihr Kommentatorenfreund denkt hier womöglich ein wenig schlichter, was die Bearbeitung in Form von Information meint, als Luciano Floridi (und Sie).
        Zum Ausdruck kam dies auch bei der sozusagen diametralen Einschätzung des Herrn Schirrmachers, der insofern auch post mortem hier verdammt wird, weil er Nachricht der Art Welzers womöglich erst hat sozial anerkannt werden lassen, konservatives und liberales, der Schreibär dieser Zeilen ist liberal, Zielpublikum meinend.

        Schwierig, auch bei derartiger Einschätzung – ‘Die Enttäuschung der 4. Revolution: Wir sind nicht die einzigen, die Informationen verarbeiten.’ – wird Ihr Kommentatorenfreund ein wenig unfroh.
        Auch diese Nachricht blieb hier im Kern unverstanden.

        Macht abär nüscht, schönes Wochenende schon einmal und vielen Dank für Ihre Nachrichten,
        MFG
        Dr. Webbaer

  6. Und auch die Tatsache, dass gleich zweimal in dem Buch „der heilige Gral“ intelligenter Systeme identifiziert wird – einmal als Semantik, ein anderes Mal als emergentes Verhalten –, erhöht nicht gerade das Vertrauen in die eschatologische Erlösungspotenz dieses Buchs.

    Hier gerne mal substanziell werden, was die gemeinte Identifikation, die Semantik und (das gemeinte) ermergente Verhalten betrifft.
    Der Nachsatz mit der ‘eschatologische[n] Erlösungspotenz’ kam hier übrigens suboptimal an.

    Sie haben ja zwei Publikationen, die eine dem Anschein nach: vom Fach, Ulrich Eberl sei an dieser Stelle gegrüsst – dazu: Herr Welzer und (wie immer vermutlich: subterran), bearbeitet und gegenübergestellt.

    MFG
    Dr. W

  7. Für die Gesellschaft und Politik entscheidend ist die Durchdringung unseres Alltags, unserer Lebenswelt mit smarter, schlussfolgernder Datenverarbeitung. Diese Durchdringung ist heute im Bereich Konsum und Kommunikation am grössten, was sich etwa an personalisierter Werbung im Netz zeigt ( das Netz weiss welche Bücher ich gelesen habe etc) .
    In anderen Bereichen ist diese Durchdringung noch sehr gering. So mussten die Transaktionsdaten, welche aufzeigen, wie sich die Finanz- und Immobilienkrise 2008 entwickelte (Qualität der Bündelung/Verbriefung von Immobilienkrediten, etc.) noch mühsam von Interessierten manuell zusammengekratzt werden und die jüngste Steuerrückzahlungsrückforderung an Apple durch eine EU-Kommissarin geht auf Erkenntnisse zurück, die bei Aussagen von Firmen wie Apple, Google, etc gegenüber der IRS und US-Parlamentariern ans Licht kamen: dass nämlich Apple in den Genuss des sogenannten Double-Irish kam und seine Gewinne nicht wie vorgesehen mit 12.5% gegenüber dem irischen Staat versteuern musste, sondern sie auf die Bahamas auslagern konnte. Mit andern Worten, EU-Kommissare wussten nicht einmal wie Steuervermeidungstricks in ihren Mitgliedsländern funktionieren, weil es keinen rückverfolgbaren Datenstrom gab/gibt, der einen Untersucher das nachvollziehen lässt. Auch über die Hintergründe des spanischen Immobilienbooms oder der griechischen Verkonsumierung von EU-Krediten wusste z.B. Eurostat nichts.
    Das liesse sich heute aber ohne weiteres ändern – mit Datennetzen, die finanzielles, soziales und politisches Verhalten nachverfolgbar und mittels Machine Learning nach Mustern durchsuchbar machen. Ein solches ICT-Netz, genannt Future-ICT wurde der EU beispielsweise von Dirk Helbling von der ETH vorgeschlagen.
    In meinen Augen ist es nur eine Frage der Zeit bis sogar ein weltweites Netz, genannt Living Planet, aufgebaut wird. Aufgebaut wird es auf jeden Fall. Entweder von Regierungen und Universitäten oder von Firmen wie Google, Facebook und Apple.

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