Deutsch ins Grundgesetz? Ja, aber richtig

Mit der aktuellen politischen Kontroverse um ein Sprachgesetz, durch das das Gendern verboten würde, hat auch ein anderes Thema wieder an Brisanz gewonnen: die Aufnahme des Deutschen als Staatssprache ins Grundgesetz. Zwar ist die Diskussion darüber ähnlich polarisiert wie bei der gendergerechten Sprache, doch lohnt es sich auch hier, eine differenzierte Perspektive einzunehmen. Denn es gibt gute Gründe dafür. 

Über die Frage, ob die deutsche Sprache ins Grundgesetz aufgenommen werden soll, wird seit Jahren gestritten. Bereits 2011 hatte der “Verein Deutsche Sprache” dieses Anliegen erfolglos in den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages eingebracht, die CDU 2016 einen entsprechenden Parteitagsbeschluss gefasst. In den Koalitionsvertrag von 2018 schafft es dieser dann jedoch nicht. Auch die AfD hatte 2016 die Forderung nach “Deutsch ins Grundgesetz” in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen – 2018 war es dann auch eine der ersten Anträge der neuen Bundestagsfraktion, eine entsprechende Grundgesetzänderung vorzunehmen. Dieser wurde mit den Stimmen aller anderen Parteien, auch denen der CDU, abgelehnt. Im aktuellen Wahlprogramm der AfD ist die Forderung erneut enthalten (S. 159). 

Sollte die deutsche Sprache im Grundgesetz sichtbarer werden? Jedenfalls sollte es nicht in einer Weise geschehen, dass damit ein Ansatzpunkt für eine nationalidentitäre Sprachpolitik geschaffen wird. Aus diesem Grund verbietet es sich in meinen Augen, die deutsche Sprache in der von der AfD vorgeschlagenen Formulierung, „Die Landessprache in der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch“, ins Grundgesetz aufzunehmen. Der für diese Änderung vorgesehene Artikel 22, in dem es im ersten Absatz um die deutsche Hauptstadt geht und im zweiten um die Bundesflagge, scheint mir kein geeigneter Ort dafür zu sein, behandelt er doch die grundlegenden Staatssymbole auf Bundesebene. Die deutsche Sprache ist jedoch nicht einfach ein bundesstaatliches Symbol und sollte auch nicht so verstanden werden, zumal es auch Staatssprache in fünf anderen Ländern ist.

“Sprache” im Grundgesetz

Das Wort „Sprache“ kommt im gesamten Grundgesetz überhaupt nur ein Mal vor, im „Gleichheitsartikel“ Nummer 3, wo es im ersten Satz des dritten Absatzes heißt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Dieser Teil des Grundgesetzes, in dem es mit den Grundrechten um die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit, die Religions- und Meinungsfreiheit (Artikel 4 und 5) geht, scheint mir ein besserer Ort dafür zu sein, um die Rolle der deutschen Sprache in der Gesellschaft zu erfassen.

Worum sollte es überhaupt gehen, wenn die deutsche Sprache in das Grundgesetz aufgenommen wird, ohne dass dadurch zugleich sprachpolizeilichen Maßnahmen oder nationalidentitärer Politik der Weg gebahnt wird? Ich denke, es sollte weniger um die deutsche Sprache selbst gehen, als um das, wofür wir sie benötigen: um das gesellschaftliche Miteinander zu ermöglichen. Will man dies gewährleisten, sollte statt der Sprache als solcher die Sprachförderung Verfassungsrang erhalten, eine Aufgabe, die in der Politik auf Bundes- und Landesebene gegenwärtig ohnehin eine erhebliche Bedeutung besitzt.

Eine Formulierungsvorschlag

Wie könnte eine entsprechende Formulierung lauten? Von der „menschlichen Gemeinschaft“ wird im Grundgesetz bereits in Artikel 1 gesprochen, in dem es um die Menschenrechte geht. In Artikel 6 ist die Rede von der „staatlichen Gemeinschaft“, die über die „Betätigung“ der Eltern bei Pflege und Erziehung „wacht“. Verschiedene andere Aufgaben werden Bund und Ländern in anderen Artikeln des Grundgesetzes mit entsprechenden Formulierungen gemeinsam zugeordnet. Ich meine, dass eine Regelung im deutschen Grundgesetz, die die Zielsetzung der Sprachförderung verfolgt, folgendermaßen aussehen könnte:

Die deutsche Sprache bildet die Grundlage der staatlichen Gemeinschaft. Ihre Beherrschung zu ermöglichen und zu fördern ist Aufgabe des Bundes und der Länder.

Eine solche Regelung könnte als vierter Absatz in Artikel 5 aufgenommen werden, in dem es in Gestalt von Meinungsfreiheit und der Freiheit von Lehre und Forschung bereits um „Kommunikation“ im weiteren Sinne geht. In einem zweiten Satz sollte zudem der Status von Regional- und Minderheitensprachen garantiert werden, wie dies etwa in der Österreichischen Verfassung geregelt ist. Die explizite Erwähnung dieser Sprachen würde vor dem Hintergrund einer Regelung zur deutschen Sprache ein wichtiges Signal der Zugehörigkeit für die muttersprachlichen Sprecherinnen und Sprecher dieser Sprachen darstellen, auch wenn durch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen in Deutschland bereits entsprechende Rechte gelten.

Bekenntnis zu Mehrsprachigkeit

Schließlich sollte in diesem Zusammenhang auch die Förderung der Mehrsprachigkeit genannt werden. Die Formel „ein Staat – eine Sprache“ ist eng mit der Entstehung von Nationalstaatlichkeit verbunden und stellt sowohl im globalen als auch im historischen Zusammenhang betrachtet eher die Ausnahme als die Regel dar. Mehrsprachigkeit hingegen war schon immer das, womit Menschen konfrontiert waren: die Beherrschung der lokalen Heimatsprache und die einer Lingua franca, mit der man sich in einem größeren Zusammenhang verständigen kann. Oft kommt sogar noch eine Herkunftssprache hinzu.

Ein Staat wie Deutschland, der zugleich als ein Teil des übernationalen Staatenbundes der Europäischen Union fungiert, sollte sich deshalb auch ganz grundsätzlich zu einer Lingua franca bekennen. Faktisch ist dies heute zweifellos die englische Sprache. Ziel sollte es sein, das ewige Für und Wider bei der Frage zum Status des Englischen in ein differenziertes Sowohl-Als auch zu verwandeln, wie es uns viele kleinere Länder in der EU vormachen: Deutsch für das Miteinander in Deutschland und im deutschsprachigen Raum in besonderer Verbundenheit mit den deutschsprachigen Menschen in der Welt, ein europäisches, internationales Englisch für ein effektives Agieren auf der internationalen Bühne von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Hinzu käme noch die besondere Förderung der Sprachen der Nachbarn, vor allem des Französischen und des Polnischen.

So könnte ich mir „Deutsch ins Grundgesetz“ vorstellen: Ein Bekenntnis zum Deutschen als der Grundlage der staatlichen Gemeinschaft mit der Verpflichtung, sprachliche Bildung zu fördern, Schutz von Regional- und Minderheitensprachen und die Förderung von Mehrsprachigkeit, insbesondere in Hinsicht auf eine Lingua franca, als Voraussetzung für die Teilhabe an internationaler Kommunikation in Europa und die Gestaltung eines gemeinsamen Lebensraums für uns alle in der Welt.

Beitragsbild: Pixabay (Ausschnitt)

Anmerkung: Dieser Beitrag beruht auf dem Abschnitt “Noch einmal: ‘Deutsch ins Grundgesetz'” (S. 146-149) meines Buchs “Sprachkampf”, das im März 2021 im Dudenverlag erschienen ist. 

 

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Henning Lobin ist seit 2018 Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (Mitglied der gemeinsam vom Bund und allen 16 Bundesländern finanzierten Leibniz-Gemeinschaft) und Professor für Germanistische Linguistik an der dortigen Universität. Zuvor war er ab 1999 Professor für Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte bilden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Sprache, Texttechnologie, Grammatik, Wissenschaftskommunikation und Politolinguistik. Er ist Sprecher der Sektion "Geisteswissenschaften und Bildungsforschung" und Präsidiumsmitglied der Leibniz-Gemeinschaft, Mitglied germanistischer Fachbeiräte ua. von DAAD und Goethe-Institut, er war Mitglied des Forschungsbeirats der Stiftung Wissenschaft und Politik und des Fachkollegiums Sprachwissenschaft der DFG. Lobin ist Autor von neun Monografien und hat zahlreiche Sammelbände herausgegeben. Zuletzt erschienen sind Engelbarts Traum (Campus, 2014, polnische Übersetzung 2017, chinesische Übersetzung 2018), Digital und vernetzt. Das neue Bild der Sprache (Metzler, 2018) und Sprachkampf (Duden, 2021). Bei den SciLogs ist Henning Lobin seit 2014 Autor des Blogs "Die Engelbart-Galaxis", nachdem er dort bereits ab 2008 am Gruppenblog "Interactive Science" beteiligt war.

15 Kommentare

  1. “So könnte ich mir „Deutsch ins Grundgesetz“ vorstellen: Ein Bekenntnis zum Deutschen als der Grundlage der staatlichen Gemeinschaft mit der Verpflichtung, sprachliche Bildung zu fördern, Schutz von Regional- und Minderheitensprachen und die Förderung von Mehrsprachigkeit, insbesondere in Hinsicht auf eine Lingua franca, als Voraussetzung für die Teilhabe an internationaler Kommunikation in Europa und die Gestaltung eines gemeinsamen Lebensraums für uns alle in der Welt.”

    d’accord. Bis auf “Lingua franca”, da man nicht weiß, was Sie darunter verstehen. Heute versteht man nur: ich geh’ Bahnhof und weiß, wo dein Haus wohnt!
    Mir persönlich ist das alles wurscht. Meinetwegen kann der ganze Quark zur Hölle gehen.

    • Womöglich darf auch deutsche Kultur, vgl. vielleicht auch mit dem “Exodus” jener Dame (Dr. W hat hier sozusagen sadistischerweise den toten “Bayernkurier” zitiert), grundgesetzlich geschützt werden, wenn Kultur auch Sprache meint.

      • Die deutsche Sprache ist ein Hauptbestandteil der deutschen Kultur und gehört zu Deutschland, ebenso wie es in anderen Ländern üblich ist.
        Eine Verstümmelung sollte unbedingt verhindert werden.

  2. Die Schweiz ist viersprachig. Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch.
    In Belgien gibt es drei Sprachen, Französisch, Flämisch, Deutsch.
    In Deutschland gibt es zwei Sprachen ,Deutsch und de facto auch Türkisch.
    Der Eintrag ins Grundgesetz wird also in einer anderen Form erfolgen als beabsichtigt.

  3. Sie zählen hier die Amtssprachen der Schweiz und Belgien auf. In Deutschland ist dies auf Bundesebene nur das Deutsche, auf Landesebene gibt es noch einige Sprachen, die regional ebenfalls für amtliche Zwecke zugelassen sind (Friesisich, Sorbisch, Dänisch vor allem). Das Türkische zählt nicht dazu.

  4. Henning Lobin.
    Danke für die Ergänzung. Genau deshalb mein Kommentar mit dem Hinweis auf Türkisch. Der AfD wird es nicht gefallen , wenn man über Türkisch als Amtssprache oder nur regional nachdenken wird.
    Bei Großveranstaltungen und an wichtigen Stellen wird schon in Deutsch und in Türkisch gewarnt. Bei uns auf den Grillplätzen sind die Schilder schon zweisprachig, Deutsch und Türkisch. Das ist auch vernünftig, in unserer Stadt zählt man im Zentrum etwa 30 % türkischsprachige Mitbewohner. Das statistische Amt hat hochgerechnet, dass in etwa 30 Jahren die 50 % Grenze überschritten wird. Ein Rundfunksender sendet schon ganztäglich in Türkisch.

  5. (Zitat) Die deutsche Sprache [als] Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, die Bewahrung des Status der Minderheitensprachen, (Zitat) die Förderung der Mehrsprachigkeit (aus „antinationalistischen“ Gründen) und die Erwähnung der englischen Sprache als Lingua Franca (Zitat: „ein europäisches, internationales Englisch für ein effektives Agieren auf der internationalen Bühne von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur“) und eine Erwähnung der Rolle der Nachbarsprachen,
    das würde gemäss Henning Lobin in eine Verfassung gehören, die sich der „Sprachfrage“ widmet.

    Da kann ich nur applaudieren. Diese Aufzählung deckt wohl alle Berührungspunkte von gesprochener und geschriebener Sprache mit Kultur und Politik in Deutschland ab.

    Ein besonderes Kompliment aber für die Erwähnung von Englisch als Lingua Franca im Verkehr von Deutschen mit dem Ausland. Das zeugt mir von grossem Sprachpragmatismus, von der Anerkennung der „Grosswetterlage“ gewissermassen. Nun, ich sehe die Rolle von Englisch sogar noch etwas grösser und weiter gefasst als es Henning Lobin hier tut. Er spricht von (Zitat) “Englisch für ein effektives Agieren auf der internationalen Bühne von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur“.
    Doch Englisch dient beispielsweise auch der Verständigung von deutschen Touristen mit der Bevölkerung während eines Ferienaufenthalts. Selbst ich habe schon in den Ferien mit einem Frannzösisch-Sprachigen auf Englisch kommuniziert. Das gilt vor allem bei weniger „exotischen“ Feriendestinationen als Mallorca, wo man Schilder antrifft wie „Eisbein auf Sauerkraut“.

    Hier eine kleine erfundene Geschichte zu deutschen Touristen im „exotischen“ Ausland mit Touristen, die gerade das Mittagsmenu studieren:
    Sohn Karl-Heinz: „Pommes Frites with Ketchup and Steak“ klingt lecker. Aber das hier, „Crispy garlic roasted potatoes“, das versteht nun wirklich niemand.
    Vater: Ja, da wären wir wohl ziemlich verloren, wenn es nicht auch Gerichte gäbe, die in Deutsch angeschrieben sind wie die Pommes Frites mit Steak und siehst du hier, die „Sphagetti carbonara“. Siehst du Karl Heinz, Deutsch har es an viele Orte geschafft.

    • Vorherrschaften der Sprache, hier wohl auch das British Empire meinend, sind Gegebenheiten, auch Moden, die in Verfassungen aus Sicht einiger nichts zu suchen haben, die chinesische Sprache ist ebenfalls im Kommen, Mandarin heißt sie womöglich, ich mag keine gegenständliche Schriftsprache und bin insofern sinologisch wenig interessiert, Sprachen des Islam, der ja zu Doitschland gehören soll, wie einige meinen, sind ebenfalls im Kommen, auch Französisch, Grande Nation und so, wir vergleichen mit dem ESC, ist nicht tot und auch Russen, spanisch-grundierte Sprachen wie auch afrikanische könnten relevanter werden, gerade auch : bundesdeutsch.
      >:->

      Verfassungen dürfen hier aus Sicht einiger Grenzen setzen, definieren oder bestimmen.
      Viele reden übrigens auch außerhalb Deutschlands deutsch, D darf aus Sicht einiger die Konkurrenz suchen (Wie viele Millionen Erdbewohner sprechen deutsch?), muss nicht schlappschwänzig den Rückzug suchen, auch wenn’s womöglich, harhar, aktuell bereit stehender Mentalität entspricht.

  6. Die deutsche Sprache bildet die Grundlage der staatlichen Gemeinschaft. Ihre Beherrschung zu ermöglichen und zu fördern ist Aufgabe des Bundes und der Länder. [Artikeltext, textlicher Ergänzungsvorschlag für das bundesdeutsche GG]

    Was ist denn ‘staatliche Gemeinschaft’?

    Hier findet sich dieser Begriff einmal, der des ‘Deutschen Volks’ viermal und der des Volks, auch die Wurzel meinend, 45fach.

    Gemeint wohl :

    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsvolk


    Besser insofern womöglich :

    Die deutsche Sprache bildet die Grundlage des deutschen Volks [oder : Staatsvolks]. Ihre Beherrschung zu ermöglichen und zu fördern ist Aufgabe des Bundes und der Länder.

    Wobei Ämter, Behörden und so derart gezwungen werden könnten immer auch einen passenden, übersetzenden deutschsprachigen Text bereit zu stellen, wenn von ihnen nicht deutschsprachige Texte bereit gestellt werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  7. Die Überlegungen bzgl. der Platzierung der deutschen Sprache in den Artikeln des GG waren recht interessant. Gefallen hat mir aber nicht die ablehnende Begründung aufgrund möglicher nationalidentitärer Kristallisationskeime. Einfach aus Angst das Gegenteil zu machen, wirft i.d.R. nur neue Probleme auf. Der Rest der Vorschläge verströmt dann auch folgerichtig ein wenig inspirierendes Odeur des Kleinmachens, des Duckens und der Nivellierung: Wenn Deutsch schon festgeschrieben werden soll, dann müssen auch gleich noch Englisch, Französisch und Polnisch als Ausgleich draufgepackt werden. Wenn schon die Deutschen ihre Sprache als so unwichtig ansehen, wer soll da noch Lust haben, Deutsch zu lernen und zu nutzen? Die Felder der Politik, Wissenschaft und Kultur werden gleichmal ausgeschlossen – besser kann man Förderung, Ambition und Begeisterung nicht kappen. Dem Deutschen wird quasi der Platz in der letzten Reihe zugewiesen. Vielleicht steht ja dort ein Pferd zur Konversation bereit, beim Karl hatte es ja auch geklappt.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Sebastian B.

    • War sicherlich ein Tiefpunkt :

      Jedenfalls sollte es nicht in einer Weise geschehen, dass damit ein Ansatzpunkt für eine nationalidentitäre Sprachpolitik geschaffen wird. Aus diesem Grund verbietet es sich in meinen Augen, die deutsche Sprache in der von der AfD vorgeschlagenen Formulierung, „Die Landessprache in der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch“, ins Grundgesetz aufzunehmen. [Artikeltext]

      Gar aus ausländischer Sicht so betrachtet, hab mir in den letzten Tagen noch ein Paar Jokes aus bundesdeutschem Gefilde notiert, großgeschrieben, bei fortlaufender Großschreibung., weil dies einfach schnell geht :
      1.) ‘FUER DEN ESC WIE ALLE EUROPAEISCHEN ORGANISATIONEN GILT: DIE DEUTSCHEN ZAHLEN AM MEISTEN UND STEHEN AM ENDE ALS VERLIERER DA.’
      2.) ‘WILLST DU DEUTSCHLAND OBEN SEHEN, MUSST DU DIE TABELLE DREHEN!’
      3.) VATERLANDSLIEBE FAND ICH STETS ZUM KOTZEN. ICH WUSSTE MIT DEUTSCHLAND NOCH NIE ETWAS ANZUFANGEN UND WEISS ES BIS HEUTE NICHT.’ (Habeck, kenne den Mann nicht näher, ist wohl bundesdeutscher Ökologist)

    • Der Formulierungsvorschlag hebt die deutsche Sprache klar heraus, sie ist “die Grundlage der staatlichen Gemeinschaft”. Was wollen Sie mehr? In einer Verfassung geht es um staatliche Angelegenheiten, kulturelle werden auf anderen Feldern verhandelt. Ein Land wie die Schweiz hat sogar vier Sprachen in der Verfassung festgelegt, ohne dass jemand Sorge hat, dass eine davon abgewertet wird. Und durch Mehrsprachigkeit erst recht nicht – das ist gute europäische Tradition.

  8. Henning Lobin,
    Wir leben in der EU, das Ziel ist das Wegkommen vom Nationalstaat zu einer Staatengemeinschaft. Es wäre gut, wenn die Sprachregelung in allen Mitgliedstaaten der EU gleich wären. Die Entwicklung sieht anders aus. Im Elsass ist die Zweisprachigkeit nicht mehr gewollt. In Südtirol werden die Landkarten nicht mehr mit den deutschen Namen als erste gedruckt, sondern als zweite. Achten sie mal auf die Schilder bei den Autobahnen.
    Dass wir bis jetzt die deutsche Sprache nicht im GG verankert hatten, hat der Sprache nicht geschadet. Überhaupt wird der Einfluss des GG überschätzt.

  9. Bedeutet Liebe zum eigenen Land gleichzeitig Wunsch nach Dominanz der Landessprache?
    Wer mit dem eigenen Land eine bestimmte Kultur verbindet und diese Kultur möglichst weit verbreitet sehen will, der neigt auch dazu, der eigenen, ja zur Kultur gehörenden und die Kultur formende Sprache, eine möglichst grosse Verbreitung zu wünschen.
    Frankreich 🇫🇷 spricht von der frankophonen Welt und meint damit einen Sprach- und Kulturraum, der weit über das Land Frankreich hinausgeht. Frankreichs Politik betont und beschützt die französische Sprache deshalb deutlich stärker als Deutschland das tut.

    Andere Länder aber definieren sich nicht über eine bestimmte, einheitliche, das ganze Land durchdringende Kultur, Sprache und ähnliche Denkweise. Zu diesen Ländern gehören beispielsweise die Schweiz oder Kanada. Dort wird in den verschiedenen Sprachräumen tatsächlich verschieden gedacht – auch politisch verschieden gedacht.

    In Deutschland gibt es nur eine vorherrschende Sprache: Deutsch nämlich. Doch trotzdem gibt es bis heute keine einheitliche Kultur in Deutschland. Die kulturellen Unterschiede zwischen Nord und Süd und West und Ost sind in Deutschland recht gross. Deutschland ist wohl auch darum ein „verspäteter Nationalstaat“. Leider bedeutete die Bildung eines Nationalstaates in Deutschland nicht unbedingt, dass sich die Deutschen nun besser untereinander verstanden, sondern dass sie sich stärker relativ zum Ausland fühlten und das dann auch in Geländegewinne umsetzen wollten. Deutschland entstand nicht zuletzt durch geistige Ausgrenzung vom benachbarten Ausland, durch Verächtlichmachung des „Franzosen“ und Überhöhung des „deutschen Wesens“ – das es eigentlich gar nicht gab und das konstruiert werden musste.

    Liebe zum eigenen Land darf also nicht mit Liebe zur dominanten Landessprache gleichgesetzt werden. Liebe zum eigenen Land bedeutet vielleicht mehr bereit dazu zu sein im gleichen Boot/Schiff unterwegs zu sein – ganz unabhängig von den den Sprachen der Passagiere und der Besatzung.

    Ist ein Deutscher, der mit Deutschland nichts anfangen kann, ein besserer Europäer?
    Robert Habeck, der kürzlich noch als potentieller zukünftiger Bundeskanzler gehandelt wurde, schrieb in einem seiner Bücher (Zitat):

    Vaterlandsliebe also, fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht.“

    Ich kann mir Habeck sehr gut als neuer Deutscher Bundeskanzler vorstellen, der Macron gegenübersteht und sagt: “ich spreche nicht als Deutscher, sondern als Europäer und als Europäer verstehe ich nicht, dass sie Emmanuel immer wieder rein französische Interessen in der EU durchsetzen wollen“

    Man darf sich sicher sein, dass ein Deutscher, der nicht deutsch, sondern europäisch sein will, bei den europäischen Kollegen nicht unbedingt auf mehr Gegenliebe stossen wird, als ein Deutscher, der nur für Deutschland und nicht unbedingt für Europa sprechen will.

    • Dazu kurz :

      Vaterlandsliebe also, fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland nichts anzufangen und weiß es bis heute nicht. [Robert Habeck – hat der wirklich geredet bzw. geschrieben]

      Ich kann mir Habeck sehr gut als neuer Deutscher Bundeskanzler vorstellen, der Macron gegenübersteht und sagt: “[I]ch spreche nicht als Deutscher, sondern als Europäer und als Europäer verstehe ich nicht, dass sie, Emmanuel, immer wieder rein französische Interessen in der EU durchsetzen wollen“ [“Martin Holzherr”, ein als solches unerkennbares Pseudonym liegt vor, was nicht allen im Web als schicklich gilt]

      Habeck versteht sich aus diesseitiger Sicht als Weltbürger, als Globalist, er würde vermutlich nicht dediziert / dezidiert, als Weltbürger eurozentrisch werden wollen, gegenüber einem französischen Freund.

      Letztlich prallen Nationalismus (in der moderaten Form nicht selten Patriotismus genannt) und Internationalismus (der idR Kollektivismus bedeutet, Konkurrenzdenken, Kompetitivität auf Erd-Ebene sollen ausgeschaltet werden, einer sog. (Global-)Gerechtigkeit folgend) aufeinander; das eine mag weniger oder mehr gut sein als das andere, abär geeinigt werden könnte sich womöglich darauf, dass es (auch hier) um einen Mittelweg gehen müsste, die Extrema zu meiden blieben?

      Mit freundlichen Grüßen
      Dr. Webbaer

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