Tanz der Löcher im 12-Jahres-Takt

BLOG: Einsteins Kosmos

Vom expandierenden Universum bis zum Schwarzen Loch
Einsteins Kosmos

Astronomen haben ein aufregendes Doppelsystem aus zwei supermassereichen Schwarzen Löchern in 3,5 Mrd. Lichtjahren Entfernung untersucht [1]. Sie befinden sich im Zentrum einer Galaxie mit der Katalogbezeichnung OJ 287. Die beiden Löcher kreisen um den gemeinsamen Schwerpunkt, ein Tanz bei dem ein Umlauf etwa 12 Jahre dauert. Zum Vergleich: Die Umlaufzeit des Gasriesen Jupiter um unsere Sonne beträgt auch 12 Jahre.
Aus dem Studium der Bewegung der Löcher folgt, dass das zentrale Loch das massenreichere ist und eine Masse von 18 Mrd. Sonnen hat – meines Wissens ist das bislang das schwerste Loch im Kosmos. Das kleinere Loch hat hingegen eine Masse von 100 Mio. Sonnen – auch recht ordentlich; eventuell ist das der Kern einer kleineren Galaxie, die mit QJ 287 zusammenstieß. Das zentrale Schwarze Loch ist verantwortlich für einen aktiven Galaxienkern, der als sog. BL Lac-Objekt klassifiziert wurde.

Räumliche Größe des zentralen Massengiganten
Nehmen wir an, das zentrale Loch rotiere nicht. Der Ereignishorizont hätte dann bei 18 Mrd. Sonnenmassen einen Radius von 54 Mrd. Kilometern oder 360 Astronomischen Einheiten. Das entspricht etwa 9fachen der Distanz Sonne-Pluto. Ein wahrhaft gigantisches Loch!
(Falls das Loch rotiert, wäre es kleiner – Minimum 4,5fache Entfernung Sonne-Pluto)

Das Besondere am Lochpaar
Das massereiche Zentralloch sammelt Materie aus der Umgebung auf. Dabei hat sich eine ausgedehnte Materiescheibe ausgebildet, die leuchtet und astronomisch beobachtbar ist. Trifft nun das umlaufende kleinere Loch auf die Materiescheibe, findet ein bemerkenswerter Helligkeitsausbruch statt, der ebenfalls astronomisch mehrfach beobachtet wurde. Aus diesen regelmäßigen Ausbrüchen folgt die Umlaufzeit anhand der Lichtkurven (Diagrammen mit der Helligkeit über der Zeit). Was mich fasziniert hat: Astronomen beobachten die wechselnde Helligkeit von OJ 287 im Optischen schon seit mehr als hundert Jahren! Die alle 12 Jahre wiederkehrenden zwei Helligkeitsspitzen, assoziiert mit dem Crash des kleinen Loches und der Materiescheibe, sind schon lange bekannt. 

Das Besondere an der Entdeckung?
Systeme mit zwei massereichen Schwarzen Löcher (engl. massive binary black holes) wurden bereits entdeckt, so z.B. NGC 6240 [2]. Das Grandiose an der Untersuchung von OJ 287 und die Rechtfertigung für die Publikation im renommierten Fachjournal Nature ist, dass das Doppelsystem Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie bestätigt. Insbesondere passen die Beobachtungsdaten hervorragend zur Erwartung aus der Theorie, dass die beiden Löcher Gravitationswellen abgeben. Derartige Wellen werden von beschleunigten Massen abgegeben. Ihre Amplitude ist umso größer, je größer die beteiligten Massen und die Beschleunigungen sind. Die Abstrahlung der Gravitationswellen beim Tanz zweier solcher Lochtitanen ist enorm. Durch die abgegebenen Gravitationswellen verliert das System Energie. Folglich nähern sich nach langen Zeiträumen die Löcher immer mehr an – in ferner Zukunft werden sie zu einem noch schwereren Loch verschmelzen.
Im Falle von OJ 287 ist der Energieverlust durch Gravitationswellen so groß, dass sich die Periode der Helligkeitsausbrüche beim Treffen des Lochs auf die Materiescheibe merklich verschiebt. Die Forscher errechneten, dass der Ausbruch 20 Tage später stattgefunden hätte als beobachtet, wenn man die Gravitationswellen in der Kalkulation nicht berücksichtigt. So passt der Ausbruchszeitpunkt jedoch bestens zu Einsteins Physik und bestätigt indirekt die Abgabe von Gravitationswellen. Bislang gelang ein indirekter Nachweis der Gravitationswellen nur bei Paaren kompakter Sterne, den sog. Binärpulsaren (Hulse-Taylor-Pulsar, Nobelpreis 1993).

Die Entdecker
Erstautor des Nature-Papiers ist Prof. Dr. Mauri Valtonen, Uni Turku in Finnland. Bitte unbedingt auf die finnische Website über OJ 287 schauen! Von deutscher Seite zeichnet sich der Astronom PD Dr. Jochen Heidt von der Landessternwarte Heidelberg für die Beobachtungen verantwortlich. Die deutschen und finnischen Teams arbeiten im europäischen Projekt ENIGMA zusammen. Das gelüftete Geheimnis um die doppelte Helligkeitsspitze von OJ 287 stellt einen spektakulären und respektablen Erfolg dieser europäischen Kooperation dar. Mich hat es begeistert.

Quellen:
[1] Valtonen et al., Nature, 452, 851, 2008: A massive binary black-hole system in OJ 287 and a test of general relativity (Ausgabe vom letzten Donnerstag)
[2] Komossa et al., ApJ 582, 15, 2003: Discovery of a Binary Active Galactic Nucleus in the Ultraluminous Infrared Galaxy NGC 6240 Using Chandra

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Die Astronomie ist faszinierend und schön – und wichtig. Diese interdisziplinäre Naturwissenschaft finde ich so spannend, dass ich sie zu meinem Beruf gemacht habe. Ich bin promovierter Astrophysiker und befasse mich in meiner Forschungsarbeit vor allem mit Schwarzen Löchern und Allgemeiner Relativitätstheorie. Aktuell bin ich der Scientific Manager im Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München. In dieser Tätigkeit im Forschungsmanagement koordiniere ich die interdisziplinäre, physikalische Forschung in einem Institut mit dem Ziel, Ursprung und Entwicklung des Universums als Ganzes zu verstehen. Besonders wichtig war mir schon immer eine Vermittlung der astronomischen Erkenntnisse an eine breite Öffentlichkeit. Es macht einfach Spaß, die Faszination am Sternenhimmel und an den vielen erstaunlichen Dinge, die da oben geschehen, zu teilen. Daher schreibe ich Artikel (print, online) und Bücher, halte öffentliche Vorträge, besuche Schulen und veranstalte Lehrerfortbildungen zur Astronomie, Kosmologie und Relativitätstheorie. Ich schätze es sehr, in meinem Blog "Einsteins Kosmos" in den KosmoLogs auf aktuelle Ereignisse reagieren oder auch einfach meine Meinung abgeben zu können. Andreas Müller

4 Kommentare

  1. Schwarze Wissenslöcher

    Dein Wunsch sei mir Befehl.

    “Der Ereignishorizont hätte dann bei 18 Mrd. Sonnenmassen einen Radius von 54 Mrd. Kilometern oder 360 Astronomischen Einheiten. Das entspricht etwa 9fachen der Distanz Sonne-Pluto. Ein wahrhaft gigantisches Loch!”

    Diese Zahlen sprengen doch den Rahmen der Vorstellungskraft … und sie zeigen gigantische schwarze Löcher in meiner Allgemeinbildung auf. Also werde ich in Zukunft tatsächlich öfters mal vorbeischauen, um den Radius meiner schwarzen Löcher zu verringern. Gibt es denn schon einen Artikel für Laien der die Vision der Müllentsorgung mittels schwarzer Löcher thematisiert? 😉

  2. Kein Kommentar, …

    sondern nur Fragen:

    1) Wird ein um 3 Wochen verspäteter Kommentar auch noch beantwortet?

    2) Warum ist ein rotierendes SL kleiner als ein nicht-rotierendes?

    3) Wann ist der nächste Helligkeitsausbruch ‘geplant’?

    4) Wird dieser wieder 20 Tage ‘zu früh’ erfolgen (oder 19 oder 21)?

    5) Welche Frequenz haben momentan die Gravitationswellen und mit welcher Amplitude laufen sie bei uns vorbei?

Schreibe einen Kommentar