Sparta reloaded

BLOG: Edle Einfalt, stille Größe

Hellas inside
Edle Einfalt, stille Größe

Athen, an einem Tag Ende Februar, im Jahr sechs der Krise. Auch wenn EU, EZB und IWF hierzulande ein eisiges Klima schaffen, haben die neuen Griechen wie weiland die alten in Sachen Wetter die Götter auf ihrer Seite. Als wäre immer noch Spätsommer, lässt Zeus auch heute die Sonne strahlen, die noch mehr wärmen könnte, wollte man es nicht so warm in den eigenen vier Wänden haben. Die Athener heizen nun mal, wenn der Kalender Winter vorschreibt, dabei ist’s heuer allein die Stimmung, die auf dem Gefrierpunkt ist, die Temperaturen sind es keinesfalls. Doch der gemeine Südländer hat es gern heißer, hat am liebsten alle Tage Sommer in seinem saloni, was jetzt die Regierung hintertreibt. Der Finanzminister hat per Sondersteuer – die gefühlt tausend und xte seit Ausbruch der Krise – das Heizöl so teuer wie Diesel gemacht, weil er verhindern will, dass in den Zeiten der Not die Swimmingpools geheizt werden. So seine Erklärung – ja, auch die Zeugnisse werden immer ärmer in diesem Land, wo man doch einst auf die Logik kam. Die Normalbürger haben keine Swimmingpools und die Reichen immer noch genug Geld, die ihren zu beheizen.

Es wurde Winter, es wurde kühler und all die neu installierten Zentralheizungen in Athen blieben kalt. Die Hausverwaltungen teilten ihren Mietern mit, dass diese wegen der exorbitant gestiegenen Kosten fürs Öl doch bitte das Heizen selbst in die Hand nehmen sollten. Die Großstädter entsannen sich der alten Anverwandten auf den Dörfern und deren altmodischen Methoden, einen Raum warm zu bekommen. Bulleröfen mussten her, und kein apothiki (warum nur haben die deutschen Pharmazeuten für ihr Etablissement das griechische Wort für Abstellkammer oder Schuppen gewählt? Und für sich die Berufsbezeichnung Abstellkämmerer?!) war zu abseits, zu verrümpelt, zu zugemüllt, um nicht durchstöbert zu werden. Wer auch auf den zahlreichen Flohmärkten der Stadt nicht fündig wurde, nahm den offenen Kamin in Betrieb, der bis dahin in den modernen Appartements nur Zierrat war.

Aber womit heizen? Womit all die Öfen und Feuerstellen füllen? Na, mit Holz, denkt sich da der Nordländer. Holz ist auch der erste Gedanke eines Griechen. Doch leicht gedacht in einem Land, das schon in der Antike kahlgeschlagen wurde. Mittlerweile gibt es wieder Wälder, es wird aufgeforstet, fast aber will es scheinen, als hätte da ein gewisser Sisyphos das Amt des Oberförsters übernommen. Kaum stehen die Schösslinge in frischem Grün, kommt der Sommer und mit ihm die Brände, die Bäumlein wie Bäume in Asche legen. Schonungen werden hier nicht geschont, entweder machen die Wildschweine sie nieder oder die Schweine von Wilderern, die es nicht auf die Wildsauen (der griechische Jäger, zwar ausgerüstet wie zur Großwildjagd, wagt sich an nichts Größeres als Singvögel heran), sondern auf die Bäume abgesehen haben.

Jetzt will ich den Athenern nicht unterstellen, dass sie es waren, die den Baumbestand am Berg Olymp übel dezimiert und die Wäldleins rund um die Hauptstadt noch mehr gelichtet haben. Na ja, nicht direkt, aber indirekt, denn ihr Begehr, die Stube zu heizen, hat auch den Holzmarkt angeheizt. Da aber auch Holz seinen Preis hat und wegen der großen Nachfrage bald unerschwinglich wurde, sann man auf neue zündende Ideen in puncto Brennmaterial. Um die Zimmertemperatur in diesem warmen Winter der Außentemperatur anzugleichen, landet schließlich alles in den Öfen, was brennt: Gestrüpp aus den Stadtparks, Paletten, Obstkisten, Pappkartons, Verpackungsmaterial, alte Möbelstücke, ja ganze Bibliotheken sollen schon verheizt worden sein, erzählt man sich jedenfalls in den Kafeneions. Jede Wohnung betreibt ab diesem Winter, besieht man es genau, ihre eigene Müllverbrennungsanlage. Ohne irgendeinen Filter. (Es existieren bis dato weder staatliche noch städtische Müllverbrennungsanlagen in Griechenland. Es gibt nur die Kippen, wo der Müll hin- und hergeschoben wird, bis er – das walten die Götter – versickert. Wie man es auch mit den Geldern hält, die von der EU regelmäßig für den Bau moderner Anlagen ins Land fließen.) Ein Problem, das gen Himmel stinkt – im wahrsten Sinn des Wortes. Aus tausenden von Rohren ballern die Kanonenöfen ihr Gift in die Luft. Über der Stadt, die ohnehin immer mit Abgasen zu kämpfen hat, liegt seit Wochen ein schmutziggelber Rauchpilz, der die Sonne ihrer Strahlkraft beraubt. Und den der Grieche, der gern all das Üble schönredet, für das er die Verantwortung nicht auf andere abwälzen kann, niedlich nefos, die Wolke, nennt.

Mein Tankwart tut das seine zum nefos dazu. Mit einem weit antikeren Heizkörper, als es die Bulleröfen sind. Er sitzt vor der Tankstelle, die nicht mehr die seine ist, weil ihn die Mineralölgesellschaft wegen mangelnden Umsatzes vor die Tür gesetzt hat. Da kann er erst mal bleiben, bis ein Nachpächter gefunden ist, was dauern wird in einer Stadt, wo keiner mehr Heizöl kauft und auch Benzin nicht länger ein Verkaufsschlager ist. Die Tankstelle liegt in einem so gut wie SUVfreien Viertel; die meisten Bewohner hier sind vom Kleinwagen wieder aufs Moped umgestiegen.
Kein Platz ist in der Hauptstadt derzeit so friedlich wie eine Tankstelle. So auch die einstige meines Tankwarts, wo er an diesem Februartag wie alle Wintertage zuvor gemütlich mit zwei Freunden um ein Holzkohlebecken sitzt. Diese Metallschüsseln auf drei Beinen, auf denen einst die ganz alten Griechen den Göttern Fleischopfer brieten. Die nicht ganz so alten Griechen brieten daran in erster Linie sich selbst. Noch bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts war der Dreifuß die einzige Wärmequelle in vielen bergdörflichen Kafeneions. Wenn die Männer nachts nach Hause gingen, packte ein jeder ein bisschen Glut in den Eimer, um es daheim auch ein bisschen warm zu haben.

An dem antiken Dreifuß geben sich mein Tankwart und seine Freunde nun dem hin, was die Athener bereits vor 2500 Jahren taten: Sie philosophieren.

„Wie einst in Sparta!“ meldet sich der zu Wort, der seine Hände demonstrativ über die Glut hält, um sie aufzuwärmen.
„Die Spartaner hatten keine Öfen!“
„Das nennst du Ofen?“
„Die Spartaner haben überhaupt nicht geheizt!“
„Wie bei uns!“
„Sie haben winters wie sommers ohne Decke und nackt geschlafen!“
„Wird bei uns auch noch kommen!“
„Sie haben nur ihre Blutsuppe gegessen!“ schüttelt sich der, der seit dem Frühstück an einem Sesamkringel mümmelt.
„Wie bei uns!“.
„Blutsuppe! So ein Graus! Würde ich nie anrühren!“
„Wie? Du rennst doch zweimal am Tag in Markthalle um deine patsás zu essen. Das ist Schlachtsuppe und Schlachtsuppe ist gleich Blutsuppe!“
„In meiner patsás ist kein Blut drin!“
„Ist es doch!“

So vom Essen redend, beschließen die Drei, noch eine Runde gehaltvoller Kaffees zu bestellen, diese Mokkas mit ordentlich Satz in der kleinen Tasse. Minuten später trifft der fahrende Kellner ein, der, die eine Hand an der Lenkstange seines Mopeds, in der anderen Hand das Henkeltablett schwenkt. Mein Tankwart behauptet, erst dieses Schleudern verleihe dem griechischen Kaffee den richtigen Biss.

„Die Spartaner haben das Geld abgeschafft!“
„Wie bei uns!“
„Was denn? Wir haben doch noch Geld!“
„Hast du noch Geld!“
„Nein“
„Also!“
„Nimmt man es genau“, versucht sich mein Tankwart an einem Fazit, „dann waren es Griechen, die die Austerität erfunden haben. Die Troika ist bei den Spartanern in die Schule gegangen!“

Eine weitere Tugend der Spartaner kommt dieser Krisentage wieder zum Tragen: die Wertschätzung der Alten. Erst abgeschoben, werden sie jetzt schleunigst zurückgeschoben, aus den Altersheimen zurück in den Schoß der Familie geholt, da deren Renten helfen, auch wenn sie noch zu klein sind, das immer karger werdende Haushaltgeld aufzubessern. In der Krise jedem seine Oma, auch wenn‘s nicht die eigene ist. Es ist zu wünschen, dass sich die Wahlverwandten besser um die Alten kümmern, als die Kirche – siehe letzter Blog.

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Geboren in Deutschland; Vater und Mutter – der eine klassischer Archäologe, die andere Altphilologin – brainwashten ihr einziges Kind bereits im zarten Alter, lasen ihr z. B. als Gute-Nacht-Geschichte die „Odyssee“ vor – auf Altgriechisch. Studium der Vor- und Frühgeschichte und Alter Geschichte in Tübingen, Oxford und Athen. Weil es ihr die alten Griechen angetan haben, zog sie nach ihrem Examen in deren Land; und lebt gern hier, auch wenn die neuen Griechen nichts unversucht lassen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Sie arbeitet hier als Archäologin; flüchtet mitunter – wenn Abstand von Griechenland angeraten ist – in ihren Blog und zu Grabungen in die Türkei, den Vorderen Orient, Mittleren und Hinteren Orient. Nera Ide

32 Kommentare

  1. Na ja, Sparta ist ein unpassender Vergleich, war es doch ein ständig einsatzbereiter Kriegerstaat, während das heutige Griechenland gegen den imaginären Feind Türkei rüstet – mit teuren Waffen, die die griechischen Militärs in Deutschland eingekauft haben und mit Geld, das sie gar nie besessen haben.
    Im übrigen passt die Beschreibung der Lage im Text zur Herunterstufung Griechenlands zum Schwellen- und damit Entwicklungsland. Der Grund für diese Herabstufung war, dass der griechische Aktienindex seit 2007 um 83 Prozent abgesackt ist. Einiges anders ausser dem Aktienindex scheint auch abgesackt zu sein. Kürzlich wurde in den Nachrichten über die immer schlechtere medizinische Versorgung berichtet, die dazu führt, dass chronisch Kranke wie Diabetiker nicht mehr behandelt werden. Einige Mediziner würden sich sogar nicht wundern, wenn bald schon Seuchen ausbrechen würden.

    Was mich am meisten wundert ist, dass die Griechen und ihre Regierung, keinerlei Alternativen sieht. Das Glück oder Elend der Griechen kommt aus der EU. Selber scheinen sie sich nichts zuzutrauen, einen Ausstieg aus der EU schon gar nicht. Die ewigen Feinde der Griechen, die Türken, scheinen sich besser zu entwickeln. Das beste was Griechenland mit den Waffen machten könnte, die sich ihre überdimensionierte Armee angeschafft hat, wäre sie an die Türkei zu verkaufen. Das wäre ein Beitrag zur Verteidigung eines zivilen Lebens.

    • Das beste was Griechenland mit den Waffen machten könnte, die sich ihre überdimensionierte Armee angeschafft hat, wäre sie an die Türkei zu verkaufen. Das wäre ein Beitrag zur Verteidigung eines zivilen Lebens.

      Korrekt! – Zumal die Türkei wichtige aufklärerische Werte teilt, in der NATO ist & die Nähe zu Europa sucht.
      HTH
      Dr. W

  2. Man kann sich regelrecht bildlich vorstellen, wie im alten Sparta frierende jämmerliche Gestalten die Nähe von Öfen suchten. – BTW, stimmt die Information, dass die ‘alten Griechen’ mit den neuen ethnologisch wenig gemeinsam haben?
    MFG
    Dr. W

    • Schon zu Beginn der Eurokrise gab es einen längeren Artikel in der NZZ, der betonte, die heutigen Griechen seien kulturell in der Balkanregion anzusiedeln, mit den alten Griechen hätten sie kaum etwas gemein. Damit wurden solche Dinge wie die allgegenwärtige Korruption in Griechenland erklärt. Hier ein paar Ausschnitte aus dem NZZ-Online Artikel Griechenland ohne Säulen

      Jahrelang sah Europa zu, wie Griechenland grobfahrlässig in eine Krise schlitterte, die nun die EU bedroht. Dabei hat man der Illusion von der Wiege der europäischen Kultur nachgehangen und übersehen, dass Griechenland von den Strukturen und den damit verbundenen Problemen her ein Balkanland ist.

      Die neugriechische Gesellschaft ist wie ihre Nachbarn auf dem Balkan im Wesentlichen aus Strukturen des Osmanischen Reiches hervorgegangen. Das verbreitete Misstrauen der Gesellschaft gegenüber dem Staat, die Hemmung staatlicher Einrichtungen durch Klientelismus und Korruption, die Bedeutung persönlicher Beziehungen bei der Wahrnehmung sozialer Interessen, eine nicht gleichmässig akzeptierte Übernahme europäischer Normsysteme (Verfassung, Recht), eine geringe Konsensfähigkeit im politischen Leben, eine gewisse Skepsis gegenüber der Marktwirtschaft, die bisweilen verbunden ist mit kollektivistisch ausgerichteten Gesellschaftsidealen – all dies findet sich in den Staaten der Region,…

      • Deckt sich auch mit dem Kenntnisstand Ihres Kommentatorenfreundes, Herr Holzherr; ansonsten scheinen die griechischen Kollegen zumindest vom Willen her noch eine gewisse spartanische Wehrhaftigkeit gegenüber dem östlichen NATO-Freund zu pflegen.
        MFG
        Dr. W (der über die Jahre immerhin drei Monate in G verbracht hat, hier einerseits auf große Bildungsfreundlichkeit traf wie leider auch auf Nickeligkeit)

  3. Die Neugriechen lieben es immer noch sich als Nachfahren und Erbe der Altgriechen zu sehen. Leider erschwert dieses mythologische Bild nicht nur adäquate Beziehungen zwischen Griechen und Nichtgriechen, sondern es verstellt den GriechInnen auch die eigene Zukunft, indem es sie die Gegenwart als altgriechische Tragödie erleben lässt anstatt sie erkennnen zu lassen, dass sie ganz ähnliche Probleme wie die Nachbarländer Kroatien, Serbien, Mazedonien etc. haben.
    Ein Deutscher, Brite oder Skandinavier, der den Griechen helfen will aus ihrer Misere herauszukommen, entwickelt schnell einmal Vorschläge wie diesen:
    “Macht aus Griechenland ein EU-Protektorat mit Peer Steinbrück und seiner Kavallerie als Verwalter. Dann ist es schon 1 Jahr später vorbei mit der Steuerhinterzieherei der Reichen und mit Beamten, die den Staat blockieren und in die eigene Tasche arbeiten. Vorbei mit Arbeitsstellen, wo es gar nichts zu arbeiten gibt und mit Medizinern, die nur Patienten behandeln, die ihnen ein Fakelaki zustecken. Dafür kehrt dann deutsche Rechtschaffenheit und kaufmännisches Denken ein “
    Mit anderen Worten: Viele Nichtgriechen trauen den Griechen nicht mehr zu, dass sie selbst den Weg der Besserung beschreiten werden oder diesen Weg überhaupt beschreiten können. Viele Nichtgriechen sind überzeugt davon, dass es den Griechen besser gehen würde, wenn sie von Nichtgriechen regiert würden, von Leuten, die die nötigen Reformen gleich selbst einleiten anstatt wie die Troika Reformanträge zu stellen, die sowieso torpediert oder schicht ignoriert werden.
    Und einige Griechen denken wohl genau gleich darüber. Auch in Italien bin ich immer wieder auf viele Menschen getroffen, die die italienische Politik für eine einzige Katastrophe halten. Doch geändert hat das in 20 Jahren nichts. Unzufriedenheit gestern, heute und morgen und die Gewissheit dass man daran nichts ändern kann – obwohl niemand anders als die Bewohner der betroffenen Gegend überaupt etwas ändern können. Das Leben als Tragödie aber ganz ohne die Erhabenheit einer altgriechischen Tragödie.

  4. Ich frage mich ob Herr Holzherr überhaupt wahrnimmt, dass viele seiner Äußerungen über Griechenland, und v.a. das letzte Kommentar, ein schönes Stück europäischen kolonialen Denkens des 19. Jh. ist. Die Rede ist einfach von den indigenen wilden Stämmen, die von den Trägern der deutschen Hochkultur regieren und zivilisieren lassen sollten. Es ist erstaunlich, dass zu Beginn des 21. Jh. solche typisch koloniale und zum Teil rassenkundliche Gedanken so haarsträubend selbstverständlich geäußert werden, als ob wir noch in 1850 lebten. Es ist offensichtlich, dass ganze Bereiche der modernen Wissenschaft, z.B. die Sozialanthropologie, die theoretische Zurückweisung des kolonialartigen Evolutionismus, der Kulturrelativismus, usw. den Weg zu einem wichtigen Teil der deutschen Bevölkerung noch nicht gefunden haben. Der neue deutsche Mittelalter ist hier und das war schon klar vom Anbeginn der Eurokrise.

    Man fragt sich auch ob Herr Holzherr je daran gedacht hat, dass sein karikaturartiges Bild von Griechenland auf ganz subjektive und kulturel bedingte Kriterien beruht. Wenn wir eine andere Gruppe von Kriterien als die von ihm zitierte berücksichtigen (“Das verbreitete Misstrauen der Gesellschaft gegenüber dem Staat, die Hemmung staatlicher Einrichtungen durch Klientelismus und Korruption, die Bedeutung persönlicher Beziehungen bei der Wahrnehmung sozialer Interessen…”, usw.), dann werden wir eine ganz verschiedene Lagekarte Europas bekommen. Wenn wir nämlich andere Kriterien aufsuchen wie z.B. Tamperament, Flexibilität, Extrovertiertheit, Stil beim Anziehen, Familienverhältnisse, Freundschaftsverhältnisse, Lebensfreude, usw., dann werden wir diesmal den “Balkan” eher nördlich der Alpen lokalisieren… Und niemand kann natürlich dafür plädieren, dass Europa von Herrn Holzherr (d.h. dieses Europa: http://www.bild.de/bildlive/2014/21-fernseher-35226234.bild.html) “besser” als das Europa der neugriechischen Probleme ist. Durch die arrogante, koloniale Haltung einiger Deutschen wird es natürlich bald gar kein Europa mehr geben…

    PS. Genial sind auch die historischen Kenntnisse von Herrn Holzherr, der nicht zu wissen scheint, dass in der Vergangenheit der neugriechische Staat tatsächlich von Nichtgriechen regiert wurde, sogar von Deutschen (König Otto von Wittelsbach im 19 Jh.), mit außerordentlichen Ergebnissen…Darüber hinaus, der “imaginäre Feind Türkei” ist der gleiche imaginäre Feind, der 1974 ca. 30% von Zypern imaginär militärisch eingenommen hat und seitdem sich immer aggressiv (aber imaginär) in der Ägäis verhält.

    • Das verbreitete Misstrauen der Gesellschaft gegenüber dem Staat, die Hemmung staatlicher Einrichtungen durch Klientelismus und Korruption, die Bedeutung persönlicher Beziehungen bei der Wahrnehmung sozialer Interessen…

      Genau dies wurde immer behauptet und konnte auch in mehrfacher und mehrmonatiger Beschäftigung des Schreibers dieser Zeilen in G zumindest individuell auf das Beste bestätigt gesehen werden.
      Ischt allerdings 20 bis 30 Jahre her, vermutlich ist es besser geworden.
      >:->

      MFG
      Dr. W

    • Was sie zitieren (“Das verbreitete Misstrauen der Gesellschaft gegenüber dem Staat, die Hemmung staatlicher..”) sind Sätze aus der NZZ, der Neuen Zürcher Zeitung. Doch sie können ebenso Artikel aus der Zeit oder dem Spiegel nehmen – alle ergeben das gleiche Bild. Diese Berichte enwerfen nicht das Bild von indigenen, wilden Stämmen, wie sie schreiben, sondern das Bild eines nicht funktionierenden Staates, der unter anderem nicht funktioniert, weil ihm die Bürger nicht vertrauen und wo jeder Bürger den Staat betrügt wo er nur kann und der Staat dem Bürger Steine in den Weg legt wo es nur geht. Dieses Bilfd haben wir hier nicht nur von Griechenland, sondern auch von anderen Südländern.

      Sie begreifen offensichtlich nicht, dass das was ich oben geschrieben habe gar nicht unbedingt meine persönliche Meinung ist, sondern dass solche Meinungen hier in den “seriösesten” Blättern verbreitet werden. Aber auch schlichtere Gemüter, die nur TV-Nachrichten schauen, bekommen diese Bild vermittelt.

  5. “Zahlt endlich Steuern!”, ruft IWF-Chefin Lagarde den Griechen zu, “I want my money back” sagt der EU-Währungskommissar Bolkestein nachdem 150 Millionen EU-Geld für einen Griechenland-Kataster gezahlt wurden, das Katasterprojekt aber aufgegeben wurde. Das sind nur ein paar Schlagzeilen aus einer Flut von Medienberichten in SPON, Zeit, Cicero usw., die alle ein sehr ungünstiges Bild von Griechenland zeichnen und die den Leser über kurz oder lang fragen lassen: Was sucht Griechenland eigentlich in der EU? Ist Griechenland überhaupt ein europäisches Land?

    Griechenland: Das einzige EU-Land ohne Kataster
    Cicero schreibt in “Auf der Suche nach dem Katasteramt” im Untertitel:
    “Wer die griechische Misere verstehen will, mache sich auf die Suche nach dem Katasteramt. Diese Odyssee sagt mehr über das Land als alle Troika-Berichte”
    und schreibt dann unter anderem

    Seit 1830, seit der Anerkennung seiner Souveränität, hat Griechenland keinen Überblick darüber, was sein ist. Größe und Wert seines Staatseigentums verlieren sich im Ungefähren. Es kennt nicht seinen Grund und Boden, nicht seine Küste, Berge, Seen, nicht seine Gebäude und auch nicht seinen Wald, obgleich die Verfassung ein Waldkataster vorschreibt.

    Im SPON liest man dazu: “Bolkestein staunt, dass die Griechen derlei [ein Kataster] nicht haben, findet die Idee aber gut. Er befürwortet sie, auch eingedenk der rätselhaften Fehler, die den Griechen beim Antrag auf Agrarsubventionen angeblich unterlaufen sind – als sie die zu subventionierende Agrarfläche dreimal größer angaben als die Gesamtfläche des Landes. ..Ein Jahr später, seine Amtszeit als Währungskommissar neigt sich dem Ende zu, lässt Bolkestein nachfragen, was mit dem griechischen Kataster passiert sei. Man habe das Projekt aufgegeben, lautet die Antwort.”

    Griechenland: Steuerhinterziehung auch im Jahr 5 der Krise noch Problem
    Im Spiegel liest man dazu:

    “Zahlt endlich Steuern!”, forderte IWF-Chefin Lagarde von den Griechen – und provozierte einen Sturm der Entrüstung. Nun gibt ihr der griechische Fiskus Recht: Dem Staat entgingen pro Jahr bis zu 45 Milliarden Euro, moniert Athens oberster Fahnder. Die Hälfte würde reichen, um die Schuldenkrise zu lösen.

    Griechenland: Ein Gesundheitswesen das nicht für die Menschen da ist
    Im Griechenland-Blog liest man:
    “Laut dem Gesundheitsminister in Griechenland gelten Erkrankungen wie Krebs nicht als dringlich, wenn der Patient keine Versicherung hat.”
    “In Griechenland verstarb ein 66-jähriger Arbeitsloser, nachdem die Krankenhäuser sich geweigert hatten, ihn ohne Bezahlung aufzunehmen. “
    “In Griechenland ist die Zwei-Klassen-Medizin inzwischen Realität: immer mehr Neu-Arme werden von dem Zugang zu dem staatlichen Gesundheitssystem ausgeschlossen!”

    Im Spiegel liest man zu den jüngsten Entwicklungen:
    “Mehr Totgeburten, HIV-Neuinfektionen, Tuberkulose- und Depressionsfälle sowie Suizide: Der drastische Sparkurs in Griechenland hat einer Studie zufolge verheerende Auswirkungen. Eine Hilfsorganisation spricht von einer vollständigen Verletzung der Menschenwürde. … Angesichts dieser Zustände werfen die Forscher den verschiedenen griechischen Regierungen seit Ausbruch der Krise regelrechte Realitätsverweigerung vor. Das Abstreiten ernsthafter Probleme und die Behauptung, Bedürftige würden kostenfrei und ausreichend versorgt, sei eine Leugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse – die im Übrigen auch bei der spanischen Regierung zu beobachten sei. “

    Welches Bild macht sich der europäische Zeitungsleser von Griechenland?
    Schlussfolgerung des durchschnittlichen Zeitungslesers: Griechenland ist ein Land in dem auch erkannte Problem nicht gelöst werden und in dem die Menschenwürde beispielsweise von Kranken mit Füssen getreten wird. Ein Deutscher oder Skandinavier muss zum Schluss kommen, dass es eigentlich die Aufgabe der EU wäre Griechenland die Souveränität abzusprechen und es zwangszuverwalten. Denn ein Land, das seine Probleme nicht lösen kann und seine Bürger nicht schützt, kann man nicht sich selbst und nicht seiner Regierung überlassen.

    Von den betroffenen Griechen hört man Klagen gegenüber der Troika und Verunglimpfungen von Deutschland und Kanzlerin Merkel. Doch aus deutscher Sicht, müssten sich die Griechen gegen die griechischer Regierung auflehnen. Aus deutscher und europäischer Sicht ist Griechenland kein Land, dem man das Wohl seiner eigenen Bürger zutrauen kann.

    • Fast jedes Land dessen “Geschäftsmodell” plötzlich nicht mehr funktioniert, verhält sich zuerst wie ein Kaninchen, das gebannt vor der Schlange sitzt. Insoweit ist Griechenland nicht allein. Allerdings kann Griechenland anders als Deutschland, das in den 00er Jahren in Schwierigkeiten geriet, nicht einfach ein paar kleinere Anpassungen vornehmen, damit sein Geschäftsmodell wieder funktioniert. Die Beantwortung der Frage, was überhaupt das Geschäftsmodell von Griechenland vor der Krise war, möchte ich den Lesern hier überlassen ebenso wie die Frage was das zukünftige Geschäftsmodell Griechenlands sein kann.

      • Die unzureichende Skalierbarkeit des Euro-Systems hat Griechenlands Geschäftsmodell, das auch in der regelmäßigen Abwertung der Drachme bestand, jedenfalls den Rest gegeben. Hier ist die EU mitschuldig geworden, weil sie entgegen besseren Wissens die Aufnahme ins Euro-System auf Grund gefälschter Haushaltszahlen erlaubt hat.

  6. Lieber Herr Holzherr,

    Versuchen Sie wirklich zu beweisen, dass der griechische Staat problematisch ist? Das bezweifelt niemand, wir brauchen das Rad nicht neu zu entdecken. Das wissen schon alle, darunter auch die deutschen Firmen (Siemens, Hochtief, Man, usw.), die in den letzten Jahrzehnten an der Korruptionsparty des griechischen Staates sehr aktiv beteiligten. Das Problem ist das Verhältnis zwischen den Daten und ihrer Interpretation. Wissen Sie z.B. was passieren würde, wenn alle Griechen wie gute Pfadfinder ihre Steuer zahlten? Nicht der Staat, sondern der Parteistaat wäre in diesem Fall “besser”. D.h. Griechenland hätte einfach einen viel größeren öffentlichen Dienst mit mehr Arbeitenden, welche die Parteien aus parteipolitischen Gründen angestellt hätten. Und dadurch wären die Haushaltsdefizite größer. Sie verwiesen auch auf die angeblichen osmanischen Wurzeln der neugriechischen Strukturen. Jedoch viele problematische Situationen sind oft auch in griechischen Regionen vorgekommen, die nie Teil des osmanischen Reiches waren. Einiger dieser Regionen, wie z.B. die Insel Zakynthos, standen sogar seit dem 12.-13. Jh. unter westlicher Herrschaft. Diese Regionen wurden jahrhundertlang von Französen, Italienern, Engländern, unw. “zwangsverwaltet” (ein Wort, dass Sie so hemmungslos über ein fremdes, souveränes Land benutzen), genauso wie der gesamte griechischer Staat im 19. Jh. von den Deutschen (König Otto und seiner Regentschaft) regiert wurde. Und trotzdem bestehen Sie drauf, dass die Griechen nicht nur von Fremden regieren lassen sollten, sondern von denjenigen Fremden, die zum historisch erfolglosen Experiment des neugriechischen Staates so intensiv beigetragen haben…Sie haben wahrscheinlich (Sie und die meisten Deutschen) nicht einmal die heftige internationale Kritik mitgekriegt, die am letzten solchen “Beitrag”, d.h. an der Troika und den tragischen “Fehlern” und Misskalkulationen im Falle Griechenlands geübt worden ist.

    Das allerschlimmste ist aber, dass diese Einstellungen, d.h. die Interpretation von Daten im Rahmen moralisierender Vereinfachungen der Grundschule, das erstaunliche Fehler jedes Sinns von Sozialtheorie, Kulturrelativismus, Selbstkritik und grundsätzlicher historischer und kulturanthropologischer Analyse, seit langem die offiziele Europapolitik Deutschlands und Merkels ist. Europa wird nämlich von dem politischen Flügel der Bild-Zeitung regiert…Mit der Frage “Ist Griechenland überhaupt ein europäisches Land?” wird endlich diese äußerst und hemmungslos koloniale Narrative vervollkommnet. Sollte ich Sie, lieber Herr Holzherr, wieder auf die alternativen Kriterien verweisen, die ich in meinem vorherigen Kommentar dargelegt habe (Tamperament, Flexibilität, Extrovertiertheit, Stil beim Anziehen, Familienverhältnisse, Freundschaftsverhältnisse, Lebensfreude, Gemeinschaftsgefühl, usw.)? Sollten wir vielleicht auf dieser Basis diskutieren wer zu Europa gehört und wer nicht? Oder sollten Sie sich als Deutscher endlich mal fragen und tief selbstphychologisieren, warum neigten Sie so sehr dazu, Andere von einem gemeinsamen Kontinent ausschließen zu wollen? Anscheinend weil es (noch einmal in den letzten 100 Jahren) am Ende in Europa nur Einen geben kann (http://erroresgraecorum.wordpress.com/2012/02/25/warum-muss-ich-fur-die-griechen-zahlen/)…

    • Welches Bild haben die Nicht-Griechen von den Griechen?
      Nicht nur die Bildzeitung, jede seriöse Zeitung und Zeitschrift, jedes Diskussionsforum das sich in deutschsprachigen oder englischsprachigen Ländern mit Griechenland beschäftigt, entwirft das Bild eines Landes, welches wie ein steuerloses Schiff dahintreibt und wo kein politisches Projekt irgendwo hinführt. Das ist das Bild von ausserhalb Griechenlands auf Griechenland.
      Welches Bild haben die Griechen von sich selbst und den andern?
      Ihre Kommentare geben einen Blick auf das Bild der Griechen von der Krise und ich möchte Teile davon zitieren:
      “Versuchen Sie wirklich zu beweisen, dass der griechische Staat problematisch ist? Das bezweifelt niemand, wir brauchen das Rad nicht neu zu entdecken”

      ” die deutschen Firmen (Siemens, Hochtief, Man, usw.), die in den letzten Jahrzehnten an der Korruptionsparty des griechischen Staates sehr aktiv beteiligten.”

      ” Wissen Sie z.B. was passieren würde, wenn alle Griechen wie gute Pfadfinder ihre Steuer zahlten? Nicht der Staat, sondern der Parteistaat wäre in diesem Fall “besser”. D.h. Griechenland hätte einfach einen viel größeren öffentlichen Dienst mit mehr Arbeitenden, welche die Parteien aus parteipolitischen Gründen angestellt hätten.”

      ” das erstaunliche Fehler jedes Sinns von Sozialtheorie, Kulturrelativismus, Selbstkritik und grundsätzlicher historischer und kulturanthropologischer Analyse, seit langem die offiziele Europapolitik Deutschlands und Merkels ist. Europa wird nämlich von dem politischen Flügel der Bild-Zeitung regiert.”

      ” Sollte ich Sie, lieber Herr Holzherr, wieder auf die alternativen Kriterien verweisen, die ich in meinem vorherigen Kommentar dargelegt habe (Tamperament, Flexibilität, Extrovertiertheit, Stil beim Anziehen, Familienverhältnisse, Freundschaftsverhältnisse, Lebensfreude, Gemeinschaftsgefühl, usw.”

      Sicht der Griechen zusammengefasst
      Griechen selbst sehen den griechischen Staat als problematisch, bei der vorhandenen Korruption machen ausländische Firmen aber mit. Den Staat mit besserer Steuermoral zu unterstützen würde die Situation nur noch schlimmer machen (weil der Staat schlecht ist?). Man muss die Kultur und jüngere Geschichte der Griechen verstehen um Verständnis für die Griechen zu entwickeln und ferner die positiven Seiten der Griechen sehen: ihr Temperament, ihre Flexibiität, ihren Stil, die Lebensfreude und den Gemeinschaftsinn.
      Analyse und Synthese Aussen-&Innensicht
      Die Griechen sind grossartige Menschen, aber ihr Staat ist Scheisse. Da sind sich Nicht-Griechen und Griechen scheinbar einig. Verständnis für die Griechen und Wertschätzung der Griechen ändert daran leider nichts. Verlagert auf die nichtpolitische Ebene könnten sie auch von jemanden sagen, der viel falsch angestellt hat in seinem Leben: Man muss seine Geschichte verstehen, dann entwickelt man Verständnis für ihn. Doch das ändert nichts und bringt möglicherweise auch für die Zukunft nichts.

      Abschliessend könnte man fragen: Warum soll Griechenland ein souveränes Land bleiben, wenn die Griechen selbst von ihrem Staat nicht viel halten? Wenn sie selbst finden, die Griechen sind toll, aber der Staat in dem sie leben ist alles andere als toll.
      Für den Verband in dem sich die Griechen befinden – also für die EU – stellt sich nun die Frage, was soll man tun, damit es den Griechen besser geht und damit Griechenland eine Bereicherung ist für die EU? Bis jetzt ist scheinbar niemand etwas dazu eingefallen. Wenn es wirklich so ist, dass die Griechen tolle Menschen und Gastgeber sind, dann sollte Griechenland weiterhin eine Destination für Touristen sein, gerade für Touristen aus der EU.
      Doch es ist enttäuschend für die EU und die Griechen selbst, wenn das alles ist, was mit Griechenland in der EU möglich ist.

      • Abschliessend könnte man fragen: Warum soll Griechenland ein souveränes Land bleiben, wenn die Griechen selbst von ihrem Staat nicht viel halten?

        Um andere zu schützen, wäre die Antwort des nicht internationalistischen Zynikers.
        Ansonsten gehört Griechenland natürlich schon zum “Westen”.
        Lustiger Haufen, politisch extrem verwantwortungslos, und seine Schwäche politisch als Erpressungsmaterial nutzend, aus Sicht des Zynikers natürlich nur.
        MFG
        Dr. W

    • Anscheinend weil es (noch einmal in den letzten 100 Jahren) am Ende in Europa nur Einen geben kann.

      Eine feiste Anspielung auf die NS-Zeit, nicht schlecht, so kriegt man Doitsche oft zu packen. Es ist in der Tat ein Zusammenspiel Ds und der Krisenstaaten feststellbar, im Sinne der Auflösung des einstigen Unrechtsstaates in einer Bundesrepublik Europa.
      Allerdings wünschen viele andere Staaten dieses Horrorszenario nicht.
      HTH
      Dr. W (der auch den von Ihnen webverwiesenen und von Ihnen stammenden Text gescannt hat)

    • Ja, der Artikel Beziehungen zu Deutschland des Auswärigen Amtes ist sehr informativ und will allen Seiten gerecht werden und vor allem Verständnis für die griechische Situation wecken. Sehr treffend ist der zweitletzte Satz des Kapitles “Schuldenkrise”: “Es wird häufig verkannt, dass sich Griechenland nicht „nur“ in einer Schuldenkrise, sondern in einer tief greifenden Krise von Staat und Gesellschaft befindet.”
      Im übrigen deckt der Geschichtsunterricht in der Schweiz Griechenland zwar ab, aber nicht den Teil der Geschichte, der relevant ist für die heutigen Probleme. In der Deutschschweiz werden üblicherweise auch alle deutschen Zeitungen und Zeitschriften gelesen und eigene journalistische Produktionen versuchen gelegentlich ein Stimmungsbild zu zeichnen. Ein neutrales Land ist ja immer in der prima Position des Beobachters und muss nicht Partei ergreifen.
      In den obigen Kommentaren habe ich mich aber einmal in die Position eines deutschen Zeitungslesers versetzt und die Position eingenommen, die sich dann ergibt. Hier stimmt sicher der Satz: “Seit Ende 2012 hat sich das Medienbild auf beiden Seiten etwas normalisiert.”, doch das heisst wohl einfach, dass die Meinungen, die sich gebildet haben, nicht mehr aktualisiert werden müssen. Man weiss jetzt, wie es steht um Griechenland und wie es zugeht. Ändern kann man daran nichts.
      Im übrigen stimmt sicher, dass die Troika und eben auch die Öffentlichkeit und Politk zuviel von Griechenland erwartet hat. Griechenland ist eben nicht die Fussballmannschaft, die nach einem schlechten Spiel vom Trainer wieder auf den richtigen Weg gebracht wird. So einfach ist das nicht. Griechenland ist zudem nur das schlimmste Euro-Krisenland. In der Schweiz ist eine kritische Einstellung gegenüber der Eurozone sicher verbreiterter als in Deutschland, denn für Deutschland allein genommen ist die Eurozone bis jetzt ein Erfolg, doch für jemanden der wie die Schweiz an Italien und Frankreich grenzt, betrachtet man die Probleme der Eurozone eben nicht nur aus Sicht von Deutschland und man frägt sich dann: Sind die Probleme der Eurozone wirklich nur Probleme der Staatsverschuldung wie von Angela Merkel schon behauptet oder werden die Krisenländer in der Eurozone auch langfristig “marginalisiert”.

  7. Dr. Webbaer, vielen Dank für das Scannen meines Textes. Dem entnehmen Sie sicher, dass ich ein Euroskeptiker bin, v.a. hinsichtlich der Bildung der Eurozone.

    Herr Holzherr,

    “Sicht der Griechen zusammengefasst”

    Wer sind die “Griechen”? Wie fassen Sie so einfach 10 Millionen Personen zusammen? Haben Sie mit jedem Griechen diskutiert? Wollen Sie aus einem ganzen Volk ein einheitliches, kollektives Subjekt bilden, ohne zu sehen, dass diese Tendenz zum Zusammenfassen der direkte Nachfolge der Kollektivstrafeneinstellugen vergangener Zeiten ist?

    “Man muss die Kultur und jüngere Geschichte der Griechen verstehen um Verständnis für die Griechen zu entwickeln”

    Wir brauchen nicht das Verständnis von irgendjemandem, nicht einmal von denjenigen, die uns ihre Produkte kaufen wollen und trotzdem uns auf diese Art und Weise behandeln. Wir brauchen, eigentlich Europa braucht wenigere deutsche Moralattake, Aggression, Grundschulvereinfachungen und sicherlich wenigere Bild-Zeitung, d.h. alle diese Faktoren, die die Beziehungen zwischen Norden und Süden Europas vergiftet haben. Ich habe Ihnen schon bewiesen, dass Griechenland schon in der Vergangenheit von westlichen Mächten regiert wurde. Ich habe Ihnen auch bewiesen, dass Moral-Nicht Moral (dieses fast strukturalistisches Denkmodell) nicht immer das beste analytische Werkzeug zum Verstehen anderer Kulturen dieser Welt ist. Sie gehören aber zu den Deutschen, die dem Motto “Moralisieren über alles” folgen. Als ob sie versuchten mit einer einzigen Maßeinheit, z.B. den Liter, alle möglichen Dimensionen dieser Welt zu messen. Die Welt geht aber voran mit Analysieren, nicht mit Moralisieren.

    “Abschliessend könnte man fragen: Warum soll Griechenland ein souveränes Land bleiben, wenn die Griechen selbst von ihrem Staat nicht viel halten?”

    Es ist surrealistisch, diese Diskussion überhaupt zu führen. Die Souveränitätsperspektive eines Landes, lieber Herr Holzherr, hängt nicht nur von der Qualität seines Staates ab. Es gibt viele andere Faktoren, die zur Weiterexistenz eines Nationalstaates die entscheidende Rolle spielen, wie z.B. nationale und kulturelle Identität, nicht zu sprechen von den internationalen Konventionen, die dazu dienen, uns alle zu machen, die nationale Souverenität von Staates überhaupt zu respektieren. Und glauben Sie mir, gibt es für Europa tausend Gründe mehr, dass nicht so sehr Griechenland, sondern Deutschland nicht mehr und nie wieder ein souveränes, einheitliches Land ist…Die Tatasache, dass Sie als Deutsche, der Bürger eines Landes, das vor 60 Jahren die Souveränität Griechenlands durch ein Blutbad abgelöst hat, heute hemmungslos solche unerhörte Gedanken äußern, ist nur einer dieser Gründe…

    • Da haben sie recht: Griechenland muss ein souveräner Staat bleiben, denn das ist auch im Staatenbund EU bis jetzt die einzige Möglichkeit, die eine Bevölkerung hat, ihre Interesen wahrzunehmen.
      Im übrigen sind meine Äusserungen keine Moralattacke, sondern nur der Versuch, Griechenland mit europäischen Massstäben zu sehen, als Land, das bei Bedarf Anpassungen an seinem Modell vornimmt und sich den Realitäten stellt. Wenn man das macht kommen dabei eben die Zeitungsartikel zustande, die ich oben zitiert habe.
      Ihre Sicht der Dinge “, d.h. alle diese Faktoren, die die Beziehungen zwischen Norden und Süden Europas vergiftet haben. “ ist für einen Zentraleuropäer unverständlich, denn wenn Griechenland sich normal entwickelt hätte, also ähnlich wie Frankreich oder sogar Spanien, dann wären die obigen Zeitungsartikel gar nie entstanden.
      Die Vergangenheit Griechenlands, dass es von anderen Mächten regiert wurde, dass es seit 1830 4 Mal Konkurs ging, dass es für andere schwer nachvollziehbare Kriege mit der Türkei führte, all das ist sicher wichtig für das Verständis von Griechenland. Doch leider führt das eher zum Schluss, dass man Griechenland lieber nicht in die Eurozone aufgenommen hätte.
      Hier zu diesem Thema noch ein Zitat aus dem Handelsblatt

      Im modernen Griechenland waren Staatsbankrotte Normalität: Seit der Gründung des griechischen Staates 1830 gab es vier Pleiten: 1843, 1860, 1893 und 1931. Ursache war meist die Dauerfehde mit der Türkei. Die ausufernden Militärkosten deckte die Clique von abwechselnd regierenden Herrscherfamilien mit immer neuen Krediten, anstatt Steuern zu erhöhen. Bis es krachte.

      Im übrigen zeichnet auch dieses Zitat leider kein sehr positives Bild von Griechenland. Da müssen sie schon beim Auswärtigen Amt nachschlagen bis sie ein (einigermassen) positives Bild finden.

    • Die Tatasache, dass Sie als Deutsche, der Bürger eines Landes, das vor 60 Jahren die Souveränität Griechenlands durch ein Blutbad abgelöst hat, heute hemmungslos solche unerhörte Gedanken äußern, ist nur einer dieser Gründe…

      Hüstel, Kommentatorenfreund Holzherr ist kein Doitscher und seine Sichten sind dbzgl. nicht ethnologisch zu bearbeiten.

      Und selbst, wenn er der gemeinten Republik und dem gemeinten Volk angehören täte, darf so nicht argumentiert werden – die üblichen zivilisatorischen Standards berücksichtigend.

      Ansonsten, klar, die Souvereränität eines Landes gilt es zu beachten, und zwar unabhängig davon, wie schlau oder dumm sich ein Land anstellt.
      Ein “Failed State” liegt jedenfalls nicht vor.

      MFG
      Dr. W

  8. Die Deutschen sind an allem Schuld
    heisst ein Buch des griechischen Autors Nikos Dimou, wo er beispielsweise den Satz schreibt: <I"Die deutschen Gelehrten haben uns eine grosse Last auf die Schultern gelegt, die wir wie der alta Atlas immer mit uns tragen müssen"
    Denn: Mit den alten Hellenen hatten die 1827 zu 98 Prozent analphabetischen Neugriechen so wenig zu tun wie mit deren Sprache und Kultur. Der Westen (Deutsche Gelehrte, Herrscher etc.) machte aus Ihnen fast über Nacht “Neogriechen” mit antikem Rucksack.
    Dimou zählt Selbstüberschätzung geradezu zur griechischen Mentalität. Ein engstirniger Patriotismus trieb und treibt laut Dimou viele Griechen in die Sackgasse von Chauvinismus und Nationalismus und in der EU verhalte sich die wirtschaftliche und politische Elite Griechenlands “wie ein Kind, das man in einem Süsswarenladen frei herumlaufen lasse.”
    Dimou macht auch den westlichen Kreditgebern Vorwürfe. Mit ewas mehr Sorgfalt hätte man die Risiken vermindern und der Korruption Grenzen setzen können.

  9. Der Herr Doktor THEODOROS G. GIANNOPOULOS repräsentiert (mal wieder)
    genau den Typ des Griechen, wie ihn die internationale Gemeinschaft kennt und schätzen gelernt hat: Er weiß alles (besser), ist chauvinistisch bis zur Verleugnung aller Realitäten, Rassist von vor- vorgestern („gibt es für Europa tausend Gründe mehr, dass nicht so sehr Griechenland, sondern Deutschland nicht mehr und nie wieder ein souveränes, einheitliches Land ist“).
    Daß Deutschland die Griechen ganz wirklich nicht braucht, sie langsam leid sind, fällt auch ihm nicht auf. Der einfachen Lösung, wie z.B. von den blutrünstigen Deutschen keinen Penny mehr zu akzeptieren, da sowohl der Penny als auch die Deutschen von Übel sind, die Gemeinschaft mit diesen Monstern zu verlassen, kann er jedoch (aus Gründen, die ziemlich durchsichtig sind – da ist ja doch noch einiges zu holen) nicht zustimmen.
    Er ist – wie es scheint – ein armer Kerl, mit recht unappetitlichen Ansichten, zum gedanklichen mainstream in Griechenland und zu den politischen Karikaturen Europas gehörend.

    Was hat der in Deutschland promovierte (Uni Heidelberg) promovierte Herr Doktor Traumatisierendes in Deutschland erlebt, daß er Land und Leute derartig hasst? Der Fuchs, dem die Trauben zu hoch hängen?

    Bleibt nur zu hoffen, daß sich Leute wie er sehr bald in Griechenland politisch durchsetzen und der Gemeinschaft eine Chance geben – ohne Griechenland und Griechen wie ihn!

    Im Übrigen: die Feinde Griechenlands schlafen NIE und empfehlen die Lektüre des Büchleins von Nikos Dimou: Die Deutschen sind an allem Schuld. (Es gibt wirklich auch Griechen, die man noch ernst nehmen kann!)

    • @ Mizo Magas: “Was hat der in Deutschland promovierte (Uni Heidelberg) Herr Doktor Traumatisierendes in Deutschland erlebt, daß er Land und Leute derartig hasst?”

      Vielleicht hat er es nicht geschafft, eine akademische Stelle zu ergattern?

  10. Mizo Magas,

    Selten kann man im Internet ein Kommentar lesen, wo alles, vom ersten bis zum letzten Buchstabe, so gründlich falsch ist. Zunächst bemerkt jeder objektive Leser, dass du, ein unter einem Pseudonym schreibende Kommentator, persönliche Details eines anderen Kommentators mitzuteilen versuchst (mein vollständiger Name großgeschrieben, Details zu meiner Promotion). Details, die dieser andere Kommentator selbst öffentlich zugänglich gemacht hat, weil er im Gegensatz zu dir und Nera Ide, die Mut hat, eponym zu schreiben. So eine Moral von deiner Seite erinnert ein bisschen an Uli Hoeneß, der einige Monate vor seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung gar kein Problem hatte, gegen die Griechen zu moralisieren.

    Wenn du nun deine “Hausaufgaben” hinsichtlich meiner Ansichten gemacht hättest, dann wusstet du, dass ich ein Euroskeptiker bin. Ich bin gegen die Eurozone, gegen die Beteiligung von Griechenland daran und gegen das Hilfspaket der Troika, das natürlich an die zum Teil deutschen Gläubiger des griechischen Staates geht und an die Griechen. Wenn du auch grundsätzlich vorsichtig gelesen hättest alles was ich schreibe, hättest du auch verstanden, dass ich nirgendwo bezweifelt habe, dass Griechenland ein Land mit vielen und tiefen Problemen ist. Du hättest auch begriffen, dass meine Kritik an Deutschland und an den Einstellungen einiger Deutsche nicht rassistisch, sondern kulturanthropologisch ist. Es ist nicht das Blut oder das DNA, sondern die kulturelle Erziehung dass dazu geführt hat, dasss du Mizo Magas bist…Aber diese Realitäten willst du natürlich nicht berücksichtigen, weil sie dein karikaturhaftes Bild von Griechenland und den Griechen stören würden. Und das ist ein Preis, dass Deutsche wie du keineswegs bereit sind, zu zahlen.

    Das allerlustigste ist aber dass sowohl du als auch Herr Holzherr den Autor Nikos Dimou zitiert haben. Der für die griechische Militärdiktatur (1967-1974) gearbeitete Autor N. Dimou hat zuvor, wenn man seinen Lebenslauf liest, 6-7 Jahre in Deutschland (München) gelebt und er ist vielleicht der einzige griechische Autor, der den griechischen Lesern die Möglichkeit gibt, auf griechische Sprache das deutsche karikaturhafte Bild von Griechenland kennenzulernen. Das bedeutet nicht, dass alles was Dimou schreibt falsch ist. Jede Karikatur setzt einen wahren Kern voraus und auch ein Mitarbeiter einer fassistischen Diktatur kann in einigen Sachen recht haben. Der wahre Kern der griechischen Probleme wurde von den meisten Griechen nie verleugnet. Die internen Probleme eines Landes stellen jedoch keinen “Auftrag” für einen anderen Staat und ein anderes Volk dar, sich an der Rolle des (Kollektiv)Bestrafers zu setzen. Und die Deutschen, die die Ansichten der Bild-Zeitung und ihres politischen Flügels teilen, werden nie in der Lage sein zu erklären, warum sich ein ganzes Land (Deutschland) von 80 Millionen Bewohnern seit dem Ausbruch der Krise so intensiv, extensiv, leidenschaftlich und polemisch mit dem 2% der Wirtschaft der Eurozone (Griechenland) beschäftigt. Die Erklärung dieses einzigartigen kulturanthropologischen und historischen Phänomens stellt den “wahren Kern” meiner Kritik an Deutschland dar.

    • Der wahre Kern der griechischen Probleme wurde von den meisten Griechen nie verleugnet. Die internen Probleme eines Landes stellen jedoch keinen “Auftrag” für einen anderen Staat und ein anderes Volk dar, sich an der Rolle des (Kollektiv)Bestrafers zu setzen. Und die Deutschen, die die Ansichten der Bild-Zeitung und ihres politischen Flügels teilen, werden nie in der Lage sein zu erklären, warum sich ein ganzes Land (Deutschland) von 80 Millionen Bewohnern seit dem Ausbruch der Krise so intensiv, extensiv, leidenschaftlich und polemisch mit dem 2% der Wirtschaft der Eurozone (Griechenland) beschäftigt.

      Die “Bestrafung” besteht darin Zahlleistungen an Reformen zu binden. Die Idee dahinter ist, in Ihren Worten sozusagen: kulturanthropologisch, nämlich dass die griechische Art und Weise das Euro-Problem zu bearbeiten Schule machen und dem Euro-System den Garaus versetzen könnte,

      Nur deshalb wird sozusagen die griechische fiskalische Problemlösungskultur vglw. hart bearbeitet.

      MFG
      Dr. W

  11. Stimmt! … Und per “Du” sind wir auch nicht – da such’ ich mir die Leute aus. Sie gehören mit Sicherheit nicht dazu!!

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