Wie fair ist die Leichtathletik-WM?

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Die Welt ist voller Rätsel
Die Sankore Schriften

Aus biomechanischer Sicht ist es unfair Menschen unterschiedlicher Größe gegeneinander im Laufen oder Schwimmen antreten zu lassen, weil größere Menschen bei diesen Arten der Fortbewegung anatomisch begünstigt und somit schneller sind. Größere Menschen machen beim Laufen in der gleichen Zeiteinheit nicht nur längere Schritte, sie müssen für die Schritte gleicher Länge auch weniger Energie aufwenden als kleinere Menschen. Sollte man also ähnlich den Gewichtsklassen im Boxen beim 100 m Lauf Größenklassen einführen?

Erstmal müsste man wissenschaftlich nachprüfen, ab welchem Größenunterschied sich der Vorteil bemerkbar macht. In einem Paper im Journal of Experimental Biology [1] hat sich Jordan Charles von der Duke Universität in Durham, USA die Größe und das Gewicht der Weltrekordhalter im 100 m Lauf und 100 m Freistil-Schwimmen von 1912 bis 2008 angeschaut und ihre Größe mit ihrer Weltrekordzeit korreliert.

Gerichtete Selektion beim Laufen und Schwimmen

In beiden Sportarten zeigt sich der Einfluss einer gerichteten Selektion: Je größer die Athleten sind, desto besser können sie ihr Gewicht vertikal anheben und horizontale Zugkräfte überwinden – zwei Faktoren, von denen die Geschwindigkeit bestimmt wird. Diese Spitzensportler sind in den letzten hundert Jahren nicht nur größer geworden, sondern auch schneller gewachsen als der Rest der Bevölkerung. Während die normale Bevölkerung im Durchschnitt um 4,83 cm gewachsen ist, sind die Weltrekordschwimmer im Durchschnitt um 11,43 cm gewachsen und die Weltrekordläufer um 16,26 cm.

Wie bei einer Sättigungskurve vermute ich, dass die zukünftigen Weltrekordhalter im Laufen und Schwimmen immer größer und schwerer werden und dann ein Plateau erreichen. Ich weiß allerdings nicht, ob wir noch in der Wachstumsphase oder bereits in der Plateauphase sind.

Weiterführende Literatur

[1] Jordan D. Charles and Adrian Bejan (2009) The evolution of speed, size and shape in modern athletics The Journal of Experimental Biology, 212, 2419-2425.

 

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Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

14 Kommentare

  1. Hmmmm

    Die Startphase eines Sprints sollte eigentlich ein Vorteil für kleinere Athleten sein. In ‘alten Zeiten’ gab es ja auch zwischendurch mal mal kleine, leichte Sprint-Weltrekordler. Beim ungebremstem Muskelwachstum moderner Leichtathleten tritt dieser Vorteil wahrscheinlich immer mehr in den Hintergrund.

  2. Nicht erst bei den Profis

    Die Einführung von Größenklassen wäre vielleicht nicht nur in Profiwettbewerben, sondern schon im Schulsport sinnvoll. Mir persönlich wurde jegliches Interesse an Leichtathletik ausgetrieben, weil sich die Bewertung der Leistungen bei den jährlichen Bundesjugendspielen (die in die Gesamtnote einfloß) am Geburtsjahr orientierte – nicht gerade erfreulich, wenn man wie ich die Kleinste des Jahrgangs ist…
    Eine bessere Methode, schon Jugendlichen die Motivation zum Sporttreiben zu nehmen, kann ich mir nicht vorstellen. :-/

  3. Den Gedanken der Fairness (im Sport) zu Ende gefuehrt wuerde bedeuten, dass nicht die Leistung, sondern der Wille und die Anstrengung des Wettbewerbers bewertet werden sollte.

    Die Gewichtsklassen in den Kampfsportarten sind eine bemerkenswerte Ausnahme, da im Sport sonst in aller Regel keine Ruecksicht auf offensichtliche koerperliche Nachteile genommen wird. Allerdings ist der Weltmeister im Boxen, Gewichtsklasse Fliegengewicht eben nur Weltmeister in seiner Gewichtsklasse, waehrend der Weltmeister im Schwergewicht manchmal auch als “Weltmeister aller Klassen” bezeichnet wird.

  4. @Unimatrix

    Auf jeden Fall sollten die Sportlehrer Statur und Größe eines Schülers/einer Schülerin bei manchen Sportarten berücksichtigen und dementsprechend auch bei der Leistungsbewertung/Benotung einfließen lassen. Ich stelle mir es praktisch nur schwierig vor ohne standardisierte Referenzpunkte. Da müsste noch einiges getan werden.

  5. @RE

    Maurice Greene (1,75 m) 100 m Weltrekord 1999: 9,79 s
    Asafa Powell (1,91 m) 100 m Weltrekord 2005: 9,77 s

    Vergleicht man diese beiden Weltrekorde sieht man vielleicht den Grund warum bisher auf Größenklassen verzichtet wurde.

  6. 100m Weltrekordler fehlen

    Hab mir mal dieses Paper angeschaut. Bei den 100m Weltrekordlern fehlen in den 90ern Donovan Bailey und Leroy Burrell. Beides auch (zufällig?) eher kleine Läufer.

  7. Wie bei einer Sättigungskurve vermute ich, dass die zukünftigen Weltrekordhalter im Laufen und Schwimmen immer größer und schwerer werden und dann ein Plateau erreichen.

    @ Joe

    Bei den Laufwettbewerben muss aber unbedingt zwischen Kurz- und Langstrecken unterschieden werden. Ob das für das Schwimmen auch gilt weiss ich nicht.

    Der (typische) Weltklassesprinter ist zwar nicht immer gross, aber mit Sicherheit ziemlich muskulös, da er vor allem Schnellkraft benötigt. Er gleicht einem Bodybuilder während der typische Langstreckenläufer wenig Muskelmasse aufweist und eher der drahtig-sehnige Typ ist, wie beispielsweise die Langstreckenläufer aus Äthiopien. Hier ist eine grosse Muskelmasse (wegen des Gewichts nehme ich an) nachteilig. Der Sprinter und der Marathonläufer sind aufgrund ihres Körperbaus unverwechselbar.

  8. Slenderness

    @ Peter Da hast Du vollkommen recht, man muss zwischen Kurzstrecken und Langstrecken trennen. In dem Paper wird ja auch auf dein Argument unter “Slenderness” eingegangen.

  9. Body Mass Index

    Ein interessanter Artikel, der Body Mass Index und Länge der Laufstrecke (“how hard a runner needed to hit the ground”) in Beziehung setzt.

    “We found that regardless of the runner’s race specialization or gender, we could link an ideal body mass for running performance to how hard a runner needed to hit the ground,” said Peter Weyand, assistant professor in kinesiology and lead author of the study.

    http://www.news-medical.net/…05/07/13/11660.aspx

  10. Bailey und Burrell

    @ Dominik

    Der Autor hat mir geantwortet: Er sagte zum Zeitpunkt der Publikation wusste er die Größe und das Gewicht einiger Weltrekordler zum Zeitpunkt ihres Weltrekordes nicht, deshalb hat er sie nicht in die Analyse einbezogen. Vor allem bei denen aus den 1910er und 1920er. Bailey und Burrell sind beide 1.83 m.

  11. Größenklassen

    Worin liegt den der Reiz besonders große oder kleine Sprinter gegeneinander laufen zu sehen? Im Finale sollten stets die schnellsten Sprinter gegeneinander antreten und nicht z.B Olympiasiegerin und (ex)Weltmeisterin Fraser 158cm gegen andere ähnlich kleine oder ein 195cm Bolt gegen…. Bolt war zudem der einzige Sprinter über 190cm der 2009 und 2011 das WM Finale erreicht hat.
    Schaut man sich die Zeiten der 3 schnellsten Sprinter über 100 Meter an, und vergleicht ihre Körpergröße (Bolt, PB 9.58s, 195cm; Gay, PB 9.69s, 180cm; Powell, PB 9.72s, ca. 188cm; ) und bedenkt, dass (meines Wissens nach) bisher nur 3 weitere Sprinter über 190cm (Ndure, PB 9.99s, Obikwelu PB 9.86s, Bailey, PB 9.88s) die 100 Meter unter 10 Sek. gesprintet sind, ist es doch vollkommen sinnlos über Größenklassen im Sprint nachzudenken. Zudem werden die Langstreckenlaufrekorde von kleinen Läufern gehalten (Bekele laut IAAF 174cm, wahrscheinlich jedoch kleiner, Gebrselassie 165cm).

  12. Windhundrassen, Körpergröße….

    Etwas abenteuerlich und ungeachtet anatomischer Besonderheiten, könnten auch verschiedene Windhundrassen bezüglich Schrittlänge und Schrittfrequenz miteinander verglichen werden, um hieraus Rückschlüsse auf den Menschen zu ziehen.
    Hier eine Graphik
    http://windhundzeitung.myblog.de/…ind-Windhunde- (Für die Richtigkeit der Angaben kann ich nicht garantieren)
    Bei den angegebenen Geschwindigkeiten handelt es sich um Durchschnittsgeschwindigkeiten, sehr kleine Rassen laufen die 380m. Es ist zu erkennen, dass sehr große Rassen relativ langsam sind. Allerdings muss die Enstehungsgeschichte der jeweiligen Rasse ebenfalls betrachtet werden.

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