SFPQ transportiert spezifische mRNAs vom Zellkern in das distale Axon
In den Nervenzellen des Hippocampus1 eines Alzheimer-Patienten bewirkt das Protein Tau, dass der Transkriptionsfaktor SFPQ vom Zellkern in das Zytoplasma transportiert wird. Während die Krankheit fortschreitet nimmt zusätzlich in einer benachbarten Region des Hippocampus, dem entorhinalen Kortex2, die Menge an SFPQ kontinuierlich ab. Als meine Kollegen und ich diese molekularen Symptome erstmals entdeckten [1] konnten wir diese weder mit einem Mechanismus erklären noch wussten wir welche Folgen das für die betroffenen Nervenzellen haben wird (Wir vermuteten aber keine guten.).
Heute, 4 Jahre später, wissen wir viel mehr über die verschiedenen Funktionen von SFPQ in Nervenzellen und die Folgen welche sein Fehlen im Zellkern für die Nervenzellen hat. Ein Forscherteam um Katharina E Cosker von der Harvard Medical School in Boston publizierte in Nature Neuroscience eine Arbeit [2], die zeigt, dass SFPQ die Neurotrophin-abhängige Überlebensfähigkeit von Axonen fördert.
Als Axon (siehe Abb.1) wird der Fortsatz einer Nervenzelle bezeichnet, der elektrische Nervenimpulse vom Zellkörper wegleitet. Es beginnt am so genannten Axonhügel als Ausstülpung des Nervenzellkörpers (Perikaryon) und enthält ein hochdifferenziertes Zytoskelett sowie einige Zellorganellen wie z.B. Mitochondrien, Ribosomen, RNA-Granula.
Die für die Funktion des Axons erforderlichen Moleküle werden vorwiegend im Zellkörper hergestellt und müssen an ihre zum Teil weit entfernten Wirkorte im Axon transportiert werden. Während der schnelle Transport vom Zellkörper in das Axon (schneller anterograder Transport) auf dem Motorprotein Kinesin beruht, erfolgt der Transport vom Axon in den Zellkörper (retrograder Transport) unter Beteiligung des Motorproteins Dynein. Beide Transportformen nutzen dabei das polar strukturierte Zytoskelett des Axons.
Abb.1 Aufbau einer Nervenzelle
Alzheimer-Forscher vermuten, dass bei Alzheimer die Axone sich selbst zerstören, bevor die Nervenzellen absterben. Wenn die Zerstörung des Axons verhindert oder verzögert werden kann, dann hätten wir einen therapeutischen Ansatzpunkt, um den Tod der Nervenzellen bei Alzheimer zu verzögern oder zu verhindern.
Die Funktion von SFPQ in der von Neurotrophinen-induzierten Signaltransduktion
Neurotrophine haben zentrale Aufgaben bei der embryonalen und adulten Neurogenese. Diese Proteine kontrollieren, ob junge Nervenzellen überleben und sich in neuronale Netze integrieren oder gezielt durch Apoptose eliminiert werden. Neurobiologen haben mittlerweile zahlreiche Neurotrophine isoliert und charakterisiert: unter anderem den Brain-Derived Neurotrophic Factor (BDNF), den Nerve Growth Factor (NGF), das Neurotrophin 3 (NT-3) und das Neurotrophin 4/5. Neurotrophine binden an Rezeptoren, die sich in der Zellmembran von Nervenzellen befinden. Bindet ein Neurotrophin an den Rezeptor p75 wird über eine Signaltransduktionskaskade der induzierte Zelltod (Apoptose) ausgelöst. Binden dagegen Neurotrophine an den Rezeptor Trk, löst das intrazellulär Prozesse aus, die anti-apoptotisch wirken und die Zelle vor dem Untergang schützen.Bei der Bindung von Neurotrophinen an den Rezeptor Trk, spielt SFPQ eine wichtige Rolle, die in Abb.2 erläutert wird.
Aufgrund der Befunde dieser Arbeit vermute ich, dass das Fehlen von SFPQ im Zellkern dazu führt, dass SFPQ keine bclw-mRNA und laminb2-mRNA mehr binden kann. Zusätzlich beschleunigt seine mengenmäßige Reduzierung die Zerstörung der Axone in spezifischen Nervenzellen von Alzheimer-Patienten.
Fußnoten
1. Hippocampus
Der Hippocampus ist der medial gelegene Abschnitt des Großhirns. Er ist wichtig für die Gedächtnisbildung, denn bei der Zerstörung beider Hippocampi können keine Informationen mehr vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis gelangen. Dies spielt vor allem bei Alzheimer eine Rolle, denn die Neurologen nehmen an, dass der Untergang von Nervenzellen (Neurodegeneration) im Hippocampus zu dem charakteristischen Erinnerungsverlust führt.
2. Entorhinaler Kortex
Der entorhinale Kortex ist ein am medialen Rand der Großhirnlappen gelegenes Rindenfeld, welches sich in enger Nachbarschaft zum Hippocampus befindet. Er ist mit dem Hippocampus Teil der sogenannten Hippocampusformation. Der entorhinale Kortex spielt eine wichtige Rolle bei der Gedächtnisbildung. Nur die Erregungen, die er an den Hippocampus weiterleitet, führen zur Speicherung des entsprechenden Reizes im Gedächtnis. Ein Nervenzelluntergang im entorhinalen Cortex ist bei Alzheimer zu beobachten und ist für die hierbei auftretenden Gedächtnisstörungen verantwortlich. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass der entorhinale Kortex eine wichtige Rolle bei der Selbstverortung spielt. Spezialisierte Gitterzellen (“Grid Cells”) repräsentieren ein Raster, welches das Gehirn über die Umgebung legt, in der sich ein Mensch bewegt. Die dynamische Selbstverortung soll durch einen weiteren Zelltyp, die so genannten Speedzellen, ermöglicht werden.
Weiterführende Literatur
Excess Tau Protein Damages Brain’s GPS For Alzheimer’s Patients
Fatale Folgen für SFPQ bei Alzheimer
Bildnachweis
Abb.1: Schemazeichnung einer Nervenzelle im Gehirn
Autor: Hoffmeister
Datum: 14.12.2005
Titel: Impulsfortleitung an der Nervenzelle
Quelle: Wikimedia Commons
Lizenz: This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Abb.2: Modell für SFPQ und das axonale mRNA regulon.
Titel: Supplementary Figure 6: Model for SFPQ and the axonal mRNA regulon
Quelle: [2]
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