Samoa die letzte Hochburg der Tätowierkunst

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Die Sankore Schriften

Je wärmer es draußen ist, umso mehr nackte Haut bekommt Mensch zu sehen. Kein Wunder also, dass man im Sommer das ein oder andere Tattoo zu Gesicht bekommt. Das Tattoo hat seinen Ursprung in Polynesien und hat dort, anders als im westlichen Kulturkreis, eine bestimmte überlieferte gesellschaftliche Bedeutung. Heute ist die Tätowierkunst in Polynesien fast ausgestorben und eine Mitschuld tragen die christlichen Missionare. Nur auf den Samoa-Inseln, die abgeschieden im pazifischen Ozean liegen, wird die Tätowierkunst heute noch gepflegt. Tattoo leitet sich von tatau = geschlagenes Zeichen ab, wohl zusammengesetzt aus ta = schlagen und tau = Zeichen. Tattoo ist eines der wenigen polynesischen Lehnwörter, das sich in Deutschland eingebürgert hat.

Tatau
Abb.: Tatau: Ein männliches Tattoo aus Samoa

Das Tätowieren markiert den Übergang vom Jungen zum Mann

Das Ritual des Tätowierens markiert den Übergang vom Jungen zum Mann. Nach Ansicht der Samoaner kann ein Mann erst als „geschlossenes“, sprich tätowiertes Wesen, seinen sozialen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft nachkommen. Heute lassen sich längst nicht mehr alle Männer tätowieren. Doch diejenigen, die es tun sind noch immer sehr stolz darauf. Ein tätowierter Mann trägt in der Regel kein Hemd. Wenn er sich im Schneidersitz auf den Boden setzt, lässt er oft den Lendenschurz über die Knie hinauf gleiten, damit alle seine Tätowierungen zu sehen sind. Bei Dorfversammlungen und Zeremonien schlagen die jungen Männer, die dem Häuptling das Essen auftragen, ihren Lendenschurz hoch, um ihre tätowierten Schenkel ans Licht zu bringen.

Tätowieren ist schmerzhaft und dauert lange

Ein Tätowierkamm sieht wie eine kleine Harke aus und besteht aus einer dünnen Platte aus Schweinezähnen, die zu einer Reihe scharfer Spitzen zurecht gefeilt sind. Mit einem Holzstab schlägt der Tätowierer den spitzen Tätowierkamm in die Haut des Jungen. Immer wieder unterbricht er dabei die schmerzhafte Prozedur und taucht den Kamm in eine schwarze Farbe aus Ruß und Wasser, die er auf einem herzförmigen Taroblatt ausgeschüttet hat. Um einen Mann vollständig zu tätowieren, dauert es drei Tage – vorausgesetzt, der Tätowier arbeitet täglich sechs bis acht Stunden am Stück. Doch eine solche Tortur halten nur wenige Männer aus. In der Regel werden sie deshalb gruppenweise tätowiert, um immer wieder eine Erholungsphase zu bekommen. Hat der Tätowierer einmal angefangen muss der Junge bis zum letzten Stich durchhalten. Denn eine halbfertige Tätowierung gilt als noch viel beschämender als gar keine. Ein samoanisches Sprichwort beschreibt wie beide Geschlechter Schmerzen ertragen müssen:

„Fanau le teine fana fanau, fanau le tama le tatau“

„Wenn ein Mädchen geboren wird, so wird es die Schmerzen des Gebärens ertragen müssen; wenn ein Junge geboren wird, so wird er die Schmerzen der Tätowierung ertragen müssen.“

Häufige Tattoos sind Fledermaus und Kanu

Die Jungen werden von den Knien bis zur Mitte der Brust und des Rückens tätowiert. Viele Tätowierungen stellen eine stilisierte Fledermaus dar. Die tätowierten Bogen, die sich über die Taille zur Brust ziehen, sind die Flügel. Bei den Tätowierungen auf dem Rücken dominiert in den meisten Fällen ein schwarzes, breites Kanu. Unter ihm befindet sich ein kleines, schwarzes Dreieck, dessen Spitze nach unten zeigt: Tamaïpeá oder die „kleine Fledermaus“.

Der Tätowierer ist eine angesehene Person

Das Tätowieren wird ausschließlich von Männern den so genannten Tufuga ta tatau durchgeführt. Der Tätowierer ist eine angesehene und ehrenwerte Person. Kommt er zu einer Familie, um seine Kunst auszuführen, wird er wie ein Fürst mit größter Hochachtung behandelt. Der Tätowierer ist aber auch ein gefürchteter Mann, weil er mit seiner Magie dem Tätowierten schaden könnte. Der Tätowierer wird deshalb großzügig vergütet.

Auch Frauen lassen sich auf Samoa tätowieren. Allerdings unterscheiden sich männliche und weibliche Tätowierungen deutlich voneinander. Die Tätowierung der Frau heißt malu und die des Mannes tatau. Die Frauen lassen sich von den Knien bis zu den Oberschenkeln tätowieren. Das Tätowieren war ursprüngliche eine Sitte, die junge Frauen mit einem hohen sozialen Status kennzeichnete.

Malu
Abb.: Malu: Ein weibliches Tattoo aus Samoa

Bildnachweis

Bild „Tatau: Ein männliches Tattoo aus Samoa“

CloudSurfer, Tattoo von Samoa, 05/01/2002

Quelle: Wikimedia Commons

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Bild „Malu: Ein weibliches Tattoo aus Samoa“

RunningToddler, Photo of a Samoan woman with a traditional Malu (tattoo) 26 November 2005(2005-11-26), 18:23

Quelle: Wikimedia Commons

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Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

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