Südafrika: Apartheidopfer verklagen die deutschen Banken

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Die deutschen Banken Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank hatten über Jahrzehnte Milliarden in das rassistische Apartheidregime in Südafrika investiert. Am 11. November 2002 haben schwarze Opfer der Apartheid diese Banken vor einem amerikanischen Gericht verklagt und Entschädigungszahlungen gefordert. Nach jahrelangem juristischem Tauziehen wurde am 8. April 2009 in New York das Verfahren wiedereröffnet und bis jetzt ist es zu keiner richterlichen Entscheidung gekommen.

Verletzung der Menschenrechte

Die schwarze, südafrikanische Gruppe Khulumani hat die deutschen Unternehmen Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank sowie Rheinmetall und Daimler vor einem amerikanischen Gericht wegen Verletzung der Menschenrechte verklagt. Die Kläger argumentieren mit dem Rechtsprinzip der „second liability“, welches bei der Verurteilung der Naziverbrechen durch die Nürnberger Prozesse in der internationalen Rechtsprechung etabliert wurde. Es beinhaltet die Mitverantwortung von Akteuren, die zwar nicht die direkten Täter sind, aber als Helfershelfer dieser Täter eine sekundäre Mitverantwortung für die begangenen Verbrechen haben. Die deutschen Banken haben durch ihre Kredite z. B. den Sicherheitsapparat der Apartheid finanziert und sich so mitschuldig gemacht.

Warum der Fall nicht in Deutschland oder Südafrika sondern in New York verhandelt wird, hat juristische Gründe. In den USA gibt es den Alien-Tort-Claims Act. Dieses Gesetz erlaubt Ausländern amerikanische, oder internationale, in den USA niedergelassene Konzerne, zu verklagen, falls sie internationales Völkerrecht oder Menschenrechte verletzen. Die UN hat 1973 die Apartheid zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt. Sie hat 1977 ein Waffenembargo und 1986 ein Wirtschaftsembargo gegen Südafrika verhängt. Die deutschen Unternehmen haben beide Embargos gebrochen und damit internationales Recht verletzt.

Kläger: Die südafrikanische Organisation Khulumani

Alle 91 Kläger sind Mitglieder der Gruppe Khulumani, dem größten Zusammenschluss von Apartheidopfern in Südafrika. Khulumani besteht aus 70 Lokalgruppen in denen sich Apartheidopfer und Angehörige von Opfern regelmäßig treffen. Die Treffen finden überwiegend in den schwarzen Townships statt und werden zu 90 Prozent von Frauen aus den ärmsten Schichten der Bevölkerung besucht. Khulumani bedeutet „Sprich es aus” in Zulu und beschreibt den wichtigsten Grund der Treffen, nämlich die Aufarbeitung der Vergangenheit im Gespräch und die Forderung nach einer Entschädigung. In einem internen Abstimmungsprozess bestimmten die Lokalgruppen in den neun Provinzen des Landes die in der Klageschrift aufgeführten Kläger.

Der Kampf durch die gerichtlichen Instanzen

Im November 2002 hatte der Richter des Bundesbezirksgerichts in New York entschieden, die Klage nicht zuzulassen. Daraufhin ging Khulumani in Berufung. Im September 2007 entschied das erste Berufungsgericht, dass die Klage zugelassen werden muss. Das war eine erste Hoffnung für Khulumani auf die Erfüllung ihrer Forderungen. Die verklagten internationalen Konzerne ließen daraufhin im Dezember 2007, vom Supreme Court, dem höchsten Gericht des Staates New York, prüfen ob die Klage wirklich angenommen werden muss. Am 12. Mai 2008 verkündete der Supreme Court, dass er nicht entscheiden könne, wegen eines potenziellen Interessenkonflikts:

Vier der neun Richter besitzen Aktien der verklagten Firmen und sind daher zu befangen um zu entscheiden. Aber sechs von neun Richtern sind nötig, um den Fall zu entscheiden. Daher wird über die Klage nicht der Supreme Court, sondern das erste Berufungsgericht entscheiden. Der Richter des Bundesbezirksgericht – der die Klage zunächst abgelehnt hatte – musste sie nun also zulassen. Am 8.April 2009 wurde das Verfahren wieder eröffnet.

Deutsche Banken finanzierten den öffentlichen Sektor Südafrikas

Mit dem öffentlichen Sektor meint man in der Volkswirtschaft die öffentliche Verwaltung und die öffentliche Wirtschaft. Zur öffentlichen Verwaltung zählt z. B. das Militär, die öffentliche Sicherheit und die Justiz. Zur öffentlichen Wirtschaft gehören z. B. die Versorgungswirtschaft und der öffentliche Personennahverkehr. Die Deutsche Bank nahm zwischen 1958 und 1980 an mindestens 69 Anleihen am öffentlichen Sektor Südafrikas teil. Diese Anleihen hatten einen nominellen Wert von 1,15 Milliarden Euro das sind 84 Prozent des Werts aller Anleihen an denen sich deutsche Finanzhäuser zwischen 1958 und 1980 beteiligt haben. Die Deutsche Bank beteiligte sich in 40 Fällen an Gold und- Uranium Bergwerken entweder als Konsortialführer oder als Manager. Die Dresdner Bank beteiligte sich mit 60 Anleihen, deren nomineller Wert 2,25 Milliarden Euro betrug. 1,1925 Milliarden Euro (53%) der Summe ging an den Staatskonzern ESCOM (Electricity Supply Commission), 517 Millionen (23%) an die zentrale Regierung, 67,5 Millionen (3%) gingen an den strategischen Ölfund – Rücklage in Zeiten des OPEC-Ölembargos.

Während sich andere ausländische Investoren in der Endphase der Apartheid (1985-1993) aufgrund des internationalen Boykotts gegen Südafrika zurückzogen, verlängerten insbesondere deutsche Banken durch ihre Kredite die Lebensdauer des Apartheidregimes. Heute erheben die deutschen Banken Anspruch auf 27,5% aller ausländischen Schulden des öffentlichen Sektors Südafrikas und sind damit weltweit die bedeutendsten Finanzierer der Apartheid.

Die Deutsche Bank ist sich keiner Schuld bewusst

Im Jahr 1982 – als Antwort auf die öffentliche Kritik an der Deutschen Bank wegen ihrer Geschäfte mit Südafrika – legte die Deutsche Bank in einem offenen Brief an die Gewerkschaft ÖTV ihre Einstellung dar:

“Wir sind davon überzeugt, dass die Entwicklung und Fortsetzung guter wirtschaftlicher Beziehungen den wirkungsvollsten Weg darstellt, zu einer Verbesserung der Lebensverhältnisse aller Bevölkerungsgruppen in Südafrika beizutragen.”

Diesem offenen Brief folgte eine weitere Stellungnahme am 14. Mai 1987:

„Als internationale Bank unterhält die Deutsche Bank AG Geschäftsbeziehungen zu nahezu allen Ländern der Welt, unabhängig von derer politischer Orientierung. Es ist mit der Einstellung der Bank nicht vereinbar, ihre Aktivitäten im positiven oder negativen Sinn für politische Zwecke einzusetzen […] Die Deutsche Bank AG hat stets das Apartheidsystem abgelehnt […].“

Geschäfte mit Verbrechern lohnen sich nicht

Der Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu meinte dazu:

„Sie sagten: Geschäft ist Geschäft. Redet mit uns nicht über Moral. Sie hätten wohl auch Geschäfte mit dem Teufel gemacht. Alle Unternehmen, die mit dem Apartheidregime Geschäfte gemacht haben, müssen wissen, dass sie in der Schusslinie stehen. Sie müssen zahlen, sie können sich das leisten.“

Neben einer finanziellen Entschädigung der Opfer hofft Khulumani, dass die Klagen einen Präzedenzfall zur Durchsetzung von menschenrechtlichen Standards gegenüber internationalen Unternehmen schaffen. Damit künftig alle Kreditgeber von Diktaturen wissen, dass sie am Ende zur Rechenschaft gezogen werden und sich Geschäfte mit Verbrechern nicht lohnen.

Weiterführende Links

Die Website der Organisation Khulumani

Die Website der Organisation Medico International

Literatur

Die Deutsche Bank, 1870-1995, Lothar Gall (1995), C.H.Beck

Apartheidschulden, Madörin, Mascha; Wellmer, Gottfried; Egli, Martina (1999), Brot für die Welt

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Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

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