Plato und die Papageien: Zur Naturgeschichte des Geistes
Der Philosoph Plato sah die Sprache als Voraussetzung des Denkens. Er beschrieb das Denken als das “innere Gespräch der Seele mit sich selbst”:
“Mir nämlich stellt sich die Sache so dar als ob die Seele, wenn sie denkt, nichts anderes tut als daß sie redet, indem sie selbst sich fragt und die Frage beantwortet und bejaht und verneint.“
Plato, Theaiteth 190a.
Bei der Frage, ob unser Denken abhängig von Sprache ist, sind sich moderne Kognitionsforscher darin einig, dass es eine Form des Denkens gibt, die keiner Sprache bedarf und eine abstrakte gibt, die auf Sprache zurückgreift. Das heißt, auch ein Lebewesen das nicht sprachfähig ist aber ein entsprechend komplexes Nervensystem besitzt, kann denken.
Der Kognitionswissenschaftler Jerry Fodor spricht in diesem Zusammenhang von einer „Language of Thought“ (LOTH). Seiner Meinung nach arbeitet der Geist mit Repräsentationen der Wirklichkeit, die nach einer dem Mentalen eigenen Syntax zu ganzheitlichen Gedanken zusammengesetzt werden. „Repräsentationen der Wirklichkeit“, weil die Welt nicht so ist, wie wir sie denken. „Das Ding an sich“ schrieb Kant, bleibt uns verborgen. Die Vernunft kann nur das an der Natur erkennen, was sie vorher in sie hineindenkt. Der Philosoph Jacques Derrida meint, dass die Sprache kein Fenster zur objektiven Welt ist, vielmehr legt sie der Welt eine Struktur auf, indem sie Unterteilungen vollzieht, die es ohne Sprache nicht gäbe. In diesem Sinne ist die Welt selbst ein Text – eine Ansammlung von Objekten, Eigenschaften und Ereignissen, die ihre Bedeutung durch Sprache erlangen.
Tiere haben andere Repräsentationen der Wirklichkeit als der Mensch: Der Fangschreckenkrebs kann auch im UV-Bereich Farben wahrnehmen. Bei Lila hört bei uns der Regenbogen auf, beim Krebs geht es danach erst richtig los. Jenseits von Lila beginnt die ultraviolette Strahlung, die für das menschliche Auge unsichtbar ist, insofern ist es unmöglich, die Farben zu beschreiben, da kein Mensch sie je gesehen hat. Der Ruf der Fledermaus ist für das menschliche Ohr zu hoch. Auch die akustische Kommunikation der Elefanten liegt außerhalb unserer Hörfähigkeit: Sie kommunizieren im Infraschallbereich mit Frequenzen unterhalb von 16 Hertz. Diese Laute sind für das menschliche Gehör zu tief.
Am Ende meines Blogposts „Auf Dr Doolittles Spuren: Lautlernen und Interspecies-Kommunikation“ schrieb ich zur Interspecies-Kommunikation:
„Am meisten interessiert mich an der Interspecies-Kommunikation der propositionale Akt: Wenn ich einem Papagei das Wort „Demokratie“ beibringe, erwarte ich zwar ein neuronales Korrelat in seinem Gehirn aber keine abstrakte mentale Repräsentation. Demokratie gehört nicht zur Lebenswelt des Papageis und ist auch nicht sinnlich erfahrbar. Wenn ich dem Papagei das Wort „Banane“ beibringe und ihm gleichzeitig eine Banane zeige glaube ich sowohl an ein neuronales Korrelat als auch an eine mentale Repräsentation. Die Banane gehört sowohl zur Lebenswelt des Papageis als auch zu meiner.“
Tauben können lernen, englische Wörter von unsinnigen Buchstaben-Kombinationen zu unterscheiden. Sie erkennen dabei echte Wörter sogar dann, wenn diese ihnen völlig neu sind. Das belegt, dass die Tauben rudimentäre Regeln hinter der Wortbildung verstehen.
Papageien können nicht nur Worte der menschlichen Sprache lernen, sie sind sogar zu einem rudimentären begrifflichen Denken fähig. Die Verhaltensbiologin Irene Pepperberg führte vor dem Hintergrund der epistemischen Begriffstheorie sprachpsychologische Experimente mit dem Kongo-Graupapagei (Psittacus erithacus erithacus) Alex durch. Die Ergebnisse dieser Studien verblüfften Kognitionsforscher wie Laien gleichermaßen [1].
Die epistemische Begriffstheorie
Laut der epistemischen Theorie der Begriffe erfüllen Begriffe zwei zentrale Aufgaben: Erstens ordnen sie Objekte gemäß bestimmter Eigenschaften: Ein kognitives System muss diese als Merkmale von Gegenständen repräsentieren können. Bloß ein Merkmal in einer Situation zu unterscheiden genügt nicht. Zweitens: Begriffe sollen auch in neuen Situationen anwendbar und nicht nur von einem einzigen Schlüsselreiz aktivierbar sein. Um Objekte und Eigenschaften getrennt zu repräsentieren und schließlich Begriffe zu haben, muss ein kognitives System wiederum vier Dinge können:
1. Die Eigenschaft, rot zu sein, muss es beispielsweise mehreren Dingen zuordnen können, nicht nur einem Ball, sondern auch einer Blüte oder einem Auto.
2. Ferner muss das System dem jeweiligen Gegenstand auch an weiteren Eigenschaften erkennen können – etwa daran, dass er rund ist oder duftet.
3. Für einen Begriff ROT ist wiederum charakteristisch, dass er nicht allein durch die Wahrnehmung eines roten Gegenstands, sondern auch durch erlernte Reize in neuen Situationen aktiviert werden kann, zum Beispiel beim Menschen durch das Aussprechen des Worts „rot“.
4. Zuletzt gilt es die Eigenschaft rot zu sein, richtig einzuordnen – nämlich als eine Farbe und nicht etwa als Gefahrsignal.
Diese vier Kriterien können – im allgemeiner Form – Begriffe eindeutig definieren und zwar unabhängig davon, ob jemand über Sprache verfügt oder nicht.
Der Afrikanische Graupapagei
Den Afrikanischen Graupapagei (Psittacus erithacus) gibt es in zwei Unterarten, und zwar den Kongo-Graupapagei (Psittacus erithacus erithacus), dessen Verbreitungsgebiet eher das zentrale Afrika (Südosten der Elfenbeinküste, Angola, westliches Kenya, Tanzania) ist, und den etwas kleineren Timneh-Graupapagei (Psittacus erithacus timneh), der im Westen Afrikas (Guinea-Conakry, Ghana, Elfenbeinküste) zu Hause ist. Sie wohnen in tropischen Reegenwäldern, Mangrovensümpfen und Feuchtsavannen. Graupapageien sind ausgesprochen soziale Vögel und können 60 Jahre alt werden. Außerhalb der Brutzeit leben sie in großen Schwärmen, die nicht selten mehrere Hundert Vögel umfassen. Die Tiere übernachten gemeinsam auf Schlafbäumen und fliegen morgens zusammen Wasserstellen an oder gehen auf Nahrungssuche. Das Ganze wird von lautem Kreischen und Pfiffen begleitet, die der Verständigung dienen. Brutwillige Paare sondern sich vom Schwarm ab. Bei Papageien ist die Paarbindung sehr stark, sie dauert in der Regel ein ganzes Leben lang.
Der Afrikanische Graupapagei ist einer der am häufigsten als Heimtier gehaltenen Papageien. Oft werden sie wegen ihrer Sprachbegabung angeschafft und dann als Einzeltier gehalten. Manche Tierschützer behaupten ein sprechender Papagei sei das Resultat einer nicht artgerechten Einzeltierhaltung: Viele Papageien würden nur sprechen, weil sie allein gehalten werden. Fakt ist jedoch, auch in der Gruppe lernen die Vögel sprechen. Der Mensch muss sich allerdings viel Zeit nehmen und braucht Geduld.
Afrikanische Graupapageien können im Durchschnitt ungefähr 100 Worte lernen. Kongo-Graupapageien beginnen zu sprechen wenn sie zwischen 12 und 18 Monate alt sind, Timneh-Graupapageien zwischen 6 Monaten und einem Jahr. Dabei muss der Halter berücksichtigen, dass nicht alle Graupapageien begabt dafür sind, Worte und Laute nachzuahmen, sondern dass es durchaus Exemplare gibt, die niemals sprechen lernen (oder es nicht lernen wollen).
„Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, Es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“
Mephistopheles in Goethes „Faust“, Hexenküche
Sprachpsychologische Experimente mit Graupapageien
Pepperberg lehrte Alex Worte indem sie ein Verfahren des Zoologen Dietmar Todt benutzte. Dabei führen zwei Menschen dem Papagei ein Rollenspiel vor. Das Rollenspiel zwischen Pepperberg und ihrer Studentin Pamela Banta lief etwa so ab:
Banta hält ein Stück Papier in die Höhe und fragt: “Irene, was ist das?” Pepperberg antwortet mit einem knarzenden Papageienlaut. Die Studentin ermahnt: “Irene, du weißt es.” Jetzt antwortet Pepperberg “Papier”, und Banta gibt ihr das Stück mit den Worten: “Das ist richtig. Papier.” Nur bei richtiger Antwort erhält die Versuchsperson den Gegenstand. Danach wechseln die beiden die Rollen, um dem Papagei zu zeigen, dass Frage und Antwort nicht an bestimmte Personen gebunden sind.
Zeigte Pepperberg Alex einen roten Korken, so konnte Alex den Gegenstand benennen und ihm entsprechende Eigenschaften zu ordnen: „Korken“, “rot“, rund“. Das gelang Alex mit den Eigenschaften selbst dann, wenn ihm Dinge gezeigt wurden, die er aus der Trainingsphase noch nicht kannte! Er erfüllte damit mindestens die ersten drei Bedingungen für begriffliches Denken.
1. Er konnte die Eigenschaft „rot“ an verschiedenen Objekten erkennen.
2. Er war in der Lage, ein Objekt mit verschiedenen Eigenschaften zu verknüpfen: sowohl mit dem Begriff ROT als auch mit dem Begriff RUND.
3. Er beantwortete die Frage nach der Form oder Farbe erst dann, wenn er danach gefragt wurde.
4. In einem weiteren Experiment zeigte Pepperberg dem Papagei zwei Gegenstände, die sich nach Form, Farbe oder Material unterschieden. Zum Beispiel ein grünes Dreieck aus Holz und ein blaues Dreieck aus Plastik. Die Frage ist: “Was ist gleich?” Die richtige Antwort: “Form.” Oder man fragte ihn: “Was ist verschieden?” Dann sagte Alex “Farbe”, aber nicht “grün” oder “blau”. Damit erfüllte der Papagei auch noch das vierte Kriterium der epistemischen Begriffstheorie, denn er klassifizierte die Eigenschaften „grün“ und „blau“ als Farben und das „Dreieck“ als Form.
Alex lernte etwa 50 verschiedene Gegenstände wie Spielzeuglastwagen (aus Gummi, Metall oder Plastik), Schachteln (Metall, Papier, Plastik), Tassen, Ketten, Schlüssel oder Korken kennen. Er konnte sieben Farben benennen: Rosa, Grau, Grün, Rot, Blau, Gelb und Orange. Er kannte sechs Formen und die Bezeichnungen für Materialien wie Papier, Wolle, Stein oder Metall. Er erkannte “gleich” und “verschieden”, “größer” und “kleiner”.
Alex besaß auch einen Zahlensinn: Er konnte geringe Anzahlen von Gegenständen (bis zu einer Obergrenze von acht) wahrnehmen und unterscheiden. Die Psychologin Elizabeth Spaepen entdeckte, dass das Verständnis von Mengen an die Sprache gekoppelt ist [2]. In ihrer Studie mit taubstummen Menschen, die keine offizielle Zeichensprache erlernt haben, stellte sie fest, dass diese Schwierigkeiten haben das Konzept von größeren Zahlen und Mengen zu erfassen.
Spaepen wählte für ihre Versuche vier taubstumme Probanden aus Nicaragua, sogenannte Home Signers, die aufgrund ihrer Lebensumstände keine Möglichkeit gehabt hatten, eine offizielle Zeichensprache zu erlernen und Schulbildung zu erhalten. Sie benutzen stattdessen selbst entwickelte Gesten, um sich mit vertrauten Menschen zu verständigen. Dabei gebrauchen sie durchaus auch ihre Finger, um Mengen zu verdeutlichen, wie die Forscher feststellten, können aber nicht im eigentlichen Sinne zählen. Ihre übrigen geistigen Fähigkeiten waren normal ausgebildet. Als Vergleichsprobanden dienten ihr Personen mit gesundem Hörvermögen aus Nicaragua, die zählen können, jedoch keine Schulbildung besitzen, sowie taubstumme Personen, die sich der hoch entwickelten Zeichensprache inklusive des Zahlensystems bedienen.
Bei den Tests sollten die Probanden beispielsweise den Inhalt einer animierten Bildergeschichte wiedergeben, die mit Zahlen und Mengen zu tun hatte. Bei anderen Aufgaben sollten sie bestimmte Mengen von Objekten auf einer Karte mit ihren Fingern wiedergeben. Diese Tests erfolgten auch unter Zeitdruck, um Aufschluss über die Geschwindigkeit der Informationsaufnahme zu gewinnen.
Ab der Zahl Drei hatten die Home Signers bereits Schwierigkeiten, die Informationen über ihre Finger korrekt wiederzugeben. Sie versuchten es zwar, aber sie machten dabei deutlich mehr Fehler als die Vergleichsprobanden. Homesigners hatten auch Schwierigkeiten sich die Anzahl von Gegenständen zu merken, je größer die Anzahl war, desto größer waren die Schwierigkeiten. Bei den Kontrollen war das nicht der Fall [3]. Die Ergebnisse legen nahe, dass das Zahlenverständnis sich gemeinsam mit sprachlichen Zahlenkonzepten entwickelt.
Alex’ Können reichte weit über einfaches Erinnern hinaus. Alex musste die Frage verstehen, Eigenschaften analysieren, abstrahieren und vergleichen, eine Entscheidung treffen und sein Vokabular nach der richtigen Bezeichnung durchsuchen – Fähigkeiten, von denen man einst annahm, dass ausschließlich der Mensch sie besitzt. Alex erfand auch eigene Worte: Als er einmal zu seinem Geburtstag mit Kuchen gefüttert wurde, nannte er den Kuchen „lecker Brot“.
Natürlich lernte Alex diese Dinge über einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren und kam mit seinem begrifflichen Denken nicht über das Niveau eines Schulanfängers hinaus. Es war aber auch nicht seine Welt und seine Art zu kommunizieren, sondern die des Menschen. Ein Papageienhirn muss andere Dinge können.
Nova Science Now: Irene Pepperberg & Alex
Weiterführende Literatur
[1] Pepperberg, I.M. (1990). An investigation into the cognitive capacities of an African Grey Parrot (Psittacus erithacus). Advances in Study of Behavior, P.J.B. Slater, J.S. Rosenblatt, C. Beer, eds., Academic Press.
Auf Dr Doolittles Spuren: Lautlernen und Interspecies-Kommunikation
Irene Pepperberg (2005) Titel, Gehirn & Geist, 10/2005, S.18
Bildnachweis
Autor: Olaf Oliviero Riemer
Titel: Junger Kongo-Graupapagei (Psittacus erithacus erithacus) im Weltvogelpark Walsrode (vormals Vogelpark Walsrode), Deutschland)
Lizenz: This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
Papageien scheinen also in ihrer Abstraktions- und Begriffsbildungsfähigkeit heutige Künstliche-Intelligenz-programme zu übertreffen. Und das trotz ihrem winzigen Gehirn. Biologisches Computing scheint seine eigene Stärken zu haben, selbst wenn die Hardware äusserst bescheiden ist, wie das bei einem Graupapagei sicher der Fall ist.
Glaubst Du, dass Deep Learning-Projekte wie z. B. Google Brain eine Abstraktions- und Begriffsbildungsfähigkeit besitzen? Wenn ja, müsstest Du zugeben, dass sie die Papageien übertreffen – wenn nicht kannst Du sie auch nicht vergleichen. Im Lichte der epistemischen Begriffstheorie weiß ich z. B. nicht, ob Deep Learning-Projekte das 4. Kriterium erfüllen.
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Das Studium der Papageien versus Platos out-of-thin-air Überlegungen. Was lehrt uns wohl mehr?
Das scheint mir klar, Ich würde sogar behaupten, dass man beim Studium der Lern- und Denkfähigkeit des Papageis sogar mehr über den Menschen erfährt als wenn man sich vor ein leeres Papier setzt und dort seine intuitiven Gedanken zum Thema menschlicher Geist festhält (was Plato ja getan hat). Leider gibt es heute noch viele Geisteswissenschaftler, die sich lieber etwas zusammendenken als dass sie sich auf Beobachtung und Experiment einlassen.
Platos Ansicht das Denken sein ein “inneres Gespräch” ist heute noch weit verbreitet. Tatsächlich denken ja viele in Worten oder meinen das mindestens, denn um einen Gedanken voll ins Bewusstsein zu holen und vor allem den anderen mitteilen zu können, muss er tatsächlich versprachlicht werden. Das bedeutet aber eben nicht, dass Denken ein stummes Selbstgespräch ist, sondern es bedeutet nur, dass die Darstellung und Mitteilung des Denkens ohne Sprache nicht geht. Die Vertreter der “Denken=Sprechen”-These sind sich zudem nicht bewusst, dass ihre These bedeutet, dass Sprache selbst ohne Denken entstehen muss, denn in ihren Augen gibt es kein Denken vor dem “Sprechen”. Das ist meiner Ansicht nach grundfalsch. Auch wenn es sicher stimmt, das Sprache das Denken beeinflusst.
Es kann zumindest nicht von Denken gesprochen werden bevor eine Sprache bereit steht.
Insofern kann nicht sprechen könnenden Denkern, beispielsweise Tieren, nur von außen das Denken zugesprochen werden, wobei die nicht sprechen könnenden Denker nicht wissen, dass sie denken, weil der Begriff ‘denken’ nicht bereit steht.
Ist ein wenig so wie mit dem Erdtrabanten, den es nicht geben würde, hätte ihn nie ein erkennendes Subjekt gesehen und beschrieben, auch wenn er von außen betrachtet da ist oder existiert.
-> https://www.youtube.com/watch?v=P0CzhJePocs (wobei es hier wohl um die QM geht, das Vid ist nicht näher bearbeitet worden, die Frage wurde schon mehrfach an anderer Stelle bearbeitet)
@Dr.Webbaer: Das Objekt existiert auch ohne Beobachter und im konkreten Fall kann es Denken auch dann geben, wenn niemand darüber berichtet. Wenn Papageien heute nachgesat wird, sie könnten denken, dann konnten Papageien auch schon vorher denken. Bevor das über sie gesagt wurde und bevor es überhaupt Menschen gab.
Ihre Argumentation ist die eines Konstrukvisten. Konstruktivsten leben mit dem Widerspruch – den sie selbst nicht erkennen- , dass es ohne Realität auch keine Konstrukte geben kann. Wer soll denn die Konstrukte errichten oder selektionieren, wenn es keine Realität gibt?
Die (Außen-)Welt wird offensichtlich benötigt.
Die Realität meint die Sachlichkeit, bestimmte vielen intuitiv richtig erscheinende Sachlichkeit, sie wird versucht von philosophischen Realisten dienstbar gemacht zu werden als dritte Schicht, als Schicht zwischen Innenwelt und Außenwelt, sie wird – wie auch andere Schichten, bspw. die Wirklichkeit (Meister Eckhard, hier liegt wohl eher ein deutsches Spezifikum vor, prüfen Sie vielleicht selbst) und bestimmte religiös entwickelte Schichten – nicht als Zwischenschicht benötigt.
MFG
Dr. W (der den Vorhalt streng zurückweist, dass Konstruktivisten sozusagen flach denken)
Vielen Dank für diesen, wie hier gefunden wird, wieder sehr lesenswerten und interessanten Artikel, ganz am Rande gefragt: Stimmt das?
MFG
Dr. W
Danke für das Lob! Ja, ich denke schon. Meiner Meinung nach ein notwendiges aber nicht hinreichendes Kriterium.
Schwangere Frauen sprachen einen speziell erdachten Kinderreim mehrmals pro Tag laut aus. Ab der 34. Schwangerschaftswoche war beim Fetus ein Rückgang der Herzaktivität als Reaktion erkennbar (= Habituation). Diese Reaktion zeigt eindeutig einen Denkvorgang an: Ein Reiz wird registriert, mit vorhandenem Wissen verglichen und – da ungefährlich – als unwichtig eingestuft.
Mit solchen Experimenten kann gezeigt werden, dass bereits Feten aktiv denken können (ohne Sprachvermögen)
Quelle:
[Evidence suggest babies in womb start earlier than thought: study] [Emergence and retention of learning and memory in early fetal development]
Denken/Kreativität ist das Ergebnis einer simplen Mustervergleichsaktivität, die möglich ist, wenn ein Gedächtnis vorhanden ist. Ganz egal, ob bei Mensch oder Tier.
@KRichard
“Diese Reaktion zeigt eindeutig einen Denkvorgang an:”
Ich denke nicht, dass man diese Reaktion als eine Folge von Denken betrachten sollte.
“Ein Reiz wird registriert, mit vorhandenem Wissen verglichen und – da ungefährlich – als unwichtig eingestuft.”
Zunächst ist schon der Gebrauch des Begriffs “Wissen” hier sehr zweifelhaft, im Weiteren auch “ungefährlich” und “unwichtig”. Ich würde den beschriebenen Vorgang als Konditionierung betrachten.
“Denken/Kreativität ist das Ergebnis einer simplen Mustervergleichsaktivität”
Nicht jede chemische Reaktion ist ein neuronaler Vorgang, nicht jeder neuronaler Vorgang ist ein Mustervergleich und nicht jeder Mustervergleich ist Denken. Also selbst falls Denken auf Mustervergleichen beruhen sollte (oder auf neuronalen Vorgängen, oder auf chemischen Reaktionen) ist noch etwas Denkarbeit nötig, um herauszufinden, bei welchen Mustervergleichen man gerechtfertigterweise an Denken denken sollte.
Wer wie Plato das Wesen des Denkens über die eigenen Erfahrungen herausschält, kommt zu Schlüssen die allenfalls für die eigene Person eine gewisse Gültigkeit haben nicht aber für die ganze Gattung Mensch. Sie haben nicht einmal für Plato selbst volle Gültigkeit, weil Plato sich dazu selbst beobachten muss und dies besonders schwierig ist – wie Freud später zu recht festgehalten hat.
Plato erfährt Denken als inneres Gespräch in dem auch Entscheidungen gefäll werden. Ich selbst setze meine Erfahrungen mit dem Denken aber in einer früheren Phase als Platon an. In der Phase der Versprachlichung nämlich. Ich erlebe nämlich diesen Prozess der Versprachlichung selbst als Konkretisierung. Mein Denken umfasst meist sehr viel mehr Alternativen und verschwommene Denkgeblide als das was ich schliesslich in Sprache umsetze. Vielleicht erleben gar nicht alle Menschen diesen Prozess der Versprachlichung. Doch ich erlebe diesen Prozess teils bewusst, teils nur als Gefühl. Und dieses Erlebnis vermittelt mir sehr deutlich, dass Sprache nicht mit Denken zusammenfällt. Bei anderen Personen mag es anders sein. Möglicherweise weil andere Personen diesen Prozess der Versprachlichung gar nicht bewusst erleben.
Eine Saatkrähe benutzt Steine um den Wasserspiegel zu erhöhen und ans Futter zu gelangen.
Vermutlich wäre ich selbst lange nicht auf diese Idee gekommen.
https://www.youtube.com/watch?v=MmD3ysLBuRE
Wenn ich ein Gerät entwerfe, dann denke ich in Bildern, und nicht in Worten.
Oft fallen mir auch Problemlösungen aus meinem unbewussten Denken ein.
@ Karl Bedanrik
“Vermutlich wäre ich selbst lange nicht auf diese Idee gekommen.”
Tröste Dich, vielleicht war der Vogel schon trainiert: Krähen sind wirklich schlau.
“Oft fallen mir auch Problemlösungen aus meinem unbewussten Denken ein.”
Ja schon, aber woher weißt Du, dass Du im Unbewussten nicht nur rein sprachlich denkst?
Hallo Joker, für “im Unbewussten nicht sprachlich denken” spricht:
Meine Problemlösungen sind zumeist geometrisch, mechanisch, und physikalisch.
Es ist mühsam meine Problemlösungen danach in die Sprache zu übersetzen.
Herr Holzherr schrieb etwas ähnliches, und deshalb gibt es technische Zeichnungen.
Ich vermute, dass die bildhafte und sprachlose Denkweise in der Individualentwicklung und in der Stammesgeschichte früher auftrat, als die Sprache.
Dazu gehört das Vorzeigen und Nachahmen von Vorgängen, und später die Handzeichen.
“Ein Krebs sieht zehnmal so viele Farben wie der Mensch.”
Wie viele Farben sieht denn ein Mensch? Doch sicher noch einige mehr als es Buntbären gibt, die übrigens auch über Sprachbegabung verfügen!
Der Mensch hat drei Sehfarbstoffe, möglicherweise haben die Krebse zehn.
Der Computerbildschirm kann im RGB-System 256 mal 256 mal 256 also 16.777.216 Farben darstellen.
RGB( 0 bis 255 rot, 0 bis 255 grün, 0 bis 255 blau )
Die Computerbildschirme für die Krebse werden viel teurer sein.
Du hast recht, so wie ich es geschrieben habe, ist es Quatsch. Ich werde den Satz ändern.
Die Netzhaut des menschlichen Auges enthält drei Fotorezeptoren für Blau, Rot, Grün. Der Mensch sieht im Bereich der Wellenlängen von etwa 380 bis 780 Nanometern farbig und kann etwa 200 Farbtöne unterscheiden. Wenn man nun die Intensität des jeweiligen Farbtons verändert, ergeben sich pro Farbton etwa 500 unterscheidbare Helligkeiten. Variiert man zuletzt den Weißanteil im Farbton erhält circa 20 weitere Farben pro Farbton. In der Theorie kann der Mensch also ungefähr 2 Millionen Farben unterscheiden. In der Praxis – ich weiß es nicht
Die Augen des Fangschreckenkrebs besitzen acht verschiedene Fotorezeptoren im sichtbaren» und vier im UV-Bereich. Forscher bemerkten nun aber, dass der Fangschreckenkrebs trotz der zwölf Fotorezeptoren einzelne Farben nicht so gut voneinander unterscheiden kann, wie man annehmen würde. Denn es zeigte sich, dass Fangschreckenkrebse nur Licht mit einer Wellenlängendifferenz von etwa 25 Nanometern unterscheiden können. Das entspricht ungefähr dem Unterschied zwischen einem dunklen Gelb und Orange. Der Mensch, mit nur drei Farbrezeptoren, kann dagegen noch kleinere Unterschiede feststellen. Das liegt daran, dass unser Gehirn die Informationen der verschiedenen Rezeptoren noch miteinander vergleicht und komplex verrechnet. Dass der Fangschreckenkrebs ebenfalls die Informationen verrechnet, schließen die Forscher jedoch aus: Dann müsste er deutlich kleinere Wellenlängenunterschiede erkennen.
Sie vermuten daher, dass der Krebs sich diesen relativ zeitintensiven Schritt spart und vielmehr seine Augen wie einen Zeilenscanner einsetzt. Dafür tastet er das Objekt mit einer schnellen Augenbewegung ab. Er bekommt so ein zeitlich und räumlich definiertes Signal für jeden der zwölf Rezeptortypen und erzeugt damit ein grobes Raster der einzelnen Rezeptorantworten, welches als Farbeindruck erkannt wird. Das wäre eine einzigartige und sehr schnelle Methode, um Farben zu entschlüsseln. Diese noch so geringe Zeitersparnis könnte den Fangschreckenkrebsen im Korallenriff einen kostbaren Vorteil verschaffen, wenn sie Beutetiere schnappen oder sich gegen Angreifer zur Wehr setzen wollen.
Danke für die Zusatzinfo.
Ich hab selbst nochmal etwas recherchiert und bin dabei auf ein ganz anderes Problem für die Begriffsbildung gestoßen. Ein Papagei hat ja schließlich Vogelaugen und nimmt, wie auch ein Krebs mit den seinen, Farben ganz anders wahr als wir Menschen mit unseren Glubschern.
Wir Menschen nehmen z.B. ‘gelb’ nicht nur bei monochromatischem Licht der Wellenlänge 580 nm wahr. “Einen ebensolchen ‘gelben’ Eindruck können wir erhalten, wenn sich reines rotes Licht von 620 nm und reines grünes Licht von 540 nm zu gleichen Teilen überlagern” (Im Spiegel der Sprache, Guy Deutscher) und bei vielen weiteren Kombinationen, auch in Abhängigkeit der Lichtintensität.
Nun stellt sich mir die Frage, ob ein Papagei überhaupt eine ähnliche Einordnung der Farben, insbesondere der durch Mischung wahrgenommenen Farben, vornimmt wie wir. Das wäre ja eine Voraussetzung, um für uns gleichfarbige Gegenstände ebenfalls unter nur einen Farbbegriff zu fassen. Am Ende sieht der Vogel bei einigen Gegenständen ‘rosa’, wo wir noch ‘gelb’ sehen oder umgekehrt.
Eventuell lassen sich dadurch auch einige Fehlleistungen des Vogels erklären, wenn Gegenstände mit anderen Farbzusammensetzungen oder unter anderen Lichtverhältnissen präsentiert werden. Der Papagei verwendet das Wort ‘gelb’ und wir verweigern ihm die Belohnung, nur weil wir die Unterschiede im reflektierten Licht der Gegenstände nicht wahrnehmen, einiges eben nur durch unsere ‘rosa’ Brille betrachten.
(Farben werden zum Teil auch kulturell unterschiedlich betrachtet. Da Homer von “weindunklem Meer” spricht, hätten einige ‘Künstler’ begonnen, weil sie dem Meer keine rote Farbe verleihen wollten, was ja immerhin auch möglich gewesen wäre, den Wein blau zu machen.)
Bei Form und Material der Gegenstände sehe ich kein vergleichbares Problem für die speziesübergreifende Begriffsbildung, aber auch das kann natürlich meiner Brille geschuldet sein.
Vögel besitzen vier Fotorezeptoren, wobei einer davon bei einigen Vogelarten diesen Vögeln das Sehen von UV-Licht ermöglicht. Dass Vögel UV-Licht sehen können, ist besonders bei der Partnersuche entscheidend. Viele Arten haben Muster in ihrem Gefieder, die nur im UV-Bereich sichtbar sind. Bei der Nahrungssuche spielt die UV-Sicht eine wichtige Rolle. Viele Früchte reflektieren besonders viel UV-Licht, wenn sie reif sind. Auch für viele Greifvögel hat die Fähigkeit, im UV-Bereich sehen zu können, einen äußerst praktischen Nutzen: Mäuse-Urin leuchtet in diesem Spektralbereich. Daher sehen die Raubvögel schon beim Überfliegen von Feld, Waldrand und Wiese, ob und wie viele Mäuse es gibt und wo sich die Nager gerne aufhalten. Bussard und Falke wissen daher genau, an welcher Stelle es sich lohnt, in der Luft auszuharren.
Vögel haben ein besseres Farbsehen als der Mensch. Eine Besonderheit in der Netzhaut von Vögeln sind kleine, grüngelblich bis rote Öltröpfchen, die sich im Inneren der Zapfen befinden. Diese Tröpfchen funktionieren wie ein Farbfilter. Obwohl sie den Absorptionsbereich einzelner Zapfen einschränken, steigern sie doch insgesamt die Möglichkeiten der Zapfenpigmente: Die Absorptionsspektren der vier Zapfentypen unterscheiden sich zwar, überschneiden sich aber auch in großen Bereichen.
Die Öltröpfchen filtern nun einen Teil des Lichts vor dem Auftreffen auf die Licht absorbierenden Pigmente in den Photorezeptoren heraus, wodurch das Absorptionsspektrum des einzelnen Zapfens schmaler, aber auch viel spezieller wird. Durch die Kombination unterschiedlich gefärbter Öltröpfchen mit den vier verschiedenen Arten von Zapfen entstehen insgesamt weit mehr Zapfentypen, die in verschiedenen Wellenlängenbereichen des Lichts maximal empfindlich sind. Damit können Vögel über einen weiten Wellenlängenbereich selbst sehr geringe Farbunterschiede wahrnehmen.
“Damit können Vögel über einen weiten Wellenlängenbereich selbst sehr geringe Farbunterschiede wahrnehmen.”
Das meine ich. Das könnte ein Problem bei der speziesübergreifenden Begriffsbildung sein.
“Jeder Begriff entsteht durch Gleichsetzen des Nichtgleichen.” (Nietzsche)
Was beim Klassifizieren von Farben gleichgesetzt wird, wird im Wesentlichen durch den Wahrnehmungsapparat gleichgesetzt, nicht durch Konvention. Durch Konvention wird nur noch ein beliebiger Name vergeben.
Wenn Mäuse an die präsentierten Objekte gepinkelt hätten, dann würde das für uns vermutlich keine farbliche Differenz ausmachen, wir würden immer noch “Rot” sehen, wenn da vorher “Rot” war, für einen Papagei wäre da aber eine komplett andere Farbe. Gleichzeitig erwarten wir aber immer noch, dass auch dieser “Rot” sagt, wenn er einen solchen Gegenstand präsentiert bekommt. Dazu muss er eventuell sehr unterschiedliche Farbphänomene unter den selben Begriff subsumieren.
Und andersherum wird ein Papagei es nicht nachvollziehen können, wenn wir Menschen zwei verschiedene Begriffe verwenden, bei für ihn nicht unterscheidbaren Farben. Wenn sich z.B. bei ihm das phänomenale Erlebnis “Mausbunt” einstellen würde sowohl bei einer Überlagerung von “Grün” und “Ultraviolett”, für uns also “Grün”, als auch bei, von uns so genanntem, “frischem Mausgrau” .