Hilfe! Deutschland ertrinkt im virtuellen Wasser
BLOG: Die Sankore Schriften

Wenn wir den Begriff „virtuell“ verwenden, meinen wir meist „nicht wirklich, oder nur in der Vorstellung vorhanden“. Kann es Wasser geben, das als Möglichkeit oder in der Vorstellung vorhanden ist? Der englische Wasserexperte Tony Allan vom King’s College London definierte den Begriff „Virtuelles Wasser“ 1994. Der Begriff „Virtuelles Wasser“ hat sich für den Wasserbedarf eingebürgert, der für die gesamte Erzeugung eines Agrar- oder Industrieprodukts benötigt wird.
Abb.: Wassertropfen
Virtuelles Wasser in der Landwirtschaft
Weltweit werden 86 Prozent des Wassers, das der Mensch verbraucht, in der Landwirtschaft genutzt.
Für 1 kg spezifischer Landwirtschaftsprodukte listet die UNESCO folgenden Verbrauch an virtuellem Wasser auf (internationaler Durchschnittswert):
Landwirtschaftsprodukt | Verbrauch an virtuellem Wasser |
1 kg Möhren | 131 Liter |
1 kg Zuckerrohr | 175 Liter |
1 kg Mais | 900 Liter |
1 kg Kartoffeln | 925 Liter |
1 kg Weizen | 1350 Liter |
1 kg Reis | 3000 Liter |
1 kg Röstkaffee | 21 000 Liter |
Besonders hoch ist der Wassereinsatz in der Fleischproduktion, denn eine Kuh trinkt nicht nur viel Wasser, sondern frisst auch viel Gras, das zum Wachsen viel Wasser braucht. So erklärt sich, dass für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch etwa 15 000 bis 22 000 Liter Wasser erforderlich sind. Die Zahlenangaben, die man zum virtuellen Wasserbedarf eines bestimmten Produkts findet, variieren in der Literatur, weil es unterschiedliche Methoden der Berechnung gibt. Beim Rind hängt der virtuelle Wasserbedarf auch davon ab, wie das Tier ernährt wird. Steht das Rind also überwiegend auf der Weide und frisst Gras oder steht das Tier im Stall und wird mit importiertem Kraftfutter gefüttert. Bei landwirtschaftlichen Produkten hängt der virtuelle Wasserverbrauch auch davon ab, wie viel Wasser aus natürlichen Quellen, z. B. Regen, Grundwasser, Flüsse, Seen etc. lokal vorhanden ist bzw., wie die Saat lokal bewässert wird.
Wasserbedarf- und verbrauch in Deutschland
Der reale Wasserbedarf eines deutschen Haushalts liegt bei 127 Liter pro Einwohner und Tag.
Der virtuelle Wasserverbrauch liegt jedoch bei 4233 Litern pro Person und Tag. Diese große Menge ist erforderlich, um all die Waren zu produzieren, die wir täglich benutzen – von der Tasse Kaffee über das Baumwoll-T-Shirt bis zum Mikrochip.
In Deutschland gibt es ein natürliches Wasseraufkommen von 1,878 Millionen Liter pro Person. Jedoch reicht das nicht aus, um 82 Millionen Einwohner in vollem Umfang mit virtuellem Wasser zu versorgen. Selbst wenn genügend landwirtschaftliche Nutzflächen in Deutschland zur Verfügung stehen würden, wäre Deutschland auf Lebensmittelimporte angewiesen, weil einfach nicht genügend Wasser zur Verfügung steht, um die hier konsumierten Lebensmittel zu produzieren. Lebensmittel müssen also importiert werden und damit wird virtuelles Wasser importiert. Die importierte Menge an virtuellem Wasser liegt in Deutschland ungefähr bei 2243 Liter pro Tag und Person, das sind 53% des virtuellen Wassers. Das Problem bei der Sache: Durch den Import von Lebensmitteln aus Entwicklungs- und Schwellenländern erzeugen wir dort einen Wassermangel. In diesen Regionen entsteht deshalb ein sogenannter Wasserstress.
Warum soll ich mein virtuelles Wasser berechnen?
Unser Lebensstil prägt unseren Wasserverbrauch. Jeder sollte beim Einkaufen bedenken, wie viel Wasser für die Produktion der Waren gebraucht wird, die er in den Einkaufskorb legt.
Wo sich Virtuelles Wasser in ihrem Einkaufskorb versteckt.
Das Water Footprint Network hat einen Wasserfußabdruck-Rechner online gestellt, mit dem sich der persönliche Wasserverbrauch berechnen lässt.
Tipps um virtuelles Wasser zu sparen
Man kann z. B. bei seinen Essgewohnheiten anfangen und folgendes tun (Ich selber muss zu meiner Schande gestehen, dass ich noch nicht angefangen habe).:
Bevorzuge Erzeugnisse aus der eigenen Region
Senke deinen Fleischverbrauch, die Produktion von Fleisch im Vergleich zu pflanzlichen Produkten ist deutlich wasseraufwendiger
Verzehre Obst und Gemüse entsprechend der Saison, so begrenzt Du den Import von wasseraufwendig erzeugten Obst und Gemüse
Meide Obst und Gemüse aus trockenen Regionen mit hohem Wasserstress. Das spart dort Wasser, wo es wirklich drauf ankommt.
Berechnung des internationalen virtuellen Wasserverbrauchs
Seit 2002 wird der Verbrauch von virtuellem Wasser oder der „Wasserfußabdruck“ einzelner Menschen und ganzer Staaten systematisch untersucht.
Die Wassermenge, die in einem Land insgesamt für die Herstellung der dort produzierten landwirtschaftlichen und industriellen Güter sowie für die häusliche Verwendung beansprucht wird, bezeichnet man als internen Wasserfußabdruck. Das durch den Import von Gütern insgesamt in ein Land importierte virtuelle Wasser nennt man externen Wasserfußabdruck. Dieser beansprucht also die Wasserressourcen in anderen Ländern. Zur besseren Vergleichbarkeit kann der Wasserfußabdruck auf die Zahl der Einwohner des Landes umgerechnet werden. Man erhält so den durchschnittlichen persönlichen Wasserfußabdruck im jeweiligen Land.
Die Berechnungen sind ebenso schwierig wie erhellend. Pionierarbeit hat das Unesco Institute for Water Education (Unesco-IHE) in den Niederlanden geleistet. Beim Water Footprint Network gibt es englischsprachige Berichte die unter anderem eine zusammenfassende Bewertung des Wasserverbrauchs für Konsumgüter, den durchschnittlichen Wasserverbrauch der Menschen je nach Land und virtuelle Wasserflüsse zwischen den Ländern sowie den Wasserimport je nach Land, enthalten.
Menschenrecht auf Wasser
Jeder Mensch hat ein Recht auf Wasser. Das Recht auf Wasser ist seit 2002 als ein fundamentales Menschenrecht anerkannt. Das Recht auf Wasser ist Teil des Völkervertragsrechts des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte (IPWSKR). Es wird aus dem Recht auf Nahrung und dem Recht auf Gesundheit abgeleitet und verspricht eine sichere Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung. Das Recht auf Wasser schließt auch ausreichende hygienische Einrichtungen ein.
Fragen
Welche Konsequenzen hat der virtuelle Wasserhandel für die lokale Volkswirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern?
Ist virtuelles Wasser ein wesentliches Element von Entwicklungsstrategien (Vernachlässigung der ökonomischen, sozialen und kulturellen Implikationen des virtuellen Wasserhandels)?
Wie können in einem integrierten Wasserressourcenmanagements die Mitsprachemöglichkeiten der Produzenten und Konsumenten halbwegs gewährleistet werden?
Bildnachweis
Bild „Leitungswasser“
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