Giordano Brunos Gedanken zur Abstammungslehre
BLOG: Die Sankore Schriften
Mehr als 250 Jahre vor der Veröffentlichung von Darwins Buch „Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“ vertrat Giordano Bruno eine sehr ähnliche biologische Abstammungslehre [1]. 1591 schrieb er in seinem Werk „De triplici, minimo et mensura“ (Vom dreifachen Kleinsten und dem Maß):
„… Die Natur deutet jede Species zuerst an, bevor sie dieselbe ins Leben treten lässt. So bildet immer die eine Gattung den Ausgangspunkt der anderen, wie denn von der Gestalt eines Embryo aus ein ununterbrochener Übergang sowohl zu der Gattung Mensch, als zu der Gattung Tier gegeben ist.“
Wow! Ein Denker der Renaissance spricht 300 Jahre vor Ernst Häckel von EvoDevo.
Am 24. November 1859 erschien Darwins Buch. Es bedeutete eine totale Abkehr von der christlichen Schöpfungslehre. Darwin betonte, dass alle Arten auf eine Stammart zurückzuführen seien. Er schrieb im Vorspann [2]:
„Mag aber auch vieles dunkel sein und noch lange unaufgeklärt bleiben: auf Grund meiner sorgsamen Studien und des unbefangensten Urteils, dessen ich fähig bin, halte ich trotzdem die Meinung für irrig, der bis vor kurzem die meisten Naturforscher zuneigten (wie auch ich selber in früheren Jahren), dass nämlich jede Art selbständig erschaffen sein soll. Ich bin fest überzeugt, dass die Arten nicht unveränderlich, sondern dass die zu einer Gattung gehörenden die Nachkommen anderer, meist schon erloschener Arten, und dass die anerkannten Varietäten einer bestimmten Art Nachkommen dieser sind. Und ebenso fest bin ich überzeugt, dass die natürliche Zuchtwahl das wichtigste, wenn auch nicht einzige Mittel der Abänderung war.“
Weiterführende Literatur
[1] Deschner, Karlheinz: „Das Christentum im Urteil seiner Gegner“, Erster Band (darin: Anton Kaiser: „Giordano Bruno“), Limes Verlag, Wiesbaden 1969. S. 58. Aus: „De triplici, minimo et mensura“ (Vom dreifachen Kleinsten und dem Maß, 1591).
[2] Darwin, Charles: „Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl.“ Bertelsmann Lizenzausgabe. Copyright Philipp Reclam jun., Stuttgart 1963. S. 20.
Wow
Kommmt Scilogs endlich von der Esoterik weg?
Dieser Beitrag von Herrn Dramiga ist mir mal wieder, wie fast alle seine andern auch, ein Rätsel.
Die Wahrheit Ahnende gibt’s viele
Giordano Brunos Andeutung einer Abstammungslehre muss als Meinung und Ahnung eingestuft werden, denn – so weit ich weiß – hat er nur sehr wenig Argumente für sie ins Feld geführt.
Darwin war nach seiner Schiffsreise auf der Beagle viel besser “bewaffnet” und hat trotz den viel besseren Argumenten, die er zur Verfügung hatte, dann trotzdem noch 10 oder mehr Jahre bis zur Veröffentlichung seiner Artenentstehungs-Abhandlung gewartet.
Es gab schon immer Hellsichtige oder einfach Leute, die gut raten können und die mit Ihren Ahnungen und Meinungen nicht zurückhalten. Für Giordano Bruno hat es sich allerdings nicht ausgezahlt. Demokrits Atomtheorie dagegen wurde zu seiner Zeit – obwohl sie ohne Götter auskam – als Kandidat für eine Welterklärung gehandelt und scheinbar nahmen Verfechter der griechischen Götterwelt nur wenig daran Anstoß, denn immerhin landete er nicht auf dem Scheiterhaufen. Vielleicht lag das aber auch nur daran, dass die Religion der Griechen noch sehr viel primitiver wahr als die Religion unter der Giordano Bruno und Galilei gelebt haben.
Bruno
war an anderer Stelle noch deutlicher?`
BTW, was genau ist mit ‘EvoDevo’ gemeint?, die “Devolution” ist immer Evolution, oder nicht für Sie?
MFG
Dr. W
@Dr.Webbär: Evolutionäre Entwicklungsbio
EvoDevo ist eine Abkürzung für Evolutionäre_Entwicklungsbiologie und Joe Dramiga erwähnt es, weil Giordano Bruno ja sagt, ein menschlicher Embryo sei einem tierischen so ähnlich, dass dies auf einen gemeinsamen Ursprung hinweise.
Herr Holzherr
Danke, das ergibt Sinn.
Klingt aber semi-cool, dieses ‘EvoDevo’.
MFG + schönen Sonntag noch, Dr. W
Schöner Post!
Lieber Joe,
danke für den netten Fund! Ich kannte so eine Stelle aus dem islamischen Mittelalter, wusste aber nicht, dass auch schon Giordano Bruno auf der Spur war (obwohl er und Nikolaus von Kues auch auf anderen Gebieten weit voraus dachten, z.B. mit Überlegungen zu Leben auf anderen Planeten).
Beste Grüße!
Empedokles von Agrigent
Ergänzend zum Beitrag ein Exzerpt aus Nicolai Hartmanns Vom Neukantianismus zur Ontologie (1958):
Man sieht, nicht nur der Evolutionsgedanke ist uralt… 🙂
@Michael Blume Falls Du die Quelle aus dem islamischen Mittelalter finden solltest, poste Sie bitte hier in die Kommentarspalte. Ich bin gespannt. Ich vermute, dass sowohl Bruno als auch der islamische Gelehrte etwas von antiken griechischen Denkern übernommen haben.
@Martin Holzherr Viele richtige ideen fangen erstmal als Spekulationen an. Oft dauert es einige Zeit bis sich so eine Idee mit anderen richtigen Ideen zu einem kohärentem Theoriegebäude zusammenfügt. Bruno hatte wahrscheinlich gar nicht die Intention, wie Darwin, eine allumfassende Evolutionstheorie aufzustellen. Darf man den historischen Kontext außer acht lassen und für Bruno und Darwin den gleichen Maßstab anlegen? Ich denke nicht. Was wußte man denn zu Brunos Zeit und welche technischen/experimentellen Möglichkeiten gab es? Ich finde es jedenfalls interessant, dass diese Idee in Brunos christlich-pantheistischen Weltbild seinen Platz fand.
@Balanus Danke für diesen Beitrag. Auch der Vorsokratiker Anaximander hatte schon recht interessante ideen zur Evolution:
“In den Weltentstehungs-Prozeß bezog Anaximander auch die Entwicklung der Lebewesen ein. Seine Annahme, die ersten Lebewesen seien im Meer entstanden (A 11.6), könnte mit der Beobachtung versteinerter Seetiere, also Muscheln und dergleichen, auf dem Festlande zusammengehangen sein. Beim Übergang zum Landleben entwickelten jene urzeitlichen Tiere nach Anaximanders Theorie stachelige Häute, die später abfielen (A30), wobei gewisse Beobachtungen der Entwicklung der Insekten als Modell gedient haben mögen. Wie seiner Ansicht nach die Evolution im einzelnen verlief, ist nicht mehr bekannt, doch ist überliefert, daß er glaubte, die Menschen seien zunächst im Inneren von Fischen entstanden. Anaximander könnte gemeint haben, daß nur auf diese Weise die These vom Hervorgehen auch der Menschen aus dem Wasser aufrecht zu erhalten sei. Besonders dieser letzte Gedanke zeigt, wie viele phantastische Züge Anaximanders Evolutiuonstheorie noch enthielt.”
Quelle: Geschichte der Philosophie in 12 Bdn., Bd. 1, Die Philosophie der Antike. Von Thales bis Demokrit, 2. Auflage, 15. April 1988, S.45, Autor Wolfgang Röd
Allerdings spekulierte Giordano Bruno auch über die “Polygenesis” des Menschen, also darüber, dass es verschiedene Gruppen von Menschen gäbe, die sich nicht auf die gleichen Vorfahren zurückführen ließen (seiner Meinung nach stammten Schwarze nicht von Adam ab).
Auch das kann man als Abkehr von der christlichen Schöpfungsidee sehen, aber nicht in eine evolutionstheoretische Richtung.
Great job! This article was both informative and interesting.