Fünf-Sterne-Essen: Vogelspinne mit Chili

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Die Promis im RTL-Dschungelcamp essen für einige Zeit gesunde dioxinfreie Bio-Kost: Neben Fingerfood wie Heuschrecken oder Kakerlaken gibt es auch anspruchsvolle Menüs wie pürierte Emu-Leber und Krokodilpenis. Fressen und gefressen werden, dass ist der Lauf der Natur – doch viele Tiere und Pflanzen wissen sich mit Giften gegen ihre Fressfeinde zu wehren. Dabei hat der Biologe David Julius von der Universität California in San Francisco eine interessante Entdeckung gemacht. Es gibt eine Gemeinsamkeit zwischen der Vogelspinnenart Psalmopoeus cambridgei und der Chilipflanze Capsicum annuum.

Abb.1: Eine Vogelspinne der Art Psalmopoeus cambridgei 

Julius und sein Team haben untersucht warum der Biss der Vogelspinne Psalmopoeus cambridgei Schmerzen und Entzündungen an der Bissstelle hervorruft. Sie haben drei Peptide im Spinnengift gefunden die dafür verantwortlich sind, die Vanillotoxine (VaTx) 1, 2 und 3. Sie binden und aktivieren den Capsaicin-Rezeptor.

Der Name dieses Rezeptors stammt von der Substanz Capsaicin, die dem Chili-Pfeffer seine Schärfe gibt. (Molekularbiologen nennen diesen Rezeptor allerdings vornehm „transient receptor potential vanilloid-1 [TRPV1]“.) Nervenfasern, die Schmerz weiterleiten, besitzen extrem viele Capsaicin-Rezeptoren. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung bestimmter Schmerzen: Mäuse, die keinen Capsaicin-Rezeptor besitzen tranken mit Chili-Extrakt versetztes Wasser, ohne mit der Wimper zu zucken. Sie ignorierten Säuren, wie sie für Entzündungen typisch sind. Auch eine glühende Herdplatte nahmen die Mäuse nicht wahr. 

Abb.2: Die Chilifrucht, eine besondere Art Frucht der Paprika Capsicum annuum 

Das bedeutet für uns, dass die Chilischärfe, die wir beim Essen wahrnehmen, kein Geschmack ist wie die Süße einer Schokolade oder das Bittere einer Grapefruit, sondern ein Schmerz (Ein Zugeständnis an den kleinen Masochisten in uns).  Geschmack und Schmerz werden jeweils von eigenen spezifischen Zellen aufgenommen und auch spezifisch weitergeleitet. Im Fall der Schärfe geht es an den Trigeminus-Nerv. In den Papillen der Zunge finden sich dreimal mehr Verbindungen zum Trigeminus-Nerv als zu Geschmacksnerven. Während die Schärfe einer Chili auch im Augenwinkel oder an anderen empfindlichen Hautpartien empfunden werden kann, ist es nicht möglich, eine Geschmacksempfindung wie süß oder bitter an anderer Stelle als im Mund festzustellen.

Chili ist eigentlich die ursprünglichere Form der Paprika. Es wird sowohl die Pflanze als auch die Frucht als Paprika bezeichnet, vor allem für die Frucht gibt es noch weitere Namen, die Unterschiede in Schärfe, Größe und auch Farbe kennzeichnen. z.B. Chili und Peperoni. Die ab etwa 1950 in Ungarn gezüchteten süßen oder milden Paprika enthalten fast kein Capsaicin mehr. Peperoni enthalten etwa fünfmal so viel, ungarische scharfe Paprika etwa zehnmal so viel.

Das Protein Capsaicin in der Chili bindet auf der zytoplasmatischen Seite des in der Doppelmembran gelegenen Rezeptors, wohingegen die Vanillotoxine der Vogelspinne auf der extrazellulären Seite binden.

Abb.3:  Die Struktur einer TRPV1-Untereinheit. Der vollständige TRPV1 besteht aus vier solcher Untereinheiten.

Dieser Unterschied macht sich in der Wirkungsweise auf verschiedene Tiere bemerkbar. Während Säugetiere, wie der Mensch, sowohl auf Capsaicin als auch auf die Vanillotoxine mit Schmerzen reagieren, nehmen Vögel nur das Spinnengift wahr. Biologisch sinnvoll, denn die Chilipflanze ist auf Vögel zur Verbreitung ihrer Samen angewiesen. Der Ursprung der Paprika ist wahrscheinlich im Gebiet des heutigen Südbrasilien bis Bolivien. Die einzelnen Arten wurden durch Vögel bis nach Mittelamerika ausgebreitet.

Nicht nur im Dschungelcamp konkurrieren Säugetiere (z.B. B-Promis in der Sinnkrise oder mit finanziellen Sorgen) und Vögel um Nahrung. Die Chili hat sich im Grunde schon vor langer Zeit entschieden von wem sie gefressen werden möchte – nicht von uns.

Weiterführende Literatur

Jan Siemens, Sharleen Zhou, Rebecca Piskorowski, Tetsuro Nikai, Ellen A. Lumpkin, Allan I. Basbaum, David King  &  David Julius (2006) Spider toxins activate the capsaicin receptor to produce inflammatory pain. Nature, 444, 208-212.

Caterina MJ, Leffler A, Malmberg AB, Martin WJ, Trafton J, Petersen-Zeitz KR, Koltzenburg M, Basbaum AI, Julius D (2000) Impaired nociception and pain sensation in mice lacking the capsaicin receptor. Science, 288, 306-313.

 

Bildnachweis

Abb.1: Eine Vogelspinne der Art Psalmopoeus cambridgei

Psalmopoeus cambridgei, subadult, 1992
Micha L. Rieser

Quelle Wikimedia Commons:

Some Licence

Abb.2: Die Chilifrucht, eine besondere Art Frucht der Paprika Capsicum annuum

John Sullivan

Quelle: PD Photo.org

Abb.3. Die Struktur einer TRPV1-Untereinheit

Copyright © 2009

CELLULAR AND MOLECULAR PHYSIOLOGY
Cutaneous neuro-immuno-endocrinology
Research Centre for Molecular Medicine.
University of Debrecen, Hungary

 

Siemens J, Zhou S, Piskorowski R, Nikai T, Lumpkin EA, Basbaum AI, King D, & Julius D (2006). Spider toxins activate the capsaicin receptor to produce inflammatory pain. Nature, 444 (7116), 208-12 PMID: 17093448

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Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

2 Kommentare

  1. Sehr interessanter Artikel! Danke dafür. Ich wusste zwar schon, dass das Capsaicin nicht auf Vögel wirkt, aber der Zusammenhang zwischen Spinne & Schärfe ist mir neu! Interessant!

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