Black History Month: Genetiker bestimmen die Herkunft afrikanischen Elfenbeins mithilfe mitochondrialer DNA

Elefanten sind die Landschaftsgärtner Afrikas: Sie sind Pflanzenfresser und verbreiten durch ihren Kot, Dung genannt, viele Pflanzensamen. Ohne diese Samenverbreitung käme es zu einem Verlust von Bäumen mit schwerem Holz, und somit zu einem starken Rückgang der Fähigkeit eines Tropenwalds, CO2 zu speichern. Der Treibhauseffekt würde somit verstärkt, und die Temperaturen würden steigen, was wiederum Trockenzeiten fördert. Der Nahrungsmittelanbau würde immer schwieriger – ein weiteres Problem für die schnell wachsende Bevölkerung in Afrika.

In der Trockenzeit graben Elefanten in ausgetrockneten Flussläufen mit ihren Füßen und Stoßzähnen Wasserstellen in den Boden und versorgen dadurch nicht nur sich, sondern auch andere Tiere mit Wasser. Sie schlagen Feuerbreschen in Wälder und öffnen Waldlichtungen und Savanne für andere Tiere. Zwar wird Wald zerstört, das entstehende Grasland wird aber als Rastplatz für Vögel oder als Weidefläche für kleinere Antilopenarten genutzt.

Männlicher Savannenelefant (Loxodonta africana)

Elefanten verbreiten in ihren Dungballen nicht nur Pflanzensamen über viele Kilometer Entfernung, sondern sie sorgen auch für die notwendige Düngung. Elefanten sind schlechte Futterverwerter und scheiden die meisten Nährstoffe wieder aus. In den Ballen finden sich deshalb noch wertvolle Inhaltsstoffe, beispielsweise Blüten, die Affen und anderen Tieren als Futter dienen.

Afrikanische Elefanten sind soziale Tiere. Sie leben in einer Herde von 50 bis 100 Tieren, die von der ältesten Elefantenkuh, der Matriarchin angeführt wird. Wenn die Männchen in der Pubertät sind, werden sie von den Weibchen aus der Herde vertrieben. Sie leben dann alleine oder schließen sich zu Bullengruppen zusammen. Die Herde mit der Matriarchin neigt dazu, in einer bestimmten Gegend zu bleiben.

Wegen des Elfenbeins in den Stoßzähnen töten Wilderer jedes Jahr 10.000 bis 15.000 Elefanten1 und hacken ihnen mit Äxten die Stoßzähne2 aus. Die Stoßzähne von Elefanten wachsen ein Leben lang, weshalb die ältesten Tiere in der Regel die größten Stoßzähne besitzen. Deshalb werden gerade die Matriarchinnen am stärksten illegal gejagt.

Genetiker von der Universität Illinois in den USA haben jetzt für den Kampf gegen die Wilderei von afrikanischen Elefanten eine neue Software entwickelt, die mithilfe von mitochondrialen DNA-Sequenzen die Herkunft der beschlagnahmten Stoßzähne aufdeckt [1]. Die Software, genannt Loxodonta Localizer3, kann die mögliche Herkunft innerhalb von sechs Tagen nach Erhalt der Probe und mit hoher Genauigkeit bestimmen.

Was ist mitochondriale DNA und warum eignet sie sich so gut für diese Aufgabe? Dafür müssen wir uns ein wenig mit der Molekularbiologie der Zelle beschäftigen. Der größte Teil der DNA einer tierischen Zelle befindet sich im Zellkern (Kern-DNA). Darüber hinaus besitzen aber auch die Mitochondrien, Zellorganellen, die sich im Zytoplasma befinden, DNA.

Tierische Zelle, Nucleus = Zellkern, Mitochondria = Mitochondrien

Mitochondriale DNA ist eine ringförmig geschlossene, in sich verdrehte DNA. Sie unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der DNA des Zellkerns. Die Vererbung erfolgt in rein mütterlicher Linie, d. h. die mitochondriale DNA wird von der Mutter an alle ihre Kinder vererbt. Dies macht sie sehr nützlich für den Einsatz bei Elefanten, da die Herden matrilinear organisiert sind und die Weibchen in einem bestimmten Gebiet bleiben, sagt Alfred Roca, der die Entwicklung der Software leitete.

Die meisten Bereiche der mitochondrialen DNA mutieren im Durchschnitt zehnmal so schnell, wie die Kern-DNA. Das erlaubt den Forschern mit einer Molekularen Uhr4, die mit mitochondrialer DNA arbeitet, kürzere Zeiträume abzudecken, als mit einer, die mit Kern-DNA arbeitet.

Ihre spezielle Struktur macht die mitochondriale DNA resistenter gegen DNA-abbauende Umwelteinflüsse wie Feuchtigkeit und große Hitze.

Während jede Zelle nur einen Zellkern besitzt, finden sich – je nach Gewebe – pro Zelle bis zu einige Tausend Mitochondrien. Die mitochondriale DNA liegt also in höherer Kopienzahl vor, pro Zelle gerechnet existiert hier mehr potenzielles Untersuchungsmaterial. “Elfenbein enthält geringe Mengen an DNA”, so Roca. “Es ist tot, aber die Zellen sind in das Elfenbein eingebettet.”

Für die Bestimmung der Herkunft sequenzierten die Genetiker die mitochondriale DNA, d. h. sie bestimmten die Nukleotidabfolge der DNA, von zwei Bereichen der Kontrollregion der mitochondrialen DNA. Da Individuen verschiedener mütterlicher Linien sich in diesen Bereichen in der DNA-Sequenz unterscheiden, werden diese Bereiche auch hypervariable Region 1 und 2, abgekürzt HVR1 und 2, genannt. Die HVR1 reicht von Position 16000 bis 16400, die HVR2 von Position 00040 bis 00400 der mitochondrialen DNA.

Forscher nutzten bisher mehrere genetische Marker aus der Kern-DNA, um die Herkunft der beschlagnahmten Stoßzähne zu bestimmen. Die Kern-DNA, die von beiden Elternteilen vererbt wird, kann helfen, einzelne Elefanten zu identifizieren. Aber die Bestimmung der geografischen Herkunft eines Elefanten mit nuklearer DNA ist eine komplizierte Aufgabe, die mehr genetische Daten und statistische Modelle erfordert, sagt Roca.

“Wenn man sich die nuklearen Gene ansieht, gibt es in ganz Zentralafrika kaum Unterschiede; die Waldelefanten sehen alle ziemlich gleich aus”, sagt er. “Aber wenn man sich die mitochondriale DNA ansieht, gibt es diese regionalen Gruppierungen.”

Die hypervariablen Regionen der mitochondrialen DNA enthalten Mutationen, die sehr viel jünger sind als die Mutationen in anderen Bereichen der zellulären DNA. Sie zeigen die jüngsten genetischen Veränderungen zwischen den Gruppen. Dies macht sie zu einem idealen Werkzeug zur Unterscheidung von Elefantenpopulationen.

Der Loxodonta Localizer enthält mitochondriale DNA- Sequenzen von mehr als 1.900 afrikanischen Wald- und Savannenelefanten. Die Sequenzen wurden aus bereits veröffentlichten Studien mit afrikanischen Elefanten zusammengestellt. Die Software wurde von Kai Zhao entwickelt, der in Roca’s Labor als Doktorand tätig war. Cory Green, ein Techniker, verbrachte fast ein Jahr damit, die Daten zu verifizieren und sicherzustellen, dass die geografischen Orte und Sequenzen in der Datenbank übereinstimmen.

“Im Moment glaube ich, dass wir ungefähr einen von 200 Elefanten in Afrika in der Datenbank haben”, so Roca. “Was wir wirklich brauchen, sind mehr Proben von mehr Orten, damit die Datenbank so viele der seltenen, aber geografisch informativen Sequenzen wie möglich enthält.

Die Forscher testeten den Loxodonta Localizer mit mitochondrialen DNA-Sequenzen von Stoßzähnen, die 2012 in Malaysia beschlagnahmt wurden. Das Elfenbein wurde bereits unabhängig analysiert und anhand von DNA-Markern aus Kern-DNA einer geografischen Region zugeordnet. Die beiden Analysen stimmten überein, aber die neue Software erlaubte eine schnellere und billigere Analyse. Sie bot auch ein präziseres geografisches Bild der Herkunft der Stoßzähne, da die Beschlagnahmungen relativ seltene mitochondriale DNA-Sequenzen enthielten, die auf dieselben geografischen Regionen zeigten.

Die Möglichkeit, die Region des gewilderten Elfenbeins innerhalb von Tagen nach seiner Beschlagnahmung zu bestimmen, kann die Reaktion auf Wilderei in neuen oder unerwarteten Gebieten beschleunigen, sagt Roca.

Die Forscher hoffen, dass Genetiker in ganz Afrika damit beginnen, die DNA ihrer Elefanten zu sequenzieren und diese DNA-Sequenz in die Datenbank einzugeben. Dies ermöglicht es den lokalen Laboratorien, ihre eigene forensische Arbeit durchzuführen, ohne sich auf den Versand von Elefanten- oder Elfenbeinproben außerhalb ihres eigenen Landes verlassen zu müssen.

Fußnoten

  1. Derzeit leben noch schätzungsweise 350.000 Elefanten in Afrika.
  2. Unter Elefanten gibt es „Linkszähnler“ und „Rechtszähnler“. Das können Forscher daran erkennen, dass der bevorzugte Stoßzahn stärker abgenutzt ist. Mit dem Elfenbein aus den Stoßzähnen werden z.B. Klaviertasten, Billardbälle, Kämme, Halsketten, Armreife, Schnitzfiguren hergestellt.
  3. Zoologen unterscheiden zwei Arten Afrikanischer Elefanten: Savannenelefanten (Loxodonta africana) und Waldelefanten (Loxodonta cyclotis).
  4. Als Molekulare Uhr bezeichnet man eine Methode, die die Anzahl von Unterschieden zwischen zwei homologen DNA-Sequenzen dazu verwendet, bei zwei eng miteinander verwandten Arten den Zeitpunkt, zu bestimmen, an dem sich die beiden Arten im Stammbaum getrennt haben. Genetiker würden z.B. die DNA-Sequenz des Cytochrom C-Gens des Menschen mit der DNA-Sequenz des Cytochrom C-Gens des Schimpansen vergleichen. Je mehr Unterschiede diese beiden DNA-Sequenzen haben, desto länger liegt dieser Zeitpunkt zurück. Bevor Evolutionsbiologen eine molekulare Uhr einsetzen, müssen sie wissen, welchen Zeitraum sie damit abdecken wollen. Denn wie „schnell“ die molekulare Uhr geht, hängt von der Mutationsrate in diesen DNA-Sequenzen ab, daher von der Anzahl der Mutationen pro Zeiteinheit. Wenn es beispielsweise um eine Frage der Makroevolution geht, die Vergleiche über mehrere Hundert Millionen Jahre erfordert, ist eine „sehr langsam“ gehende Uhr – wie die DNA-Sequenzen von ribosomalen Genen – am besten geeignet. Dagegen benötigt man für Vergleiche der Mikroevolution über etwa einige Zehntausend Jahre und weniger, eine „schnell gehende“ Uhr, wie zum Beispiel Bereiche der mitochondrialen DNA.

Weiterführende Literatur

[1]. Kai Zhao, Yasuko Ishida, Cory E Green, Alexis G Davidson, Frankie A T Sitam, Cassidy L Donnelly, Alida De Flamingh, Tolulope I N Perrin-Stowe, Stéphanie Bourgeois, Adam L Brandt, Stephanie J Mundis, Rudi J van Aarde, Jonathan A Greenberg, Ripan S Malhi, Nicholas J Georgiadis, Ross McEwing, Alfred L Roca, Loxodonta Localizer: A Software Tool for Inferring the Provenance of African Elephants and Their Ivory Using Mitochondrial DNA, Journal of Heredity, Volume 110, Issue 7, October 2019, Pages 761–768. 

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Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

1 Kommentar

  1. Interessant, dass Elefantinnen eine Art Heimarverbundenheit entwickeln obwohl sie körperlich wohl durchaus zu grossen Wanderungen in der Lage wären.

    Beim Menschen könnte man mittels Mitochondrien-DNA ebenfalls die matrilineare Linie bestimmen. Anders als bei Elefanten kann ich mit aber nicht so gut vorstellen, welche Informationen man daraus ableiten könnte, die man nicht schon über die Zellkern-DNA erhält.

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